Schlanker Staat

Dramatischer Brand eines Hochhauses in London mit wahrscheinlich mehr als hundert Toten.

Bei den Bewohnern des Gebäudes handelte es sich um eher ärmere Menschen. Hier lässt sich leicht feststellen, dass genau das deren Todesurteil war – in einem Gebäude für reiche Menschen wäre ordentliches Dämm-Material verwendet worden und es hätte die einfachsten Maßnahmen zur Feuer-Vermeidung bzw. Feuer-Eindämmung und Rettung von Menschenleben gegeben.

Neben der lokalen Verwaltung, die die Warnungen wg. Feuergefahr ignoriert hatte, tragen vor allem die britischen Regierungen der letzten Jahrzehnte die Verantwortung mit ihrer Privatisierungs- und Deregulierungswut, die zu massivem Sicherheits-Abbau geführt hat.

An einer politischen Aufarbeitung scheint jedoch kein Interesse zu bestehen.

„Abbau von Bürokratie“ und „schlanker Staat“ mögen teilweise gut und notwendig sein – oft ist das aber auch mit Nachteilen für den einzelnen Bürger versehen. Wie es sich in diesem Fall auf drastische Weise zeigte.

Beim Hochhaus-Brand von London handelt es sich um keine Tragödie – sondern um Mord.

 

 

Nachtrag: der Wurm hat diesen Beitrag noch um Meldungen, die bis zu drei Wochen später kamen, ergänzt.

 

Brand-Ursache

 

Aus „Wikipedia“: „Ausgangspunkt war nach offiziellen Feststellungen eine im vierten Obergeschoss aus ungeklärten Gründen in Brand geratene Kühl-Gefrierkombination des von Indesit zwischen März 2006 und Juli 2009 produzierten Typs Hotpoint FF175BP (die Marke Hotpoint wird auch im deutschsprachigen Raum vertrieben, die Rechte für Europa liegen heute bei der Whirlpool Corporation). Dieser Brandherd kann als gesicherter Ausgangspunkt gelten, da er von der zuerst eintreffenden Feuerwehreinheit lokal beherrscht wurde. Die Flammen griffen aber (wohl durch ein geborstenes oder offenes Fenster) auf die Gebäudefassade über.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Grenfell_Tower

Robert Stevens: „Am Mittwoch, den 14. Juni, war in den frühen Morgenstunden in einer Wohnung im vierten Stock des Hochhauses Grenfell Tower ein kleiner Brand ausgebrochen, der das gesamte 24-stöckige Gebäude in kürzester Zeit in ein Inferno verwandelte. Viele der etwa 600 Bewohner des Hochhauses hatten keine Chance, zu entkommen …

Laut der Metropolitan Police lebten die 80 bestätigten Toten in 23 Wohnungen, allerdings befanden sich in dem Gebäude insgesamt 129 Wohnungen. Am Dienstagabend hatten Rettungsmannschaften noch immer keinen Zugang zu den obersten drei Stockwerken, bei denen man annehmen kann, dass sämtliche Bewohner umgekommen sind. Die Polizei erklärt, eine genaue Zahl der Todesopfer könne erst nächstes Jahr genannt werden.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/07/06/gren-j06.html

Laura Tiernan: „Das Feuer breitete sich über die Fassadenverkleidung aus Kunststoff nach oben aus. Die brennbare Verkleidung wurde letztes Jahr im Rahmen der verhassten „Erneuerungsmaßnahmen“ der Verwaltung des Stadtteils Kensington and Chelsea Borough (RBKC) und der Wohnungsverwaltung Chelsea Tenant Management Organisation (KCTMO) angebracht. Wie die Zeitung The Independent berichtete, wurde die Verkleidung letztes Jahr angebracht, um „die Aussicht aus den Luxuswohnungen im Umkreis zu verschönern."“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/16/fire-j16.html

 

Fehlende Sicherheit

 

Laura Tiernan: „Bewohner erklärten der Presse, es habe keinen Feueralarm gegeben, der sie gewarnt hätte. Feuerwehrleute bestätigten gegenüber dem Radiosender LBC, dass es in dem Gebäude keinen zentralen Feueralarm, keine interne Sprinkleranlage und nur ein Treppenhaus für die ganze Wohnanlage gab. Die Leitern reichten nur bis in den zwölften Stock. Andere Bewohner erklärten, die Rettungsdienste hätten sie angewiesen, in ihren Wohnungen zu bleiben und die Wohnungstüren mit nassen Handtüchern abzudichten, anstatt die Flucht aus dem Gebäude zu riskieren. Vermutlich sind deswegen viele umgekommen.

Ein Londoner Feuerwehrmann mit 29 Jahren Berufserfahrung erklärte gegenüber dem Radiosender LBC, diese Anweisung würde „bei einem normalen Brand“ dafür sorgen, dass das Feuer in einer geschlossenen Wohnung eingedämmt bleibe. Allerdings erklärte er auch, der Brand im Grenfell Tower sei keine normale Situation gewesen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/16/fire-j16.html

 

Kosten-Einsparungen

 

Robert Stevens: „Der Grund, weshalb sich das Feuer rasend schnell von einer einzigen Wohnung auf das gesamte Hochhaus ausbreiten konnte, waren Kosteneinsparungen ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Bewohner.

Das Feuer breitete sich über die Fassadenverkleidung aus, die letztes Jahr im Rahmen einer „Sanierung“ angebracht worden war. Am Freitag wurde bestätigt, was viele bereits vermutet hatten: das Dämmmaterial war entflammbar. Es wurde ausgewählt, weil es pro Quadratmeter zwei Pfund billiger war als die feuerbeständige Alternative. Die Einsparung belief sich auf ganze 5.000 Pfund.

Die Verantwortung für diese und andere lebensbedrohliche Entscheidungen lag bei der konservativen Bezirksverwaltung von Kensington and Chelsea und der von ihr beauftragten Wohnungsverwaltungsfirma Kensington and Chelsea Tenant Management Organisation. Der Grenfell Tower hatte keinen zentralen Feuermelder, keine Sprinkleranlage und nur ein Treppenhaus als Notausgang. Jahrelang ignorierten die Behörden die Warnungen einer Mietervereinigung und der Anwohner, die Grenfell als unsicher und als „Todesfalle“ bezeichneten.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/19/pers-j19.html

 

 

Grenfell ist überall

 

Chris Marsden: „Das Leben von Hunderttausenden Menschen und Kindern in anderen Hochhäusern ist der gleichen Gefahr ausgesetzt. Die Außenverkleidung und Isolierung des Grenfell Tower, die ein kleines Feuer in einen vernichtenden Großbrand verwandelt haben, sind auch an 600 weiteren Hochhäusern angebracht, in denen sich vor allem Sozialwohnungen befinden. Bisher wurden die Außenfassaden von 75 Hochhäusern überprüft, die alle durch den Sicherheitstest fielen.

Jetzt werden 30.000 Schulen sowie Krankenhäuser, Studentenwohnheime, Hotels und ein Fußballstadion untersucht. Eine genauere Prüfung von Bürogebäuden, Einkaufszentren und anderen Gewerbeimmobilien soll noch folgen.

Das Desaster des Grenfell Tower nimmt internationale Dimensionen an. Vor dem Brand hatte es weltweit mindestens zwanzig ähnliche Hochhausbrände aufgrund der Fassadenverkleidung gegeben, die aber – aus reinem Zufall – weniger tragisch endeten. Arconic, der amerikanische Hersteller der Fassadenteile des Grenfell Towers, hat in Großbritannien Produkte verkauft, die in den USA seit fast zwei Jahrzehnten verboten und in Europa nie erlaubt waren.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/28/pers-j28.html

Robert Stevens: „Es ist jetzt ausreichend geklärt, dass solche Gefahren wie beim Grenfell Tower kein Einzelfall sind, sondern im ganzen Land vorhanden sind. Als klar wurde, dass mindestens 600 andere Hochhäuser überall in England und Wales mit dem gleichen Material verkleidet sind wie Grenfell, verkündete die Regierung, dass Tests durchgeführt werden würden, um die Risiken einzuschätzen.

Am Mittwochmorgen wurde festgestellt, dass 120 Hochhäuser in 37 Gemeinden in England die Sicherheitsüberprüfungen nicht bestanden hatten. Das entspricht einer Fehlerquote von 100 Prozent. Etwas später am gleichen Tag war Premierministerin May während ihrer Befragung im Parlament gezwungen zuzugeben, dass die Verkleidung des Grenfell Towers „nicht den Bauvorschriften entsprach“.

Aber niemand wurde deswegen verhaftet, obwohl klar wird, dass nicht nur Wohnhäuser, sondern auch öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser und Schulen in ähnlicher Weise bedroht sind.

Der Daily Telegraph berichtete, er sei vom National Fire Chiefs Council [Nationaler Rat der Feuerwehrchefs] informiert worden, dass 38 Einrichtungen des National Health Service (NHS) „ähnliche Eigenschaften aufweisen wie Grenfell, von denen neun als höchst gefährdet eingestuft wurden“.

Es ist durchaus möglich, dass der schon vielfach überbeanspruchte NHS gezwungen sein könnte, Tausende von Patienten, von denen viele sehr krank sind, aus diesen Gebäuden zu verlegen. Aber auch hier werden die Einzelheiten dieser möglichen Katastrophe noch geheim gehalten. Der Telegraph berichtete, dass weder der National Fire Chiefs Council „noch das NHS-Verbesserungskomitee, das die Untersuchung überwachte, die Namen der Gebäude bekanntgaben oder Einzelheiten über die Befunde mitteilten“.

Die Zeitung stellte fest, dass nach der Regierungsanfrage der letzten Woche alle mit Patienten belegten Krankenhäuser innerhalb von 36 Stunden Sicherheitschecks unterzogen werden sollten. Das habe „Chaos bei den Feuerwehrchefs ausgelöst, die erklärten, dass sie dies neben allen Anstrengungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit nach Grenfell nicht gewährleisten könnten“. Die der konservativen Partei nahestehende Zeitung berichtete dies, ohne zu erwähnen, dass 11.000 Stellen für Feuerwehrleute in den letzten zehn Jahren gestrichen wurden.

Zusätzlich zu all dem muss jetzt die Sicherheit von 30.000 Schulen überprüft werden. Dazu kommen noch 17.000 Altenpflegeheime und Privatkliniken. Als ein wichtiger Faktor, warum derart billiges, brennbares Material in Schulen und Krankenhäusern verbaut wurde, wird sich die Verbreitung von Verträgen mit lukrativen, privaten Finanzinitiativen herausstellen, die es Unternehmen erlaubt hat, Milliarden an Steuergeldern einzustreichen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/30/gren-j30.html

 

Verwaltung ignorierte Warnungen

 

Laura Tiernan: „Nachbarn des Hochhauses erklärten, die Behörden hätten bewusst die Sicherheit vernachlässigt, um das Gebiet aufzuwerten und Bewohner zum Ausziehen zu nötigen. Ein Bewohner des Hochhauses erklärte vor Reportern: „Wir glauben, die Kommune und die Hausverwaltung haben in Wirklichkeit die Qualität der Sozialwohnungen verringert. Damit wollten sie ihre Pläne rechtfertigen, das Gebiet zu erneuern, d.h. alles abzureißen.“

Ein junger Bewohner sagte der BBC, das Haus habe wegen der neu angebrachten „minderwertigen“ Fassadenverkleidung so schnell gebrannt: „Sie haben zwei Möglichkeiten, entweder sie sanieren diese Häuser oder reißen sie ab... Sie wollen uns hier nicht haben, sie wollen hier diese Wohnblocks für Reiche bauen...“

Eine BBC-Reporterin versuchte erfolglos, den jungen Mann zum Schweigen zu bringen und sagte ihm mehrfach, es sei „zu früh, um Schlüsse zu ziehen.“ Der LBC-Radiomoderator James O'Brien erklärte den Zuhörern: „Manchmal ist es einfach Pech.“

Die Tatsachen jedoch widerlegen diese Versuche, den Schaden zu begrenzen.

Die Mietervereinigung Grenfell Action Group (GAG) und Bewohner warnen seit mehr als zehn Jahren, in dem Gebäude bestehe eine erhebliche Brandgefahr. Erst vor sieben Monaten hatten sie gewarnt, die unzureichenden Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen der Hausverwaltung würden „eine größere Katastrophe“ heraufbeschwören. Die Bezirksverwaltung von Kensington und Chelsea hatte diese Warnungen jedoch ignoriert.

Die Aktionsgruppe hatte über Jahre hinweg vor mehreren Feuerrisiken gewarnt, und u.a. auf schadhafte Stromleitungen hingewiesen; sie monierte weiter häufige Stromschwankungen; schadhafte Notfallbeleuchtung; in der Feuerwehrzufahrt geparkte Fahrzeuge; das Fehlen eines Feueralarms für das ganze Gebäude und die Untauglichkeit der Anweisung, im Brandfall in den Wohnungen zu bleiben. Im November 2016 zitierte die Gruppe aus dem Bericht der Hausverwaltung, laut der die Brandschutzausrüstung nicht inspiziert und gewartet wurde: „Bei den Feuerlöschern im Gebäude, dem Heizungsraum im Keller, dem Motorraum des Aufzugs, dem Schaltraum im Erdgeschoss und vielen anderen Bereichen waren laut den Aufklebern des Prüfunternehmens Inspektionen überfällig.“

Die Gruppe berichtet, im Jahr 2013 habe ein Großbrand im Grenfell Tower „gerade noch verhindert werden können.“ Bewohner hatten eine Zeitlang beängstigende Stromstöße gemeldet. Wie sich später herausstellte, wurden sie durch schadhafte Leitungen ausgelöst.

Die Grenfell Action Group erklärte: „Es ist zwar ein wirklich beängstigender Gedanke, doch wir glauben, dass nur eine Katastrophe die Unfähigkeit und Inkompetenz unseres Vermieters, der KCTMO, enthüllen und den gefährlichen Lebensbedingungen und der Vernachlässigung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften ein Ende setzen kann, die sie ihren Mietern und Pächtern zumutet.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/16/fire-j16.html

 

Schlanker Staat

 

Chris Marsden: „Doch der Schock vermischt sich mit Empörung. Millionen erkennen, dass Grenfell kein Unfall war, sondern ein Verbrechen. Diese Tragödie war voll und ganz vorhersehbar und ist das direkte Ergebnis von vier Jahrzehnten Deregulierung unter den Tory- und Labour-Regierungen und ihren kommunalen Vertretern. Sie alle sind mitschuldig an diesem Massenmord.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/28/pers-j28.html

Robert Stevens: „Die Löscharbeiten der Feuerwehr wurden erschwert durch den schlechten Zugang zum Gebäude, unzureichende Ausrüstung und Personalstärke. In den letzten zehn Jahren wurden die Feuerwehren im ganzen Land Opfer verheerender Kürzungen, u.a. wurden 11.000 Stellen abgebaut. Der heutige Tory-Außenminister Boris Johnson hat in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister zehn Feuerwachen geschlossen, vierzehn Fahrzeuge außer Dienst gestellt und 522 Stellen abgebaut und trägt damit eine Hauptverantwortung für die Katastrophe.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/07/06/gren-j06.html

Chris Marsden: „Finanzminister Philip Hammond gab zu, dass die eingesetzten Materialien eigentlich verboten werden sollten. Dennoch hat die Tory-Regierung durch die Deregulierung der Sicherheitsregelungen für Wohnhäuser und die Missachtung einer Reihe von Sicherheitsempfehlungen nach früheren Bränden die Grundlage für ein derart kriminelles Verhalten geschaffen …

Doch die Ursprünge des Massenmordes im Grenfell Tower setzen noch weitaus früher an. Die Verwandlung Großbritanniens in eine soziale Brachfläche und Londons in einen Tummelplatz der Reichen begann unter Margaret Thatcher. Tony Blair kündigte dann an, er werde „Thatchers Revolution“ vollenden, indem er eine Million Sozialwohnhäuser verkaufte und sich gleichzeitig selbst ein Immobilienportfolio im Wert von 27 Millionen Pfund zusammenstellte. David Cameron rief das „Zeitalter der Austerität“ für die Arbeiterklasse und ein „Freudenfeuer aller Regulierungen“ für seine Freunde in der Finanzbranche, den Vorstandsetagen und den Vermietern aus. Sie alle müssten nach dem Hochhausbrand angeklagt werden.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/20/pers-j20.html

Julie Hyland: „Fast vierzig Jahre lang passten die Angriffe auf Gesundheitsschutz und Sicherheitsbestimmungen wie die Faust aufs Auge zu Margret Thatchers unsäglichem Ausspruch, dass es „so etwas wie Gesellschaft nicht gibt“.

Eine der ersten Amtshandlungen Thatchers war es, Kommunen daran zu hindern, Wohnungen zu bauen, weil das der „Markt“ angeblich besser bewerkstellige. Das schuf die Voraussetzung für enorme Preissteigerungen für Grund und Boden, für Häuser – und für die Spekulation. Dadurch wurde London zur fünftteuersten Stadt der Welt.

Damit ging die Streichung von Vorschriften für den Wohnungsbau und die Planungen einher, um die „Kostenbelastung“ für Unternehmen zu senken.

1986 schaffte die Thatcher-Regierung die Bauvorschriften (London Building Acts) ab. Diese gingen auf das große Feuer in London von 1666 zurück, das damals achtzig Prozent der Stadt zerstörte. 70.000 der damaligen 80.000 Bewohner Londons verloren dabei ihre Häuser oder Unterkünfte. Wie viele Menschen dabei starben, ist nicht bekannt.

Dem Telegraph zufolge verlangten die Gesetze, dass „Außenmauern einem Brand mindestens eine Stunde lang Widerstand leisten können müssten, um das Überspringen von Flammen zwischen Wohnungen oder von außen in die Wohnungen zu verhindern. Aber „diese Regelungen wurden durch die National Building Regulations ersetzt, die diese wichtige Zeitspanne nicht mehr vorschrieben“.

Der Grenfell Tower wurde 1974 vollendet. Seine Konstruktion war also von diesen Veränderungen noch nicht betroffen. Bezeichnenderweise spezifizierten die neuen Bestimmungen, dass Baumaterialien an den Außenfassaden nur noch der „Klasse O“ entsprechen mussten und, was das Wichtigste war, nicht mehr unbrennbar sein mussten.

Bei einer angeblichen Modernisierung des Blocks im Jahr 2016 wurde eine Außenverkleidung angebracht, um das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes von den nahegelegenen Luxusappartements aus zu verbessern. Eine feuerfeste Variante des Verkleidungsmaterials wurde aus Kostengründen verworfen, bei einem Unterschied von lächerlichen 5.000 Pfund. Darüber hinaus soll das brennbare Material auch noch über Gasleitungen verlegt worden sein.

Es ist nicht zu akzeptieren, wenn behauptet wird, man habe nicht gewusst, welche Gefahren damit verbundenen waren. Schon 1999 unter der Regierung von Tony Blair wurde das Parlament über die potentiellen Risiken der Ausbreitung eines Feuers mittels solcher Fassadenverkleidung informiert.

Nach dem Tod von sechs Menschen bei einem Brand im Hochhausblock Lakanal House im Süden von London 2009 schrieb der Untersuchungsrichter Frances Kirkham an den damaligen Staatssekretär für die Kommunen Eric Pickles und gab Empfehlungen, Sprinkleranlagen einzubauen. National sollen ca. 4.000 Hochhäuser wegen der Verwendung brennbarer Materialien für die Außenverkleidung durch die Ausbreitung von Bränden gefährdet sein.

Trotz mehrfacher Ankündigungen von Ex-Wohnungsbauminister Gavin Barwell, heute Theresa Mays Stabschef, wurde nichts getan. 2014 lehnte es der damalige Wohnungsbauminister Brandon Lewis ab, Baufirmen zu verpflichten, Sprinkleranlagen einzubauen, mit der Begründung: „Die Kosten für Sprinkleranlagen könnten den Wohnungsbau beeinträchtigen, den wir aber fördern wollen.“

Erst letztes Jahr schrieben Feuerwehrchefs nach der Untersuchung eines Brandes im Wohnhochaus Shepherd Court, in Westlondon, an die Kommunen. Diese Untersuchung hatte offengelegt, dass Außenverkleidung dazu beigetragen hatte, dass sich das Feuer so leicht ausbreiten konnte. In dem Bericht über den Brand, erklärte der Versicherer RSA, dass entflammbares Material in der Isolierung „relativ leicht schmilzt und sich entzündet“ „und zu einer extrem schnellen Ausbreitung des Feuers führen kann und geeignet ist, große Mengen giftiger Gase zu produzieren, was die Bekämpfung des Brandes fast unmöglich macht.“

Aber es wurde nichts unternommen.

Das war nicht das Ergebnis von Fehlern, das war eine bewusste Politik. Man beachte die Tatsache, dass die Regierung erst letztes Jahr von der „Anforderung“ abrückte, dass alle neuen Schulgebäude mit Sprinkleranlagen ausgerüstet werden sollten. Die Anforderung war zwar seit neun Jahren in Kraft, jedoch nicht verpflichtend und nicht rückwirkend gemeint. Das bedeutete, dass alle Schulen, die vor 2007 gebaut wurden, ausgenommen waren. Nur dreißig Prozent aller neuen Schulgebäude waren der Anforderung gefolgt und hatten Sprinkleranlagen installiert.

Sprinklersysteme machen weniger als zwei Prozent aller Baukosten aus. Nach Angaben des Verbandes der britischen Versicherer gab es in dem Jahr in Schulen und Bildungseinrichtungen 1.500 Brände. Aber selbst das wurde als unerwünschte regulatorische Belastung für die Konzerne betrachtet.

Nach dem Finanzcrash von 2008 beschleunigte sich das Tempo der Deregulierungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit noch. Die Gelegenheit, die Wirtschaft von einschränkenden Fesseln zu befreien, wurde eifrig genutzt. Die konservativ liberaldemokratische Koalition von 2010 sagte zu, dass eine neue Regulierung nur erlassen werden durfte, wenn dafür eine andere wegfiele.

Premierminister David Cameron versprach: „Ich werde die Sicherheitskultur brechen.“ Er erklärte „übermäßiger Gesundheits- und Sicherheitskultur den Krieg“, die zu einem Mühlstein um den Hals der britischen Wirtschaft geworden sei, sagte er. „Wir müssen kollektiv erkennen, dass wir nicht alle Risiken eliminieren können und dass manche Unfälle unvermeidlich sind.“

Der liberaldemokratische Wirtschaftsminister der Koalition, Vince Cable, führte eine „Star Chamber“ (Nicht an das normale Recht gebundene Kammer) des Kabinetts ein, die die Aufgabe hatte, „mit exzessiven Regulierungen aufzuräumen, welche die Wirtschaft lähmen“.

Innerhalb von zwei Jahren wurden unter Lord Young und Professor Löfstedt nicht weniger als zwei Überprüfungen in Auftrag gegeben, die festlegen sollten, welche Regulierungen gestrichen werden sollten.

Im April 2011 schrieb Cameron an die Minister: „Ich will, dass wir die erste Regierung der modernen Geschichte sind, die am Ende ihrer Amtszeit weniger Regulierungen hinterlässt, als sie bei ihrer Amtsübernahme vorgefunden hat.“

Die 21.000 amtlichen Vorschriften und Regulierungen, die in Kraft waren, sollten um die Hälfte reduziert werden. Alle in Kraft befindlichen Regulierungen sollten in einem Bereich nach dem anderen aufgelistet werden. Die Öffentlichkeit und alle interessierten Parteien waren eingeladen mitzuteilen, welche gestrichen werden sollten.

Während in der Vergangenheit die Annahme galt, dass Regulierungen bestehen bleiben sollten, solange es keine guten Gründe gab, sie abzuschaffen, stellte die Regierung das auf den Kopf. „Wir kehren diese Annahme um“, schrieb Cameron“.

Ministerielle Teams wurden „persönlich haftbar gemacht für die Zahl der in ihrem Ministerium existierenden und die von ihm erlassenen Bestimmungen und für die Belastungen, die sie verursachen… Sie müssen ein für allemal verschwinden.“

Cameron ordnete an, dass „Unternehmen kleinere Unfälle nicht mehr melden müssen. Bis zu einer Million selbständig Beschäftigte fallen überhaupt nicht mehr unter Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen. Ein neuer Ausschuss wird Firmen das Recht geben, gegen umstrittene Entscheidungen von Inspektionsteams vorzugehen. Und diesen Monat beginnt die Gesundheits- und Sicherheitsexekutive mit ihrer Aufgabe, alle existierenden Regulierungen bis zur Hälfte abzuschaffen oder zusammenzufassen.“

Firmen sind nicht mehr automatisch für Unfälle verantwortlich und Versicherer wurden angewiesen, keine „maßlos übertriebene Beachtung“ von Bestimmungen gegen sie durchzusetzen. 2012 wurde die Regel „Streichung einer Bestimmung für eine neue Bestimmung zu „Streichung von zwei Bestimmungen für eine neue“. 2015 feierte die Regierung die Tatsache, dass sie die Bestimmungen im Wohnungsbau um 90 Prozent verringert habe.

Nach dem Referendum über den Austritt aus der EU lief der Finanzoligarchie das Wasser im Mund zusammen angesichts der Aussicht auf den Wegfall von Regulierungen der Europäischen Union. Der Telegraph feierte den Brexit als „Goldene Gelegenheit“, „so viele Regulierungen wie möglich loszuwerden“. „Freihandel, Konkurrenz und ein Staat, der geringe, aber wirkungsvoll durchgesetzte Regeln erlässt: Das ist die beste Art und Weise, nicht nur einen gesunden Markt zu bekommen, sondern auch einen fairen“, predigte die Zeitung.

Die konservativen Minister John Whittingdale und Michael Gove ermutigten den Industriellenverband CBI, eine Liste der Regulierungen zu erstellen, die sie am liebsten abgeschafft, aber zumindest reformiert haben wollten.

Mays so genannte Brexit-induzierte „Great Repeal Bill“ – d.h. die Übertragung von EU-Gesetzen auf britische Körperschaften oder Minister, ermöglicht so genannte „Heinrich VIII.“-Klauseln. Dieses parlamentarische Vorgehen geht auf das 16. Jahrhundert zurück, als Heinrich VIII. sich selbst praktisch die Vollmacht erteilte, per Dekret zu regieren. Es verleiht Ministern und Verwaltungsbeamten das Recht, zu entscheiden, welche Regulierungen in Kraft bleiben, ergänzt werden oder abgeschafft werden sollen, ohne dass das Parlament damit befasst wird.

John Longworth, der ehemalige Vorsitzende des britischen Industrieverbandes, drängte auf die Etablierung einer modernen Version der „Star Chamber“, die „nicht fürchten müsse, das Undenkbare zu denken“ …

Im Februar feierte die Regierung ihren Kampf gegen ein „Übermaß an Bürokratie“ und brüstete sich damit, dass sie bereits 2.400 Regulierungsbestimmungen über Bord geworfen habe. Sie erklärte unter anderem: „Bei Unternehmen mit einer guten Bilanz wurden Brandschutzkontrollen von sechs Stunden auf 45 Minuten reduziert, sodass Manager schnell wieder ihrer täglichen Arbeit nachgehen können.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/26/gren-j26.html

 

Schuld und Verantwortung

 

Robert Stevens: „Die Brandkatastrophe im Grenfell Tower war nicht einfach eine Katastrophe oder Tragödie. Sie war ein Verbrechen …

Nach dem Brand hatte May eine öffentliche Untersuchung angekündigt, die sich jedoch bereits als Betrug erwiesen hat. Genau wie alle derartigen Untersuchungen von Todesfällen, für die der Staat verantwortlich ist, wird auch diese weder die Wahrheit ans Licht, noch die Schuldigen vor Gericht bringen. Richter Sir Martin Moore-Bick, der Vorsitzende der Untersuchung, ließ die Katze aus dem Sack. Er erklärte offen, die Untersuchung beschränke sich darauf, herauszufinden, „wie der Brand entstanden ist, wie er sich ausgebreitet hat, und wie sich künftige Großbrände verhindern lassen.““

https://www.wsws.org/de/articles/2017/07/06/gren-j06.html

Robert Stevens: „Die Schuldigen für diese Todesfälle müssen verhaftet und strafrechtlich belangt werden, damit die Wahrheit in Gerichtsverfahren aufgedeckt wird. Dazu gehört auch der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson, der Kürzungen bei der Feuerwehr und die Abschaffung gesetzlicher Auflagen durchgesetzt hat, und der Bezirksvorsitzende von Kensington and Chelsea Nick Paget-Brown.

Die Verantwortung für die jüngste Gentrifizierungswelle im Auftrag der Superreichen liegt bei führenden Tories wie Johnson, doch letztlich haben sich alle bürgerlichen Parteien schuldig gemacht, einschließlich der Labour Party, die in vielen Londoner Bezirken die Regierung stellt. Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass er diesen Machenschaften keinen Riegel vorschob, obwohl er bei seiner Amtsübernahme versprochen hatte, die Wohnungskrise in London zu bekämpfen.

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass dieser Brand mehr Todesopfer gefordert hat, als sämtliche Terroranschläge in Großbritannien seit Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ im Jahr 2001.

Bei allen Terroranschlägen der letzten zehn Jahre wurde der gesamte Sicherheitsapparat in Gang gesetzt. Die Polizei veranstaltete Razzien bei allen, die auch nur im Entferntesten mit dem jeweiligen Terroristen zu tun gehabt hatten. Sie wurden umgehend verhaftet und tagelang eingesperrt und verhört.

Doch nach dem Brand im Grenfell Tower wurde kein einziger Verantwortlicher festgenommen, geschweige denn angeklagt. Stattdessen verspricht die Regierung eine läppische Untersuchung, bei der nichts herauskommen wird!“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/19/pers-j19.html

 

Pseudo-Opposition

 

Chris Marsden: „Was würde ein wirklicher Arbeiterführer in einer solchen Situation sagen?

Er würde die Frage stellen, warum die Verantwortlichen wie Boris Johnson, die Tory-Führung in der Kommunalverwaltung und alle Beteiligten an der Sanierung des Grenfell Tower nicht verhaftet und verhört wurden.

Er würde eine Liste von Personen zusammenstellen und veröffentlichen, die angeklagt werden sollen.

Vor allem würde er darauf bestehen, dass die konservative Minderheitsregierung kein Recht hat, das Land zu regieren, und ihren sofortigen Rücktritt fordern.

Er würde ein sozialistisches Programm mit radikalen Umverteilungsmaßnahmen formulieren, um den sozialen Alptraum zu bekämpfen, den der Kapitalismus geschaffen hat.

Corbyn hat nichts dergleichen getan. Er schlägt bestenfalls minimale Reformen vor, die sich danach richten, was seiner Meinung nach im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung möglich ist. Die herrschende Klasse soll lediglich einen vertretbaren Teil dessen zurückgeben, was sie gestohlen hat, um den sozialen Frieden zu wahren.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/20/pers-j20.html

 

Ungehemmter Kapitalismus, der über Leichen geht

 

In reicheren Gegenden unvorstellbar

 

Laura Tiernan: „Am Mittwoch veröffentlichte ein Sprecher des Radical Housing Network, zu dem auch die Grenfell Action Group gehört, eine Stellungnahme: „Der Brand in Grenfell ist eine schreckliche Tragödie, die zu vermeiden gewesen wäre, und für die Behörden und Politiker zur Verantwortung gezogen werden müssen. Die Bewohner von Grenfell Tower sind keine Bürger zweiter Klasse, doch trotzdem haben sie eine Katastrophe erlebt, die in den reicheren Gegenden von Kensington unvorstellbar gewesen wäre.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/16/fire-j16.html

Robert Stevens: „Diese verbrecherische Gleichgültigkeit hat tiefere gesellschaftliche Ursachen. Die Toten von Grenfell sind Opfer der Klassengegensätze und der „normalen“ Funktionsweise des kapitalistischen Systems.

London ist ein internationales Zentrum der Spekulation und des Finanzparasitismus. Der Immobilienmarkt spielt in diesem globalen Korruptionsnetz eine wesentliche Rolle …

Um diesen Markt zu bedienen, werden die armen Bewohner vertrieben, vor allem, wenn sich Sozialwohnungen in einer begehrten Lage befinden. Das ist inzwischen so alltäglich, dass die Einwohner von Lancaster West Estate allen Grund zu der Anschuldigung haben, man habe bewusst nicht in den Grenfell Tower investiert, um sie zum Ausziehen zu zwingen.

Die geldgierige Oligarchie und ihre Lakaien in der Politik treffen täglich ähnliche und ebenso unsoziale Entscheidungen, die der Bevölkerung das Leben zur Hölle machen. Wohnungen und Schulen sind nicht mehr sicher. Krankenhäuser werden geschlossen, Betten werden abgebaut und wichtige Sozialleistungen gestrichen, weil irgendjemand irgendwo glaubt, sie seien nicht rentabel – und der Profit geht schließlich über alles.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/19/pers-j19.html

Chris Marsden: „Die Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower bringt die ganze Verkommenheit der heutigen kapitalistischen Gesellschaft zum Vorschein – nicht nur in Großbritannien, sondern auf der ganzen Welt.

Mehr als einhundert Menschen – wahrscheinlich sogar noch deutlich mehr – sind in den Flammen umgekommen, weil sie arm waren und der Arbeiterklasse angehörten. In Sichtweite einiger der reichsten Menschen der Welt wurden sie von einer herrschenden Elite ermordet, die von unersättlichem Verlangen nach Geld getrieben wird und sich durch Betrug, Diebstahl und Sozialabbau bereichert.

Die soziale Ungleichheit wächst unaufhaltsam und in einem Ausmaß wie noch nie zuvor in der Geschichte. Fast ein Drittel der Londoner Bevölkerung lebt in Armut, die meisten davon sind berufstätig. Reiche und Arme leben dicht nebeneinander, aber sie könnten genauso gut auf unterschiedlichen Planeten leben.

Wohnraum in London ist ein international begehrtes Spekulationsobjekt. Mittlerweile gibt es in London 20.000 sogenannte „Geisterwohnungen“, die mehrere Millionen Pfund wert sind, und in die ihre Besitzer nie einen Fuß gesetzt haben. Der durchschnittliche Preis für ein Wohnhaus ist mit 675.000 Pfund für Millionen Menschen unbezahlbar.

Die Bewohner des Grenfell Tower lebten in einer Todesfalle in einer der ärmsten Gegenden Großbritanniens. Gleichzeitig stand das Haus im reichsten Wahlbezirk des Landes, Kensington und Chelsea. Der Durchschnittspreis für ein Reihenhaus liegt dort bei vier Millionen Pfund.

Für die verbrecherische Plünderung des Reichtums der Gesellschaft sind nicht nur ein paar schlechte Menschen verantwortlich. Sie ist ein Ausdruck der Grundessenz der kapitalistischen Gesellschaft, die auf gnadenloser Klassenausbeutung beruht und über die Marx einst schrieb: „Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol (...).“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/06/20/pers-j20.html

 

Vergleich London – Flint

 

Der Ort Flint in Michigan, USA, wird dem langfristigen Wurm-Leser bekannt vorkomen. Unter anderem aus folgendem Beitrag:

„Sehenswert ist nach wie vor Michael Moores Film “Roger & Me” aus dem Jahr 1989, der genau die Problematik schildert, die viele Jahre später zu diesem „Fuck you!“ geführt hat:

„Im Film dokumentiert Michael Moore sein insgesamt dreijähriges Bemühen, ein Interview mit Roger Smith, dem damaligen CEO von General Motors (GM), zu bekommen, den er für die Schließung mehrerer GM-Fabriken in seinem Heimatort Flint (Michigan) und den daraus folgenden Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen verantwortlich macht. Daneben dokumentiert Moore eindrücklich den verzweifelten und letztlich erfolglosen Kampf von Flint gegen den Niedergang der Stadt, nachdem der mit Abstand wichtigste Arbeitgeber vor Ort seine Tore geschlossen hat.

Der Film zeigt anhand diverser Einzelschicksale, wie es nach einer Welle von Werksschließungen in Flint weitergegangen ist. Unter anderem geht Michael Moore darauf ein, dass eine Menge ehemaliger Automobilwerker Jobs als Gefängniswärter gefunden haben und hier ehemalige Kollegen, die wegen Beschaffungskriminalität Haftstrafen abbüßten, wiedertrafen. Auch der erfolglose Versuch, ein Tourismusgewerbe in Flint aufzubauen, wird von Michael Moore dokumentiert.

Michael Moore begleitet den Sheriff der Stadt, der eine Menge Zwangsräumungen durchführen muss. Selbst am Heiligabend kann der Sheriff aufgrund des hohen Termindrucks keine Pause machen. Der Film endet damit, dass Michael Moore Zwangsräumungen an Weihnachten zeigt und dazu die Weihnachtsansprache von Roger Smith einspielt.““

https://de.wikipedia.org/wiki/Roger_%26_Me

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/251-zeitenwende.html

Jerry White: „Auf den ersten Blick hat die britische Hauptstadt London mit ihren 8,7 Millionen Einwohnern und der weltweit größten Konzentration von Milliardären nichts gemeinsam mit der verarmten Stadt Flint in Michigan, einem Symbol des amerikanischen „Rust Belt,“ deren Einwohner seit mehr als drei Jahren mit der Bleivergiftung ihres Trinkwassers zu kämpfen haben.

Doch in beiden Städten – und in zahllosen anderen auf der ganzen Welt – verurteilt der moderne Kapitalismus die Arbeiterklasse zu unmöglichen Lebensbedingungen und einem frühen Tod.

Mehr als zwei Wochen nach dem Brand im Grenfell Tower am 14. Juni verheimlichen die Behörden noch immer die Zahl der Todesopfer und das volle Ausmaß dieses sozialen Verbrechens. Am Mittwoch erhöhte die Polizei die offizielle Zahl der Todesopfer auf 80, und inzwischen hat sie erklärt, man werde erst im nächsten Jahr eine genaue Zahl nennen können. Diese gleichgültige Behandlung verdeutlicht die Verachtung der herrschenden Klasse gegenüber den Bewohnern des Grenfell Tower. Sie waren kaum mehr als „Kollateralschäden“ in einem Krieg der herrschenden Klasse gegen die Arbeiterklasse und die Armen.

Am Mittwoch hinderten die kommunalen Behörden Überlebende von Grenfell daran, an einem Treffen der Stadtteilverwaltung von Kensington und Chelsea teilzunehmen, bei dem ein Bericht über den Brand vorgetragen werden sollte. Zur Begründung hieß es, es bestehe die „Gefahr von Störungen“. Die Regierung von Theresa May bereitet derweil eine Untersuchung vor, die lediglich die Komplizenschaft der Tory- und Labour-Politiker vertuschen soll. Sie sind die Verantwortlichen für die jahrzehntelange Deregulierung und Austerität, die diese Katastrophe ausgelöst haben.

London hat sich zu einer Welthauptstadt der Finanz- und Immobilienspekulationen entwickelt, in der noch dazu 50 Milliardäre leben. Gleichzeitig wurden Arbeiter und Geringverdiener in Todesfallen wie den Grenfell Tower gezwängt, in dem es nicht einmal die grundlegendsten Sicherheitsvorkehrungen wie Rauchmelder, Sprinkleranlagen oder alternative Fluchtwege gab.

Bedenken der Bewohner wegen der fehlenden Sicherheitsmaßnahmen wurden von der Kommunalverwaltung ignoriert. Stattdessen wurde eine Fassadenverkleidung am Gebäude angebracht, um die Bedenken der bessergestellten Anwohner zu beschwichtigen. Sie betrachteten den Wohnturm als Schandfleck, der den Wert ihrer Millionen Pfund teuren Häuser und Anlageimmobilien verringern könnte.

Genau wie die Bewohner von London sind auch die Bewohner von Flint Opfer eines sozialen Verbrechens, dessen Motiv das wahnsinnige Profitstreben reicher Investoren und ihrer politisch vernetzten Komplizen war. In ihrem Falle haben Amtsträger der Regierung des millionenschweren Gouverneurs Rick Snyder sowie der Demokratische Finanzminister und frühere Investmentbanker Andy Dillon einen Plan zur Bereicherung von Unternehmen und reichen Anlegern ausgeheckt: den Bau einer neuen Wasserpipeline vom Huronsee, die das Wassersystem von Detroit umgeht, aus dem Flint seit Jahrzehnten sein Wasser bezogen hat. Die Wasserversorgung der Stadt erfolgt seither aus dem ungefilterten Wasser des verseuchten Flint River.

Genau wie in London haben auch in Michigan staatliche Beamte die Beschwerden der Einwohner von Flint ignoriert, das verfärbte und übelriechende Wasser würde ihre Kinder krankmachen. Durch das vergiftete Wasser starben mindestens zwölf Einwohner an der Legionärskrankheit, Erwachsene leiden unter einem schlechten Gesundheitszustand, Kinder unter lebenslangen Lernbehinderungen.

Obwohl Amtsträger bis hin zu Ex-Präsident Barack Obama seit mehr als drei Jahren Abhilfe versprechen, haben die Einwohner nichts davon gesehen. Stattdessen haben staatliche und kommunale Behörden die Wassersubventionen abgeschafft, Haushalten in großem Stil wegen Nichtbezahlung das Wasser abgedreht und stellen zunehmend die Verteilung von kostenlosen Wasserflaschen ein.

Anfang der Woche hat eine nicht gewählte Finanzprüfungskommission, die im Auftrag der Banken und Großinvestoren agiert, einstimmig beschlossen, ein einjähriges Moratorium für die Verhängung von Steuerschuldverschreibungen auf Häuser abzulehnen, deren Bewohner nicht für das weiterhin mit Blei und anderen Giften verseuchte Wasser bezahlen wollen. Wenn die Bewohner nicht zahlen, wird die Stadt ihre Häuser beschlagnahmen, um fast 85 Millionen Dollar Schulden an Anleiheninhaber zu zahlen, die von dem Pipelineprojekt profitieren wollten.

Grenfell und Flint sind keine Naturkatastrophen, sondern menschengemachte Verbrechen. Sie sind das Ergebnis von Jahrzehnten der Deregulierung, der Austerität und anderer prokapitalistischer Politik, die zu einer massiven Umverteilung und einer oligarchischen Konzentration von Reichtum geführt haben, wie es sie zuletzt im „Vergoldeten Zeitalter“ Ende des 19. Jahrhunderts gab.

Ereignisse wie diese werden auf der ganzen Welt alltäglich. In Pakistan starben am letzten Sonntag mehr als 150 verarmte Dorfbewohner, als sie austretendes Benzin aus einem verunglückten Tanklaster sammeln wollten, der plötzlich explodierte. In New York entgingen zahlreiche Passagiere einer U-Bahn nur knapp einer tödlichen Katastrophe, als ihr Zug entgleiste. Das antiquierte Signalsystem stammt noch aus dem Jahr 1904 – in einer Stadt, in der so viele Milliardäre leben wie nirgendwo sonst, auch wenn im letzten Jahr einer von ihnen ins Weiße Haus eingezogen ist …

Im modernen kapitalistischen System des 21. Jahrhunderts hat man jeden Aspekt des Lebens, darunter auch das Wasser, „monetarisiert“ und zum Spekulationsobjekt gemacht. Für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit ist es dringend notwendig, die rechtswidrig erworbenen Gewinne dieser sozialen Mörder zu enteignen und die Verschwendung der Mittel der Gesellschaft für ihre Villen, Privatjets und Tropeninseln zu beenden.

Um die brennbare Außenfassade an tausenden von Wohngebäuden in Großbritannien und anderen Ländern zu beseitigen, um die Bleirohre in Flint und in ganz Amerika zu ersetzen, ist eine massive wirtschaftliche und soziale Offensive erforderlich. Die immensen Ressourcen für diese lebenswichtige Aufgabe werden sich nicht durch Appelle an das Gewissen der herrschenden Elite auftreiben lassen, wie es die Jeremy Corbyns und Bernie Sanders dieser Welt behaupten, sondern nur durch die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse für ein Ende des wirtschaftlichen und politischen Würgegriffs der Finanzparasiten und für die Abschaffung des kapitalistischen Profitsystems, auf dem ihr Reichtum beruht.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/07/01/pero-j01.html

 

Arbeitsbeschaffungsprogramm zur Sicherheit und dessen Bezahlung

 

Robert Stevens: „Die Katastrophe im Grenfell Tower ist ein Verbrechen des Kapitalismus. Die Socialist Equality Party besteht darauf, dass die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft sofort verhaftet, angeklagt und vor Gericht gestellt werden müssen. In großem Ausmaß müssen Unterkünfte für diejenigen beschlagnahmt werden, die obdachlos geworden sind oder denen aufgrund fehlender Heizung, Heißwasser und Gas der Zugang zu ihren Wohnungen verwehrt bleibt. Es müssen hunderte Milliarden Pfund bereitgestellt werden, um die Fassadenverkleidungen von unsicheren Hochhäusern zu entfernen und ein massives Arbeitsbeschaffungsprogramm aufzulegen, um alle öffentlichen Gebäude sicher zu machen. Dazu müssen Milliardäre enteignet und die Baubranche und das Bankensystem verstaatlicht und unter die Kontrolle der Arbeiter gestellt werden.“

https://www.wsws.org/de/articles/2017/07/06/gren-j06.html

 

Der Turmbau zu Wuppertal

 

Sollte jemand geglaubt haben, in Deutschland sehe die Lage sehr viel anders aus, der täuscht sich gründlich. Zum Thema Gentrifizierung empfiehlt der Wurm seinen früheren Beitrag http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/263-der-geheimdienst-die-stadt-und-die-not.html

Und den „schlanken Staat“ durch Personal-Abbau und Aufweichung oder Abschaffung von Regularien gibt es hier auch zur Genüge.

Dietmar Henning: „Nach dem Inferno vom Grenfell Tower in Westlondon gaben in Deutschland die verantwortlichen Politiker zu Protokoll, eine solche Katastrophe könne hier aufgrund der strengen Sicherheitsrichtlinien und Bauvorschriften nicht passieren.

Das war gelogen. Keine zwei Wochen später mussten am Dienstag, den 27. Juni, 72 Bewohner eines Hochhauses in Wuppertal ihre Wohnungen Hals über Kopf verlassen. Das Gebäude wurde evakuiert, weil es eine ähnliche Fassade aufweist wie der Londoner Grenfell Tower.

Beim Brand des Grenfell Tower starben laut offiziellen Meldungen 79 Menschen. Die wirkliche Opferzahl liegt mit Sicherheit weit höher.

In Wuppertal sollen die Bewohner des elfstöckigen Gebäudes auf der Hilgershöhe erst wieder in ihre Wohnungen zurückkehren können, wenn die Fassade entfernt ist. Das könnte Monate dauern.

Wie Wuppertals Baudezernent Frank Meyer erklärte, besteht die Fassade aus Kunststoffpaneelen, die auf einer Holzkonstruktion befestigt sind. Die Zwischenräume sind mit Holzwolle-ähnlichem Isoliermaterial gefüllt. Sowohl die Fassadenelemente, als auch das Holz und das Dämmmaterial sind leicht brennbar.

Brandriegel zwischen den Stockwerken, um das Übergreifen eines Feuers zu verhindern, gibt es nicht. Somit könnte sich das Gebäude, ähnlich wie der Grenfell Tower in London, bei einem Brand in Windeseile in eine unkontrollierbare Flammenhölle verwandeln.

Hinzu kommt, dass es keine automatische Brandmeldeanlage gibt, und dass die Rettungswege fehlen. Der einzige Fluchtweg, das Treppenhaus, ist nur über kleine Balkone zugänglich. Würde nun die Fassade lichterloh brennen, könnten die Balkone nicht mehr betreten werden, und der Fluchtweg wäre abgeschnitten.

Die großen damit verbundenen Gefahren waren der Stadt seit sieben Jahren, seit einer Brandkontrolle der Feuerwehr 2010, bekannt. Doch erst jetzt wurde gehandelt. Jochen Braun, Ressortleiter der Stadt Wuppertal für Bauen und Wohnen, sagte der Rheinischen Post: „Wir wussten zwar schon länger von den Problemen, aber nach dem Hochhausbrand in London haben wir die Gefahr neu bewertet.“ Insgesamt sei man allein in Wuppertal dabei, 70 Hochhäuser zu überprüfen.

Die Evakuierung des Hochhauses wurde am Vormittag beschlossen und am Nachmittag bereits umgesetzt. Die Stadt ging dabei äußerst rigoros vor. Die Polizei sperrte alle Zugänge zum Gebäude ab. Vom frühen Nachmittag an klingelten Mitarbeiter des Ordnungsamtes bei den anwesenden Mietern und erklärten diesen, sie hätten genau 20 Minuten Zeit, um einen Koffer mit dem Nötigsten zu packen und das Haus zu verlassen. Bewohner, die später nach Hause kamen, durften das Gebäude nur noch in Begleitung einer Security-Person des Ordnungsamts betreten, um Sachen aus ihren Wohnungen zu holen.

Die Rheinische Post berichtet in einer Reportage über wütende und verzweifelte Bewohner, unter ihnen Familien mit kleinen Kindern und mehrere Senioren. „Gegen 19 Uhr verlässt die letzte und älteste Bewohnerin das Gebäude“, schreibt die im nahen Düsseldorf erscheinende Zeitung. „Johanna Klosa ist 89 Jahre alt und lebt seit 47 Jahren in dem Hochhaus.“ Gestützt auf einen Polizisten und ihre Enkelin habe sie das Gebäude verlassen. Die Enkelin sagte: „Meine Oma ist sehr verwirrt und hat bitterlich geweint.“ Sie verstehe nicht, warum den Bewohnern nicht mehr Zeit gelassen wurde. Die Großmutter habe die große Sorge, „dass sie nicht mehr zurückkehren wird“.

Damit niemand unerlaubt zurückkehrt, hat die Stadt sogar die Türschlösser austauschen lassen und einen Sicherheitsdienst engagiert. „Wir können nicht zulassen, dass sich jemand mit einem Ersatzschlüssel Zugang verschafft“, sagt eine Sprecherin der Stadt Wuppertal. „Die Gefahr ist einfach zu groß.“

Das Muster ist sattsam bekannt: Immer, wenn eine Katastrophe passiert ist, werden alle möglichen Initiativen als Alibifunktion ergriffen. Wenn sich die öffentliche Aufregung dann gelegt hat, ändert sich in der Regel aber nichts.

Das Beispiel zeigt, dass vielerorts die gleichen Verhältnisse herrschen, die in London zur Katastrophe geführt haben. Das Haus gehört heute einer Immobiliengesellschaft namens Intown Property Management mit Sitz in Berlin. Diese kauft Wohn- und Geschäftshäuser im ganzen Bundesgebiet auf, um sie profitträchtig weiterzuverkaufen oder zu vermieten. Auf der Website von Intown steht der Satz: „Unser höchstes Ziel ist die Wertsteigerung von Immobilien“.

Laut Leipziger Volkszeitung gehört Intown „zum äußert intransparenten Firmenreich des milliardenschweren Fonds-Experten Amir Dayan“. Er sei in Osteuropa, Schweden, den Benelux-Staaten und vor allem in Deutschland aktiv und nutze als Sitz von Gesellschaften häufig Zypern. „Dayan gilt als sehr öffentlichkeitsscheu, aus seinen Firmen dringt nur selten etwas nach außen.“

Eine Sprecherin der Stadt Wuppertal erklärte, man habe Intown und auch die vorherigen Besitzer mehrmals angemahnt, die Fassaden zu erneuern. „Wir haben die wechselnden Besitzer angeschrieben, Fristen gesetzt und Zwangsgelder verhängt, aber keiner der Besitzer hat darauf reagiert.“

Als die Stadt Wuppertag entschied, das Haus müsse geräumt werden, verweigerte Intown zunächst jede Beteiligung an der Maßnahme. Erst zwei Tage später sagte die Gesellschaft zu, man werde die Fassade sanieren, ohne jedoch Einzelheiten oder klare Fristen zu nennen. Für die Bewohner bedeutet das, dass sie weiter im Ungewissen sitzen, ob sie überhaupt je wieder einziehen können, und wenn ja, wie lange sie darauf warten müssen.

Inzwischen läuft die politische Beschwichtigungsmaschinerie auf Hochtouren. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) versprach, die Länder würden jetzt zügig weitere gefährliche Gebäude im Bundesgebiet ausfindig machen. Die Bauministerkonferenz werde „kurzfristig erheben, wo es solche Bauten geben kann“.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, Sarah Philipp, betonte, jetzt müsse „die Sicherheit der Bewohner von Hochhäusern an erster Stelle stehen“. Sie forderte den zuständigen Minister der neuen nordrhein-westfälischen CDU-FDP-Landesregierung auf, alle Wohngebäude, die höher als 22 Meter sind, auf die Brennbarkeit der Fassaden zu überprüfen. Sie verschwieg dabei, dass sich die abgewählte SPD-Grünen-Landesregierung selbst nicht darum gekümmert hat.

Die neue Regierung wird aber in dieser Beziehung auch nichts Grundlegendes ändern. Ein Sprecher der nordrhein-westfälischen CDU-Fraktion sagte: „Wir gehen davon aus, dass alle Kommunen entsprechend der Zuständigkeit ihrer Aufsichtspflicht nachkommen.“

Laut den Bauordnungen, die in Deutschland in die Zuständigkeit der Länder fallen, gelten Gebäude als Hochhaus, wenn der Fußboden des obersten Geschosses mindestens 22 Meter über dem Erdboden liegt. So weit reichen die Drehleitern der Feuerwehr. Ab dieser Höhe gelten besondere Brandschutzanforderungen, und auch die Fassaden-Dämmung unterliegt strengeren Kriterien.

Das Beispiel von Wuppertal zeigt jedoch, dass in der Wirtschaft der Druck, die Profitrate zu erhöhen, stärker ist als alle Sicherheitsrichtlinien. Das gilt ganz besonders in der Immobilien- und Baubranche. So wählte die Firma, die in London die Fassade des Grenfell Tower verkleidet hatte, das leichter brennbare Material, um 5.000 Pfund zu sparen. In Wuppertal sah bisher in all den Jahren weder die Stadt noch die Immobiliengesellschaft einen Anlass, die regelwidrige und hochgefährliche Fassade zu erneuern.

Darüber hinaus weisen Sachverständige und Feuerwehren auf die bestehende Grauzone bei weniger hohen Wohngebäuden hin: Gefährlich ist die Lage in den Häusern, die zwar über mehrere Stockwerke verfügen, aber knapp unter 22 Metern liegen. Dort wird das leicht entflammbare Dämmmaterial ungehindert weiter verbaut.

Für die Feuerwehr sei dies ein großes Problem, sagte Dietmar Grabinger vom Verband der Feuerwehren in NRW. „Die stellen uns vor enorme Herausforderungen, weil sie schnell in Brand geraten.“ Manchmal reiche ein überspringender Funke aus, zum Beispiel aus einer Aschentonne direkt an der Fassade, um sofort ein Haus in Brand zu setzen, so der Experte.

Bei Gebäuden unterhalb der 22 Meter überprüfen die Bauämter die Fassaden in der Regel überhaupt nicht. „Bei Häusern mit mittleren Höhen gibt es bei uns keine gesonderten Kontrollen“, bestätigte eine Sprecherin der Stadt Duisburg.

Gerade für diese Häuser fordert der Leitende Branddirektor der Frankfurter Feuerwehr Reinhard Ries einen besseren Brandschutz. Ries zufolge hat eine Fassadenkonstruktion im Jahr 2012 in Frankfurt und 2016 in Duisburg zu ähnlichen Vorfällen wie in London geführt, wenn auch nicht mit so vielen Toten.

In Duisburg war im Mai letzten Jahres ein Brand im Erdgeschoss über die Fassade in vier darüber liegende Geschosse übertragen worden. Eine 33-jährige Mutter und ihre acht und 14 Jahre alten Söhne starben, 28 Personen wurden, zum Teil schwer, verletzt. Zur Katastrophe wurde der Zimmerbrand, weil die Flammen rasend schnell an der leicht brennbaren Wärmedämmfassade bis zum Dachgeschoss hochjagten. „Wie eine Zündschnur in einem Kamin“, beschrieb dies damals Duisburgs Feuerwehrchef Oliver Tittmann in der Regionalpresse.

Branddirektor Ries fordert daher: „Das Erdgeschoss muss so verkleidet sein, dass es nicht brennbar ausgestaltet ist und dass es nach jedem Geschoss einen Brandriegel gibt.“ Ries warnt besonders vor Polystyrolschaum als Dämmstoff. Noch unmittelbar vor dem Unglück in London hätten die Berufsfeuerwehren und der Deutsche Feuerwehrverband ein Papier darüber mitveröffentlicht.“

Die leicht entflammbaren Polystyrol-Dämmplatten wirken bei einem Feuer als Brandbeschleuniger, außerdem erzeugen sie beim Verbrennen giftige Dämpfe. Die Feuersbrunst im Grenfell Tower war durch einen kleinen Brand in einer Wohnung des vierten Stocks durch einen defekten Kühlschrank ausgelöst worden und konnte sich über die Fassade innerhalb von Minuten auf das ganze Gebäude ausbreiten. Die giftigen Rauchgase, die dabei freigesetzt wurden, ließen vielen Bewohnern keine Möglichkeit zu entkommen. Inzwischen ist bekannt, dass die brennbare Außenfassade im Gebäude tödlichen Cyanwasserstoff (Blausäure) freisetzte. Viele Bewohner starben durch das Einatmen des toxischen Rauchs.

https://www.wsws.org/de/articles/2017/07/01/wupp-j01.html

 

Friedrich Engels

 

Zuschlechterletzt möchte der Wurm einen Auszug aus Friedrich Engels Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ aus dem Jahr 1845 bringen (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/272-ziemlich-beste-freunde.html :

„Wenn ein einzelner einem andern körperlichen Schaden tut, und zwar solchen Schaden, der dem Beschädigten den Tod zuzieht, so nennen wir das Totschlag; wenn der Täter im voraus wußte, daß der Schaden tödlich sein würde, so nennen wir seine Tat einen Mord. Wenn aber die Gesellschaft Hunderte von Proletariern in eine solche Lage versetzt, daß sie notwendig einem vorzeitigen, unnatürlichen Tode verfallen, einem Tode, der ebenso gewaltsam ist wie der Tod durchs Schwert oder die Kugel; wenn sie Tausenden die nötigen Lebensbedingungen entzieht, sie in Verhältnisse stellt, in welchen sie nicht leben können; wenn sie sie durch den starken Arm des Gesetzes zwingt, in diesen Verhältnissen zu bleiben, bis der Tod eintritt, der die Folge dieser Verhältnisse sein muß; wenn sie weiß, nur zu gut weiß, daß diese Tausende solchen Bedingungen zum Opfer fallen müssen, und doch diese Bedingungen bestehen läßt - so ist das ebensogut Mord wie die Tat des einzelnen, nur versteckter, heimtückischer Mord, ein Mord, gegen den sich niemand wehren kann, der kein Mord zu sein scheint, weil man den Mörder nicht sieht, weil alle und doch wieder niemand dieser Mörder ist, weil der Tod des Schlachtopfers wie ein natürlicher aussieht und weil er weniger eine Begehungssünde als eine Unterlassungssünde ist. Aber er bleibt Mord. Ich werde nun zu beweisen haben, daß die Gesellschaft in England diesen von den englischen Arbeiterzeitungen mit vollem Rechte als solchen bezeichneten sozialen Mord täglich und stündlich begeht; daß sie die Arbeiter in eine Lage versetzt hat, in der diese nicht gesund bleiben und nicht lange leben können; daß sie so das Leben dieser Arbeiter stückweise, allmählich untergräbt und sie so vor der Zeit ins Grab bringt; ich werde ferner beweisen müssen, daß die Gesellschaft weiß, wie schädlich eine solche Lage der Gesundheit und dem Leben der Arbeiter ist, und daß sie doch nichts tut, um diese Lege zu verbessern. Daß sie um die Folgen ihrer Einrichtungen weiß, daß ihre Handlungsweise also nicht bloßer Totschlag, sondern Mord ist, habe ich schon bewiesen, wenn ich offizielle Dokumente, Parlaments- und Regierungsberichte als Autorität für das Faktum des Totschlags anführen kann.“

 

 

Dada

 

„Bleibt Ackergift den

Feldern fern, sieht der

Artenschutz das gern.“

 

Das war die Bauernregeln Nr. 11 aus dem dadaistischen Bundesumwelt-Ministerium.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/umweltministerium-streit-um-neue-bauernregeln-des-umweltministeriums-1.3363780

 

 

 

Dadaisten benutzen gerne Tiere für ihren Schabernack. Hier ein Hund mit Körbchen in Jalta.