Ansichten eines Regenwurms

Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.

Irgendein Mensch sollte darum besorgt sein, diesem Schrecken ein Ende zu machen

„Wussten Sie, dass am Wiener Kongress der europäische Sklavenhandel abgeschafft wurde?

Englands Außenpolitik am Wiener Kongress war generell pragmatisch, aber in einem Punkt war sie stur: England verlangte von den anderen europäischen Mächten die Abschaffung des Sklavenhandels. Frankreich, Spanien und Portugal kämpften mit allen Mitteln dagegen, Preußen und Österreich war das Thema "Negerhandel in Afrika" egal.

Schließlich machte Englands Vertreter am Kongress, Lord Castlereagh, das Ende des Sklavenhandels zu einem Hauptverhandlungspunkt, drohte mit einem Handelsboykott für Staaten, die sich widersetzten. So kam am 8. Februar 1815 eine Erklärung zustande, im Sinne der "Prinzipien der Humanität und der universellen Moral". Ein nennenswerter Rückgang des Sklavenhandels gelang allerdings erst ab den 1850er Jahren - die betroffenen Staaten hatten auf einer Übergangsfrist bestanden. Die Zahl der in Afrika zwischen 1801 und 1867 verschifften Sklaven wird auf 3,5 Millionen geschätzt, die Gesamtzahl zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert 11 Millionen.“

http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/3868131/Sklaverei-Fidelio-und-der-Wiener-Kongress_Was-Sie-vielleicht-nicht?gal=3868131&index=1&direct=&_vl_backlink=&popup=

 

Auch, wenn sich der Erfolg in Grenzen hielt – erstmals wurde vor 200 Jahren in einem internationalen Vertragswerk aus "Prinzipien der Humanität und der universellen Moral" der Sklavenhandel (jedoch nicht die Sklaverei) verboten.

Inne halten

Letzte Woche wurde der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren gedacht. Das Gedenken war anders als sonst. Sebastian Range schreibt hierzu:

„Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee der Sowjetunion die rund 7500 noch im Lager verbliebenen Häftlinge befreit, die die SS zurückgelassen hatte, als sie Zehntausende Gefangene auf die Todesmärsche in den Westen zwang. Das Lager im Süden des besetzten Polen war das größte Vernichtungslager der Nazis. Mindesten 1,1 Millionen Menschen fanden hier ihren Tod. Die allermeisten Opfer waren Juden. Aber auch Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, Polen, Homosexuelle und politische Häftlinge wurden in Auschwitz getötet.

Die Sowjetunion trug die Hauptlast im Kampf gegen Nazi-Deutschland. Schätzungsweise zehn Millionen Rotarmisten verloren dabei ihr Leben, rund drei Millionen davon in deutscher Kriegsgefangenschaft. Hinzu kommen etwa 15 Millionen getötete Zivilisten.

Überschattet wird der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz von Versuchen Warschaus, das Gedenken vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise für politische Zwecke zu missbrauchen – die polnische Regierung gilt als einer der engsten Verbündeten Kiews. 

Für erheblichen Unmut in Moskau sorgte Warschaus Entscheidung, Wladimir Putin nicht zur Gedenkzeremonie in Auschwitz einzuladen. Zum 60. Jahrestag hatte er noch als höchster Vertreter des Nachfolgestaates der Sowjetunion, und damit als Repräsentant der Befreier, eine Rede auf der Gedenkfeier in Auschwitz  gehalten.

Seine Einladung zur heutigen Zeremonie galt noch vor Wochen trotz des angespannten Verhältnisses zwischen Moskau und dem Westen als diplomatische Selbstverständlichkeit – schließlich soll das Gedenken an jenem Ort, der wie kein anderer für die Gräueltaten der Nazis steht, über alle aktuellen politischen Dispute hinweg erhaben sein. 

Wenn jemand es verdient habe, an der Befreiungszeremonie teilzunehmen, dann Wladimir Putin, kritisierte Efraim Zuroff  vom Simon-Wiesenthal-Zentrum die Entscheidung der polnischen Regierung: „Immerhin war es die Rote Armee, die Auschwitz befreite und dem Massenmord in dem Lager ein Ende bereitete.“ Putins Anwesenheit bei der Zeremonie in Auschwitz wäre mit der Erinnerung an die Identität der Befreier verbunden gewesen, „eine Tatsache, die die osteuropäischen EU-Mitglieder am liebsten vergessen würden“, so Zuroff.“

http://www.hintergrund.de/201501273399/politik/welt/auschwitz-gedenken-kein-platz-fuer-putin.html

Wahre Patrioten

“Einen Steinwurf entfernt von der US-Botschaft in Berlin trafen sich am Donnerstagabend “Unter den Linden” etliche Ex-Geheimdienstler zur jährlichen Verleihung des nach dem CIA-Analysten benannten Sam Adams benannten Whistleblowerpreises. Adams war 1968 während des Vietnamkriegs an die Öffentlichkeit gegangen, die von der US-Regierung belogen wurde. Dieses Jahr wurde die Auszeichnung an William Binney vergeben, einem der Architekten der NSA, der jedoch die massiven Eingriffe in die Bürgerrechte nach 2001 nicht mehr mittragen wollte.”

Dies der Beginn eines „Telepolis“-Artikels von Markus Kompa.

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43942/1.html

 

Eine hochrangige Veranstaltung mit einem hochrangigen Preisträger, der letztes Jahr als Zeuge vor dem NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag aussagte. Also ein “gefundenes Fressen” für die Medien. Sollte mensch meinen.

Mensch gebe mal folgende Begriffe in seine Suchmaschine ein:

„william binney berlin sam adams“

Dann wird er feststellen, dass von den deutschen Staatsmedien allein die „taz“ darüber berichtet hat, dass es zur Preisverleihung kommen wird. Der Rest hat die Veranstaltung der Bevölkerung unterschlagen. 

Biblische Plage

Zusammen mit Hans Has war der Wurm mal wieder im Kino. Und zwar im Film „Exodus – Götter und Könige“. Hier der Link zur entsprechenden Seite:

http://www.exodus-derfilm.de/#home

 

Der Film hält sich nicht immer an den Bibel-Text und ist geschichtlich auch nicht immer korrekt (mal davon abgesehen, dass weder der Name Moses noch der Auszug der Israeliten aus Ägypten in historischen Texten vermerkt sind). Wurm kann damit aber leben – es ist zumindest kein dermaßen Ärgernis wie bei Buch und Film „Der Medicus“ (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/51-seichtgebiete.html).

 

Der Film passt in die heutige Zeit:

- schnelle Schnitte

- Kampfhandlungen noch und nöcher, wobei nach dem Kampf wie üblich Helden und Tote gezeigt werden – es gibt aber keinen, der irgend welche Schmerzen hat, keinen, um den irgend jemand trauert

- Glauben ist gut, auch wenn es sich um Blödsinn handelt: Die Prophezeiungen aus der Eingeweide-Schau eines Vogels erweisen sich als richtig, während die Gelehrten die 10 Plagen weder erklären noch abstellen können.

Die zentrale Aussage des Filmes lautet: wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wir haben das Recht, mit dem zu machen, was uns gerade passt.

Zu früheren Zeiten wurde der Gegner immer als „böse“ dargestellt. „Das Böse“ musste besiegt bzw. die Menschenrechte mussten durchgesetzt werden. Das ist jetzt nicht mehr nötig: es geht nicht mehr gegen „die Bösen“, sondern gegen „die Anderen“.

Das wird an der zentralen Stelle des Films deutlich, als der verzweifelte Pharao Moses gegenüber steht, nachdem alle erstgeborenen Söhne der Ägypter vom israelischen Gott getötet wurden, inclusive seinem eigenen: „Welche Fanatiker beten solch einen Gott an, der sogar Kinder tötet?“ Die Antwort lautet nicht „Weil Du uns nicht hast gehen lassen“, sondern „Weil es eure Kinder sind“.

Zwar wird die ägyptische Oberschicht (und quasi nur die wird gezeigt) als dekadent dargestellt, was sich unter anderem in der Gesichts-Bemalung (auch und gerade bei den Männern) zeigt, während die Israeliten allesamt aus einer Schicht stammen und als gute, natürliche Menschen dargestellt werden. Aber: die Ägypter sind nicht nur böse, vor allem empfinden sie Schmerz beim Tod ihrer Kinder.

Und die mussten sterben, „Weil es eure Kinder sind“. 

National Gallery

Zur Zeit läuft in den Kinos der Dokumentarfilm „National Gallery“ von Frederick Wiseman. Joachim Kurz hat hierzu eine treffende Kritik geschrieben, die der Wurm zitieren möchte:

„Es beginnt beinahe wie eine Diaschau: Wir sehen Bilder, Bildausschnitte, leere Museumsräume und -fluchten. Fast scheint die National Gallery in London in diesen ersten Momenten so etwas wie eine schlafende Schönheit zu sein, ein Gebilde, in dem die Bilder und Kunstwerke ganz für sich sind und über Nacht, so könnte man imaginieren, ein geheimnisvolles Eigenleben führen.

Nun aber schlafen sie, ruhen sich aus von den Jahrhunderte alten Abenteuern und Geschichten, die sie schon gesehen und erlebt haben. Bis ein Angestellter des altehrwürdigen Hauses, in dem sie ihre Ruhe gefunden haben, mit einer Bohnermaschine die Stille jäh zerstört.

Dann belebt sich der Film; die Menschen, die als Besucher in das Museum strömen und die Mitarbeiter, die vor und hinter den Kulissen der National Gallery wirken, nehmen ihre Plätze ein. Besonders beeindruckend sind dabei zu Beginn die verschiedenen Museumsführer, die mit viel Verve, Fachwissen und Eloquenz die Bilder erläutern, verschiedene Blickwinkel erläutern, Kleinkindern ebenso wie Jugendlichen und Erwachsenen etwas zu vermitteln wissen, das diese mit in die Welt da draußen nehmen können. Fast immer geht es um die Faszination an Geschichten, um die versteckten Details, die versteckten Hinweise, um die Einordnung dessen, was man zu sehen bekommt, in die historische Lebenswelt und um die Vermittlung, das Näherbringen, kurz: um die Liebe zu Bildern und dem, was sich hinter ihnen verbirgt.