Was gesagt werden muss

Der Schriftsteller Günter Grass ist gestorben. Wie kaum ein anderer steht er für die Unangepasstheit, für das freie Wort, für das gesellschaftliche Engagement.

Mensch muss seine Werke nicht mögen, mensch muss seine Ansichten nicht teilen. Aber er hatte Ansichten. Und hat mit diesen gesellschaftliche Debatten geprägt bzw. überhaupt ausgelöst. Auch, wenn er sich dafür anfeinden lassen musste.

http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Grass

Jakob Augstein über ihn im Jahr 2012: „Ein großes Gedicht ist das nicht. Und eine brillante politische Analyse ist es auch nicht. Aber die knappen Zeilen, die Günter Grass unter der Überschrift "Was gesagt werden muss" veröffentlicht hat, werden einmal zu seinen wirkmächtigsten Worten zählen. Sie bezeichnen eine Zäsur. Es ist dieser eine Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden." Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Er hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen. Ein überfälliges Gespräch hat begonnen.“

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-guenter-grass-israel-gedicht-a-826163.html

Evelyn Hecht-Galinski, auch im Jahr 2012, zum selben Sachverhalt:

„Ist Deutschland eigentlich noch zu retten? Mir scheint, dass sich hier in unserem Land eine gefährliche, erschreckende und hoch ansteckende Krankheit verbreitet - der Virus der Duckmäuser und Nachplapperer. Hat es nicht Tradition, Dichter und Denker zu verdammen, oder sie in die Emigration zu schicken? Schrieb nicht ein großer Vorgänger von Günter Grass, nämlich Carl von Ossietzky sinngemäß, nicht wer den Dreck verursacht, sondern der, der auf den Dreck hinweist, wird verdammt.

Wurde Thomas Mann, als er endlich den Nazis widersprach und mit seiner jüdischen Frau emigrierte, nicht auch in Deutschland verleumdet? Auch er ein Literaturnobelpreisträger, dem man zuhörte und der dadurch eine besondere Gefahr darstellte. Und nun haben wir endlich wieder einen Literaturnobelpreis-Träger, dem man zuhört. Stellt er deshalb auch eine Gefahr dar? Möge er noch viele Gedichte schreiben, die uns aufrütteln und uns zum Nachdenken anregen! Schwieg er, wie viele andere Intellektuelle, nicht viel zu lange? Warum eigentlich?“

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17655

Anbei eine Hommage von Evelyn Hecht-Galinski über Günter Grass und sein gesellschaftliches Engagement:

 

 

http://sicht-vom-hochblauen.de/in-gedenken-an-guenter-grass/

 

Haarsträubender Unsinn

 

Jan Fleischhauer etwas polemisch, aber treffend:

„Tatsächlich wird Grass schon seit langem gerade wegen seiner deutlichen Einlassungen zum Zeitgeschehen geschätzt, und das in dem Maße, in dem die literarische Produktion zu wünschen übrig lässt. Warum bloß, so ließe sich also fragen, hält sich so hartnäckig der Glaube, Romanautoren hätten zu politischen Themen besonders viel beizutragen?

Irgendein Missverständnis hat aus Schriftstellern, die schöne Geschichten erfinden, politische Großdenker gemacht, die zu allem Möglichen Auskunft geben sollen, zum Klimawandel ebenso wie zu den Nachtseiten der Globalisierung, dem Welthunger oder dem Nahost-Konflikt. Niemand käme auf die Idee, Gewichtheber zur Griechenlandkrise zu befragen, nur weil sie auch mal in Athen trainiert haben, oder Stabhochspringer, die irgendwann ein paar Aktien erstanden haben, zur Zukunft der Finanzmärkte. Man würde zu Recht erwarten, dass die Antwort durchschnittlich naiv, im besten Falle unfreiwillig komisch ausfiele.

Was sein politisches Urteilsvermögen angeht, hat Grass in stupender Regelmäßigkeit bewiesen, dass er keines besitzt. Über die Jahre hat er den haarsträubendsten Unsinn in die Welt gesetzt, was seine Bewunderer allerdings nicht davon abhält, ihm regelmäßig ein Podium zu bieten, auf dem er dann gegen den "Turbokapitalismus" oder die Europapolitik der Kanzlerin vom Leder ziehen kann. Unvergessen, wie er im Einheitsjahr 1990 in einer Fernsehdiskussion mit Rudolf Augstein aus dem Holocaust den Zwang zur Doppelstaatlichkeit ableitete ("Der Ort des Schreckens schließt einen zukünftigen Einheitsstaat aus"), worauf ihm Augstein nur kühl entgegenhielt: "Das ist keine politische Betrachtungsweise, das ist Religion."“

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/s-p-o-n-der-schwarze-kanal-abschied-von-einer-moralischen-instanz-a-784366.html

Auch, wenn Günter Grass manchmal Unsinn daher geredet haben mag – aber er hat etwas gesagt. Allein das ist etwas wert.

Mensch sollte sich überhaupt seine Gedanken machen, prüfen und abwägen und nicht etwas glauben, nur deshalb, weil es ein anderer gesagt hat. Ob das jetzt von Günter Grass oder einem anderen stammt.

Oder von Jan Fleischhauer. Der hat in seinem Leben schon weit größeren Unsinn in die Welt gesetzt (unter anderem die Kommentare zur Ukraine-Krise), als es Günter Grass je gekonnt hätte.

 

Arm gesegnet

 

Auch auf die Gefahr hin, sich über eine unbequeme Meinung ärgern zu müssen, ist es noch viel ärgerlicher, gar keine Meinungen zu hören. Ob bei „einfachen“ Menschen oder bei Intellektuellen: kaum einer vertritt eine eigenständige Meinung. Sie sind zwar alle für „Love and Peace“ – das ist aber so allgemein, dass sie es auch bleiben lassen könnten.

Sich für etwas einzusetzen oder Mißstände anzuprangern – wer tut denn das heutzutage?

Albrecht Müller: „Auch das politische Wesen G. Grass hatte seine Schwächen. Aber was soll das. Ein großer politischer Kopf hat uns verlassen. Mit großer Dankbarkeit können wir uns vor ihm verneigen.

P.S.: Sein Tod erinnert uns daran, wie reich wir einmal gesegnet waren von geistigen und politischen Talenten, die uns verlassen und allein gelassen haben: Heinrich Böll, Gustav Heinemann, Günter Gauß, Hans-Joachim Kuhlenkampf, Inge Meysel, Dieter Hildebrandt, Johannes Rau und dann auch noch eine stattliche Reihe Gleichgesinnter in der früheren DDR.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=25717

Ken Jebsen: „Angst. Sie haben Angst. Alle.

Vor allem die sogenannten Linken. Angst vor der vorherrschenden Meinung in der eigenen Gruppe. Diese Angst herrscht tatsächlich. Sie hat jegliche persönliche Meinungsfreiheit erstickt. Kadergehorsam geht über persönliche Erfahrung. Das schlauste ist es, nachdem die Köpfe einer Gruppe die Meinungshoheit erobert haben, alles zu vermeiden, was dazu führen könnte, sich ein eigenes Bild zu machen. Das würde im Falle X nur zu privaten Problemen führen. Man müsste gar nicht offiziell widersprechen. Es reicht, in seinem Inneren eine Art Diskrepanz zu spüren. Erkennen zu müssen, dass man keineswegs anders ist, oder freier als der „politische Gegner”.

Im Gegenteil. Das Image der Gruppe, zu der man bisher zu gehören glaubte, da hier „anders“ gedacht und „anders“ gehandelt wurde – frei, dieses Image wäre nicht weiter aufrecht zu erhalten. Würde man erst einmal eine persönlich gemachte Erfahrung ÜBER die Zentralerkenntnis der Personen stellen, die diesen Meinungs-Clan befehligten, dann gäbe es intern Krieg. Extern ausgetragen in einem Shitstorm.

Erbärmlich. Verlogen. Feige. So stünde man vor sich selber da, wenn man dem DOGMA nicht widerspräche, da man eine andere persönliche Erfahrung gemacht hatte. Also vermeidet man in seinem Käfig voller „freier“ Bürger alles, was persönlich oder in der Gruppe irritieren könnte. Man bleibt weiter in der Spur, die Dritte vorgezeichnet haben …

Wir leben in Zeiten des totalen Egoismus. Es gibt quasi keine politischen Künstler mehr, und wer sich auf die Suche nach einem Sportler macht, der sich für seine politische Überzeugung aus dem Fenster lehnt, kann lange suchen.

Vorbei die Zeiten, als Jimmy Hendrix die US-Nationalhymne angepasst an Vietnam entsprechend unerträglich interpretierte.

Vorbei die Zeiten, in denen sich Iggy Pop auf der Bühne halbnackt im Glas wälzte, um seinen Schmerz über den US-Imperialismus Ausdruck zu verleihen. Muhammed Ali, der größte Boxer aller Zeiten, kappte seine Sportkarriere und ging aus Protest gegen Vietnam in den Knast.

„Ich habe kein Problem mit den Vietcong, kein Vietcong hat mich jemals Nigger genannt“.

Ist es vorstellbar, dass die Fantastischen Vier eine Mahnwache entern? Für den Frieden in der Ukraine?

Kann sich jemand vorstellen, dass Sebastian Vettel ein Pressetreffen organisiert, um sich gegen die Faschisten in Kiew auszusprechen?

Schon die Vorstellung ist derart weit weg von der Realität, dass uns allen klar wird, wo wir stehen und vor allem wer denn neben uns steht, um ein Zeichen zu setzen.“

http://kenfm.de/blog/2014/05/14/linke-und-urheber-rechte/

Rupert Regenwurm: „Und dem Wurm kommt der Gedanke, dass diese Intellektuellen oftmals in einer Parallelgesellschaft leben, vom richtigen Leben wenig mitkriegen und auch gar kein Interesse daran haben …

Dabei handelt es sich noch nicht mal um Schlechtmenschen. Im Gegenteil: häufig sind es richtige Gutmenschen, die sich um den Erhalt der Regenwälder kümmern, um bedrohte Kinder, Tiere und Völker „hinten, weit, in der Türkei“, die Bio- und „Fair Trade“-Produkte kaufen, sich für die Umwelt und für regenerative Energien einsetzen und überhaupt die ganze Welt retten möchten.

Nur das Elend im eigenen Land sehen sie nicht. Im Grunde handelt es sich um eine abgeschottete Parallel-Gesellschaft, die um sich selbst kreist.

Anbei ein kleiner Auszug aus dem „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe:

„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,

Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,

Wenn hinten, weit, in der Türkei,

Die Völker aufeinander schlagen.

Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus

Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;

Dann kehrt man abends froh nach Haus,

Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.““

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/39-leben-im-elfenbeinturm.html

 

Außerhalb der offiziellen Linie: Bestrafung

 

Wehe, wenn einer tatsächlich mal seine Meinung sagt. Anbei zwei Beiträge vom „Freeman“:

"Der Dichter Günter Grass ist am Montagmorgen in Lübeck gestorben. Er wurde 87 Jahre alt. Jetzt, wo er tot ist, würdigen die deutschen Medien ihn und sein Lebenswerk, nennen ihn den wichtigsten Autor der deutschen Nachkriegsliteratur. Aber es ist noch nicht lange her, da haben sie ihn völlig fertiggemacht und auf übelste Weise mit Dreck beworfen. 2012 haben sie ihn als Antisemiten beschimpft, nur weil er in einem Gedicht die Politik Israels kritisierte, was völlig legitim und berechtigt ist.“

http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2015/04/zum-ableben-von-gunter-grass.html

„Künstler, die eine eigene kritische Meinung über die Weltereignisse haben, werden zunehmend für ihre Meinungsäußerung bestraft. Wie ich im vorhergehenden Artikel aufgezeigt habe, Günter Grass für sein israelkritischem Gedicht, aber auch andere bekannte Künstler. Wie Gilad Atzmon, ein britischer Jazzmusiker, politischer Aktivist und Autor satirischer Romane israelischer Herkunft. Oder Dieudonné M’bala M’bala, ein französischer Komiker, Schauspieler und politischer Aktivist bretonisch-kamerunischer Abstammung. Oder Volker Pispers, ein deutscher politischer Kabarettist. Der neueste Fall einer Bestrafung betrifft Valentina Lisitsa, eine ukrainischstämmige Pianistin. Das Toronto Symphony Orchestra (TSO) hat ihre Konzerte für den 8. und 9. April abgesagt, bei dem sie Rachmaninoff’s Pianokonzert Nr. 2 spielen sollte, weil sie kritische Tweets und Facebook-Kommentare über die Situation in der Ukraine veröffentlicht hatte. Ihre Kritik hat die ukrainische "Diaspora" in Kanada "beleidigt", die dann Druck ausübte, was zum Auftrittsverbot führte …

So läuft das also. Es muss nur eine Gruppe, die sich auf die Füße getreten fühlt, genug Druck ausüben, dann werden Künstler schon mit einem Auftrittsverbot belegt. Dabei hat die Klavierspielerin noch nie die Bühne für eine Meinungsäußerung benutzt, sondern tat dies neben ihrer künstlerischen Arbeit als Privatperson. Lisitsa ist im Internet sehr bekannt und ihre YouTube-Videos ihrer Konzerte sind millionenfach angeschaut worden, manche über 9 Millionen Mal.

Als Reaktion auf die Konzertabsage hat Lisitsa auf Facebook geschrieben: "Ich benutze Twitter, damit die andere Seite der Geschichte gehört wird, die, welche man nie in den Mainstream-Medien sieht - die Zwangslage meiner Leute, die guten und die schlechten Sachen, die in der Ukraine passieren."

Sie bringt zum Ausdruck, der Geist des Maidan-Aufstandes vor einem Jahr ist untergraben worden und wird dazu benutzt, um eine Spaltung im Lande zu säen. Sie sagt, für diese Darstellung der Situation in der Ukraine, hat sie Todesdrohungen bekommen und sie wird als "bezahlte Kreml-Hure" bezeichnet …

Der neuste Fall der Bestrafung eines Künstlers zeigt einen Trend in der westlichen Welt. Sie sollen den Mund halten und nicht ihre Bekanntheit dazu benutzen, um auf Missstände hinzuweisen. Wer sich nicht daran hält, wird mit einem Auftrittsverbot belegt. So auch Gilad Atzmon, der obwohl Jude, die Politik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern kritisiert. Seine Konzerte versucht die Israel-Lobby ständig zu verhindern.

Oder der französische Komiker Dieudonné, der wegen Verletzung des "Antiterrorsprachgesetzes" verhaftet wurde. Ein französisches Gericht hat ihn zu einer Geldstrafe von 30'000 Euro verurteilt. Was wurde ihm vorgeworfen? Laut Richter hätte der Humorist die Anschläge von Paris "relativiert" und deshalb wurde er so hoch bestraft.

Dabei wurde so ein Theater gemacht, der Anschlag auf Charlie Hebdo wäre ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit gewesen, die man verteidigen muss. Nur, die französische Regierung macht genau das Gegenteil, benutzt den Anschlag, um noch mehr den Menschen den Mund zu verbieten.

Auch deutsche Künstler werden diffamiert, wie in der Huffington Post, wo geschrieben stand: "Das prorussische Propaganda-Kabarett des Volker Pispers". Und "Volker Pispers ist ein ekelhafter antiwestlicher Propagandist", nur weil er die Wahrheit über die heuchlerische westliche Politik auf seine kabarettistische Art dem Publikum mitteilt.

Lisitsa sagt, sie bereut nicht ihre Kritik an der ukrainischen Regierung auf Twitter (@ValLisitsa), und sie hat keine Absicht damit aufzuhören. "Ich werde als Verräterin beschimpft und das macht mich wütend." Sie sagte, ihre Kritik zielt nur auf das Regime und nicht auf die Menschen in der Ukraine.

Künstler sollen entweder gar nichts sagen, oder dem System für Propaganda dienen. Sicher dürfen sie es nicht kritisieren. So lief es auch während der Nazi-Diktatur. Schauspieler und Sänger, die sich für das Hitler-Regime hergaben, wurden von Goebbels gefördert und durften auftreten. Alle anderen verschwanden. Jetzt sind wir auch soweit, der Boykott von Künstlern aus politischen Gründen.

Die Behauptung der westlichen "Demokratien", sie würden die Meinungsfreiheit schützen, ist eine Lüge. Die Meinungsfreiheit gilt nur solange, wie man das sagt was politisch korrekt ist und die Obrigkeit gut findet. Abweichende Meinungen sind nicht erlaubt. Man muss der offiziellen "eu-konformen" und "pro-amerikanischen" Linie folgen, sonst wird man bestraft und die Karriere beendet.“

http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2015/04/wie-kunstler-mit-eigener-meinung.html

Mit der „offiziellen "eu-konformen" und "pro-amerikanischen" Linie“ ist der Wurm allerdings nicht ganz zufrieden. Der „Freeman“ hat zwar nicht unrecht, allerdings geht es überhaupt um eine „offizielle Linie“.

Und die gibt es nicht nur in der Politik, die gibt es überall. In jeder Gruppe, in jedem Verein, in jeder Firma. Wer auch nur irgendwie mit dieser offiziellen Linie nicht klar kommt, wird Probleme bekommen. Auch dann, wenn er sich völlig mit den offiziellen Zielen identifiziert.

Wer, wenn auch nur vorsichtig, darauf hinweist, dass mensch etwas besser machen könnte, dass gegen die offiziellen Interessen verstoßen wird oder Mobbing kritisiert, läuft große Gefahr, Probleme zu bekommen.

Das ist so schon ärgerlich genug. So richtig ärgerlich wird es dann, wenn mensch bedenkt, dass so ziemlich jeder auf die eine oder andere Art und Weise mit der Frage konfrontiert war, wie er oder seine Vorfahren sich in der Zeit des Nationalsozialismus verhalten hätten. Das angepasste Verhalten zu jener Zeit wird heutzutage allgemein kritisiert und die Menschen, ob „einfach“ oder intellektuell, hätten sich wehren müssen, hätten etwas sagen müssen.

Unabhängig von dem, wie die politische Großwetterlage ist: die heutigen Menschen verhalten sich kaum anders. Nicht in der Gruppe, nicht im Verein, nicht in der Firma, nicht in der Kunst, nicht im Sport, nicht in den Medien, nicht in der Politik.

Es mag nicht jeder zum Helden taugen – aber dass es so gut wie gar keine Helden gibt, ist gar nicht schön. Und das eigentlich Schlimme ist, dass die tatsächlichen „Helden“ meistens allein gelassen werden und ohne mit der Wimper zu zucken zugeschaut wird, wie diese nieder gemacht werden.

 

Innerhalb der offiziellen Linie: Belohnung - Herta Müller

 

Wer sich innerhalb der offiziellen Linie bewegt, wird belohnt. Ein sehr deutliches Beispiel dafür ist die Schriftstellerin Herta Müller, auf die der Wurm etwas ausführlicher eingehen möchte.

Wer glaubt, Herta Müllers Werke hätten nur ein Thema, liegt weitest gehend richtig: es geht um sie selbst und was die Welt ihr alles antut. Außer in „Atemschaukel“ – da geht es um Oskar Pastior und was ihm die Welt alles angetan hat.

Darin und vom Stil her erinnert sie stark an Ingeborg Bachmann. Die deutsche Literatur-Szene wundert sich über ihre Wortschöpfungen und grammatikalischen Eigenheiten. Denen sei gesagt, dass es sich zum größten Teil um wortwörtliche Übersetzungen rumänischer Wörter handelt bzw. um Übernahmen aus der rumänischen Grammatik (Herta Müllers Muttersprache ist Deutsch, aber sie beherrscht die rumänische Sprache perfekt und manchmal bewusst, manchmal unbewusst, mischt sie Elemente beider Sprachen). Für den Leser ist das manchmal ungewohnt, hat aber etwas für sich.

Mag sein, dass es sich bei ihren Werken um hohe Literatur handelt, oftmals hatte der Wurm jedoch den Eindruck, es handele sich um Post-Dadaismus. Typisch für sie sind Spiele mit Unwahrscheinlichkeiten, schockierende und phantastische Sachen, die der Wurm als „Hertaeskes“ bezeichnen möchte.

Hierzu ein paar Beispiele: ein Mann, der mit seinem „Schwanz“ einen halb vollen Wassereimer trägt und dessen Sperma an der Decke landet („Herztier“), einer, der sich die Hand abhackt, um Kirchendiener werden zu können („Heute wär ich mir lieber nicht begegnet“), lebendes Gemüse („Der Teufel sitzt im Spiegel“), eine onanierende alte Frau, ein Kürschner, der einen lebendigen Bock beim Kerweihfest häutet, ein Erdfrosch im Nachthemd und ein Äpfel fressender und mit Äpfeln werfender Apfelbaum („Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt“).

Einige Passagen erinnern an erzählte Witze: Spiegeleier werden auf Bügeleisen gebraten, ein Zahn mit Hilfe eines Fadens gezogen („Herztier“), ein Zahnarzt wirft das Gebiss seines Patienten aus dem Fenster („Niederungen“), ein Polizist wird in Unterhosen verprügelt („Der Fuchs war damals schon der Jäger“).

Kurzum: auch dann, wenn es um sie selbst und um ernste Sachen geht, kann mensch in ihren Romanen nicht wissen, ob das jetzt ernst gemeint ist oder nicht. Vor allem kann er es nicht wissen, wenn er die Verhältnisse im sozialistischen Rumänien nicht kennt, die von Herta Müller beschrieben werden.

Aber der Wurm hat die Möglichkeit, über ein Wurmloch in die damalige Zeit einzutauchen und kann schreiben: es stimmt wenig, was Herta Müller verbreitet. Vor allem entspricht folgender Satz nicht der Wahrheit: „Obwohl ich von Anfang an und immer nur gegen die Diktatur geschrieben habe, geht die Attrappe bis heute ihre eigenen Wege“.

Der Satz stammt aus „Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel“. Und ist kein Roman, sondern eine Sammlung von Essays und Erinnerungen. Und da kann sie sich nicht raus reden, dass das nicht so gemeint wäre.

Leben im sozialistischen Rumänien – keine Geste des Protestes

Rumäniens Intellektuelle sind nicht gut auf Herta Müller zu sprechen: 2011 hatte sie im Bukarester Ateneum einen denkwürdigen Auftritt, der auf YouTube zu sehen ist (in rumänischer Sprache):  https://www.youtube.com/watch?v=dC2xXcY-z3w . Gar nicht gut angekommen ist ein Satz von ihr, wonach die „Sensiblen“ das Land verlassen hätten und diejenigen, die im Land blieben, Kollaborateure des Regimes gewesen seien.

Hierzu ein späterer Kommentar von Gabriel Liiceanu, der mit ihr das Gespräch im Ateneum führte: „Es ist nicht gerecht, daß Herta Müller, die keine Geste des Protestes gemacht hatte, als sie noch im Lande war, die die Chance hatte nach Deutschland auszuwandern und sich erst dann an die Öffentlichkeit gewandt hatte, als sie auf der anderen Seite war, uns nun sagt, daß die Guten unter uns das Fortgehen gewählt haben, und die anderen da geblieben sind. Wir hatten nicht die Chance der gleichen Wahl, fortzugehen, gehabt …“

https://banaterzeitungonline.wordpress.com/2010/10/27/stimmen-aus-der-kulturszene/

Herta Müllers langjähriger Förderer Nikolaus Berwanger (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/123-johannis-fest.html ) sagt im Jahr 1988 in der „Düsseldorfer Debatte – Zeitschrift für Politik.Kunst.Wissenschaft“, Ausgabe 2/88, Folgendes:

„Auffallend ist, daß die in der BRD lebenden Banater Autoren Richard Wagner, Werner Söllner und Herta Müller ihre in Rumänien erhaltenen Literaturpreise und vor allem die des ZKs des Kommunistischen Jugendverbandes verschweigen. Es dürfte doch keine Schande sein, wenn diese begabten Autoren das in ihrer Biographie anführten. Ebenso erstaunt bin ich zu hören, daß Herta Müller in Rumänien eine Dissidentin gewesen sein soll. Sie hat dort noch 1985 veröffentlicht.“

Herta Müller ist 1987 zusammen mit ihrem damaligen Mann Richard Wagner in den Westen ausgereist. Laut „FAZ“ vom 30.03.1987 hatten die beiden im Jahr 1985 den Ausreiseantrag gestellt wg. „schlechter Arbeits- und Lebensmöglichkeiten“. Richard Wagner und Herta Müller sind also Spätaussiedler wie viele andere auch, die auch weiterhin einen rumänischen Pass hatten (Herta Müller bezeichnet sich heute als „Emigrantin“, die sie nicht ist).

Autoren, die den Ausreiseantrag stellten, wurden mit einem Veröffentlichungsverbot belegt. Das war aber auch schon vorher bekannt. Herta Müller stellt das heute so dar, als hätte sie das Verbot aus politischen Gründen erhalten und hätte danach den Ausreiseantrag gestellt. Das stimmt so nicht.

Leben im sozialistischen Rumänien – extrem gute Beziehungen

Während der Zeit des Studiums war der Militärdienst für die Frauen verpflichtend. Darüber schreibt Herta Müller nichts. Sehr verwunderlich für jemanden, der behauptet, schon im Alter von 20 Jahren vom Geheimdienst verfolgt worden zu sein und sich selbst als „Staatsfeind“ bezeichnet. Warum erwähnt sie das nirgend wo? Wenn so jemand wie sie mit der Kalaschnikow hätte rumballern müssen für die böse Diktatur – das hätte doch furchtbar sein müssen. Kein Wort dazu.

Nach eigenen Angaben hat sie nach dem Studium bei der Maschinenfabrik Tehnometal als Übersetzerin gearbeitet. Leider gibt sie keine Gründe an, weshalb. Das ist nämlich sehr seltsam: Zu der Zeit war es nämlich üblich, dass der rumänische Staat das gesamte Studium finanziert inclusive Wohnen im Studentenwohnheim und Essen in der Mensa zu einem symbolischen Preis. Geld zum Leben vom Staat hat mensch auch bekommen, so dass die rumänischen Studenten keine Nebenjobs hatten (von eventuellen Nachhilfestunden mal abgesehen), sondern sich voll und ganz aufs Studium konzentrieren konnten. Im Gegenzug war die Verpflichtung, 3 Jahre lang dahin zu gehen, wohin der Staat einem schickt. Es gab eine Liste mit den in Frage kommenden Orten, wobei die Absolventen nach Reihenfolge der Noten selbst festlegen konnten, wohin sie gingen. Die Schlechtesten konnten damit rechnen, in die tiefste Provinz versetzt zu werden.

Herta Müller konnte sich dieser Verpflichtung entziehen und eine Arbeit antreten, ohne die mensch mit extrem guten Beziehungen gar nicht rein kam. Wer jemanden kennt, der zu jener Zeit in Rumänien lebte, frage ihn mal danach. Dem Wurm ist keine Aussage von ihr bekannt, wie sie beschreibt, wie sie an diese Stelle gekommen ist. Zumal es sich bei ihr ausdrücklich um ein Studium zum Lehramt handelte.

In „Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel“ schreibt sie (nachdem sie schon bei Tehnometal war): „Der Direktor versetzte mich dorthin zu zwei neu eingestellten Übersetzerinnen, eine für Französisch, eine für Englisch. Die Französisch-Dame war die Frau eines Universitäts-Professors, von dem es schon zu meiner Studienzeit hieß, er sei ein Geheimdienstmann. Die Englisch-Dame war die Schwiegertochter des zweithöchsten Geheimdienstlers der Stadt“. Und Herta Müller als Dritte im Bunde.

Herta Müller wurde in der Bevölkerung nicht als Dissidentin, sondern als Profiteurin des Systems wahrgenommen. Und das aus mehreren Gründen:

1. Offensichtlich hatte sie extrem gute Beziehungen.

2. Für ihr Erstlingswerk „Niederungen“ erhielt sie drei Staatspreise.

3. Die Theatergruppe Temesvar führte 1983 das Stück „Die Frösche“ (Bearbeitung der „Niederungen“ unter dem Regisseur Helmuth Frauendorfer)  in verschiedenen Städten Rumäniens auf und war damit beim Kulturfestival „Lob Dir, Rumänien“ vertreten.

4. Herta Müller gehörte zum Reisekader und hat 4 Auslandsreisen unternommen und darüber der KP-Zeitung „Neue Banater Zeitung“ ein Interview gegeben. Bei den Reise- und Ausreisewilligen kam das nicht gut an.

Ein „Staatsfeind“ wird normalerweise anders behandelt.

Leben im sozialistischen Rumänien – absurde Erfahrungen mit dem Geheimdienst

Böser, böser Geheimdienst! Schon im Alter von 20 Jahren will Herta Müller mit dem Geheimdienst zu tun gehabt haben, wird andauernd verhört und andauernd wird die Wohnung durchsucht. Das taucht recht häufig in ihren Romanen und den Essays auf. Warum der Geheimdienst das macht, erfahren wir allerdings nicht. Genauso wenig, was sie hätte machen müssen, damit der Geheimdienst sein Treiben einstellt.

Die Schilderungen sind teilweise sehr wirklichkeitsfremd („ohne Haftbefehl gehe ich nicht mit“, Verhöre finden im Studentenwohnheim statt) und absurd. Anfangs werden noch ein Mordanschlag verübt (ein LKW schleudert die Fahrrad fahrende Herta Müller durch die Luft) und ihre Kopfhaut wird von einer Friseuse verbrannt.

Jahre später ist das Schlimmste die folgende Szene: „Ständig warf er meinen Ausweis zu Boden, ich musste mich bücken und ihn aufheben. An die dreißig- bis vierzigmal, wenn ich langsam wurde, trat er mir ins Kreuz … Dann musste ich acht hartgekochte Eier und grüne Zwiebeln mit grobem Salz essen …“

Das ist so absurd, dass mensch sich diese Stelle bildlich vorstellen und mit seinen Lieblings-Komikern abspielen sollte. Der Wurm hat John Cleese als Vernehmenden und Stan Laurel in der Rolle der Herta Müller ausgewählt. Eine herrliche Szene!

Das ist auch aus anderen Gründen schwer vorstellbar: Wenn der Wurm der Vernehmende gewesen wäre und so jemand vor der Nase hat, der „dreißig- bis vierzigmal“ den nieder geworfenen Ausweis aufhebt und der allen Ernstes „acht hartgekochte Eier und grüne Zwiebeln mit grobem Salz“ futtert – ja, so einen lässt sich der Wurm jede Woche kommen und lässt sich für den jedes Mal einen neuen Schabernack einfallen!

Interessant ist die Szene mit dem Zug: „Als die „Niederungen“ im Westberliner Rotbuch Verlag erscheinen sollten, hatten die Lektorin und ich, um nicht aufzufallen, uns in Poiana Brasov verabredet, in den Karpaten. Wir fuhren separat hin, als Wintersportler. Mein Mann Richard Wagner war mit dem Manuskript nach Bukarest gefahren. Ich sollte am nächsten Tag ohne Manuskript mit dem Nachtzug nachkommen.“

Danach wird sie von zwei Männern vom Geheimdienst drangsaliert, die zusammen mit ihr in den Zug steigen …

Es gibt ein weiteres Essay, wo sie die gleiche Geschichte erzählt. Dann aber hat „ein Freund“ das Manuskript nach Bukarest gebracht, das Treffen mit der Lektorin findet jetzt in Bukarest statt, am Bahnhof ist neben den zwei Männern vom Geheimdienst noch ein Polizist dabei und in ihrer Reisetasche sind jetzt Briefe für Amnesty International mit Namen von Inhaftierten …

Also, wenn ich mir schon was zusammen bastele, dann erzähle ich keine unterschiedliche Versionen. Real kann das auf keinen Fall gewesen sein. Unter anderem sagt Nikolaus Berwanger im Interview von 1988 Folgendes: „Die „Niederungen“ im Rotbuch-Verlag sind eine Lizenzausgabe, die mit dem Kriterion-Verlag in Bukarest ausgehandelt worden war.“ Anders ausgedrückt: Die Nummer mit dem Zug (1988 war die Nikolaus Berwanger noch nicht bekannt) ist eine Erfindung.

In http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/123-johannis-fest.html hatte der Wurm die beiden Texte gegenüber gestellt.

Nicht unerwähnt lassen möchte der Wurm Radu Tinu, ehemaliger stellvertretender Geheimdienstchef von Temesvar, der Herta Müller eine Psychose unterstellt. Nach ihm wurde sie verhört wg. Treffen mit dem Bonner Kulturattaché, der als Spion galt. Die Verhöre wären beileibe nicht so häufig gewesen, wie sie angibt und er persönlich hätte die Abhörmikrofone in ihrer Wohnung verlegt. Ein einziges Mal wäre der Geheimdienst in der Wohnung gewesen, nicht öfter.

Von den „acht hartgekochte Eier und grüne Zwiebeln mit grobem Salz“ hat er leider nichts erwähnt.

http://www.welt.de/kultur/article5266250/Ex-Securitate-Mann-greift-Herta-Mueller-an.html

Verbreitung von Unfug

Herta Müllers Welt sowohl in den Romanen als auch in den Essays wird bevölkert von einem Panoptikum von irren und gestörten Leuten. Das sind die Opfer der Diktatur. Die Nutznießer sind bösartig.

In ihrer Schilderung der Zustände im sozialistischen Rumänien kommen sehr viele absurde Situationen vor, die sich sehr seltsam anhören. Wenn der Wurm Zeitzeugen darauf anspricht, kommt meistens die Antwort „das ist so gut wie unmöglich, aber völlig ausschließen kann mensch es nicht“.

Oft kommt es einem so vor, als werden Witze in Prosa erzählt, oft werden aus literarischen Gründen Sachen erzählt, die vollkommener Unfug sind. Das Blöde ist, dass es Leute gibt, die das alles glauben.

Nun ist es so, dass mensch in einem Werk, das er als „Roman“ bezeichnet, alles schreiben kann, was er will. Das kann mensch als Tatsache nicht so ernst nehmen. Wenn es im Essay steht, ist es ernst zu nehmen. Deshalb will der Wurm sich hier auf die Essays beschränken und gleich mit einer seiner Lieblingspassagen beginnen:

„… Das Brautpaar sieht in seiner Hochzeit einen großen Tag und will zum Standesamt gefahren werden. Da der Privatverkehr aber verboten ist, leiht es sich einen Bagger von der Baustelle. Die Hochzeitsgäste gehen zu Fuß, das Brautpaar aber steht hochgehoben in der Baggerschaufel und hat seine spektakuläre Hochzeitsfahrt. Alles gewöhnlicher Alltag, Lösungen aus der Not …" (aus „Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel“)

Tatsächlich gab es nie ein allgemeines Verbot des Privatverkehrs. Was es gab, war zeitweise, dass entweder die Fahrzeuge mit geraden oder ungeraden Nummernschildern nicht fahren durften. Mensch hätte Freunde mit der „richtigen“ Nummer fragen oder mit dem Taxi fahren können. Das „Ausleihen“ eines Baggers und die gefährliche Fahrt in der Baggerschaufel erfüllen einen Straftatbestand. Vor eine Behörde wäre mensch da sicher nicht gefahren. Es war nicht üblich, mit dem Bagger vors Standesamt zu fahren.

„Die jungen Leute wollten Rockmusik. Hie und da gab es Konzerte, alle mussten sich hinsetzen und sitzen bleiben. Die Saalwände waren rundherum mannshoch dunkelblau, eine Wandtäfelung von den Uniformen der Polizisten: purpurblaue Mäntelein“ (aus „Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel“). An anderer Stelle („Der König verneigt sich und tötet“) schreibt sie, dass ab einer gewissen Zeit „öffentliche Auftritte für Rockmusiker verboten“ waren.

Laut Aussagen von Leuten, die sehr viele Rockkonzerte besucht haben, gab es nie ein öffentliches Auftrittsverbot für Rockmusiker; das Rock-Festival „TimRock“ gab es bis zum Schluss („Tim“ steht für Timisoara, also Temesvar), bei allen Rockkonzerten sind die Leute gleich nach Beginn aufgestanden und außer den üblichen Saalordnern gab es nie zusätzliche Polizisten.

Herta Müller hat selbst in ihren Essays sehr viele nachprüfbare Falschheiten und Absurditäten stehen, die eigentlich kaum möglich sind. Die Frage ist: Warum macht die das? „Böswillige Verunglimpfung“ ist die erste, naheliegende Idee. Dagegen sprechen zwei Sachen: 1. Die Zustände im sozialistischen Rumänien waren so schon schlimm genug, da hätte mensch nichts erfinden müssen – und es gibt einige offensichtliche Dinge, von denen sie nichts schreibt. 2. Der Wurm hat noch nie einen Menschen erlebt, der dermaßen „schlampig“ mit Tatsachen umspringt und der sich selbst andauernd widerspricht. Ein Beispiel war die weiter oben schon angeführte Fahrt mit dem Nachtzug. Der Wurm möchte noch zwei weitere Beispiele hinzufügen:

„Man drohte mit dem „Kanal“ – Ceausescu ließ damals einen Kanal bauen, der das Schwarze Meer mit Bukarest verbindet. Ein abstruses Bauen, viele Soldaten und Häftlinge verloren dort ihr Leben. Als der Kanal fertig war, stellte sich heraus, dass er für den Schiffsverkehr nicht taugte, er war nicht tief genug“ (aus „Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel“).

Mensch nehme eine Landkarte und überprüfe das – es gibt keinen Kanal zwischen Schwarzem Meer und Bukarest. Es wurde damals ein Kanal gebaut, der aber in einer ganz anderen Richtung verlief und der für den Schiffsverkehr sehr wohl taugte.

„… Daß Diktatoren, so klein das Land auch sein mag, Großmachtallüren haben und Diktatoren, auch wenn sie nicht in den Krieg ziehen können, einen Ausgleich dafür finden. Der war für Ceausescu das Gesetz, das die Frauen zwang, dem Staat fünf Kinder zu gebären“ (aus „Hunger und Seide“).

Was soll das jetzt sein? In einem zweiten Essay („Eine Kartoffel ist ein warmes Bett“) schreibt sie das so ähnlich und in einem dritten Essay („Mein Vaterland war ein Apfelkern“) wird schließlich klar, was sie meint: Das Abtreibungsgesetz, wonach eine Abtreibung erst erlaubt wird, wenn eine Frau eine bestimmte Anzahl von Geburten hatte. Das Gesetz, das seit Dezember 1966 Gültigkeit hatte, ist im Internet einsehbar und sagt uns, dass nach vier Geburten (nicht nach fünf, wie Herta Müller behauptet) eine Abtreibung möglich ist. Was sie nicht erwähnt, ist, dass bis November 1966 Abtreibungen völlig legal waren mit der Folge, dass viele Frauen mehrmals im Jahr zur Abtreibung gingen und dies einen drastischen Geburtenrückgang zur Folge hatte.

Da es in den 1980er Jahren auch kaum Verhütungsmittel gab (da Importware und Devisen gespart werden mussten), war das natürlich tragisch – aber deswegen ist keine Frau gezwungen worden, „dem Staat fünf Kinder zu gebären“.

Genauso Unfug sind folgende Behauptungen: „Die Gebärmutter der Frauen wurden in regelmäßigen Abständen durch Zwangsuntersuchung überwacht“ und „Außerdem wurde bei einer Frau jedwede ärztliche Behandlung erst vorgenommen, nachdem die Frau die Bescheinigung des Gynäkologen vorgelegt hatte. Selbst für eine Zahnbehandlung war diese Bescheinigung erforderlich“ (beide aus „Hunger und Seide“).

Sämtliche vom Wurm befragten Frauen, die in der damaligen Zeit in Rumänien lebten, halten diese Aussagen für kompletten Unsinn.

Das waren ein paar Beispiele von sehr vielen Unsinnigkeiten. Auf Grund dessen sind ihre Aussagen über das sozialistische Rumänien wertlos. Das Schlimme daran ist, dass Herta Müller anscheinend selbst daran glaubt und dass es Leute gibt, die ihr das abnehmen.

Zensur: Der Koffer

"In meinem ersten Buch über eine Kindheit im banatschwäbischen Dorf zensierte der rumänische Verlag neben all dem anderen sogar das Wort KOFFER. Es war zum Reizwort geworden, weil die Auswanderung der deutschen Minderheit tabuisiert werden sollte.“

Das steht so im 2003 erschienenen „Der König verneigt sich und tötet“ und hat Herta Müller so oder so ähnlich in vielen Interviews erzählt.

Dummerweise liegt dem Wurm die Original-Ausgabe der „Niederungen“ des Bukarester „Kriterion“-Verlages aus dem Jahr 1982 vor. Und – potzblitz! – auf Seite 108 steht das Wort „Koffer“. Und das gleich 3x:

„Die Züge fahren angestaut mit Koffern durch das Land“

„Die ersten Urlaubstage sind voller Muskelfieber vom Koffertragen“

„Die Koffer stecken voller Haushalt, voller Alltag, voller Sinnlosigkeit“

Nicht genug damit: Im 1984 erschienenen „Drückender Tango“, ebenfalls bei „Kriterion“ erschienen, steht auf Seite 77 „Ich sah die Koffer auf dem Tisch, auf dem Bett und auf den Stühlen stehn“.

Also nachweislich und leicht nachprüfbar die Unwahrheit erzählt.

Ausführlich zur angeblichen und tatsächlichen Zensur der Niederungen in http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/123-johannis-fest.html

Moralische Autorität

So ein Schriftsteller wird in der Öffentlichkeit wahr genommen und gilt als moralische Autorität, vor allem dann, wenn er mit hochrangigen Preisen geehrt wird. Und Herta Müller gibt fleißig ihre Meinung kund.

Was ist von ihr aus moralischer Sicht zu halten (wenn mensch mal vom Gebot „Du sollst nicht lügen“ absieht)?

Mal davon abgesehen, dass sie bei ihrer Ausreise 4x unterschrieben hat, dass sie im Ausland dem rumänischen Staat nicht schaden werde, wendet sich der Wurm ihrem Werk zu.

Die (tatsächlich vorhandene Mentalität) beschreibt sie so: „In den Fabriken ist Stehlen keine schlechte Tat. Die Fabrik gehört dem Volk, und man ist aus dem Volk, und nimmt sich sein Volkseigentum.“ Mehrfach wird in ihren Romanen Volkseigentum geklaut, wobei sie das in keinem Fall kritisiert. Muss jetzt nichts Schlimmes heissen.

Allerdings beschreibt sie in zwei ihrer Essays („Hunger und Seide“ und „Der König verneigt sich und tötet“), dass sie „eine ziemlich professionelle Ladendiebin“  war und „Ich hatte Tassen, Gläser, Kochtöpfe und Besteck aller Art zu Hause stehen“ (die sie vorher geklaut hatte). Zusätzlich sind noch Wäscheklammern und Nudeln als geklaute Ware von ihr erwähnt. An anderer Stelle schildert sie einen typischen Tag, an dem sie unnützerweise einen einzelnen Schuh klaut.

Zwei Anmerkungen dazu:

1. Mag ja sein, dass einem der böse sozialistische Staat dazu bringt, so zu handeln und den Mangel an Kaufbarem für die Bevölkerung verstärkt – es gab aber auch in diesem Land ehrliche Leute, die nicht geklaut haben.

2. Wenn ich „politisch verfolgt“ bin und angeblich der Geheimdienst andauernd bei mir Hausdurchsuchungen macht – dann gehe ich zum einen nicht das Risiko ein, beim Ladendiebstahl erwischt zu werden und zum anderen horte ich kein Diebesgut zu Hause.

Mittlerweile sind wir in Deutschland. Eine Werbetafel im Schlafwagen der Bahn hat es Herta Müller angetan: „Monatelang hab ich gelauert, allein mit ihr im Abteil zu sein. Sie war fest angeklebt, ich mußte sie mit dem Hausschlüssel abstemmen … Sie hängt jetzt in meinem Schlafzimmer“ (aus „Der König verneigt sich und tötet“).

Das war jetzt Diebstahl und wahrscheinlich auch noch Sachbeschädigung. Vielleicht ist der Wurm da altmodisch, wenn er sagt, dass mensch so was nicht tut. Zumindest sieht er keinerlei Unrechtsbewusstsein bei Herta Müller. Wie soll mensch Kindern ruhigen Gewissens beibringen, dass mensch ehrlich sein soll, wenn eine Nobelpreisträgerin nichts dabei findet, öffentlich zu schreiben, dass sie klaut?

Auszeichnungen

Für die Bewohner des Erdreichs ist Herta Müller nicht ernst zu nehmen. Alleine deshalb, weil sie leicht nachprüfbar die Unwahrheit sagt, vor allem bei der angeblichen „Koffer“-Zensur und der widersprüchlichen und unnötigen Zugfahrt.

Eines ihrer Motive erwähnt sie in einem „Spiegel“-Interview aus dem Jahr 1987:

Ja, genau diese muffige spießige Provinzialität hat mir den Haß eingegeben, mit dem ich die "Niederungen" schreiben konnte. Wir Intellektuellen haben uns durch diese deutsche Minderheit nicht vertreten gefühlt, die hat ja mit Beschimpfungen auf unsere Texte reagiert. Die Deutschen haben sich in den Texten gesucht, und wenn sie meinten, sich selbst da vorgefunden zu haben oder irgendeinen anderen aus Nitzkydorf, dann empörten sie sich und verlangten, daß man mich dafür bestraft.“

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522533.html

Nun kann ein Mensch sagen und tun, was er will. Entscheidend ist, wie die anderen Menschen auf ihn reagieren. Es ist sehr offensichtlich, dass Herta Müller die Unwahrheit verbreitet und Unfug erzählt. Es gibt Länder, in denen würde sie dafür zumindest nicht ernst genommen.

Herta Müller übersiedelte 1987 mit ihrem damaligen Mann Richard Wagner in den Westen. Wie wurde aus der eher unpolitischen Herta Müller jetzt ein Dissident und Kommunisten-Hasser? Aufschluss könnte Richard Wagner geben, der Folgendes schreibt:

„Wenn man sich detailreich zu etwas äußert, ist man schon Experte, sage ich … Meine fünfunddreißig Lebensjahre im Banat machten mich unversehens zum Experten … Ich kam in den Westen und wurde Dissident. Fast ohne mein Zutun, sage ich. Ich sage es wie mit Augenaufschlag. Überall wurde ich als Dissident vorgestellt. Schließlich war ich aus dem Osten gekommen. Was in den kurzen bibliographischen Notizen über mich stand, machte mich zum Dissidenten, der ich nicht war, sage ich. Ich wollte Schriftsteller sein …“ (aus „In der Hand der Frauen“ von 1995). Das war jetzt aus einem Roman mit sich selbst als Hauptperson. Aber auch in einem Roman hätte ein tatsächlicher Dissident so was wohl kaum geschrieben.

Anders ausgedrückt: als Dissident ist mensch interessant für die Medien (und für diejenigen, die hinter den Medien stehen) und kann sich mit diesem Image ein sehr viel besseres Leben leisten. Und je gruseligere Geschichten mensch schreibt, umso interessanter wird das Ganze.

Herta Müller hatte und hat ihre Vorteile durch ihr nachträgliches Dissidententum. Diejenigen, die sie bezahlen, hatten auch ihre Vorteile, indem sie jemanden nach vorne brachten, der immer und immer wieder zum Besten gibt, wie schlimm der Sozialismus ist, wie schlimm Russland ist und wie schlimm China ist.

Wie sich beide Seiten ergänzen und sich gegenseitig die Bälle zuspielen, zeigt etwa das Interview von Andrea Seibel mit ihr in der „Welt“ mit dem Titel „Putins Dreistigkeit beleidigt meinen Verstand” vom 05.03.2015:

http://www.welt.de/kultur/article138087231/Putins-Dreistigkeit-beleidigt-meinen-Verstand.html

Anbei die von ihr seit 1987 erhaltenen Preise:

1987: Ricarda-Huch-Preis

1989: Marieluise-Fleißer-Preis

1989: Deutscher Sprachpreis, gemeinsam mit Gerhardt Csejka, Helmuth Frauendorfer, Klaus Hensel, Johann Lippet, Werner Söllner, William Totok, Richard Wagner

1990: Roswitha-Preis

1991: Kranichsteiner Literaturpreis

1992: Deutscher Kritikerpreis

1994: Kleist-Preis

1995: Europäischer Literaturpreis Prix Aristeion

1995/1996: Stadtschreiberin von Bergen

1997: Literaturpreis der Stadt Graz

1998: Ida-Dehmel-Literaturpreis

1998: International IMPAC Dublin Literary Award (für den Roman Herztier)

1999: Franz-Kafka-Preis der Stadt Klosterneuburg

2001: Cicero-Rednerpreis

2001: Tübinger Poetik-Dozentur

2002: Carl-Zuckmayer-Medaille

2003: Joseph-Breitbach-Preis (zusammen mit Christoph Meckel und Harald Weinrich)

2004: Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung

2005: Berliner Literaturpreis

2006: Würth-Preis für Europäische Literatur

2006: Walter-Hasenclever-Literaturpreis

2007/2008: Stipendium Internationales Künstlerhaus Villa Concordia

2009: Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft

2009: Nobelpreis für Literatur

2009: Franz-Werfel-Menschenrechtspreis

2010: Hoffmann-von-Fallersleben-Preis für zeitkritische Literatur

2010: Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

2010: Ehrendoktorwürde der Seoul Women's University (Korea)

2011: Samuel-Bogumil-Linde-Preis

2011: Monismanien-Preis

2012: Ehrendoktorwürde der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn,der Swansea University (UK), des Dickinson College in Carlisle (USA)

2012: Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst

2014: Hannelore-Greve-Literaturpreis

http://de.wikipedia.org/wiki/Herta_M%C3%BCller

 

Zuschlechterletzt

 

Herta Müller vertritt die offizielle Linie. Und wer diese vertritt, genießt praktisch Narrenfreiheit. Wer gegen diese offizielle Linie vorgeht oder auch nur wagt, leise Kritik zu üben, wird massive Probleme bekommen.

Ob zu Herta Müller oder anderen: diejenigen, die Missstände klar beim Namen nennen, haben ein Problem oder werden eines bekommen.

Und so muss schon ein kleiner Wurm daher kommen, um klar und deutlich seine Meinung kundzutun. Wobei der Wurm allerdings froh ist, dass es wenigstens einige wenige Menschen gibt, die sich zusammen mit ihm nicht unterkriegen lassen.