Ansichten eines Regenwurms

Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.

Frühbürgerliche Revolution in Deutschland

Vor 25 Jahren wurde in Bad Frankenhausen (Thüringen) ein Kunstwerk eingeweiht, das in seiner Machart nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit einzigartig ist. 

„Der Schreiber dieser Zeilen hatte das Glück, den Rundbau auf dem Hügel bei Frankenhausen im Oktober des Jahres 1987 zu besuchen, einige Wochen bevor Werner Tübke, nach zwölfjähriger Arbeit, sein Werk als vollendet bezeichnete, anderthalb Jahre bevor es der Öffentlichkeit gelegentlich einer Feier zugänglich gemacht werden wird. Wir waren zu dritt, mit zwei freundlichen Erklärern. Danach durften wir noch das Ehepaar Tübke begrüßen. Der Meister war tief erschöpft, soviel spürte man, sehr erholungsbedürftig, aber glücklich wohl auch. Was konnte ich ihm sagen? Kaum mehr, als was ich in das Gästebuch schrieb: „Voll Bewunderung und Staunen.“ Betritt man das riesige Gewölbe, sieht man steil nach oben, so wird man zunächst von etwas wie Schwindel erfasst. Dann versucht man sich zu orientieren; wozu eine Stunde niemals ausreichen kann. Es ist eine Welt, die sich da auftut; Menschenwelt im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts. Hatte der Meister Vorbilder, so waren es Maler eben jener Zeit; keineswegs die Historien-Maler des neunzehnten, die gar so schlecht auch nicht waren, mit denen sich aber jeder Vergleich verbietet. Überhaupt versagt hier das bloße Wort. Realismus? Ja, doch, der auch. Man sieht die Qual eines aufs Rad Geflochtenen. Man sieht Henker und Gehängte. Man sieht das üppige Leben, Lust und Wollust neuen, reich gewordenen Bürgertums. Stimmig ist auch hier eine Druckerwerkstatt mit von der Partie: Wirklichkeit und Symbol der neuen Großmacht. Aber wer unter jener Kuppel auf dem Frankenberg steht, dem Gemälde ohne Anfang, ohne Mitte und ohne Ende, der Schau, in welcher Symbole wie der berstende Turm von Babylon oder ein Regenbogen hoch über dem Schlachtengewimmel sich mit historischen Figuren versöhnen, dem wird die Zaubermacht der Kunst für einen Moment alle Theorie als grau in grau erscheinen lassen.“

 

Beim Schreiber dieser Zeilen handelte es sich um Golo Mann, einen der bedeutendsten deutschen Historiker. 

Maschinenpistolen für Kinder

Mensch überlege sich mal, was er im Alter von 8 oder 9 Jahren gemacht hat. Oder was seine Eltern zu jener Zeit mit ihm unternommen haben.

Letzte Woche hat in der Nähe von Las Vegas ein 9-jähriges Mädchen völlig legal auf einem Schießstand mit einer Maschinenpistole einen Menschen erschossen. Es handelte sich um einen Unglücksfall. Da ein 9-jähriges Kind nun mal rein körperlich nicht mit einer Maschinenpistole umgehen kann, trägt für das Unglück der Schießlehrer die Schuld. Zur Verantwortung braucht der nicht mehr gezogen zu werden – er ist der Getötete.

„Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht“ ist ein Spruch, der im deutschen Sprachraum den meisten Kindern beigebracht wird (und in den USA gibt es mit Sicherheit ähnliche Sprüche). Wenn die Kinder etwas größer sind, sehen es die Eltern wohl auch nicht gerne, wenn sie mit Maschinenpistolen rumballern.

In den USA ist das Schießen für Kinder je nach Bundesstaat unterschiedlich geregelt. In diesem Fall (Arizona) betrug das Mindestalter 8 Jahre unter der Voraussetzung, dass mindestens ein Elternteil oder gesetzlicher Vertreter dabei ist. In diesem Fall waren beide Eltern dabei und haben Filmaufnahmen ihrer Tochter gemacht.

Pax Romana

Kein Wurm könnte behaupten, er lebe in einer langweiligen Zeit. Wurm könnte sogar sagen, die Welt sei aus den Fugen geraten. Allerdings ist sie das ja schon, seitdem es Menschen auf der Erde gibt.

Nichtsdestotrotz nimmt sich der Wurm die Muße, sich Gedanken über ein Ereignis zu machen, das genau 2000 Jahre zurück liegt und gleichzeitig über den Kalender zu sinnieren. Warum heisst der Monat „August“ August? Hätte er nicht etwa Rosel oder Bartholomäus heissen können? Und was soll an einem Ereignis interessant sein, das vor 2000 Jahren statt gefunden hat?

Das Ereignis war der Tod des ersten römischen Imperators Octavian, der den Ehrennamen Augustus verliehen bekam („augere“ = mehren, wachsen lassen). Und nachdem der Monat August benannt worden ist. Wer es noch nicht wissen sollte: bis auf den heutigen Tag werden im deutschen Sprachraum (und nicht nur da) Monatsnamen aus der Zeit der Römer verwendet:

Go East

Der Wurm sagt: „Und da gibt es Leute, die allen Ernstes behaupten, dass die Frieden liebenden europäischen Staaten gar keinen Krieg wollten, sondern „hineingeschlittert“ seien. Menschen tendieren dazu, je öfter sie einen vollkommenen Blödsinn hören, diesen umso mehr zu glauben. Ein Wurm kann jedoch logisch denken und geht davon aus, dass solche Menschen, die diesen Unfug mit dem „Hineinschlittern“ in den 1. Weltkrieg von sich geben, entweder dumm sind oder lügen. Aus welchen Gründen auch immer.“ http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/109-platz-an-der-sonne.html

 

Passend dazu ein Zitat von George Orwell: "Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft: wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit."

Staaten machen gewöhnlicherweise für ihre Außenpolitik Langzeitpläne. Damit das Volk nicht gegen unpopuläre Entscheidungen rebelliert, werden für die Kontrolle der Gegenwart Journalisten eingespannt und für die Kontrolle der Vergangenheit Historiker.

Um die Historiker vorwegzunehmen, für die sich der 1. Weltkrieg als Zukunftsmodell anbietet:

- es gibt keine Schuldigen am Krieg, vor allem nicht Deutschland (alle sind „hineingeschlittert“)

- wenn es deutsche Kriegsverbrechen gab, werden sie relativiert mit dem Ziel, sie als unbedeutend darzustellen

-  der Krieg ging in die falsche Richtung – eigentlich hätte er zur Gänze Richtung Osten gehen müssen

- Historiker, die früher etwas anderes behaupteten, werden diffamiert, etwa, indem sie „unsauber“ arbeiteten oder ihre Thesen als „überholt“ gelten

Platz an der Sonne

„Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen Nachbarn mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freundschaft zerbrechen. Die Kaiserlich Russische Regierung hat sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nachgebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigung verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges veranlaßte.“

Vor 100 Jahren, am 4. August 1914, hielt Kaiser Wilhelm II. eine Thronrede zum Kriegseintritt Deutschlands.

Der Wurm möchte noch zwei Zitate daraus bringen, auf die er später eingehen wird:

„Die Feindseligkeit, die im Osten und im Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegenwärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessenkonflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reiches.

Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den uns Gott gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.

Hier wiederhole ich: Ich kenne keine Partei mehr, ich kenne nur Deutsche! Zum Zeichen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Stammesunterschiede, ohne Konfessionsunterschied durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir das in die Hand zu geloben.“