Die Sodann-Bibliothek

„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“  Heinrich Heine

Wenn Eroberer sich ein Land untertan machen, gehört zu den ersten Dingen, die sie tun, die eigene Kultur als Maßstab aller Dinge festzulegen und die Kultur des eroberten Landes schlecht zu reden bzw. ganz zu vernichten.

Nicht viel anders erging es mit der Kultur der DDR, die von den neuen Machthabern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln schlechtgeredet und vernichtet wurde.

Peter Sodann leistete dem von Anfang an Widerstand, indem er vor allem Bücher vor dem Untergang rettete. Ohne staatliche Unterstützung gründete er schließlich vor 10 Jahren einen privaten Verein und 2012 öffnete dann die Peter-Sodann-Bibliothek in Staucha.

Eberhard Richter 2008: „Unser Verein gründete sich am 27. Juni 2007 als Bürgerinitiative in Merseburg. Seither hat sich die Zahl der Mitglieder mit 38 mehr als verdoppelt. Dabei sind Historiker, Literaturwissenschaftler, Bibliothekare, Buchhändler, Verleger, Juristen, ehemalige Schuldirektoren, Lehrer, Rentner usw. aus Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hessen und Mecklenburg.

Der Verein richtet seine Hauptaufgabe auf den Erhalt einer zeitlich konkreten Büchersammlung als ein historisches Kulturgut, als Teilstück jüngster deutscher Geschichte, um sie für nachfolgende Generationen dokumentarisch zu sichern. Er tritt dafür ein, dass die Vernichtung von Literatur aus der Zeit von 1945-1990 aufhört und setzt sich für ihre Erhaltung und sichere Aufbewahrung ein.

Diese Literatur soll einmal in einer Präsenzbibliothek sowohl für jeden interessierten Bürger als auch für Wissenschaftler, Studierende und Schüler direkt zugänglich sein.“

http://www.psb-staucha.de/index.php?action=37087ca3535d4bd5aade36e1c46e0fc6

Unverschämterweise wird von westlichen Kreisen immer wieder behauptet, dass es bei der in der DDR verlegten Literatur hauptsächlich um Propaganda gegangen sei. Eine Ahnung davon, dass das völlig daneben ist, zeigt ein Brief an die Sodann-Bibliothek:

„Hallo Herr Sodann,

nur mal so am Rande. Die verdrehte BRD-Welt. Die verkannte DDR-Welt. Die geleugnete DDR-Kultur durch manche BRDler. Also - Butter bei die Fische.

1. geboren und gelebt in BRD-Deutschland.

2. studiert in Dortmund (1969-Ingenieurschule):

unsere Pflicht-Studienbücher: Elektrotechnik- und Elektronik-Bücher aus dem Technik-Verlag Leipzig (Verfasser aus Dresden) // Mathematik: Alle Pflichtbände aus Leipzig, andere als russischer Nachdruck aus Leipzig

3. Tech.Uni-Berlin (West): Regelungstechnik und Mathematikbücher aus gleicher Quelle

und privat den Zwangsumtausch immer wieder in das "Das gute Buch" am Alex getragen: Technik & Schöngeist

Vermute, dass jenes kaum einem Außenstehenden bekannt ist.

Das Beschriebene tangiert zwar Ihr Vorhaben nur am Rande, es ist ein Splitter, der unausgesprochene verkannte Qualitäten der DDR-Literatur "im Nachhinein" würdigen muß.

Nur Mut,

beste Grüße

Klaus Emmelmann am 21. April 2011“

http://www.psb-staucha.de/index.php

Bei der Gelegenheit erinnert der Wurm gerne daran, wie Geschichte und Geschichts-Forschung der DDR platt gemacht wurden. Mitsamt den Historikern:

„Nach der Eingliederung der DDR in die BRD wurde dort nicht nur der Bauernkrieg umgedeutet, sondern auch die dortige Geschichtswissenschaft „erobert“ und der Versuch unternommen, sie zu vernichten oder zumindest mundtot zu machen.

Einen sehr interessanten Beitrag hierzu liefert Horst Schneider, der das Buch „Abwicklung. Das Ende der Geschichtswissenschaft in der DDR“ von Werner Röhr bespricht und genug Grund hat, sich aufzuregen:

„Seit mehr als zwanzig Jahren mühen sich die Sieger dieser Runde der europäischen Geschichte mit enormem personellem und finanziellem Aufwand, die DDR nach „allen Regeln der Kunst“ wegzuretuschieren. Die Ergebnisse der DDR-Geschichtswissenschaft zu verschweigen und zu verfälschen, gehört zu dieser offiziellen Politik. Dem ist Werner Röhr couragiert und mit Akribie entgegengetreten. Überdies rückt er den Verlauf und die Ergebnisse ihrer Abwicklung sowie deren Drahtzieher ins grelle Licht des Tages …

Aus der Alt-BRD „eingeflogene“ Berater der im Aufbau befindlichen Landesregierungen und Vertreter bundesdeutscher Historikerverbände verhinderten damals rigoros jegliche Weiterentwicklung der Geschichtswissenschaft der DDR aus eigenen Kräften. Die „Kollegen“ von jenseits der Elbe propagierten zwar offiziell „Wissenschaftspluralismus“, verfolgten in der Praxis aber einen skrupellosen Alleinvertretungsanspruch …

War 1980 auf dem Weltkongreß der Historischen Wissenschaften von dessen damaligem Präsidenten Karl Erdmann (BRD) die „Ökumene der Historiker“ gefeiert worden, so forderte Wolfgang Mommsen auf dem Historikertag in Bochum Ende September 1990 nun die bedingungslose Kapitulation der DDR-Historiker. Auch diesmal lautete der stärkste Vorwurf, die DDR-Geschichtswissenschaft habe die „Legitimierung des SED-Regimes“ betrieben. Röhr setzt sich mit der wahrheitswidrigen Behauptung von der angeblichen Unterwürfigkeit der DDR-Historiker überzeugend auseinander …

Kapitel 5 des Röhr-Buches dürfte für Opfer der Abwicklung besonders aufschlußreich sein, denn sie erleben hier ihre eigenen „sanften und unsanften Tode“ noch einmal – ob es die Spezialisten für die Geschichte der Arbeiterbewegung oder die Militärhistoriker sind. Die Ergebnisse sprechen für sich: Aus der „Erhaltung leistungsfähiger Einrichtungen“ wie sie Artikel 38 des „Einigungsvertrages“ noch versprochen hatte, wurden Trümmerlandschaften ohne Ende.““

http://www.rotfuchs.net/zeitung/archiv/2012/RF-177-10-12-Extra.pdf

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/113-fruehbuergerliche-revolution-in-deutschland.html

 

Leseland DDR

 

Marion Titze: „Eines der Gedichte, das wahrscheinlich alle DDR-Schulkinder lernten, war Bertolt Brechts "Fragen eines lesenden Arbeiters". Gleich in der Überschrift stößt man auf den Zusammenhang von Lesen und Fragen, mithin auf die Problematik, dass man Geister ruft, die man womöglich nicht wieder los wird. Plagegeister. Zwar gilt als ausgemacht, dass die DDR an ihrer Misswirtschaft zugrunde gegangen ist, aber angesichts der langen Lebensdauer von anderen Misswirtschaften neige ich der Auffassung zu, dass womöglich das Lesen die Ursache gewesen sein könnte. Denn auch meiner Erfahrung entspricht es, dass der Mensch, kaum hat er gelesen, alsbald auch fragt. Da der Sozialismus aber von seinen Funktionären als das Fraglose schlechthin gedacht war, ist ihm hier ein echtes Problem erwachsen. Und den Lesenden natürlich auch: Wer Fragen hatte und naiv genug war, sie zu stellen, galt als unbequem, als Querulant, letztendlich als Feind. Das war, wenn man so will, die unvermeidliche Karriere des Lesers. Da sich das Fragen aber nicht abschaffen ließ wie die Reisefreiheit und nicht anmeldepflichtig gemacht werden konnte wie der Besitz von Devisen, wurde die Chance, ein Naturrecht wiederzuerlangen, im Herbst 1989 beherzt ergriffen.

Ich weiß nicht, ob jemand Auskunft geben kann, was mit Leseland wirklich gemeint ist. Die florierenden Bibliotheken? Oder die Schriftstellerbasare, die Volksfesten glichen, weil dort auf den Signiertisch kam, was sonst nur unterm Ladentisch zu bekommen war? War es die Tatsache, dass Leute sich zum Hochzeitstag eine Reise zur Lesung ihres Lieblingsautors schenkten? Oder der Umstand, dass Lesen überhaupt einen hohen Stellenwert hatte, dass die Bücher billig waren, besser gesagt preiswert? Denn billig waren sie keineswegs. Gleich nach der "Wende" wurden viele Ost-Berliner von ihren neuen West-Berliner Bekannten für geradezu wohlhabend gehalten, weil sie nicht Taschenbücher, sondern schöne Leinenausgaben im Bücherregal hatten.“

http://www.bpb.de/apuz/32138/die-retuschierte-wirklichkeit-essay

Wie in allen sozialistischen Ländern, wurde das Lebens-Notwendige wie Wohnen (und Wohn-Eigentum) und Lebensmittel stark subventioniert. Zu den stark subventionierten Produkten gehörten auch Bücher, die sehr günstig zu kaufen waren.

Vor allem wurde das Lesen in den Schulen gefördert. Den Kindern wurde gleich zu Beginn die Funktionsweise der meist umfangreichen Schulbibliothek erklärt. Und pro Schuljahr gab es eine Bücherliste, die zwar nicht im Unterricht behandelt wurde, aber die Bücher bzw. Texte gelesen und ein kleiner Text über den Inhalt geschrieben werden musste. Auch, wenn das nur ein paar Zeilen gewesen sein sollten.

Auch heute noch schwärmen Menschen über die Qualität sowohl der Inhalte als auch Form der Bücher. Angefangen bei den Kinder- und Jugendbüchern.

Propaganda kam nur wenig vor und war dann leicht erkennbar. Es gab zwar westliche Bücher, aber nicht alle. Unter anderem gab es keine Pornographie, keine Bücher, bei denen es Probleme mit Lizenzen oder Devisen gab und keine Bücher, deren Inhalte „nicht erwünscht“ waren.

Der gesamte kulturelle Bereich wurde gefördert und da die Ablenkungs-Möglichkeiten (etwa Diskotheken) gerade bei Jugendlichen weitaus geringer waren als im Westen, gab es bei den Menschen aus den sozialistischen Ländern gegenüber den westlichen Menschen zwei gravierende Unterschiede:

1. Es gab eine sehr viel bessere Allgemein-Bildung. Wer als West-Mensch der Überzeugung war, eine gute Allgemein-Bildung zu haben, wurde beim Aufeinander-Treffen mit einem Ost-Menschen sehr schnell eines Besseren belehrt – die wussten sehr viel mehr.

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Länder kamen viele gebildete Menschen in den Westen, um dort zu arbeiten. Und mussten sich dann anhören, dass ihr Schul-Unterricht und ihr ganzes Leben aus Propaganda bestanden hätte, sie nichts Nutzenswertes gelernt hätten und nichts wüssten. – Dabei war der dortige Schul-Unterricht weit mehr auf Leistung getrimmt als im Westen und „Propaganda“ kam nur am Rande vor.

2. Dadurch, dass die Mädchen nicht mit „Mädels-Zeug“ konfrontiert wurden, sahen sie sich als gleichwertig an, was sich auch im Berufsleben fortsetzte: der Prozentsatz von Frauen in naturwissenschaftlichen Berufen und als Führungskräfte betrug ein Vielfaches von dem im Westen.

„Mädels-Zeug“ sind etwa solche Kinder-Bücher, bei denen es um Mädchen im Internat geht, die sich hauptsächlich für Aussehen, Kleidung, Jungs interessieren.

Einen ersten Überblick über die Bücher der DDR bietet das Antiquariat: Bücher, die mehrfach im Bestand sind, werden zum Verkauf angeboten. Neben Geldspenden besteht auch auf diese Weise Gelegenheit, die Sodann-Bibliothek zu unterstützen:

http://www.antiquariat-peter-sodann.de/

 

Das Schicksal der Verlage der DDR

 

Auszüge aus „Leseland DDR“ von Christoph Links:

„Die DDR nahm für sich gern in Anspruch, ein ausgesprochenes "Leseland" zu sein. Tatsächlich waren sowohl im Vergleich zur Bundesrepublik als auch zu den osteuropäischen Staaten die Zahlen für den Zeitaufwand des Lesens, für den Buchkauf und die Nutzung von Bibliotheken vergleichsweise hoch. Angesichts der eingemauerten Verhältnisse war die Literatur für manchen eine Art Weltersatz, zumal unter Verantwortung des Kulturministeriums trotz Zensur mitunter auch Bücher erscheinen konnten, deren Themen in den Medien tabu waren und die dort auch nicht rezensiert werden durften. Hinzu kam, dass in der DDR ein vielgliedriges Weiterbildungssystem bestand, wodurch populärwissenschaftliche und Fachliteratur stark gefragt waren.

Doch die Buchbranche war wie alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft durch die schnelle Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Übernahme des bundesdeutschen Rechtssystems im Jahre 1990 einem radikalen Wandel ausgesetzt, der mancherorts zu nachhaltigen Verwerfungen führte ...

Mit der Übernahme des kompletten Gesellschaftsmodells der Bundesrepublik und der Privatisierung der staats- und parteieigenen Betriebe durch die Treuhandanstalt binnen kürzester Frist änderten sich sowohl die Besitzverhältnisse bei Verlagen und Buchhandlungen als auch die Finanzierungssysteme für Bibliotheken, was letztlich nicht ohne Auswirkungen auf das Leseverhalten blieb.

In der DDR gab es in den 1980er Jahren insgesamt 78 staatlich lizenzierte Buchverlage, die zu 90 Prozent dem Staat, den Parteien oder gesellschaftlichen Organisationen gehörten und deren Profil seit Mitte der 1960er Jahre klar voneinander abgegrenzt war. Diese Zahl war über 25 Jahre lang nahezu konstant geblieben, und alle Bestrebungen, sie nach oben hin zu verändern, scheiterten gewöhnlich. (In der Bundesrepublik gibt es gegenwärtig mehr als 2.800 professionell arbeitende Verlage, insgesamt sind über 5.000 mit einzelnen Büchern vertreten.) Neue private oder auch genossenschaftliche Unternehmungen wurden in der DDR nicht zugelassen, als offizielles Argument mussten stets mangelnde Papierkontingente und Druckkapazitäten herhalten ...

Für die alten Großverlage der DDR begann 1990 ein schmerzvoller Umstellungsprozess, denn vom Charakter her handelte es sich bei vielen eher um ausgewachsene Literaturinstitute mit einem ungewöhnlich großen Apparat denn um effiziente Wirtschaftseinheiten. Der Aufbau-Verlag in Berlin und Weimar beispielsweise, das Flaggschiff der DDR-Verlage, hatte 1989 etwa 180 Mitarbeiter (für ca. 350 Bücher im Jahr), davon allein 70 Lektoren. Kein Verlag der alten Bundesrepublik verfügte über eine derartige personelle Stärke im inhaltlichen und künstlerischen Bereich, hier lag das Schwergewicht eher bei Vertrieb, Werbung und Marketing, während diese Bereiche im Osten kaum entwickelt waren. Pro Mitarbeiter betrug die produzierte Titelzahl im Westen meist über fünf, im Osten oft unter zwei. Dies hing auch mit der schlechten technischen Ausstattung der DDR-Verlage zusammen, wo es kaum Kopierer und keinerlei Personalcomputer gab.

Ab dem 1. Juli 1990, dem Tag der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, stand der gesamte ostdeutsche Markt für Lieferungen aus dem Westen offen. Der staatliche Volksbuchhandel machte seine Regale für die neuen Titel frei, was bedeutete, dass die DDR-Verlage ihre Bücher massenhaft zurückgesandt bekamen. Die zentrale Auslieferungsfirma Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG) wurde der Mengen nicht mehr Herr und kippte tonnenweise Bücher in einen aufgelassenen Tagebau. (Sie wurden später von Pfarrer Martin Weskott und seiner Kirchengemeinde in Katlenburg bei Göttingen teilweise eingesammelt und auf Basaren für mildtätige Zwecke zu einem Spendenpreis angeboten.)

Gleichzeitig verfielen die Lizenzverträge mit bundesdeutschen Verlagen - allerdings nur in einer Richtung: Die mit Lizenzen aus dem Westen verlegten Bücher durften von den ostdeutschen Verlagen auf dem gesamtdeutschen Markt (nach einer kurzen Übergangsfrist) nicht mehr angeboten werden. Die in die Bundesrepublik vergebenen Lizenzen behielten dagegen in der nunmehr größeren Bundesrepublik ihre Gültigkeit, sodass gutverkäufliche Titel zumeist noch auf Jahre beim westlichen Lizenznehmer verblieben, denn der ostdeutsche Originalverlag hatte ja nur noch die DDR-Rechte - und diesen Staat gab es nicht mehr. Außerdem galten nun längere urheberrechtliche Schutzfristen (in der DDR waren es 50 Jahre nach dem Tod des Autors, in der Bundesrepublik 70 Jahre), womit weitere Titel aus dem Programm fielen.

Übernommen wurde zum 1. Juli 1990 auch das bundesdeutsche Vertragsrecht, was für die sehr langfristig arbeitenden DDR-Verlage zum Problem wurde, da sie gemäß der Perspektivplanforderung des Kulturministeriums Projekte auf fünf Jahre im Voraus vertraglich gebunden hatten. Viele dieser Vorhaben waren nun unter den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr zu halten und mussten gestrichen werden. Die Autoren, Illustratoren und Übersetzer hatten unter den neuen Rechtsverhältnissen aber einen Anspruch darauf, dass die einmal geschlossenen Verträge auch erfüllt und sie zumindest für eine Auflage komplett ausbezahlt wurden, was zu komplizierten und oft langwierigen Auseinandersetzungen führte. Hinzu kamen die Ansprüche der zumeist übergroßen Belegschaft, die Gehälter schrittweise an die Westtarife anzupassen, was von den bundesdeutschen Gewerkschaften unterstützt wurde, um im Osten des Landes keine Niedriglohnkonkurrenz entstehen zu lassen.

Letztlich entscheidend für das Schicksal der DDR-Verlage war aber die Verkaufspolitik der im März 1990 gegründeten Treuhandanstalt. Der ursprüngliche Auftrag dieser Holding bestand darin, die rund 12.500 volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Da eine Wirtschafts- oder Regionalförderung aber nach der Währungsunion nicht mehr zu den Aufgaben der Anstalt zählte und sie auch keine politische „Chefsache" war, wurde sie mit der staatlichen Vereinigung am 3. Oktober 1990 nicht dem Kanzleramt oder dem Bundeswirtschaftsministerium, sondern dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Vom Prinzip Sanierung vor Verkauf stellte man nun auf Verkauf um; die Sanierung sollte Sache der neuen Eigentümer werden. Treuhand-Präsident Detlev-Karsten Rohwedder wollte dabei möglichst viel von der "kulturellen Substanz Ostdeutschlands" erhalten, wie es laut Einigungsvertrag (Artikel 35) auch vorgesehen war. Doch das änderte sich nach seiner bis heute nicht aufgeklärten Ermordung im Frühjahr 1991 und der Übernahme der Geschäfte durch Birgit Breuel im Juni 1991. Sie setzte nach den Vorgaben von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) nun ganz auf schnelle Verkäufe. Die praktische Umsetzung dieser Politik im Bereich der staatlichen Verlage oblag dem Referat Printmedien im Direktorat Dienstleistungen bzw. der Abteilung Sondervermögen (für organisationseigene Betriebe). Zuständig für sämtliche Verlage war ein Bauingenieur. Nach heftigen Protesten aus der Branche kamen zeitweilig zwei Fachberater hinzu. Unter enormem Zeitdruck vollzogen sich binnen eines Jahres die meisten Verkäufe, wobei kaum Gelegenheit war, die mitunter recht komplizierte Rechtslage bei einzelnen Verlagen und die Seriosität der Käufer zu prüfen.

Dies führte unter anderem zu der Fehleinschätzung, der Aufbau-Verlag gehöre der SED/PDS und könne daher von der Treuhandanstalt verkauft werden. Erst nach 13 Jahren juristischer Auseinandersetzung ist im März 2008 vom Bundesgerichtshof endgültig geklärt worden, dass der Verlag nach wie vor dem Kulturbund gehörte, der weiterhin als Verein existiert. (Das war ein Grund für die Insolvenz der Verlagsgruppe, die nun unter neuer Eigentümerschaft fortgeführt wird.) In einem anderen Fall, dem Greifenverlag zu Rudolstadt, ging das Unternehmen gleich zwei Mal an Hasardeure. Erst erwarb den Verlag mit den Weltrechten von Paul Zech ein fränkischer Geschäftsmann, der gleich auch noch sieben Volksbuchhandlungen kaufte und mehrere Anzeigenblätter gründete, doch die Kaufsummen nicht überwies, sondern mit den liquiden Mitteln der Firmen verschwand. Aus dem Konkurs heraus kaufte den Verlag dann ein schweizerischer Verleger zusammen mit einem schwäbischen Buchhändler, die sich allenthalben als "Retter" feiern ließen. Doch nachdem für den Greifenverlag ein millionenschwerer Aufbaukredit von der Kreissparkasse bewilligt worden war, ging der Hauptgesellschafter mit einem Teil des Geldes zurück in die Schweiz und sorgte damit für das endgültige Aus in Rudolstadt.

Binnen weniger Monate wurden 1991 fast alle DDR-Verlage veräußert, oft für eine symbolische DM, wofür die Käufer im Gegenzug versprachen, mehr als 1.150 Arbeitsplätze zu erhalten und mindestens 100 Millionen DM zu investieren, um so das Fortbestehen der von ihnen übernommenen Verlage zu sichern. Doch die Einhaltung dieser Zusagen ist kaum je geprüft worden; Ende 1994 stellte die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit weitgehend ein.

Die Hauptform der Privatisierung war der Verkauf an westliche Unternehmen. Dies betraf 50 der 78 Verlage, was einen Anteil von 64 Prozent bedeutet. Zwölf Verlage wurden an westliche Partnerfirmen (Doppelgründungen nach 1945, die als Parallelverlage existierten) rückübertragen, was einem Anteil von 15 Prozent entspricht. Sechs Verlage (sieben Prozent) wurden von staatlichen Institutionen, kirchlichen Gremien oder Parteien übernommen, jeweils fünf Verlage (6,5 Prozent) gingen über Management-Buy-Outs (MBOs) an die leitenden Angestellten bzw. Mitarbeitergruppen oder wurden wegen Unverkäuflichkeit liquidiert.

Bei den Verkäufen ist auffällig, dass sie selten genutzt wurden, um das Programmprofil des übernehmenden westdeutschen Stammhauses zu erweitern, sondern dass stattdessen zumeist das gekauft wurde, was im eigenen Verlag schon vorhanden war. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass nach relativ kurzer Zeit die umsatzträchtigen Rechte und Autoren ins westliche Haupthaus geholt wurden und man auf die Dependance im Osten verzichtete. Lediglich acht Verlage der ehemals 39 branchenintern verkauften Editionshäuser waren 2007 noch ohne zwischenzeitliche Insolvenz als produzierende Einheiten in Ostdeutschland kontinuierlich tätig. Sie brachten etwa 18 Prozent der Titel auf den Markt, die noch von früheren DDR-Verlagen produziert wurden. (Etwa sechs Prozent der Titel erschienen zusätzlich vom Westen aus unter dem Namen alter DDR-Verlage.)

Etwas anders sieht es bei den elf Unternehmen aus, die an branchenfremde Investoren (wie Immobilienhändler, Industrielle und Rechtsanwälte) verkauft worden sind. Die beiden größeren Gruppen von Bernd F. Lunkewitz (Aufbau, Rütten & Loening, Gustav Kiepenheuer Verlag, Diederich'sche Verlagsanstalt) sowie Silvius Dornier (Edition Leipzig, Henschel, Militärverlag, Seemann, Urania) haben sich zunächst gut am Markt behauptet und stellten 2006 mit rund 23 Prozent aller Titel ein wichtiges Umsatzvolumen der verbliebenen ostdeutschen Altverlage dar. Den Einzelübernahmen dagegen (Altberliner, Greifenverlag und Verlag für Lehrmittel) war deutlich weniger Erfolg beschieden, da entweder zu wenig Kapital vorhanden war oder die notwendige Erfahrung fehlte.

Bei der zweiten Gruppe, den zwölf rückübertragenen Verlagen (Bibliographisches Institut, Breitkopf & Härtel, Edition Peters, Gustav Fischer, Hermann Haack, Hirzel, Hofmeister, Insel, Paul List, Reclam, Teubner, Thieme) sind diese mehrheitlich in die westlichen Mutterhäuser integriert worden, auch wenn einzelne Unternehmen aufgrund der wieder erlangten Immobilien noch Büros am alten Standort unterhalten (lediglich der Friedrich Hofmeister Musikverlag hat seinen kompletten Sitz nach Leipzig zurückverlegt).

Jene sechs Verlage, die von staatlichen Institutionen, kirchlichen Gremien oder Parteien übernommen, also nicht sofortigen Verwertungsinteressen unterworfen wurden, haben sich dagegen deutlich besser behauptet. Nur die Evangelische Hauptbibelgesellschaft ist geschlossen worden, wohingegen die Zentralbücherei für Blinde, der Domowina-Verlag, die Evangelische Verlagsanstalt und der katholische St. Benno-Verlag heute stabile Unternehmen sind. Selbst der Karl Dietz Verlag, der nach langem Tauziehen mit der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR an die PDS bzw. eine ihr nahe stehende Stiftung gegangen ist, hat bis heute überlebt. Die noch fünf aktiven Verlage dieser Gruppe produzierten 2006 etwa 43 Prozent aller Titel der noch aktiven ostdeutschen Altverlage, also mehr als die 50 privatwirtschaftlich verkauften Unternehmen zusammen!

Nicht bewährt haben sich dagegen die fünf Management-Buy-Out-Privatisierungen. Sowohl Kapitalschwäche als auch interne Probleme beim Krisenmanagement in den unvermeidlichen Schrumpfungsphasen haben dazu geführt, dass alle fünf Verlage über kurz oder lang in die Insolvenz geraten sind. Das betrifft sowohl die offiziell von der Treuhand vollzogenen MBO-Verkäufe Kiepenheuer Verlag und Mitteldeutscher Verlag als auch die drei mit PDS-Hilfe initiierten MBOs bei Eulenspiegel, Das Neue Berlin und Neues Leben. All diesen Verlagen aber ist eigen, dass sie nach der Insolvenz und der damit verbundenen Entschuldung aus der Konkursmasse heraus von neuen Eigentümern übernommen und wiederbelebt wurden, sodass sie heute alle noch am Markt aktiv sind und etwa zehn Prozent der Titel aller ostdeutschen Altverlage produzieren.

In vergleichsweise geringer Zahl sind von der Treuhandanstalt Firmen der Verlagsbranche abgewickelt und liquidiert worden. Es betraf fünf Verlage, die sich entweder inhaltlich überlebt hatten (wie der Verlag für Agitations- und Anschauungsmittel der SED) oder die aufgrund ihrer geringen Größe für Übernahmen nicht interessant waren. Während in ganz Ostdeutschland 29 Prozent der Betriebe (exakt 3.561 von 12.353) von der Treuhandanstalt abgewickelt wurden, nehmen sich die 6,5 Prozent der geschlossenen Verlage eher gering aus, sodass ein oft erhobener Vorwurf an die Treuhandanstalt in diesem Punkt ungerechtfertigt ist.

Die Anstalt bevorzugte bei allen fünf Verkaufsgruppen erkennbar westdeutsche Interessenten. In einem Dutzend von Fällen, da Verlage aus Schweden, Dänemark, Frankreich und Großbritannien auf den deutschen Markt gelangen wollten und entsprechende Angebote unterbreitet hatten, wurden deutsche Konkurrenten vorgezogen (lediglich der Verlag der Kunst ging zeitweilig an einen kanadischen Verleger). Damit liegt die Verlagsbranche mit 1,3 Prozent ausländischer Käufer deutlich unterhalb des sonstigen Privatisierungsgeschehens, denn die Treuhandanstalt hat insgesamt 14 Prozent der Unternehmen an nichtdeutsche Bieter verkauft.

Insgesamt existieren von den ehemals 78 staatlich lizenzierten Verlagen der DDR heute in eigenständiger Form ohne zwischenzeitliche Insolvenz gerade noch acht. Selbst mit den neu gegründeten Verlagen zusammen werden in den ostdeutschen Bundesländern gegenwärtig lediglich noch 2,1 Prozent der gesamten deutschen Buchproduktion erzeugt. (Rechnet man Gesamtberlin dazu, sind es 12,7 Prozent der Titel bundesweit.) Nach Wirtschaftskraft betrachtet, sind die ostdeutschen Verlage fast vollständig zu vernachlässigen. Am Gesamtumsatz der deutschen Buchbranche von 11,4 Milliarden Euro waren Firmen aus den neuen Bundesländern (ohne Berlin) 2006 nur mit 0,9 Prozent beteiligt (Berlin mit 9,5 Prozent).

Die Zahl der in dieser Branche in Ostdeutschland Beschäftigen ist von ehemals 6.100 auf weniger als 600 gesunken, also auf unter zehn Prozent. Damit hat insgesamt ein Umbruch stattgefunden, der noch gravierender ist als in anderen Wirtschaftsbereichen Ostdeutschlands, wo nach Treuhandangaben immerhin rund 20 Prozent der Betriebe erhalten geblieben sind und etwa 25 Prozent der Arbeitsplätze gerettet werden konnten.“

http://www.psb-staucha.de/index.php

 

Peter Sodann

 

„Peter Sodann, am 01.06.1936 in Meißen geboren und in Weinböhla bei Dresden aufgewachsen, absolvierte eine Lehre als Werkzeugmacher.

Von 1954 bis 1957 studierte er an der Arbeiter- und Bauernfakultät. Danach begann er in Leipzig ein Jurastudium und wechselte 1959 an die Theaterhochschule Leipzig, Während des Studiums leitete er das Kabarett "Rat der Spötter", das 1961 aufgelöst wurde. Wegen staatsfeindlicher Hetze wurde Peter Sodann verhaftet, vom Schauspielstudium relegiert und zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Strafmaß wurde später in 4 Jahre Bewährung umgewandelt. Nach seiner Haftentlassung (1962), erlernte er den Beruf des Spitzendrehers und immatrikulierte 1963 wieder an der Theaterhochschule in Leipzig.

Sein erstes Theaterengagement führte ihn 1964 ans Berliner Ensemble (1. Rolle Dullfeet im "Arturo Ui") zu Helene Weigel. Am Berliner Ensemble machte er auch seine erste Regiearbeit mit dem Nachtprogramm "also wissen 'se nee" (aus dem später in Halle die Revue "Was das für Zeiten waren" wurde).

1966 wechselte er an die Städtischen Bühnen Erfurt (Wanzen in "Egmont", Thersides in "Troilus und Cressida"/Shakespeare).

Im Erfurter Theater entdeckte Peter Sodann seinen Drang zu baulichen Maßnahmen. So errichtete er u.a. eine Galerie im Theater.

1971 folgte ein Engagement ans "Städtische Theater Karl-Marx-Stadt" (Franz in "Die Räuber", Wang in "Der gute Mensch von Sezuan"). In Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) beginnt Sodann mit seiner Regiearbeit, obwohl er eigentlich erst im Alter von 45 Jahren Regiearbeiten übernehmen wollte, Zitat: "Vorher weiß man noch nicht genug über die Welt". Mit der Uraufführung von "Van Gogh", einem Werk seines Freundes Alfred Matusche, in der er selber die Titelrolle spielte, gelang ihm ein vielbeachteter Erfolg. Auf Grund dieser Inszenierung erfolgte eine Einladung an das Moskauer Jermolowa-Theater, um dort ebenfalls den "Van Gogh" zu inszenieren.

Auch in Karl-Marx-Stadt bewies Sodann seinen Hang zum Bau, welcher sich in der Modernisierung der Theaterkantine und in der Errichtung einer Bildergalerie äußerte.

1975 wurde Sodann Schauspieldirektor an den Bühnen der Stadt Magdeburg. Es folgten etliche Regiearbeiten (u.a."Einzug ins Schloss", "Nathan der Weise","Liliom"). Im selben Jahre wurde Peter Sodann zum Zweiten mal als Regisseur nach Moskau ("Kabale und Liebe") eingeladen. Der Name "Sodann" als Regisseur war bekannt und gefestigt - und er war immer noch keine 45 Jahre alt ...

Seit März 1980 lebte und arbeitete er in Halle an der Saale. Zuerst als Schauspieldirektor am damaligen Landestheater, jetzt als Intendant des "neuen theaters", das er selbst seit 1981 aus einem alten Kinosaal zu einem Schauspielhaus umbaute und zu einer Kulturinsel mitten im Herzen von Halle erweiterte. Heute gehören zu dem Komplex der Große Saal, ein Hoftheater, ein Kammertheater, eine Galerie, eine Bibliothek mit der zwischen 1945 und 1989 in der DDR erschienenen Literatur, ein LiteraturCafe und "Strieses Biertunnel" - eine Theaterkneipe.

1999 erhielt er den Preis des Verbandes der deutschen Kritiker für seine Kulturinsel in Halle. Im Frühjahr 1999 stand er nach längerer Zeit selbst als Schauspieler auf der Bühne in dem Stück "Furtwängler, Kategorie 4". Inzwischen ist Peter Sodann nicht mehr Intendant der Kulturinsel in Halle. Die Stadtväter und -mütter haben seinen Vertrag über das Jahr 2005 hinaus nicht verlängert.

Bundesweite Berühmtheit erlangte der Schauspieler Sodann als Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher, den er seit 1991 mit großem Erfolg spielt. Für die überzeugende Darstellung dieser beliebten Krimifigur ernannte ihn die sächsische Polizei 1996 und Sachsens Polizeigewerkschaft am 12.6.1999 jeweils zum Ehrenkommissar. 2001 verlieh ihm die Polizeidirektion Halle den Ehrenkommissar.

Zu seinem 65. Geburtstag erhielt P. Sodann das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Am 23. Februar 2006 wurde er Ehrenbürger der Stadt Halle.

Von 2006 - 2011 war er Vorsitzender im Silberbüchse-Förderverein Karl-May-Haus e.V (Hohenstein-Erstthal).

Und er ist bis heute Botschafter für das Kinderhospitz -Mitteldeutschland Nordhausen e.V..

Außerdem wirkte er in den ARD-Serien " Tanja", "Sterne des Südens" und "Leinen los für MS Königstein" und zahlreichen Filmen (u.a. "Sansibar oder der letzte Grund", "Jan auf der Zille", "Ernst Thälmann", "Trutz"). Für eine ZDF-Dokumentation schlüpfte er in die Rolle von Karl May und nach einem Drehbuch von Erich Loest bereiste er Ägypten. Im Jahr 2000 spielte er den Mielke in der ZDF -Produktion "Deutschlandspiel". 2001 wirkte er in den ZDF-Produktionen "Liebesau, die andere Heimat" und "Herzstolpern" mit.

Es folgten weitere Rollen in den Fernsehproduktionen „Tage des Sturms“, „KIKA.-Krimi.de“, “Die Frau des Heimkehrers“, „In aller Freundschaft“, „Schloss Einstein“ und  „Der Turm“.

Für das Kino wirkte er an 2 Produktionen mit: „Die Könige der Nutzholzgewinnung“ 2006 und „Die Männer der Emden“ 2013.

2007 war er mit Norbert Blüm in dem Kabarettprogramm „Heimatabend“ erfolgreich auf den Bühnen Deutschlands unterwegs.

Im Mai 2009 trat der parteilose Peter Sodann als Kandidat der LINKEN für das Amt des Bundespräsidenten an.

Seit 1990 sammelt er die Bücher, die zwischen 1945 und 1990 in den Verlagen der DDR erschienen sind. Nach den Standorten: neues theater Halle und Merseburg ist die Büchersammlung mit ca. 4 Millionen Büchern ab 2011 in der Gemeinde Staucha/Sachsen beheimatet.“

http://www.psb-staucha.de/index.php?action=253cffb9052e6838dd95dac2987c1e9c

 

Die Sodann-Bibliothek

 

Einen recht guten Überblick gibt Uwe Steimle, der die Sodann-Bibliothek im Jahr 2014 besucht:

http://www.mdr.de/meine-heimat/video-92746.html

Thomas Wagner 2015: „Eine beständigere Weise des Umgangs mit dem literarischen Erbe gibt es in der sächsischen Provinz zu bestaunen. Von weiten Teilen der Öffentlichkeit noch unbemerkt hat sich im kleinen Ort Staucha eine Oase der Buchkultur entwickelt. In einem alten Rittergut hat der Schauspieler Peter Sodann eine »DDR-Bibliothek« aufgebaut. Knapp eine halbe Million Bücher stehen sorgfältig geordnet und katalogisiert in Räumen, in denen sich einst der Heuboden eines Kuhstalls befand. Das Ziel des 78jährigen Künstlers rückt in greifbare Nähe. Er will alle Buchpublikationen zeigen, die zwischen 1945 und 1989 zunächst in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der Deutschen Demokratischen Republik gedruckt wurden und in den Handel kamen. »Damit sich die ganze Welt davon überzeugen kann, was in der DDR verlegt und gelesen wurde«, hatte er im Gespräch mit der jungen Welt (12.10.2013) erklärt.

Im Mai 2012 eröffnete er seine Bibliothek in Staucha. »Die Bücherspenden reißen nicht ab«, sagte Sodann am Montag der Deutschen Presseagentur. Beinahe täglich würden Kisten voller Bücher angeliefert. Dafür hat er vor allem eine Erklärung: »Jetzt sterben viele Ältere, die noch in der DDR gelebt haben und ihre Bücher vererben.« Oft könnten Kinder und Enkel nur wenig damit anfangen – und dann landen die Bücher bei Sodann. Der vielen Fernsehzuschauern als »Tatort«-Kommissar bekannte Mime hat selbst seit dem Mauerfall Tausende Bücher gesammelt, die als »DDR-Bücher« ansonsten auf dem Müll gelandet wären. »Die Vergangenheit kann nicht einfach weggewischt werden. 45 Jahre sind 45 Jahre«, sagt Sodann.

Rund 40 Bananenkisten kommen im Monat in Staucha an. Das entspricht etwa 1.000 Büchern. Weil er daneben auch ein Antiquariat betreibt, gehen auch schon einmal Anfragen von weit her ein. Aus Amerika werde des öfteren »Das Kapital« von Karl Marx angefordert, berichtet Sodann. Er steht dem heutigen System sehr kritisch gegenüber. »Der Buchmarkt wird immer mehr von Monopolen beherrscht, wie Strom, Wasser oder Pharmazeutik. Und denen geht es ausschließlich darum, aus einem Euro zwei zu machen. Das ist das eiserne Gesetz dieser Gesellschaft. Diesem Gesetz muss sich das Leben unterwerfen, wie die Sklaven ihrem Sklavenhalter. Aber ich bin optimistisch, das wird sich ändern müssen«, sagte er der jungen Welt.“

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Die Anfänge und fehlende Unterstützung aus der Politik

 

Stefan Locke 2011:“Und täglich bringt die Post neue Bücherpakete. In einer Ecke liegen leere Kartons mit Absendern aus Gera und Schwerin, Düsseldorf und Kassel, Frankreich und Schweden. Sodanns Plan hat sich herumgesprochen, seit er vor 20 Jahren mit dem Sammeln anfing. Zufällig erfuhr er nach dem Mauerfall, wie das Gewerkschaftshaus in Halle seine Bibliothek entsorgte. Bücher, Magazine und Schallplatten wurden auf Lastwagen geworfen, darunter nicht nur Propaganda. Goethe und Max Frisch, Thomas Mann und Christa Wolf, Kinder- und Lehrbücher, selbst Aufsätze Richard von Weizsäckers flogen auf den Müll, weil sie in der DDR erschienen waren. Sodann, damals Intendant in Halle, dachte: „Die schmeißen dein Leben weg, das kannst du nicht zulassen.“ Die Hallenser Bücher waren nicht zu retten, doch Sodann fuhr nun mit Freunden durchs Land und sammelte, was er kriegen konnte. Rund 10.000 Bibliotheken machten dicht, Verlage wurden abgewickelt, bald hatte er eine halbe Million Bücher zusammen.

Ein Teil ging durch Brandstiftung verloren, der Rest stapelte sich im Neuen Theater Halle, bis die Stadt ihn 2005 rauswarf. Sodann zog mit seinen Büchern nach Merseburg und gründete einen Verein. Der Bürgermeister stellte ein paar ABM-Kräfte, die mit dem Katalogisieren begannen. Dann wechselte die Rathausspitze, und der Verein musste umziehen in eine feuchte Turnhalle. Sodann startete einen Hilferuf und bemühte sich um Geld, auch bei der Bundesregierung. Eine DDR-Bibliothek brauche man nicht, beschied ihn Kulturstaatsminister Bernd Neumann, die Deutsche Nationalbibliothek besitze je ein Buch von allen DDR-Ausgaben. „Ja, aber wer kann sie denn dort lesen?“, fragt Sodann.“

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Gabriele Oertel 2012: „»Ich behaupte, wenn man im Bundestag ein Gedicht aufsagt, wird man ausgepfiffen«, kommentiert Sodann den Umgang der politischen Elite mit Kunst und Kultur. Darin bestärkt sieht er sich auch durch die Absage von Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der seiner Sammlung von DDR-Literatur mit Verweis auf die Nationalbibliothek keine Unterstützung zukommen ließ. Freilich hatte Köhler den Künstler nicht ohne erschrockenen Augenaufschlag aus dem Bellevue ziehen lassen. Als Sodann ihn auf die beispiellosen Büchervernichtungen im Osten des einig Vaterlandes hinwies und den Präsidenten bat, Kraft seines Amtes Einhalt zu gebieten, hatte Köhler ausgerufen: »Das darf man nicht machen«. Das war es aber denn auch.

Die Büchervernichtungen mit und nach dem Ende der DDR waren der Anlass für Sodann, mit der Sammlung ganzer Bibliotheksbestände zu beginnen. Ihn ärgert die dahinter steckende Kulturlosigkeit seiner Mitbürger, aber auch die Heuchelei »in diesem Staat Bundesrepublik«. »Da wird zum Tod von Christa Wolf eine riesige Beerdigung veranstaltet, dabei ist nach der Schließung von 20.000 Bibliotheken im Osten Christa Wolf schon zu Lebzeiten verbrannt worden.« Sodann wird richtig wütend. Im Einigungsvertrag sei festgeschrieben, alles Bestehende zu erhalten - im wahren Leben wurden Millionen Bücher zu Müll.

»Nur durch Bildung und Kultur kann die Welt verändert werden«, ist Sodann sich sicher. Also hat er angefangen, alles der Vernichtung Gewidmete einzusammeln. Hunderttausende sind es inzwischen, die in dem Vierseitenhof im sächsischen Staucha in der Lommatzscher Pflege Stück für Stück in die Regale wandern. Ein Exemplar für die »Staatsbibliothek«, die Doppelgänger in die Buchhandlung zum Weiterverkauf. In den beiden anderen Gebäuden sieht Sodann schon ein Hotel und ein Theater. Skeptikern eines solchen Unterfangens sei die Biografie des Schauspielers, Kabarettisten, Theaterintendanten, »Tatort«-Kommissars und mehrfachen Galeriegründers empfohlen, der sich allen Widerständen und Rausschmissen zum Trotz stets als wahres Stehaufmännchen erwies.

Und ausgerechnet in Staucha - »Der Geist lebt in der Provinz, von den Hauptstädtern ist kein vernünftiger Gedanke zu erwarten« (Sodann) – hat er seinen Traum von der DDR-Bibliothek verwirklicht. Nicht allein freilich, denn anders als bei den Regierenden fand Sodann im Dörflichen Unterstützung. Nachdem er vom CDU-Bürgermeister in Merseburg mitsamt seinen Büchern aus der Stadt gejagt worden war, hatte er im Internet einen Hilferuf losgelassen. Peter Geißler, parteiloser Bürgermeister aus Staucha, bot ihm Hilfe und den Vierseitenhof an. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2009 trafen sich die beiden und Geißler fand sofort, »dass die Chemie stimmt«.

Das blieb übrigens so zwischen dem 65-jährigen Kommunalpolitiker, der in seinem früheren Leben Elektromeister in der LPG und privater Unternehmer war und mit der DDR nicht eben viel am Hut hatte - und dem 75-jährigen Künstler, der aus dem benachbarten Meißen stammt und jetzt drauf und dran ist, mit seinen Büchern dorthin zurückzukehren. Natürlich verspricht sich Geißler von dem Projekt und dessen bekanntem Namensgeber mehr öffentliche Aufmerksamkeit für die 21 Ortsteile umfassende Gemeinde und erklärt das auch immer wieder Kritikern, die meinen, für die Bibliothek sei Geld und Arbeitskraft da, aber anderes bliebe liegen. Doch öffentliche Wahrnehmung ist nicht allein sein Motiv. Der Politiker ist wie der Künstler - und eben auch Funda - der Meinung, dass die Büchersammlung für Nachfahren Wert haben wird. Während Geißler das eine oder andere Exemplar in die Hand nimmt und sich an jüngere Tage erinnert, sagt er nachdenklich: »Bücherverbrennungen hatten wir schon mal in Deutschland.«“

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Thomas Wagner: „In seinem eigenen Theater, das er in der umgebauten Scheune eingerichtet hat, steht Sodann regelmäßig auf der Bühne. Um Regale, Büros, Helfer und Computer auch künftig zu finanzieren, ist er auf Spenden und Sponsoren angewiesen. »Vielleicht kommt ein begabter Millionär vorbei. Der Bundespräsident a.D. Horst Köhler hat mir gesagt, ich sollte einen suchen. Leider noch keinen gefunden«, bedauert Sodann. Und aus diesem Grund sind Geld- und Sachspenden weiterhin ausdrücklich erwünscht.“

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Das Verhalten des „Super-Horst“ ist übrigens mehr als schäbig. Horst Köhler war unter anderem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Bundespräsident.

Zum einen hatte er also sehr viel Geld verdient und hatte sehr viele Kontakte in die Finanz-Welt. Und von ihm kam: nichts.

 

Bündeln von Kräften

 

Gabriele Oertel 2012: „Diesmal hat das Ehepaar Funda aus Staßfurt Einlass in Sodanns Refugium begehrt. Funda, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, zu Papier gebrachte Lebenserinnerungen ehemaliger DDR-Bürger zu sammeln und der Nachwelt zu erhalten, sucht einen Ort, wo derlei oft mühsam entstandene Aufzeichnungen aus dem Alltag der DDR gut aufgehoben sind. In der Hoffnung, dass sich irgendwann Historiker, die nicht nur eine schonungslose Abrechnung mit dem untergegangenen kleinen Land im Sinn haben, dafür interessieren, wie es wirklich war in dieser DDR. Funda bewundert nicht nur die Regale, die Sodann bei einem Bieterwettbewerb im Internet von der Deutschen Bücherei in Leipzig erworben hat, sondern fühlt sich auch als ehemaliger Veterinärmediziner im ausgebauten Kuhstall zu Hause.

Vielleicht war es der Titel von Fundas eigener Autobiografie »Mein Leben mit Rindviechern, Politikern und Menschen«, die Sodann bewogen, den über 70-jährigen Staßfurter einzuladen, vielleicht die Ahnung, dass da einer auch ein verrücktes Vorhaben wie er selbst verfolgt, vielleicht aber auch der Ärger darüber, dass so viele ihre eigene Idee mit den DDR-Hinterlassenschaften verfolgen, statt die Kräfte zu bündeln …

Dass Menschen aus ihrem Leben berichten, um Kindern und Enkeln ihre Erfahrungen und Erlebnisse zu hinterlassen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Aber nach dem Ende der DDR setzte eine wahre Schreibflut ein. Das liegt auch daran, wie wenig sensibel die bundesdeutsch dominierte Gesellschaft nach der Vereinigung beider deutscher Staaten mit ostdeutschen Biografien umgegangen ist. Inzwischen ist aus den Erinnerungen Tausender Menschen eine ganz eigene Bibliothek entstanden, die es wert ist, aufbewahrt zu werden. Der Tierarzt Rolf Funda hat durch das nd eine Erinnerungsbibliothek ins Gespräch gebracht und Peter Sodann ist gewogen, der in seiner einzigartigen Sammlung von DDR-Literatur Asyl zu gewähren.“

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Erinnerungsbibliothek DDR

 

Die „Erinnerungsbibliothek DDR“ gibt es tatsächlich seit 2012 mit Dr. Rolf Funda als 1. Vorsitzendem: http://www.erinnerungsbibliothek-ddr.de/index.htm

„Die DDR ist Geschichte. An der Bewertung dieses kleinen Staates im Osten Deutschlands scheiden sich noch heute die Geister. Dabei geht die Bandbreite von Verklärung bis Verteufelung dieses ersten Versuches, auf deutschem Boden einen sozialistischen Staat aufzubauen.

Dieser Versuch ist gründlich gescheitert, nicht zuletzt durch eigene gravierende Fehler.

Wir meinen aber, dass die DDR mehr war als Mauer, Stasi und Unrecht, dass Generationen von Menschen hier gelebt, gearbeitet, geliebt und gelacht haben, auch gelitten haben ob der unverzeihlichen Defizite dieses Staatswesens, die am Ende sein Scheitern herbeigeführt haben.

Um folgenden Generationen zu helfen, ein objektiveres Bild von dem, was DDR war zu gewinnen, haben wir einen Verein gegründet.

Zweck des Vereins ist gemäß seiner Satzung die Sammlung und Bewahrung von literarischen Zeugnissen aus verschiedenen Lebensbereichen, die von Zeitzeugen der DDR in persönlicher Erinnerung verfasst wurden, gleich ob in Buch- oder Manuskriptform, im Verlag oder Eigenverlag publiziert.

Die inhaltliche Ausrichtung dieser Sammlung zielt auf Lebenserinnerungen aus der DDR ohne zeitliche und inhaltliche Begrenzung, die selbst erlebte zeitgeschichtliche Entwicklungen und die eigene Mitwirkung im beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld dokumentiert bzw. auch mit rein autobiographischem Charakter Lebenserfahrungen im familiären und privaten Umfeld widerspiegeln. Diese schließen persönliche Entwicklungs- und Reifeprozesse in Raum und Zeit, insbesondere auch unter dem Einfluss der Ereignisse vor und nach der Wende mit einschneidenden persönlichen Erlebnissen und Betroffenheiten ein.

Berichte von Zeitzeugen, deren Biographie maßgeblich in der DDR geprägt wurde, sind bei aller subjektiven Wertung in ihrer Vielfalt authentische Quellen von zeithistorischem Wert, die es für die Forschung zu erschließen und zu sichern gilt.

Das erstmalige historische Experiment einer sozialistisch ausgerichteten Gesellschaftsordnung auf deutschem Boden mit Erfolgen, Problemen und Widersprüchen wird somit in einem spannenden persönlichen Umfeld, welches die Autoren zum Schreiben drängt, widergespiegelt – sei es aus dem Lebensalltag der DDR, der Politik, Wissenschaft, Bildung, Kultur, Industrie, Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Sport u.a..

Die Bewahrung, Erschließung und Zugänglichmachung dieser Lebenserinnerungen in Gegenwart und Zukunft für eine objektive historisch-kritische Aufarbeitung der Geschichte der DDR versteht sich als ein Bestandteil deutscher Erinnerungskultur, für die sich der Verein in seinem Wirken verpflichtet fühlt.

Wir können Ihnen mitteilen, dass unsere Bücher im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde entsprechend Vertrag ihre Heimat gefunden haben.“

http://www.erinnerungsbibliothek-ddr.de/uns.htm

Über Rolf Funda steht geschrieben:

„Rolf Funda wurde 1940 geboren. Da sein Vater Melkermeister war, lebte er von Kindesbeinen an auf dem Dorf und verbrachte viel Zeit im Kuhstall und bei der Betreuung des familiären Viehbestandes. Nach dem Abitur wurde er Soldat im Wachregiment Berlin und Personenschützer. Nach drei Jahren begann er Veterinärmedizin zu studieren, um nach dem Studium zunächst Betriebstierarzt und danach Kreistierarzt in Parchim zu werden.

Sowohl als Oberschüler, wie aber auch als Student war Funda gesellschaftlich sehr aktiv und jeweils FDJ-Sekretär der Grundorganisation.

1979 wurde Dr. Funda Kreistierarzt in Staßfurt. Während der Wende 1989 übernahm er kurzzeitig die Funktion des 1. Sekretärs der SED-Kreisleitung und danach die des PDS-Kreisvorsitzenden. Das führte 1990 zur Entlassung aus dem Staatsapparat, was ihn veranlasste, sich maßgeblich für den Kampf gegen Berufsverbote auf dem Gebiet der früheren DDR einzusetzen. 1990 wurde Funda in den Landtag von Sachsen-Anhalt und 1994 als Bürgermeister von Löderburg gewählt.

Mein Leben mit Rindviechern, Politikern und Menschen

Über diese bewegende Zeit berichtet er in seinem Buch, welches er für seine Nachkommen geschrieben hat.

Selbstverlag 2010, 410 Seiten

 

Tagebuch 1959

Nach dem Abitur unternahm Rolf Funda mit seinem Klassenkameraden Johannes Gansauge eine „DDR-Rundfahrt“ mit dem Fahrrad. Während der dreiwöchigen Fahrt über mehr als 1.600 Kilometer entstand das vorliegende Tagebuch.

Eigenverlag 1959, 40 Seiten“

http://www.erinnerungsbibliothek-ddr.de/funda1.htm

 

Schlitzohren, Halunken, Lügenbarone und Ganoven

 

Peter Sodann fungiert für den „Eulenspiegel“-Verlag als Herausgeber zweier sehr lesenswerter satirischer Bücher:

 

Schlitzohren und Halunken - von Ackermann bis Zumwinkel; Ein Almanach der Missetaten

 

„Sie nennen sich Manager, und genauso sehn sie auch aus: Banker und Bonus-Banditen, die für Renditen unter 50 Prozent gar nicht erst aufstehen und sich jedes ihrer Finanzverbrechen vom Steuerzahler fürstlich honorieren lassen. Die Glaubwürdigkeitsbarone der politischen Klasse wiederum reden, wenn der Tag lang ist, soviel Blech, dass sie aus metallurgischen Gründen jederzeit bei der IG Metall willkommen sein müssten. Aber nicht mehr lange. In diesem Almanach sind sie verzeichnet, die Schlitzohren und Halunken. Endlich kommt Licht ins Dunkel. Deutsche Täter, Leugnen ist zwecklos. Händy hoch!“

http://www.eulenspiegel.com/verlage/eulenspiegel-verlag/titel/schlitzohren-und-halunken-von-ackermann-bis-zumwinkel.html

Hier einige Leseproben, die der Verlag anbietet:

„Ernst Röhl: Günther Jauch sprachlos. 55 Zeilen Sozialneid

Am Tag danach kriegte Günther Jauch keinen Ton mehr raus. Der RTL-Quizmaster litt unter einer akuten Entzündung der Stimmbänder. So vehement hatte der Günther sich mal wieder reingehängt! Doch das TV-Quiz »Wer wird Millionär?« verlangte sein Recht, das Leben musste ja weitergehen. Die ganze Sendung hindurch trank er, in kleinen Schlucken, mit Honig gesüßten Kamillentee. Krächzend bat er seine Kandidatin Tamara Kastl, die Fragen, die sie beantworten sollte, doch ausnahmsweise bitte selbst vorzulesen. Sogar ihren Telefonjoker musste sie selbst anrufen. Stumm stand Jauch daneben und lutschte ein Eukalyptusbonbon.

Solche Tage kommen vor im Leben eines TV-Stars, der sich, wie Günther Jauch, mit voller Kraft einsetzt für gottgefällige Kampagnen. Eine heilige Allianz besorgter Berliner pflegt in der deutschen Hauptstadt von Zeit zu Zeit bizarre Volksentscheide zu veranstalten. Kürzlich ging es unter der Überschrift »Pro Reli« um Glaubensfragen. Das Kürzel Reli steht neuerdings, wie Touri (Tourist), Studi (Student) oder Fewo (Ferienwohnung), für das gute, alte Wort Religion. Und die Pro-Reli-Kampagneros standen möglicherweise unter Drogeneinfluss; denn die Religion ist hinlänglich bekannt als Opium des Volkes. Überhaupt spielt der Glaube an der Spree traditionell eine große Rolle. Schon Kaiser Willem II. war stark im Glauben. »Ich glaube an das Pferd«, bekannte er, »das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.«

Nach dem Willen der CDU-inspirierten Bürgerinitiative sollte das Berliner Wahlvolk an einem Frühlingssonntag den Lehrplan der Berliner Schulen kippen, und zwar an den Pro-Reli-Wahlurnen. Nach dem Lehrplan ist Ethik Pflichtfach für alle Schüler von der 7. bis zur 10. Klasse, Religionsunterricht dagegen ein freiwilliges Zusatzangebot. Die Chefideologen von Pro Reli hätten es lieber umgekehrt. Robert Zollitsch, den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, erinnert der Lehrplan »an kommunistische Zeiten«. Nach diesem Warnruf ließen die Bischöfe Huber und Sterzinsky panisch die Glocken läuten. Dem Ruf zum Widerstand folgten Vera Lengsfeld, Wolfgang Thierse, Kanzlerkandidat F.-W. Steinmeier, die Naturwissenschaftlerin Dr. rer. nat Angela Merkel sowie weitere B-, C- und D-Promis der gottesfürchtigen Parteien CDU und FDP. Und Günther Jauch!

Ohne Günther Jauch läuft in Deutschland nichts. Als Pubertierender war er Ministrant und steht seitdem mit dem HERRN in direkter Verbindung. Darum ruht unbegrenzter Segen auf seinem Wirken. Täglich ein paar leere Worte, und das Konto ist gesund. Günther Jauch, Tausendsassa, Topmoderator, Produzent, Evententertainer, Sympathieträger, Schwiegersohn der Nation, Senkrechtstarter, glaubwürdig und bescheiden, authentisch, intelligent, integer, charismatisch. Mit der Goldenen Henne geehrt – damit auch die Hühner mal was zu lachen haben … Jauch – Werbeträger für die Telekom, für Quelle und Krombacher Pils. Jauch – Unternehmer mit einem Händchen für Immobilien. Gehört ihm schon ganz Potsdam oder erst die Hälfte? Hat er inzwischen Sanssouci angekauft? Kein Kommentar. Über sein Villen-Imperium kann keiner besser schweigen als er selbst. Einen Journalisten hat der Günther sogar vor Gericht gezerrt. Der wusste zu viel!

In der Pro-Reli-Aktion dagegen war Jauch zum Schaden seines sonoren Organs der Redseligsten einer, denn es ging um Gut und Börse, um Freiheit oder Untergang des Abendlands! In einer Materialschlacht ohnegleichen wurde die Frontstadt Berlin mit Kulturkampfpostern regelrecht tapeziert, optischer Höhepunkt: ein Monumentalplakat mit einem Monumentalpassbild von Günther Jauch. Streng schaute er uns an. Streng schärfte er uns ein: »In Berlin geht’s um die Freiheit!« Und er legte eine zweite Drohung nach: »Sagen Sie nicht, Sie hätten keine Wahl gehabt!«

Am Wahltag fuhren die potenziellen Wähler ins Grüne, in Gottes schöne Natur, und ließen die Wahllokale rechts liegen. »Der Günther Jauch«, raunten sie beunruhigt, »wird noch so lange machen, bis der Liebe Gott aus der Kirche austritt!« Fazit: Außer Thesen nix gewesen. Pro Reli gescheitert, Gott sei Dank. Wer ist schuld? Ostberlin, wo die gottverdammten Heiden siedeln.

Am Tag danach stand Günther Jauch ohne Stimme da. Die überraschte Barbara Kastl musste im Millionärsquiz einen Großteil seiner Arbeit erledigen. Wie schön, dass er auch für diese gründlich misslungene Sendung sein Honorar empfing. Übrigens sackte die Kandidatin selbst einen Trostpreis in Höhe von 8.000 Euro ein. Und wer wird Milliardär? Richtig, Günther Jauch!“

http://www.eulenspiegel.com/images/verlag/medien/9783359022473-leseprobe1.pdf

„Jürgen Roth: Die Pfeife des Weltgeistes - Hans-Ulrich Jörges

Auf der publizistischen Giftliste weit oben steht ein gewisser Hans-Ulrich Jörges. Es heißt, er sei Mitglied der stern-Chefredaktion. Wir glauben das mal. Daneben bekleidet er als Autor der wöchentlichen Kolumne »Zwischenruf«, lanciert im bekannten Dösel- und Duddelnblatt von Gruner+Jahr, das Amt des größten ungestraften Unsinnsredners der Republik. Das soll sogar die britische Financial Times anerkannt und ihn 2006 zu den einflussreichsten Kommentatoren der Welt ernannt haben. Wos ois gibt.

Die Methode des Hans-Ulrich Jörges ist die Meinung, die er nachts in irgendeiner grunzhippen Prenzlauer-Berg-Bar hat (resp. ebenda auf dem Klo aufgelesen oder unterm Zapfhahn aufgeschnappt). Sie wechselt alle sieben Tage. Einen Stil hat er nicht – sieht man ab von zwanghaften Wortspielereien auf Baumschulkabarettniveau und einer verbeulten Metaphorik sowie einer verkrüppelten Syntax, die verdächtig nach Franz Josef Wagner (c/o BILD) mufft. stern und Springer, es ist heute wahrlich alles eins im Kainszeichen der »Welthirnjauche« (Karl Kraus).

Das erklärt Jörges – nach der Abwahl Gerhard Schröders im September 2005 – so: »Der Gesinnungsjournalismus der 70er Jahre ist tot, und die Hinterbliebenen peinigt der Phantomschmerz.« Die Hinterbliebenen sind diejenigen, die noch über Reste einer Haltung zur Wirklichkeit verfügen. Eine Haltung hat Hans-Ulrich Jörges selbstverständlich nicht – es sei denn vor dem Spiegel in der Maske, wo man ihn für seine seit Jahren nicht mehr zählbaren Talkshowauftritte zurechtspachtelt.

Die Welt spachtelt sich Hans-Ulrich Jörges wiederum nach jener Meinung zurecht, die in der Talkshow gut ankommt. So einen nennt man »Schmock« (Karl Kraus) oder »Gesinnungsjournalist « (Eulenspiegel). Oder »ein Miraculum« (ebd.). Denn es ist schlechterdings wundersam und -bar, welche Plattheiten sich in diesem eminenten Topfkopf ständig zu gedanklichen Unwettern auswachsen. Man könnte auch sagen: jede Kolumne ein Denkmal der Dummheit. Doch wir wollen nicht untertreiben.

Schauen wir uns im OEuvre des Hans-Ulrich Jörges ein wenig um. Erst paukt er schmachtend vor Vorfreude Angela Merkel ins Amt, und kaum ist sein Wunsch in Erfüllung gegangen, jault er: »Die Große Koalition braucht ein Herz. Einen Spirit. Eine Vision.« Nämlich jene der »Gewinn- und Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern«, denn »Angst, Ausgrenzung und ökonomischer Erpressung der Arbeitnehmer würden Engagement, Partizipation und Fairness entgegengesetzt«. Merke: Die »Heuschrecken- Furcht« sei das beherrschende Gefühl der Zeit.

Eine Woche später (stern 47/2005) legt Jörges unter der Überschrift – holla! – »Du bist Münte!« der Großen Koalition zur Last, »ihre Würfel« seien »zu klein […] für den großen Wurf«, und wirft seinerseits mit wummsigen Wortwirrnissen um sich: »Du bist Merkel. Du willst etwas anderes. Etwas Neues, etwas Großartiges, etwas noch nie Dagewesenes.« Wird schon so was sein. Allein, ein Absatz weiter: »Du bist Münte, bist die deutsche Sphinx. Du rufst heute: Reformen. Und morgen: Heuschrecken!« Also, ich nicht. Könnte aber jemanden rufen. Es sind bereits ganz andere eingeliefert worden.

In der nächsten Folge ist die noch vor zwei Wochen mit dem Elan des Utopisten angerufene Regierung am Ende, Ende, Ende. »Vor diesem Kabinett versagen alle Klischees und historischen Erklärungsmuster«, was Jörges nicht daran hindert, uns das alles ganz genau zu erklären. Etwa so: »Maggie Merkel? Dazu fehlen der Kanzlerin die Weichlinge im Kabinett wie der Waschlappen daheim.« Du bist Merkel? Du bist bescheuert.

So jedenfalls schmalzt, sabbert und schmiert er in dräuender und dröhnender Regelmäßigkeit vor sich hin, der Hans-Ulrich Jörges. Bekanntlich errechnete er im Mai 2006 mit seinem sehr speziellen Spitzen- oder Spatzenhirn, als Hartz-IV-Empfänger könne man bis zu »2.000 Euro Sozialleistungen« abgreifen. »Der Kommunismus siegt – Arbeit wird verhöhnt, Nichtstun belohnt«, bölkte er durchs Land, sah »eine Tsunami-Welle« an Kosten anbranden und entdeckte eine »wahre Honigroute zum Kommunismus«, anstatt sich weiter um Angies Kartoffelsuppe zu kümmern (doch, über die hatte er da auch längst skribiert).

Im Juli des Jahres fiel ihm hinsichtlich der SPD die Formulierung ein, »dass der Gedanke an die Sollbruchstelle erstarrt ist«. Da er selbst nicht wusste, was das heißen sollte, griff der »Stimmungsmacher der Hartz-Republik« (taz) lieber auf eine vertraute »Diagnose« zurück: »Die Große Koalition ist am Ende, aber sie geht nicht zu Ende.« Weil sie nicht auf den Jörges hört. Deshalb: »Keine Erlösung für das unerlöste Land.« Und die Aussichten, in diesen raren Reflexionen einen lesbaren, vollständigen Satz mit Prädikat zu finden, schwinden obendrein.

Dafür überrascht uns Hans-Ulrich Jörges exakt einen Monat später (stern 32/2006) mit der Headline – na? –: »Das unerlöste Land«. Dass es endlich einer sagt! Und was für einer! Hatte Jörges vor knapp einem Jahr a) den »stillen Patriotismus« der meisten Kabinettsmitglieder belobigt, b) zwei Wochen zuvor allerdings beklagt: »Die Rufe der Politik nach Patriotismus bleiben fruchtlos «, stiefelt er jetzt – c) – mit der These in die vollen, Deutschland sei eine »Nation ohne Heilsversprechen« und ohne »echte Patrioten«, und allen voran – na, wer? –, allen voran: Angela Merkel weigere sich, im »Gehege ihres politischen Kleinmuts befangen«, patriotische Posaunen anzustimmen.

»Es ist ein Elend, dass der Hegelsche Weltgeist nicht Jörges liest«, merkt der PR-Berater Klaus Kocks an. Wir lesen weiter und erfahren jüngst, im Mai 2009, per Überschrift bei Jörges, dass »das Monster schmatzt«, gemeint: das Finanzimperium. Ähnliches war schon zum Auftakt des Jahres zu vernehmen gewesen: »Die Macht schmatzt« – so Jörges’ Conclusio in einer Generalabrechnung mit der, tja, Großen Koalition (»Agenda 08 ungelöst«), in der Jörges plötzlich die »Altersarmut« und die Blockaden durch das »Fünfparteiensystem« geißelte und zugleich den »Volkskapitalismus« propagierte. (Denselben fand er abermals im Mai richtig prima – Formel: »Kapital für alle!«)

Da sich die Regierung Jörges’ Forderung, rasch »abzutreten« (stern 28/2006 ff.), noch immer nicht zu Herzen nahm, schleuderte er wenig später ein »Zeit zu gehen, Herr Ackermann!« ins interessierte öffentliche Rund und beschloss seine Philippika: »Horst Köhler nennt das Finanzsystem ein Monster. Das lebt. Und schmatzt.« Jammjamm.

Ja, in Deutschland, der »traurigsten Baracke des Westens« (Jörges), ist ’ne Menge los – bzw. zwischen den sausenden Ohren des Hans-Ulrich Jörges. Das Fünfparteiensystem? Wir erinnern uns? Blockaden und so? Och nö! Zumindest bis vor kurzem »galt als ausgemacht, dass das Fünfparteiensystem neues Denken und geöffnete Fenster« zur Folge habe. Hätte Jörges’ Schädel ein Dachfenster, man wollte nicht hineingucken.

Im »Land der Puppen« (Jörges) treibt ein besonders narrischer Kasper die »Schäfergümbelisierung der Gesellschaft« (Jörges) unbeirrt voran: Hans-Ulrich Jörges. Sein vorerst größter und behämmertster Coup: anlässlich der zufälligen Enttarnung des Benno-Ohnesorg-Mörders Karl-Heinz Kurras als SED-Mitglied und IM auf zwei ganzen stern-Seiten spekulativ herumzudelirieren und in Anbetracht des »gewaltigen, […] blutigen Verwirrspiels der deutschen Geschichte« zu behaupten: »Die DDR hat nicht nur die Biografien der Ostdeutschen verwüstet, sie hat nun auch vielen Westdeutschen eine Teilbiografie verbogen und genommen. So wie mir.«

Es ist zum Greinen und zum Löffelverbiegen.

Kurzum: So lange geht uns Hans-Ulrich Jörges schon erbarmungslos auf den Zeiger, was könnte da für ihn sprechen?

Dass er Pfeifenraucher des Jahres 2008 ist.“

http://www.eulenspiegel.com/images/verlag/medien/9783359022473-leseprobe1.pdf

„Werner Rügemer: Die schmerzlosen Leiden des Josef Ackermann

Wie steht er seit Jahren am Pranger der Nation! Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, der gierige Großverdiener unter den deutschen Topmanagern: 20 Millionen Euro im Jahr! Die Rendite seiner Bank hochschrauben, Tausende Beschäftigte entlassen und hohe Prämien kassieren!

Tapfer stand er die öffentliche Häme durch. In der Finanzkrise kommt sie schon wieder auf. Aber immer lächelt er freundlich. Nachsichtig antwortet er in seinem biederen, schwyzerisch gefärbten Hochdeutsch, im schweren Dienste seiner Bank und aller Banken. Muss er nicht leiden?

Wo er zudem im eignen Haus für manchen eine Lachnummer ist. Die Stars seiner Investmentbanker in London und New York können über die 20 Millionen ihres öffentlichen Chefschauspielers nur milde lächeln. Superstar Anshu Jain etwa kassiert 100 oder auch mal 150 Millionen im Jahr. Dass ihr Chef mit Aufsichtsratspöstchen bei der Creme der korrupten deutschen Topunternehmen ein paar hunderttausend Euro dazuverdient, bei Siemens und VW zum Beispiel, das hilft ihm nicht. Auf diesen Tantiemen besteht der Bedauernswerte. Deutschlands Großmedien schweigen zwar bankiersmäßig diskret über seine Zusatzverdienste, und seine Top-Arbeitsplatzvernichter werden nicht bloßgestellt. Dafür lässt sogar sein Lieblingsblatt BILD ihn bei Bedarf ein bisschen leiden mit seinen 20 Millionen.

Und da mäkeln sie schon an ihm herum, dass die Deutschbank nicht mehr zu den Top Ten der Weltliga gehört. Deutschlands prominentester armer Reicher hat es nicht geschafft, eine andere große Bank zu schlucken, und gleichzeitig muss er zur Standortpflege sogar noch Kreide fressen: In der Katholischen Akademie und in der Evangelischen Akademie muss er sich christlich nachsichtigen Kritikern stellen und davon säuseln, »man« habe »manche« Fehler gemacht.

Der Teddybär kündigt sogar seinen Verzicht auf Boni an und verdreht seine Rehaugen. Er lächelt. Man könnte sein Lächeln für eine Maske, eine Fratze halten.

Hat der Panzer-Offizier der Schweizer Armee die Schweizer Mischung aus Idylle und Verbrechen im Blut? Wie sieht es in seiner Seele aus? Oder hat er keine? Leidet er gar nicht?

Einmal hat er wirklich einen Fehler gemacht, als er zu Beginn des Mannesmann-Prozesses strahlend das V-Siegeszeichen in die Kameras der Welt sandte. Man darf doch wohl, so wollte er in Düsseldorf sagen, Vorstand und Aufsichtsrat mit 120 Millionen einkaufen, damit sie der Fusion mit einem anderen Unternehmen zustimmen? Selbst die FAZ mäkelte, solche Offenheit tue seinem »Image« nicht gut.

Aber das ist ein paar Jahre später vergessen und vergeben.

Wovor soll er also Angst haben? Auch deutsche Richter häkeln an seiner weißen Weste. Er kam nicht hinter Gitter und gilt als nicht vorbestraft, dafür zahlte er ein paar Millionen Bußgeld, lächelnd.

Auf solche juristische Häkelarbeit kann er sich im Land seiner Träume ebenfalls verlassen. In den USA wurde seine Bad Bank in New York wegen Täuschung von Anlegern angeklagt. In einem Vergleich zahlte er bzw. seine Bank das Hundertfache im Vergleich zu den Düsseldorfer Bußgeldern, nämlich 400 Millionen US-Dollar. Auch in der Welthauptstadt der Wirtschaftskriminellen kam der schmerzlose Lächler nicht hinter Gitter, ist schon wieder nicht vorbestraft und trägt weiter die weiße Weste über seinem Teddybären-Bäuchlein.

Hilfe kann Ackermann sich immer bei seinem kleinen Ostmädchen holen. Seine Bank ist seit Konrad Adenauer selig der Haupt- und Dauerbespender der westdeutschen Politchristen. Sie stellt in Krisenzeiten notfalls direkt den Schatzmeister der Bankpartei, wie damals, als Dr. Kohls schwarze Kassen ein bisschen öffentlich überquollen und das neu christianisierte Ostmädchen die Westchristen retten musste. So geht der Pate im Kanzleramt ein und aus. Wenn die Kanzlerin noch schnell dem deutschen Volk die Sicherheit aller Sparkonten verspricht, dann muss der Präsident des Institute of International Finance nicht im Flur warten, sondern wird in den Seitenflügel gebeten, der den Staatsgästen vorbehalten ist.

Als der Deutschbanker standesgemäß im Jahre der Krise seinen 60. Geburtstag begeht, richtet sein Kanzlermädchen in der Regierungszentrale ein Festgelage für ihn aus. Er darf die 25 Gäste selbst auswählen, und die staatlichen Kellner und Köche springen um ihn herum. Er wird gelächelt haben.

Als er einige Zeit später von seinem Freund, dem obersten USPleitebanker und Dabbeljuh-Finanzminister Hank Paulson aus Washington zurückkommt, erklärt er seinem Ostmädchen, wie gute Regierungen mit so einer Krise umgehen: Der Staat muss zahlen.

So ist die von ihm mitverursachte Finanzkrise ein wahres Wonnebad für den obersten Badbanker. »Ich würde mich schämen, vom Staat Hilfen anzunehmen.« So suhlte er sich wohlig in medialer Zustimmung, konnte er doch im Einverständnis mit der Bundesregierung die Gewissheit haben: Seine Bank ist der Hauptgewinner der Staatshilfen. Der Pleitebank IKB hatte die Deutschbank nicht nur die toxischen US-Hypothekenbündel verkauft, sondern ihr auch noch dafür die Kredite gegeben. Die 10 Milliarden an Staatshilfen drehen bei der IKB kurz eine Schleife und landen großenteils bei der Bank, deren Chefschauspieler sich nie schämt. Dasselbe gilt bei den Staatshilfen für die Hypo Real Estate und den US-Pleitekonzern American International Group. Niemand greift mehr Staatsknete ab als Ackermann. Leidet er deshalb, weil das seiner »Überzeugung« widerspricht?

Er lächelt.

Als klar wird, dass im Jahre 2009 in den Mitgliedsländern der EU durch die Badbankerei wohl 50 Millionen Menschen arbeitslos werden, vervielfachen sich seine Besuche beim Ostmädchen. Zudem hat er vor dem G-20-Gipfel in London bereits den britischen Regierungschef Gordon Brown aufgesucht, noch vor dem deutschen Finanzminister, um in der Hochburg des freien Kapitals noch mehr Staatsknete abzusichern.

Die Staatsknete kommt rüber, global, und erneut verkündet Ackermann mitten in der Finanzkrise, die noch mehr Beschäftigte zu Arbeitslosen macht: Die vor der Finanzkrise angekündigte Rendite von 25 Prozent haben wir auch 2008 erreicht! Zu seiner Wiederwahl als Vorstandsvorsitzender habe ihm sofort auch »eine hochrangige Politikerin« gratuliert, lächelt er selbstzufrieden in die Kameras. Er braucht kein V-Zeichen mehr zu machen.

Was kümmert einen ehrlichen Badbanker seine fundamentalistische Staatskritik von gestern? Superrendite mit allen Mitteln ist immer heute, wie schon bei seinen Vorgängern mit solchen Hausfreunden wie Kaiser Wilhelm und Adolf Hitler.

Die Seele des ewigen Lächlers ist verkauft. Wenn er anderen Leid zufügt, auch sich selbst, spürt er keinen Schmerz. Der schwyzer Teddybär in christlich-deutsch-gobalen Diensten wird lächeln, bis zum Tode, und darüber hinaus.“

http://www.eulenspiegel.com/images/verlag/medien/9783359022473-leseprobe2.pdf

 

Lügenbarone und Ganoven - Von Atomminister bis Zentralbanker

 

„Als »Schlitzohren und Halunken« präsentierte Peter Sodann im Vorgängerband die Elite der Republik. Von den besten Satirikern unter die Lupe genommen, wurden sie zu peinlichen Helden. An solchen besteht kein Mangel. Also folgt der zweite Streich – der satirische Blick auf jene Leute, »die uns verarschen, regieren, manipulieren, verhöhnen, enthumanisieren, verbilden, deklassieren, ausrauben – und mit ihrem Treiben viel Geld verdienen. Egal, ob sie im bunten Rampenlicht der Medien stehen oder ihr Geschäft in grauer Stille verrichten, die Methoden ähneln sich, der Zweck ist immer der gleiche.«

Mit Beiträgen von: Rüdiger Bernhardt, Matthias Biskupek, Diether Dehm, Hanskarl Hoerning, Peter Köhler, Edgar Külow, Frank Kuschel, Eckhard Mieder, Hans-Günther Pölitz, Erhard Preuk, Ernst Röhl, Jürgen Roth, Werner Rügemer, Reinhard Umbach und anderen.“

http://www.eulenspiegel.com/verlage/eulenspiegel-verlag/titel/luegenbarone-und-ganoven.html

„Schon einmal hat Peter Sodann eine Schar gewitzter Autoren um sich gesammelt, die den Mächtigen oder sich mächtig und wichtig Dünkenden und als kulturelle und politische Elite Auftretenden den Spiegel der Satire vorhielten. Die 2010 unter dem Titel »Schlitzohren und Halunken – von Ackermann bis Zumwinkel« erschienene Textsammlung findet nun mit den »Lügenbaronen und Ganoven« ihre Fortsetzung.

Keine Frage, das Auftreten von Politikern, Wirtschaftsbossen und Meinungsmachern liefert unerschöpflichen Stoff, wenn es um Anmaßung, Fehleinschätzung, Manipulation, zweifelhaftes Kalkül, verwischte Grenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit und vor allem um die Zuversicht geht, dass das Fußvolk alles schnell vergessen wird. So ist wieder eine illustre Schar von Protagonisten zusammengekommen, deren Aktionsraum vom Fußballfeld bis zu wahrhaft himmlischen Sphären reicht.

Was sind das für Werte, die die großen Werteverteidiger postulieren, ob sie nun Dalai Lama oder Thilo Sarrazin heißen? Was sind die politischen Leitgedanken der Volksvertreter namens Schavan, Aigner oder de Maizière? Welche intellektuelle Begleitmusik lassen Erich Loest, Matthias Matussek oder Henryk M. Broder erschallen?“

http://www.eulenspiegel.com/images/verlag/medien/9783359023319-Sodann_Luegenbarone.pdf

 

 

Dada

 

Wer Uwe Steimles Beitrag noch nicht gesehen hat, möge das jetzt tun:

http://www.mdr.de/meine-heimat/video-92746.html

Dort entdeckt Uwe Steimle das Buch „Kochkunst aus dem Fernsehstudio“ von Kurt Drummer mit seinem Lieblings-Gericht „Überbackenes Saßnitzer Seemannsgarn“ – Mango gehört allerdings nicht zum Rezept: hier erzählt der Dadaist Uwe Steimle selbst Seemannsgarn.

Aber auch Kurt Drummer war ein großer Dadaist, wie folgender Ausschnitt zeigt:

 

 

 

 

Dadaisten lassen sich gerne originelle Ortsnamen einfallen. „Tuntenhausen“ gehört in diese Kategorie. Getoppt wird das noch dadurch, dass da, wo die Tunten hausen, eine Wallfahrts-Kirche steht.

Dort ist dieses schöne Votivbild angebracht, bei dem es ein teuflisches Engelchen hageln lässt. Der Text lautet: „Am 18. August 2003 traf Maxlrain von Südwesten, nach sechs Wochen großer Hitze und Trockenheit der gewaltigste Hagelschlag aller Zeiten. Orangengroße Hagelkörner erschlugen Vögel und Wild, zerschlugen alle Fenster und Dächer und hinterließen einen Schaden apokalyptischen Ausmaßes. 2006 nun steht Maxlrain völlig renoviert in neuer Pracht da. Maria sei Dank! Prinz u. Prinzessin Lobkowicz“

Der guten Maria hätte aber ein noch größerer Dank gebührt, wenn sie es gar nicht erst hätte hageln lassen!

 

 

Dr. Erich Prinz von Lobkowicz scheint als Präsident der Deutschen Assoziation des Souveränen Malteser Ritterordens selbst ein ausgemachter Dadaist zu sein. Mensch gönnt sich ja sonst nichts!