Ansichten eines Regenwurms

Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.

Krokodilstränen der internationalen Verbrecherbande

„Wie viele Menschen ertrunken sind, wird man wohl nie genau wissen. Bislang geht man von 700 Flüchtlingen aus, die in der bislang schwersten Katastrophe auf dem Mittelmeer gestorben sind, als ihr Schiff auf dem Weg nach Lampedusa etwa 100 km vor der libyschen Küste gekentert ist. Mittlerweile ist von 950 Menschen die Rede, die sich auf dem Schiff befunden haben, darunter sollen 200 Frauen und 40-50 Kinder sein. Nur 28 Menschen konnten gerettet werden. Die Flüchtlinge, viele sollen von den Schleusern unter Bord eingesperrt worden sein, sollen aus Algerien, Ägypten, Somalia, Nigeria, Senegal, Mali, Sambia, Bangladesch und Ghana gekommen sein.“

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44699/1.html

 

Georg Restle von „Monitor“: „Es ist Mord!

Jetzt trauern sie und schämen sich, als hätten sie's nicht gewollt: Europäische Spitzenpolitiker, deutsche Regierungsvertreter. Aber nein: Der tausendfache Tod im Mittelmeer - er ist keine Katastrophe, die wie ein Erdbeben über uns hereingebrochen ist. Er ist das zynisch einkalkulierte Resultat gewollter Politik. Wer die Landgrenzen dichtmacht. Wer Seenotrettungsprogramme einstellt. Wer Bürgerkriegsflüchtlinge in den Botschaften ins Verderben schickt. Der handelt aktiv, vorsätzlich und aus niedrigen Beweggründen. Weil er den Tod Tausender billigend in Kauf nimmt, um andere abzuschrecken. Ein Leichenberg als Mittel der Politik - das ist tiefstes Mittelalter. Und es ist Mord. Ein Mord, für den die Regierungen Europas verantwortlich sind - auch wenn sie nie dafür zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb: Spart Euch Eure Krokodilstränen! Gesteht Eure Schuld ein - und übt Euch in tätiger Reue! Wenigstens das!“

https://www.facebook.com/monitor.wdr/posts/876194179086190

Was gesagt werden muss

Der Schriftsteller Günter Grass ist gestorben. Wie kaum ein anderer steht er für die Unangepasstheit, für das freie Wort, für das gesellschaftliche Engagement.

Mensch muss seine Werke nicht mögen, mensch muss seine Ansichten nicht teilen. Aber er hatte Ansichten. Und hat mit diesen gesellschaftliche Debatten geprägt bzw. überhaupt ausgelöst. Auch, wenn er sich dafür anfeinden lassen musste.

http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Grass

Jakob Augstein über ihn im Jahr 2012: „Ein großes Gedicht ist das nicht. Und eine brillante politische Analyse ist es auch nicht. Aber die knappen Zeilen, die Günter Grass unter der Überschrift "Was gesagt werden muss" veröffentlicht hat, werden einmal zu seinen wirkmächtigsten Worten zählen. Sie bezeichnen eine Zäsur. Es ist dieser eine Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden." Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Er hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen. Ein überfälliges Gespräch hat begonnen.“

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-guenter-grass-israel-gedicht-a-826163.html

Evelyn Hecht-Galinski, auch im Jahr 2012, zum selben Sachverhalt:

„Ist Deutschland eigentlich noch zu retten? Mir scheint, dass sich hier in unserem Land eine gefährliche, erschreckende und hoch ansteckende Krankheit verbreitet - der Virus der Duckmäuser und Nachplapperer. Hat es nicht Tradition, Dichter und Denker zu verdammen, oder sie in die Emigration zu schicken? Schrieb nicht ein großer Vorgänger von Günter Grass, nämlich Carl von Ossietzky sinngemäß, nicht wer den Dreck verursacht, sondern der, der auf den Dreck hinweist, wird verdammt.

Wurde Thomas Mann, als er endlich den Nazis widersprach und mit seiner jüdischen Frau emigrierte, nicht auch in Deutschland verleumdet? Auch er ein Literaturnobelpreisträger, dem man zuhörte und der dadurch eine besondere Gefahr darstellte. Und nun haben wir endlich wieder einen Literaturnobelpreis-Träger, dem man zuhört. Stellt er deshalb auch eine Gefahr dar? Möge er noch viele Gedichte schreiben, die uns aufrütteln und uns zum Nachdenken anregen! Schwieg er, wie viele andere Intellektuelle, nicht viel zu lange? Warum eigentlich?“

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17655

Anbei eine Hommage von Evelyn Hecht-Galinski über Günter Grass und sein gesellschaftliches Engagement:

 

 

http://sicht-vom-hochblauen.de/in-gedenken-an-guenter-grass/

Leaving on a Jet Plane

Wo sonst Monate für eine Untersuchung gebraucht werden, ging es in diesem Fall sehr, sehr schnell: bereits einen Tag, nachdem die erste Blackbox des in den französischen Alpen abgestürzten Flugzeugs der Germanwings gefunden wurde, wurde von der französischen Staatsanwaltschaft der Co-Pilot Andreas Lubitz beschuldigt, dass er das Flugzeug absichtlich hat abstürzen lassen und 149 Menschen mit in den Tod nahm.

Ende letzter Woche wurde die zweite Blackbox gefunden und nur einen Tag später wurde diese These bestätigt.

Möglicherweise stimmt das auch – aber wenn das so ist, widerspricht der Wurm der allgemeinen Meinung, dass es sich um ein individuelles Versagen gehandelt hätte. Genau das ist es nämlich nicht: es handelt sich um ein gesellschaftliches Versagen.

Weltenende

„Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater und die Mutter, Weib und Kinder, Brüder und Schwestern haßt, dazu aber auch seine eigene Seele, der kann nicht mein Jünger sein.“

„Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater, und die Tochter mit ihrer Mutter, und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.  Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.“

„Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu schleudern, und wie wollte ich, es wäre schon entzündet! Aber ich habe eine Taufe zu bestehen, und wie drängt es mich, bis sie vollbracht ist!  Meinet ihr, daß ich gekommen sei, Frieden zu spenden auf Erden? Nein, ich sage euch, sondern eher Zwietracht.“

„Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Tempel, die sprach zu den sieben Engeln: Gehet hin und gießet die sieben Schalen des Zornes Gottes aus auf die Erde!“

Vor 20 Jahren setzten Mitglieder der japanischen Sekte Aum Shinriky (Aum (sprich: Om) Höchste Wahrheit) während des morgendlichen Berufsverkehrs  in fünf U-Bahnzügen in Tokio das tödliche Nervengift Sarin frei. Jeder Zug wurde von einem Mann bestiegen, der zwei oder drei kleine, in Zeitungspapier eingewickelte Plastikbeutel mit sich führte, diese zu einem vereinbarten Zeitpunkt auspackte, auf den Boden legte und mit der geschliffenen Spitze eines Regenschirms durchbohrte. In den Zügen selbst, auf den Stationen, an denen sie hielten, und an den Ausgängen begannen die Passagiere zu husten und zu würgen, wurden von Krämpfen geschüttelt und brachen zusammen. Elf Menschen wurden getötet, nahezu fünftausend wurden verletzt.

Wäre es Aum gelungen, eine reinere Form des Gases zu produzieren, hätte die Zahl der Todesopfer durch diesen einen Anschlag in die Hunderttausende gehen können. Die Täter, die das Nervengas freisetzten, verstanden sich als Beauftragte ihres Gurus Shoko Asahara, als Vollstrecker seines allumfassenden Plans, die Menschheit zu erlösen.

Anbei eine Dokumentation über Aum und den Anschlag:

 

 

Würde es sich bei den Tätern um Bewohner des Erdreichs handeln, würde der Wurm sie als verrückt oder als durchgeknallt bezeichnen. Da es sich aber um Menschen handelt, würde der Wurm sie als normal bezeichnen. Weder ihr Denken noch ihr Tun fallen aus deren Rahmen. Jeremias Juchtenkäfer von der Arbeitsgruppe REA (Religiöses, Esoterisches, Abstruses) weiss ein Lied davon zu singen. 

Der Apotheker danach

Mensch stelle sich mal vor, er hätte eine Krankheit. Eine, die sich in sehr, sehr heftigen Kopfschmerzen auswirkt und die mehrere qualvolle Tage dauern kann.

Das Gute daran ist, dass diese Kopfschmerzen „nur“ ab und zu auftreten und dass die Anzeichen das Stunden bis Tage vorher ankündigen.

Und die Lösung des Problems ist ganz einfach: bei auftretenden Anzeichen nimmt mensch die entsprechende Tablette und hat sich die entsprechenden Kopfschmerzen erspart.

Ganz so einfach ist das jetzt allerdings nicht, denn wir befinden uns im Mittelalter, in der es eine unheilige Allianz zwischen Katholischer Kirche und Ärzteschaft gibt. Für die Religiösen, denen ein Großteil des Medizin-Wesens untersteht, sind Kopfschmerzen der Wille Gottes und dürfen nicht behandelt werden. Wer räumlich oder sonstwie von den Religiösen abhängig ist, ist dazu verdammt, die kommenden Kopfschmerzen auszuhalten.

Es gibt aber noch die Möglichkeit, einen nicht-religiösen Arzt aufzusuchen und um ein Rezept zu bitten. Arzt und Patient kennen die Krankheit und so ist das kein Problem. Allerdings bekommt der Patient nur eine einzige Tablette für den aktuellen Fall. Da der Arzt durch die Beratung bzw. das bloße Rezept-Ausstellen gutes Geld verdient, weigert er sich (und das machen alle Ärzte so), dem Patienten eine kleine Vorratspackung zu verschreiben oder eine Art „Dauer-Rezept“ zu geben, das der Patient bei Bedarf bei der Apotheke vorzeigen kann und dann seine Tablette bekommt (die übrigens keine nennenswerten Nebenwirkungen hat).

Diese Praxis ist nicht ideal, weil sie unnötig Zeit kostet (mensch braucht die Tablette ja recht hurtig), der Arzt nur ungern und unwirsch kurzfristige Termine gibt und, wenn er schlecht drauf ist, einem auch noch Vorwürfe wg. der Krankheit macht. Wenn mensch selbst krank ist, er sich um eines der erkrankten Kinder oder Pflege bedürftigen Menschen kümmern muss, oder einen oder mehrere wichtige Termine hat, ist das alles andere als schön.

Große Freude! Der Kaiser weist den besonders konservativen Landesherrn an, dass das so nicht weiter geht, dass der Patient sich den Gang zum Arzt sparen und die Tablette gleich in der Apotheke holen kann. Das ist ein großer Vorteil, aber er muss persönlich zum Apotheker und mit diesem ein Beratungs-Gespräch führen (noch mal: es handelt sich um ein ungefährliches Präparat) und bekommt eine einzige Tablette ausgehändigt. Dass der Patient diese Tablette vor den Augen des Apothekers einnehmen muss, konnte nur mit großer Mühe von den Ratgebern des Landesherrn verhindert werden. Ein kleiner Vorrat darf nicht angelegt werden.

Wer jetzt drüber schmunzelt, wie inhuman es im Mittelalter zugegangen ist, dem sei geschrieben: Mittelalter ist heute. So oder so ähnlich ging bzw. geht es zu mit der „Pille danach“, die seit der letzten Woche rezeptfrei gekauft werden darf.