Zur Zeit läuft in den Kinos der Dokumentarfilm „National Gallery“ von Frederick Wiseman. Joachim Kurz hat hierzu eine treffende Kritik geschrieben, die der Wurm zitieren möchte:
„Es beginnt beinahe wie eine Diaschau: Wir sehen Bilder, Bildausschnitte, leere Museumsräume und -fluchten. Fast scheint die National Gallery in London in diesen ersten Momenten so etwas wie eine schlafende Schönheit zu sein, ein Gebilde, in dem die Bilder und Kunstwerke ganz für sich sind und über Nacht, so könnte man imaginieren, ein geheimnisvolles Eigenleben führen.
Nun aber schlafen sie, ruhen sich aus von den Jahrhunderte alten Abenteuern und Geschichten, die sie schon gesehen und erlebt haben. Bis ein Angestellter des altehrwürdigen Hauses, in dem sie ihre Ruhe gefunden haben, mit einer Bohnermaschine die Stille jäh zerstört.
Dann belebt sich der Film; die Menschen, die als Besucher in das Museum strömen und die Mitarbeiter, die vor und hinter den Kulissen der National Gallery wirken, nehmen ihre Plätze ein. Besonders beeindruckend sind dabei zu Beginn die verschiedenen Museumsführer, die mit viel Verve, Fachwissen und Eloquenz die Bilder erläutern, verschiedene Blickwinkel erläutern, Kleinkindern ebenso wie Jugendlichen und Erwachsenen etwas zu vermitteln wissen, das diese mit in die Welt da draußen nehmen können. Fast immer geht es um die Faszination an Geschichten, um die versteckten Details, die versteckten Hinweise, um die Einordnung dessen, was man zu sehen bekommt, in die historische Lebenswelt und um die Vermittlung, das Näherbringen, kurz: um die Liebe zu Bildern und dem, was sich hinter ihnen verbirgt.
Frederick Wisemans knapp dreistündige Studie des Innenlebens einer Kulturinstitution von Weltrang gleicht fast ein wenig jener Röntgenaufnahme eines Reiterbildes, das der Restaurator der National Gallery an einer der schönsten Stellen des Filmes vorstellt. Seine detailreichen Erläuterungen vor den Kollegen über die Schwierigkeiten und Herausforderungen während der Arbeit an dem Bild beginnen den Zuschauer (zumindest den, der nicht selbst die gleiche Profession ausübt wie dieser durchaus eloquente Mann) gerade ein wenig zu ermüden, dann folgt eine Pointe, die beinahe wie ein Zaubertrick anmutet, mit der schlagartig das Interesse des Betrachters von Neuem geweckt wird. Bei der Röntgenaufnahme des Bildes nämlich stellte sich heraus, dass unter dem eigentlichen Bild ein zweites verborgen ist, die Ansicht eines Mannes ohne Pferd, die später übermalt und in Details wiederverwendet wurde.
Frederick Wisemans Einblicke in das Innenleben der National Gallery erhebt nicht den Anspruch, ein vollständiges Bild des Museums nachzuzeichnen - die Menschen, die er hauptsächlich zeigt, stehen fast ausschließlich in direkter Verbindung mit den Exponaten, sie wirken als Führer, Restauratoren, Ausstellungsmacher, Museumspädagogen oder Marketingexperten, die mit viel Sinn und Verstand über das Image des Museums wachen und die dabei immer wieder die Balance finden müssen zwischen der Grundidee ihres Hauses und dem immer mehr in den Vordergrund tretenden Eventcharakter, ohne den heute auch auf ihrem Feld nichts mehr geht. Eine Ahnung davon bekommt man am Ende des Films, wenn eine Lesung und eine Ballettaufführung vor den Bildern stattfinden. So ganz ohne Kompromisse geht es dann eben doch nicht - der kurz zuvor auf einem Gemälde gezeigte Wettstreit der Künste erfordert in Zeiten harter Konkurrenz um Fördergelder und knapper werdender öffentlicher Ausgaben für den Bereich Kultur just genau das, was man eigentlich verhindern wollte. Dennoch kann man diesen Kulturpessimismus oder -realismus in Wisemans Film allenfalls erahnen. Wie man überhaupt Kritisches in National Gallery eher mit der Lupe suchen muss.
Im Vergleich zu den früheren Arbeiten Wisemans fällt auf, dass soziale Fragestellungen für den Filmemacher kaum mehr von Interesse sind. Niemals sehen wir die kleinen Arbeiter und Angestellten des Museums, bekommen keine Ahnung davon vermittelt, wie eigentlich ihr schlecht bezahlter und unterfordernder Arbeitsalltag aussieht, erfahren nichts über die Probleme, die in einem Mikrokosmos wie dem Museum herrschen, hören nie etwas von Spannungen, Auseinandersetzungen oder Zwistigkeiten. In Wisemans idealisierter Welt ist kein Platz für solche Widrigkeiten und unerfreulichen Phänomene, so scheint es.
Trotz dieser Auslassungen, der enormen Länge von fast drei Stunden und seiner unverhohlen bildungsbürgerlichen Zielrichtung ist National Gallery dennoch ein unglaublich kurzweiliger und interessanter Film, der immer wieder Überraschendes zutage zu fördern versteht. Er verdeutlicht den Wert der Kultur und die Mühe, die ihre Erhaltung, ihre Pflege und vor allem das Vermitteln erfordert. Und man ertappt sich fast dabei, dass man sich wünschen würde, Wiseman möge sich als nächstes Projekt einer Filminstitution zuwenden - die Begeisterung, die er für den Gegenstand seiner Betrachtung zu wecken versteht, täte dem Kino und all den Menschen, die sich tagtäglich dafür einsetzen, gut. Wenn er dann noch den Finger auf die reichlich vorhandenen Wunden und Missstände legen würde, dann würde das ein Film werden, auf den man tatsächlich gewartet hätte.“
http://www.kino-zeit.de/filme/national-gallery
Mensch sollte sich zumindest den Trailer auf der Webseite des Films ansehen
http://www.nationalgallery-film.de/index.html
Dort findet sich folgende Inhaltsangabe:
„Was haben die Bilder von Tizian und Turner, von Rembrandt und Rubens, von Leonardo, Caravaggio und Vermeer uns heute noch zu erzählen? Wie werden die Meisterwerke den Besuchern vermittelt? Was steckt hinter einem Museumsbetrieb, und wie lässt sich eine solche Institution vermarkten? Meister-Dokumentarist Frederick Wiseman, vor kurzem in Venedig mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt, verbrachte 2011-2012 zwölf Wochen in der National Gallery in London, die eine der berühmtesten Kunstsammlungen der Welt beherbergt und jährlich über 6 Millionen Besucher anzieht.
Im klassischen Direct-Cinema-Stil zeigt uns Wiseman, was er als stiller Zeuge im Museum alles beobachtet: Die großen Kunstwerke in monumentalen Großaufnahmen, die Besucher und ihr Blick auf die Bilder, die Führungen, Vorträge, Konzerte, Kuratoren und Kunstvermittler, die Museumsleitung und Marketingspezialisten bei der Arbeit. NATIONAL GALLERY ist ein großartiger Film über die Kunst und den Betrieb, eine Hommage an die Alten Meister, ein Crashkurs in Kunstgeschichte und eine Führung durch die berühmte Galerie.“
Joachim Kurz hat bereits darauf hingewiesen, dass die „sozialen Fragestellungen“ fehlen. Den Wurm hätte schon interessiert, welche Auswirkungen die Millionen-Einsparung im Bereich des Personals auf die Betroffenen gehabt hatte.
Bei allem, was der Zuschauer noch gerne gesehen hätte: der Film ist ein Fest für den Kultur-Interessierten. Speziell dann, wenn er es mit Gemälden „hat“.
Bei aller Freude an den Gemälden haben wir Bewohner des Erdreichs es schwer, viele der Bilder zu „verstehen“. Anscheinend ist das bei den Menschen nicht anders. Da jeder etwas anderes in die Bilder hinein interpretiert, schließen sie sich gerne Führungen an, bei denen kompetente Kunsthistoriker die Bedeutung erklären.
Bilder sind interpretierbar – Worte sind eindeutig. Sollten es zumindest sein.
Führungen bietet die National Gallery selbst an, aber auch „London Walks“, das sehr kompetente „Walking Tours“ in ganz London anbietet:
http://www.walks.com/Standalone/Guided_Tour_of_the_National_Gallery/default.aspx#23216
Die National Gallery
Aus “Wikipedia”:
„Die National Gallery ist ein Kunstmuseum in London. Sie befindet sich am nördlichen Ende des Trafalgar Squares und gilt als eine der umfassendsten und bedeutendsten Gemäldegalerien der Welt. Die hier ausgestellte staatliche Gemäldesammlung umfasst rund 2300 Werke vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. Der Eintritt zur ständigen Gemäldeausstellung ist frei. Das Haus ist mit 4,9 Millionen Besuchern eines der meistbesuchten Museen der Welt.“
http://de.wikipedia.org/wiki/National_Gallery_(London)
Die National Gallery hat eine informative Homepage, teilweise in deutscher Sprache. Der Besucher kann virtuell durch einige Räume gehen und Gemälde durch Vergrößern näher betrachten. Es gibt einen Raumplan, Rundgänge zu den Themen „Das Leben Christi“ und „Museumsbesuch mit Kindern“ (mit Bildbeschreibungen) sowie weitere Service Angebote:
http://www.nationalgallery.org.uk/visiting/german/
http://www.nationalgallery.org.uk/visiting/german/life-of-christ-german
http://www.nationalgallery.org.uk/visiting/german/visiting-with-children-german
Der Eintritt ist frei. Wer möchte, kann sich, so oft er mag, im Museum aufhalten und in Ruhe die Bilder (und die Räumlichkeiten) genießen. Der freie Eintritt in große staatliche Museen und deren Bemühen um ihr Publikum durch vielfältige Aktionen (wie etwa Zeichenkurse, Vorträge oder spezielle Führungen) ist in Großbritannien nicht selten. Auf diese Art und Weise entwickeln viele Briten eine Art "Freundschaft" zu "ihrem" Museum oder einem bestimmten Exponat.
Auch, wenn viel „Geklautes“ unter den Exponaten ist, gehört etwa das geniale „British Museum“ in London dazu:
http://www.britishmuseum.org/visiting.aspx?lang=de
1000 Meisterwerke
Wer sich näher für Gemälde und den Erklärungen bzw. Interpretationen interessiert, sei an die „1000 Meisterwerke“ verwiesen, die es auch in Buchform zu kaufen bzw. auszuleihen gibt.
Aus „Wikipedia“:
„1000 Meisterwerke (ursprünglich 100 Meisterwerke aus den großen Museen der Welt) ist der Titel einer unter der Verantwortung des WDR produzierten Fernsehserie, die von 1981 bis 1994 im Deutschen Fernsehen, vom ORF und im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. In den jeweils zehn Minuten dauernden Sendungen wurde jeweils ein Gemälde präsentiert und von Kunsthistorikern analysiert. Die Ausstrahlungen am Sonntagabend hatten fünf Millionen Zuschauer.“
http://de.wikipedia.org/wiki/1000_Meisterwerke
Auf „YouTube“ gibt’s etliche der „Meisterwerke“ zu sehen:
https://www.youtube.com/results?search_query=1000+meisterwerke
Am Besten hat dem Wurm die Interpretation des alten ORF-Testbildes gefallen. Wobei der Wurm davon ausgeht, dass das Gesagte ernst gemeint ist:
https://www.youtube.com/watch?v=AML4DNwNhIM
National Trust
Eine bemerkenswerte private Förderung in Großbritannien von Kultur im weitesten Sinne ist der „National Trust“.
Aus „Wikipedia“:
„Der National Trust for Places of Historic Interest or Natural Beauty (deutsch etwa: „Nationale Treuhandschaft für Orte von historischem Interesse oder von Naturschönheit“), meist verkürzt zu National Trust, ist eine gemeinnützige Organisation, die Objekte aus dem Bereich der Denkmalpflege und des Naturschutzes in England, Wales und Nordirland betreut. Schottland hat eine eigene Organisation für denselben Zweck, den National Trust for Scotland. Der National Trust ist mit 3,7 Millionen Mitgliedern die größte Organisation Europas für Kultur- und Naturschutz und eine der größten Organisationen in Großbritannien. Präsident ist Prinz Charles. Der Verwaltungssitz ist in Swindon in Südwestengland.
Der National Trust wurde 1895 im Viktorianischen Zeitalter gegründet. Zu den Gründern gehörten Octavia Hill, Sir Robert Hunter und Canon Hardwick Rawnsley. Ziel war es, Gebäude oder Landschaften von historischem Interesse oder besonderer Schönheit zu bewahren. Die Grundidee war, dass nur der Privatbesitz von Gebäuden und Grundstücken diese vor einer späteren Zerstörung oder Verbauung durch den Staat oder Unternehmen bewahren kann.
In den Vereinsstatuten ist festgeschrieben, dass einmal erworbene Grundstücke oder Gebäude vom Trust nicht wieder verkauft werden dürfen.
Derzeit zählen rund 200 historische Gebäude und Gärten sowie 47 industrielle Bauwerke und Mühlen, 49 Kirchen und Kapellen, einige Pubs und 19 Schlösser zum Eigentum des Trusts.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben zahlreiche britische Adlige anstelle von hohen Erbschaftssteuern ihre Herrenhäuser dem Staat übergeben, der sie anschließend dem National Trust überließ … Oft konnten die Besitzer jedoch ein Wohnrecht vereinbaren, das ihnen in einem Teil der Räumlichkeiten gewährt wurde …
Heute besitzt der National Trust mit etwa 2550 km² Grundbesitz 1,5 Prozent des Landes, darunter ein Viertel des Lake District, sowie über 1120 km Küstenlinie. Dies sind etwa zehn Prozent der gesamten Küste …
Soweit dies nicht durch Baumaßnahmen verhindert wird, öffnet der Trust seinen Besitz gegen eine Eintrittsgebühr für Besucher. Den Mitgliedern der Organisation stehen die zahlreichen Denkmäler und Parkanlagen kostenlos offen. Bei einer längeren Tour durch England, Wales und Schottland kann es deshalb sinnvoll sein, vorher dem National Trust beizutreten; es gibt auch Touristen-Pässe für sieben Tage. Im Jahr 2004 besuchten rund 50 Millionen Menschen die Einrichtungen des National Trust, durch den vier von fünf geschichtlich wertvollen Häusern für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Der Etat des National Trust beträgt rund 470 Millionen Euro.
Finanziert wird dieses Unterfangen vor allem über die Beiträge der Mitglieder, unbezahlte Arbeit der 61.000 Freiwilligen, Spenden, Erbschaften und Geschenke. Auch die Erträge der Andenkenläden, Restaurants und aus Vermietungen fließen in den Haushalt ein. In den Vereinigten Staaten wurde The Royal Oak Foundation gegründet, um so leichter Spenden sammeln zu können.“
http://de.wikipedia.org/wiki/National_Trust
http://www.nationaltrust.org.uk/
Der „National Trust“ ist, wie die Finanzierung und der freie Eintritt in staatlichen Museen, Ausdruck für den in Großbritannien herrschenden Gemeinsinn und für die Bewahrung von geschichtlicher Identität.
Wenn bei einer Einwohnerzahl von ca. 64 Millionen Menschen ca. 4 Millionen Mitglieder (inclusive Schottland) und über 60.000 Freiwillige mit ihrer Arbeit den „National Trust“ unterstützen, ist das beeindruckend.
Wer schon mal auf einer Studienreise in Großbritannien war, wird vielen dieser Freiwilligen in den Liegenschaften des „National Trust“ begegnen, und wenn es nur im „shop“ des Gemäuers ist. Und wird Gelegenheit haben, mit denen ein paar Wörtchen zu wechseln und feststellen, mit welcher Begeisterung und Stolz viele ihrer Arbeit nachgehen.
Und ist beschämt, wenn er die Frage hört, ob es in Deutschland auch so etwas wie den „National Trust“ gibt und ob die Menschen auch so begeistert davon wären.
Na ja, erst seit 1985 gibt es die „Deutsche Stiftung Denkmalschutz“. Die Gründer sind dafür zwar zu loben – aber im Wesentlichen handelt es sich um eine Kopfgeburt ohne den ganz großen Rückhalt in der Bevölkerung. Es gibt zwar über 200.000 Förderer und ein paar, die unentgeltlich dafür arbeiten, wird es auch geben, aber das sind gerade mal 5% der Mitglieder in Großbritannien bei einer deutlich höheren Einwohnerzahl. Und in 25 Jahren geben sie so viel aus wie in Großbritannien in einem Jahr.
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Stiftung_Denkmalschutz
Das heisst jetzt nicht, dass in Deutschland im gleichen Verhältnis weniger getan würde. Es ist halt anders organisiert. Vor allem staatlich. Allerdings hat der Staat (also auch die Kommunen) manchmal ganz andere Interessen.
Dies zeigte sich nach dem 2. Weltkrieg, als sich nur wenige für Denkmalschutz interessierten. Gut, da gab es andere Sorgen, aber auch unter dieser Berücksichtigung wurde mehr kaputt gemacht als nötig gewesen wäre. Bis in die 1970er ging das so, wo vor allem dem Straßenbau viel geopfert wurde.
Erst ab einem gewissen Wohlstand kümmern sich die Menschen um solche Sachen wie “Bewahrung“ und Lebensqualität. Erst dann, ab den 1970ern, begannen sich die Menschen um ihre Umwelt und ihr historisches Erbe zu sorgen. Der gleiche Prozess ist heute in aufstrebenden Ländern wie China zu beobachten.
In Großbritannien ist das anders. Dort wird der „National Trust“ mit seinen Anliegen schon wg. der Anzahl der Mitglieder sehr ernst genommen. Und verfolgte von Anfang an die Politik, dass nur das sicher vor staatlichem Zugriff ist, was Eigentum des „National Trust“ ist.
Dass in Deutschland wg. hoher Erbschaftssteuern oder aus Idealismus dem Staat bzw. einer nationalen Stiftung Herrenhäuser übereignet wurden, hat der Wurm auch noch nicht oft gehört.
In Deutschland sieht es in der Praxis unterschiedlich aus. Tatsächlich gibt es auf lokaler oder regionaler Ebene viele Idealisten, die sich um ihr historisches Erbe kümmern. Mit großem Erfolg. Meistens sieht es aber so aus, dass vor Ort ein paar idealistische Hansel was machen, aber vom Rest der Bevölkerung alleine gelassen werden.
Mit den entsprechenden Folgen: wer nicht weiss, wo er her kommt, kann nicht wissen, wo er gerade steht und wo er hin gehen wird. In Großbritannien wissen sie das.
Bürgertum und Museen
Zur Geschichte der Museen siehe den folgenden Link zu „Wikipedia“:
http://de.wikipedia.org/wiki/Museum
Interessant ist die Doktorarbeit von Tatiana Sfedu mit dem Titel „Museumsgründung und bürgerliches Selbstverständnis - Die Familie Leiner und das Rosgartenmuseum in Konstanz“, aus der der Wurm zitieren möchte:
„Standen diese Sammlungen zu Beginn nur Bevorrechtigten offen, so änderte sich dies am Ende des 18. Jahrhunderts. Die Französische Revolution bewirkte, dass neben der Abschaffung vieler Privilegien ebenso gefordert wurde, kulturelle Güter der Nation für das ganze Volk zugänglich zu machen. Aus den königlichen Sammlungen entstanden somit die ersten öffentlichen Museen. Diese verbreiteten sich in ganz Europa.
In Deutschland waren die frühesten öffentlichen Museen jedoch vielmehr ein Produkt monarchischer und bürgerlicher Initiative. Besonders das aufstrebende Bürgertum demonstrierte damit sein neues Selbstbewusstsein. Gefördert wurde dies durch die politischen Umstände, die in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts herrschten. Insbesondere die napoleonische Herrschaft führte zur Ausbildung eines Nationalgefühls, wodurch schließlich der nationalen Kultur ein besonderer Stellenwert zukam. In der Folge wurden von Fürsten und Bürgertum Sammlungen vergrößert oder gänzlich neu begründet, da vor allem durch Revolution und Säkularisation viele Kulturobjekte überhaupt erst verfügbar waren. Eine zunehmende Verwissenschaftlichung führte zu einem Wandel von repräsentativen, häufig aus dynastischer Wurzel stammenden, Museen zu Sammlungen, die der Forschung und Belehrung dienen sollten. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Prozess demokratische Tendenzen, die die Öffnung der Sammlungen unterschiedslos für alle Bevölkerungsgruppen forderten. Dahinter stand der Gedanke nach uneingeschränkten Bildungsmöglichkeiten für jede Gesellschaftsschicht. Nationale Bestrebungen förderten darüber hinaus das Interesse für die Geschichte des Landes und führten insbesondere beim Bürgertum dazu, historische Altertümer der Heimat zu sammeln. Zumeist gingen die Kollektionen später an die Kommunen über, die sie für die Öffentlichkeit zugänglich machten. Träger der Museen waren in vielen Fällen bürgerliche Vereinigungen, die sich politisch und sozial etablierten und eine politische Aufklärung der Staatsbürger anstrebten …
Wie wichtig die Institution Museum gerade in Zeiten von Orientierungslosigkeit und wirtschaftlichen Krisen sein kann, ist bereits betont worden. Im besten Falle kann sie Identität stiften. Befindet eine Gesellschaft sich im Umbruch, so kann die Vermittlung von Werden und Vergehen ihrer Kulturepochen mehr als nur unterhalten. In finanziell mageren Zeiten scheint indes der Weg, den kulturellen Sektor zu beschneiden, immer der gangbarste.
Ulrich Leiner waren schon seinerzeit die Zusammenhänge diesbezüglich bewusst, als er treffend konstatierte: “Man hört immer wieder das gefährliche Wort, von der Kultur können wir nicht leben! Doch fragen wir getrost dagegen: Wer wollte ohne die Kultur leben?”“