Polanski

„Zuschlechterletzt sei noch angefügt, dass es gegen den Film massive Beschimpfungen und Boykott-Aufrufe von finsteren Gestalten gegeben hat.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/430-dogmatismus.html

So endete der letzte Beitrag des Wurms über den Film „Intrige“ von Roman Polanski.

Hier ist der Beitrag über Roman Polanski, die finsteren Gestalten und die anstehenden finsteren Zeiten, die sich hier deutlich abzeichnen.

 

Roman Polanski und seine Filme

 

Jeder kennt Filme von Roman Polanski. Mal schlechtere, mal bessere, mal hervorragende. So hatte der Wurm „Venus im Pelz“ als Meisterwerk bezeichnet: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/46-venus-im-pelz.html

Sehr gelungen ist der Bildband „Roman Polanski – Seine Filme, sein Leben“ von James Greenberg aus dem Jahr 2013.

Um einen Blick auf die Arbeitsweise von Roman Polanski zu werfen, hat sich der Wurm James Greenbergs Kommentar zum Film „Der Pianist“ herausgesucht, den er zitieren möchte:

„„Den Film Der Pianist hätte ich mit geschlossenen Augen drehen können, denn ich hatte das erlebt, und alles war noch lebendig in mir.“

Es bestand nie ein Zweifel daran, dass Polanski eines Tages einen Film über den Holocaust machen würde. Es ging nur darum, den geeigneten Stoff zu finden. Steven Spielberg hatte seinem Kollegen zunächst die Regie von Schindlers Liste angeboten, doch Polanski lehnte ab. Die Geschichte spielte im Krakauer Getto, und Polanski, der diesen Ort selbst als Kind erlebt hat, spürte, dass es ihm zu nahe ging. „Ich kannte diese Menschen persönlich. Es war zu viel für mich.“

Dann stieß er auf eine Neuauflage der Memoiren des polnischen Pianisten und Holocaust-Überlebenden Wladyslaw Szpilman und wusste sofort, dass er fündig geworden war. In seinem Buch, erstmals 1946 in Polen erschienen, erzählt Szpilman von der Flucht aus dem Getto und seinen verschiedenen Verstecken in Warschau während des Krieges. Polanskis Instinkt sagte ihm, „dass der Zeitpunkt gekommen war. Auf solche Geschichten stößt man nicht jeden Tag.“

Der Stoff erlaubte es Polanski, seine Stärken als Regisseur ganz auszuspielen. In seinen besten Filmen geht es um das Hin und Her zwischen dem Dunklen in der Welt und dem unbedingten Überlebenswillen des Menschen. In ein Getto gepfercht zu werden und sich in winzigen, von außen verschlossenen Räumen zu verstecken – eine stärker klaustrophobisch empfundene Situation ist kaum vorstellbar. Polanskis schwarzer Humor ist das Bindeglied zwischen diesen verschiedenen Aspekten, und in gewisser Hinsicht der Schlüssel zum Überleben. Der Regisseur erinnert sich, dass sich die Bewohner des Gettos Judenwitze erzählten. Diesen Impuls erklärt mir Polanski durch einen Vergleich: „Wenn bei dem Begräbnis eines sehr nahestehenden Menschen der Pfarrer ausrutscht und in den Dreck fällt, muss man lachen.“ Die Verbindung von Komik und Tragik ist gewissermaßen das Markenzeichen seiner Werke. Auch die Besetzung der Rolle des Szpilman mit Adrien Brody war ein Geniestreich oder ein Glücksfall – im Zweifel war es beides. Polanski entdeckte den Schauspieler genau zum richtigen Zeitpunkt, und Brody ließ sich auf die strengen Vorgaben des Regisseurs ein. Er gab sein Apartment und sein Auto auf, um sich wie Szpilman heimatlos zu fühlen. Er verlor für die Rolle mehr als elf Kilo Gewicht, ungefähr so viel, wie Robert de Niro 1980 für seine Rolle in Wie ein wilder Stier zugenommen hatte. Diese Strapazen wurden jedoch belohnt: Adrien Brody erhielt den Oscar als bester Schauspieler, und Polanski wurde als bester Regisseur ausgezeichnet – nicht zuletzt dafür, dass er Brody zu dieser Leistung geführt hatte. Szpilmans Wandel vom Warschauer Vorkriegs-Dandy zum ausgezehrten Verfolgten führt der Darsteller differenziert und glaubwürdig vor. Unvergesslich ist die Szene, in der er eine Konservendose umklammert, als hinge sein Leben daran – und das tat es auch. Der Kritiker A.O. Scott verglich ihn in der New York Times mit „einer dieser ausgemergelten Beckett‘schen Gestalten, die durch eine öde, ausgebombte Landschaft schlurfen … Er wirkt wie die Personifizierung eines komischen Scherzes voll unfassbarer Grausamkeit.“

Die besondere Qualität, die Polanski in Szpilmans Memoiren erkannte, bestand für ihn in der „Präzision und Distanziertheit, die man häufig bei den Überlebenden findet“. Der Pianist sah er nicht als epische Erzählung, sondern als individuellen Bericht, der Einblick in das Absurde gewährt. Polanski erschuf daraus mit gewohnter Detailversessenheit eine Welt, die er genauestens kannte. Der Erfolg und die erschütternde Wirkung des Films beruhen auf der Zurückhaltung, mit der Szpilmans Schicksal erzählt wird. Anders als viele andere Holocaust-Filme behandelt Der Pianist den Stoff weder sentimental noch scheinheilig. Polanski wusste aus eigener Erfahrung, dass es gute und schlechte Deutsche, gute und schlechte Juden gab. Es freute ihn daher, dass der Film in Frankreich wegen seiner Objektivität kritisiert wurde. Objektivität war genau das, was er angestrebt hatte.

Ihm war klar, dass Szpilmans extreme Lebensgeschichte keiner Ausschmückung bedurfte. Seine Entwicklung vom selbstzufriedenen Künstler zu einem Menschen, der die Vernichtung seiner Familie erlebt, fast verhungert und nur dank des Zufalls und seines Überlebensinstinkts davonkommt, genügte. Szpilman ertrug seine Verluste durch die Hingabe an die Musik, vergleichbar dem jungen Polanski, dem seine begnadete Fantasie geholfen hatte.

Polanski hielt es für „unangemessen“, in diesem Fall mit filmischen Tricks zu arbeiten. In vielen Vorgesprächen mit dem Kameramann Pawel Edelman erklärte er, welchen Stil er sich vorstellte. Die Handlung sollte nicht wie in Chinatown mit subjektiven Über-die-Schulter-Einstellungen der Kamera gefilmt werden, sondern aus einer neutraleren Perspektive. Polanski befand sich auf der Höhe seines Schaffens, aber das handwerkliche Können sollte hier ganz und gar im Dienste der Geschichte stehen: „(Dem Publikum) soll beim Zusehen nicht plötzlich bewusst werden, dass das Ganze ein Film ist und dass der Regisseur ihm schöne Kameraeinstellungen vorführt“, sagte Polanski. „Wichtig ist, was man zeigt, nicht wie man es zeigt.“

Der Film beginnt mit Archivaufnahmen in Schwarz-Weiß und zeigt die belebten Straßen von Warschau im Jahr 1939. Dann leitet Polanski in gedämpften Farben zur Handlug über. Man sieht, wie Szpilman bei einer Aufnahme einer Nocturne von Frédéric Chopin im Rundfunkstudio vom Bombenalarm unterbrochen wird. Die Ereignisse in Der Pianist sind so authentisch wie in einem Dokumentarfilm, doch sie haben die emotionale Dimension eines Spielfilms. „Er sollte die Stimmung eines Dokumentarfilms über diese Zeit haben“, so Polanski, „aber nicht den Stil, die Machart einer Dokumentation.“ Man fragt sich, wie es Polanski gelang, nicht von Gefühlen überwältigt zu werden. Tonfall und Dramaturgie zahlreicher Szenen, wenn nicht sogar die Handlung, gehen auf sein eigenes Erleben zurück. „Ich wollte nie einen autobiografischen Film über meine Kindheit im Krieg machen“, erklärte Polanski. „Aber ich wollte meine Erfahrung für einen Film zu diesem Thema nutzen. Deshalb kommen darin immer wieder die Bruchstücke meiner Erinnerung vor.“

Früh im Film, noch bevor die jüdische Bevölkerung ins Getto getrieben wird, wird Szpilmans Vater, gespielt von Frank Finlay, von zwei deutschen Soldaten geschlagen, weil er ihnen nicht in den Rinnstein ausgewichen war. Polanski erinnert sich, wie sein Vater eines Tages mit einem blutenden Ohr nach Hause kam. „Er erzählte uns, dass ihn ein deutscher Offizier angehalten und gefragt hatte: ‚Warum verbeugst du dich nicht?‘ Gleichzeitig hatte er ihm ins Gesicht geschlagen. Daraus entstand diese Szene.“

Die Gräueltaten nehmen zu, aber Polanski lässt sich Zeit, sodass Schrecken und Anspannung sich auf eine fast nüchterne Art entwickeln, wie es auch in der Realität der Fall war. „Manchmal hört man die dumme Frage ‚Warum haben sich die Juden nicht gewehrt?‘. Sie haben sich sehr wohl gewehrt, aber nicht wie in einem Film. Es war ein allmählicher Prozess.“, erklärt Polanski kopfschüttelnd. Neben dem authentischen Bezug ist sicherlich auch der Verzicht auf technische Spielereien dem Film zugutegekommen, etwa im letzten Teil: Russische Bomben detonieren in Hörweite, und Szpilman taucht aus seinem Versteck auf. Er späht über einen Zaun und sieht nichts als Schutt und Ruinen so weit das Auge reicht. Dieser Anblick nach so langer Zeit in der Dunkelheit ist, als würde man ein Fenster zu einem Albtraum öffnen. Auch an einen solchen Eindruck erinnert sich Polanski: Nach dem Krieg arbeitete er als Kinderdarsteller in einem sowjetischen Propagandastück, das auch in Warschau aufgeführt wurde. „Die Stadt war eingeebnet worden, wo ich auch hinsah, nichts als Ruinen. Gleich zu Beginn meiner Arbeit am Film sagte ich, dass es so eine Szene geben müsse. Mir war klar, dass ich das nicht mit einer Computeranimation erschaffen konnte, es würde niemals echt wirken, weil man so etwas nicht einfach nachbilden kann.“

Das Produktionsteam machte also einen verlassenen Stützpunkt der sowjetischen Armee in Ostdeutschland ausfindig und sprengte ihn in die Luft. „Allan Starski, der Szenenbildner, ging von Haus zu Haus und zerstörte es so, wie er es für gut hielt. So bekamen wir unsere Hauptstraße und dazu jede Menge Perspektiven und Standorte für die übrigen Szenen des Films“, erinnert sich Polanski. Warschau und das Getto wurden während des Krieges vollkommen zerstört. Daher ging man für die Außenaufnahmen in einen Randbezirk der Stadt, in dem noch einige Straßen intakt geblieben waren. Dort ist eine der schmerzlichsten Szenen des Films angesiedelt. Eine Menge von ahnungslosen Menschen wartet auf dem Umschlagplatz im Getto auf den Zug, der sie ins Vernichtungslager Treblinka deportieren wird. Der Platz und die Menschen in ihrer abgewetzten, aber würdevoll getragenen Kleidung wirken äußerst authentisch. Das Leid jedes Einzelnen in der Menge ist ergreifend: Eine Frau klagt unaufhörlich über den Tod ihres Kindes, das sie unabsichtlich erstickt hat; ein junges Mädchen irrt benommen mit ihrem Vogelkäfig herum; Szpilmans Vater schneidet ein Karamellbonbon in sechs winzige Stückchen, um es mit seiner Familie als letztes gemeinsames Mahl zu teilen. Nach der Abfahrt des Zuges bringt Polanski die Tragödie mit einer kurzen, niederschmetternden Einstellung zum Ausdruck. Sie zeigt den leeren Platz mit verstreut herumliegenden, zurückgelassenen Koffern – mehr bleibt nicht zu sagen.

Polanski hatte die Deportation der eigenen Familie erlebt, doch nun lag sein Augenmerk auf seiner Arbeit, nicht auf dem Schmerz. In einer besonders grausamen Szene hält ein hysterischer Nazi-Offfzier Szpilmans Arbeitstrupp auf dem Rückweg zum Getto auf. Er lässt kurzerhand acht Leute vortreten und niederknien, dann erschießt er sie nacheinander. Der letzte Mann muss quälend lange auf den Todesschuss warten, weil der Offizier seine Pistole nachladen muss. Doch Polanski konzentrierte sich nun stärker auf die filmische Umsetzung als auf das Emotionale: „(Als Regisseur) nimmt man dann das Entsetzliche nicht mehr wirklich wahr. Man sieht, dass dem Schauspieler das Laden gelungen ist. Dafür musste er das alte Magazin geschickt durch ein neues austauschen. Und das dicht vor der Kamera. Wenn er ungeschickt ist, funktioniert es nicht. Wenn der Schauspieler es gut macht und und zudem noch die Leute für Spezialeffekte und Requisite gut gearbeitet haben, dann freut man sich einfach, dass es funktioniert hat.“

Ab und zu ließ jedoch auch Polanski Gefühle zu. Es war, als hätte der Geist des Films alle ergriffen. Niemand beklagte sich, trotz Dreharbeiten in langen, kalten Nächten. „Das Verhalten unserer Statisten rührte mich wirklich“, so Polanski. „Sie machten es nicht wegen des Geldes. Die meisten erinnerten sich an den Holocaust, andere wussten von ihren Eltern davon. Sie waren alle großartig und spielten auf eine Art, dass ich kaum etwas zu verbessern hatte. Es war erstaunlich. Das hatte ich nicht erwartet.“

Beim Dreh des Höhepunkts kämpften selbst altgediente Mitglieder der Filmcrew mit den Tränen. In den letzten Kriegstagen wird Szpilman, erschöpft und orientierungslos, von einem Wehrmachtsoffizier in seinem Versteck, einem ausgebombten Herrenhaus, entdeckt. Der Offizier, gespielt von Thomas Kretschmann, fragt Szpilman vorsichtig nach seiner Tätigkeit vor dem Krieg, und bittet ihn dann, ein Stück auf dem Flügel zu spielen. Sämtliche angestaute Spannung konzentriert sich nun auf diesen einen Moment. Kann er noch spielen nach all dem, was passiert ist? Gibt es noch etwas Würde in dieser Welt?

Auch hier hält sich Polanski zurück und verzichtet auf gängige Einstellungen. Während Szpilman eine wunderschöne Interpretation von Chopins Ballade Nr. 1 in g-Moll spielt, gibt es keine ausgedehnten, gefühlsbetonten Nahaufnahmen. Man hört zu und denkt über das Gesehene nach. Die Vielschichtigkeit der Gefühle und die Wunden, die der Krieg hinterlassen hat – all das spricht aus den Gesichtern ohne Wertung. Es ist, was es ist.

Polanski nahm diese Szene im Gegenlicht auf, und Szpilman ist so ausgezehrt, dass das Licht durch sein Gesicht zu schimmern scheint. Falls das in dieser Welt überhaupt möglich ist, dann wurde er dank seiner Kunst erhellt und gerettet – und dank der Menschlichkeit dieses Offiziers. „Bis dahin habe ich noch nie erlebt, dass all die Profis hinter der Kamera so gerührt waren“, erinnerte sich Polanski. „Einige haben während dieser Szene geweint.“

Polanski hält Der Pianist für sein bestes Werk, und er könnte recht haben. Einige Jahre zuvor bemerkte er, dass er den Film, mit dem er in Erinnerung bleiben wollte, noch nicht gedreht habe. Als ich ihn fragte, ob das noch immer so sei, antwortete er: „Ich glaube, jetzt habe ich es geschafft. Der Pianist ist dieser Film.“ Bei seinen früheren Arbeiten habe ihm dafür noch die Erfahrung und die Reife gefehlt. „Bei der Arbeit an diesem Film spürte ich, dass alles, was ich zuvor gedreht habe, nur eine Probe für diesen hier war.“ Der Pianist ist ein Film, der auf Polanski gewartet hat, auf keinen anderen.“

 

Roman Polanski und die Frauen

 

Im Schauspiel-Bereich (und nicht nur da) geht es traditionell recht locker zu, zumal in den 1960er und 1970er Jahren. Roman Polanski hat keine Probleme, sich über sein damals lockeres Sexualleben zu äußern. So in seiner Autobiographie „Roman Polanski“ aus dem Jahr 1984.

Sein erstes Sex-Erlebnis hatte er mit einer „erfahrenen“ 14-jährigen. Roman Polanski: „In meinem Leben hatte es schon eine ganze Anzahl Mädchen gegeben. Mit Kika traf ich mich immer seltener, und die Hoffnung, Gesa jemals wiederzusehen, schwand langsam dahin. In Lodsch selber gab es jede Menge hübscher Mädchen, an die ich problemlos herankommen konnte.“

„Trotz der Reibereien und Anspannung bei der Arbeit genoß ich London in vollen Zügen. Abends war ich meist im Ad Lib zu finden, wo ich entdeckte, daß englische Mädchen viel direkter und viel weniger berechnend waren als jene, die ich bisher gekannt hatte. Wenn sie mit einem ins Bett gehen wollten, dann taten sie's; und wenn sie's nicht wollten, dann ließen sie daran von Anfang an keinen Zweifel.“

Probleme mit Frauen bzw. Sex mit Frauen oder frühreifen Jugendlichen hatte Roman Polanski also keine. Es soll nicht heissen, dass er nie zu unlauteren Mitteln gegriffen hätte – nötig gehabt hätte er sie jedoch nicht. Von willigen Wesen weiblichen Geschlechts war er zur Genüge umgeben.

Schließlich fand er mit Sharon Tate die zu ihm passende Frau, die ihm trotz aller Liberalität eine gewisse Stabilität verschaffte. Die hochschwangere Sharon Tate wurde während Roman Polanskis Abwesenheit zusammen mit Freunden in ihrem Haus bestialisch ermordet.

Roman Polanski: „Sharons Tod ist die einzige Grenzlinie in meinem Leben, die wirklich zählt. Bevor sie starb, segelte ich gleichsam auf einem ruhigen, grenzenlosen Meer aus Erwartungen und Optimismus. Seither fühle ich mich schuldig, wann immer mir bewußt wird, daß ich das Leben genieße. Ein Psychiater, mit dem ich kurz nach ihrem Tod sprach, warnte mich, ich würde „vier Jahre Trauerarbeit“ brauchen, um dieses Gefühl zu überwinden. Es hat weit länger gedauert.

Früher, da brannte mal ein enormes Feuer in mir - eine unbeirrbare Zuversicht, daß ich alles erreichen könnte, wenn ich nur wirklich wollte. Die Morde und was danach folgte, hinterließen schlimme Spuren. Nach Sharons Tod begann ich meinem Vater nicht nur äußerlich immer mehr zu gleichen, auch innerlich wurde ich ihm in so manchem ähnlicher: im festverwurzelten Pessimismus, in seiner ewigen Unzufriedenheit mit dem Leben, in seinem tiefen jüdischen Schuldempfinden und in seiner Überzeugung, daß alle Freude ihren Preis hat.

Es hat noch andere Konsequenzen gegeben. Ich zweifle, daß es mir je wieder möglich sein wird, fest mit irgendeiner Frau zusammenzuleben, mag sie auch noch so schön, so klug, so ungezwungen, so gutmütig und voller Verständnis für meine Stimmungen sein. All meine Versuche sind fehlgeschlagen, nicht zuletzt deshalb, weil ich Vergleiche zu Sharon zog.

Es gibt diese kleinen Dinge - wie Kofferpacken, Haareschneiden, das Einstellen der Vorwahl 213 für Kalifornien oder 396 für Rom -, die meine Gedanken unweigerlich zurück zu Sharon lenken. Selbst nach so vielen Jahren ist es mir unmöglich, einen malerischen Sonnenuntergang zu beobachten, ein schönes altes Haus zu besuchen oder sonst irgendeinen optischen Genuß zu haben, ohne mir automatisch vorzustellen, wie sehr sie all dies geliebt hätte.

Und auf diese Weise werde ich ihr treu bleiben bis zu meinem Tod.“

„Doch alles Bedauern über Vergangenes ist ebenso absurd wie jedes Planen für die Zukunft. Mein Vater hat mir immer vorgeworfen, ich könne weder mit Geld umgehen noch überhaupt Ordnung in mein Leben bringen. Ja, Ich habe beträchtliche Summen „vergeudet“, trauere jedoch keinem Heller nach. Die Vorstellung, bei meinem Tod ein dickes Konto auf der Bank zu haben, ist mir tief zuwider; Leben und Geld sind dazu da, genossen zu werden.

Aber seit Sharons Tod - mag der äußere Schein auch dagegen sprechen - geht durch meine Lebensfreude ein Riß.

In Augenblicken unerträglicher persönlicher Tragödie finden manche Menschen Trost in der Religion. Bei mir war das Gegenteil der Fall. Was immer ich an religiösem Glauben in mir gehabt hatte, wurde durch den Mord an Sharon zerstört. Was blieb, war ein vertiefter Glaube ans Absurde.

Noch immer „funktioniere“ ich als professioneller Unterhalter. Ich erzähle lustige Geschichten, trage sie wirkungsvoll vor, lache viel und genieße die Gesellschaft von Menschen, die gern lachen; doch im tiefsten bin ich mir der Hohlheit meines Lachens bewußt. Dabei ist es keineswegs so, daß ich abgestumpft wäre, sei es durch Erfolg oder Tragödie oder meine eigenen Narrheiten. Nur scheint es, als sei ich in unauflösbare Widersprüche verstrickt. Ich habe das Gefühl, kein Recht mehr auf Unschuld zu besitzen, auf jene Arglosigkeit, die einen das Leben ungetrübt genießen läßt. Meine kindliche Leichtgläubigkeit und Ergebenheit gegenüber meinen Freunden ist mich teuer zu stehen gekommen, nicht zuletzt auch in meinem Verhältnis zur Presse; doch mein wachsendes Mißtrauen hat sich als nicht weniger selbstzerstörerisch erwiesen.

Ich weiß, daß ich weithin als ein böser, lasterhafter Zwerg gelte. Meine Freunde - und die Frauen in meinem Leben - wissen es besser.“

 

Samantha Geimer

 

Ein weiterer Wendepunkt zum Negativen war Sex mit der 13jährigen Samantha Geimer im Jahr 1977. Roman Polanski stellt die Geschichte etwas anders dar, aber dennoch ist ihr Interview mit dem „Spiegel“ aus dem Jahr 2013 aufschlussreich:

Am 10. März 1977 hat der Regisseur Roman Polanski die damals 13-jährige Samantha Geimer bei einem Fototermin in Los Angeles sexuell missbraucht. Es folgte eine quälende juristische Auseinandersetzung, die ein Jahr lang dauerte und mit der Flucht des Starregisseurs aus den USA endete. 32 Jahre später wurde Polanski in der Schweiz verhaftet, er kam unter Hausarrest, ein Schweizer Gericht sollte über seine Auslieferung entscheiden, was erneut eine erbitterte Kontroverse über den Fall auslöste. Geimer, heute 50, hat nun ihre Version der Ereignisse in einem Buch zusammengetragen, es erscheint kommende Woche ("The Girl. Mein Leben im Schatten von Roman Polanski". Orell Füssli Verlag; 19,90 Euro). Zum Interview hat sie nach Las Vegas gebeten, wo sie für eine Immobilienfirma arbeitet. Eigentlich lebt sie mit ihrem Mann und drei Söhnen auf Hawaii. Dem Regisseur Polanski, heute 80, ist sie nie wieder begegnet.

Mrs. Geimer, Sie schreiben in Ihrem Buch, Sie seien nicht froh gewesen, als Roman Polanski im Jahr 2009 schließlich verhaftet wurde.

Nein. Warum sollte ich wollen, dass er ins Gefängnis geht?

Weil das, was er 1977 mit Ihnen getan hat, Ihr Leben, wie man in Ihrem Buch lesen kann, geprägt hat.

Das war nicht Roman. Das waren die Leute, die ihn damals unfair behandelt haben und die ihn auch in der Schweiz verhaften ließen. Und - nichts gegen Sie - die Presse hat mein Leben erschwert. Roman hatte nichts von all dem beabsichtigt. Als er vor vier Jahren wieder festgenommen wurde, wusste ich, das bedeutet Ärger. Jetzt war die Presse wieder hinter mir her. Deswegen habe ich mich nicht gefreut.

Hätte Polanski sich an jenem Abend im März 1977 verkniffen, mit diesem 13-jährigen Mädchen, das Sie waren, Sex zu haben, wäre nichts von all dem passiert.

Das ist sehr wahr. Aber zu der Tat hat sich Roman Polanski vor Gericht schuldig bekannt. Er ist 1977 dafür sogar ins Gefängnis gegangen. Ich weiß nicht genau, was er noch hätte machen sollen.

Sie finden, die 42 Tage, die er damals im Gefängnis saß, waren genug?

Ich habe nie gefordert, dass er auch nur einen Tag ins Gefängnis muss. Wir hatten mit dem Richter einen Deal, dem alle Seiten zugestimmt haben, und der sah Bewährung vor. Der Richter hat den Deal nicht eingehalten und aus Sorge um seinen öffentlichen Ruf zusätzlich 90 Tage Gefängnis angeordnet. Dafür gab es keinen Grund. Angeblich sollte Roman dort psychologisch begutachtet werden.

Polanski sollte die Haftzeit erst nach der Beendigung von Dreharbeiten antreten, doch als ein Foto von ihm mit jungen Frauen auf dem Münchner Oktoberfest auftauchte, fühlte sich der Richter düpiert und befahl Polanski sofort zum Antritt seiner Strafe in die USA zurück.

Im Chino State Prison fanden die Psychologen aber keine pädophile Neigung bei Roman, und so kam er nach 42 Tagen wieder frei. Wodurch sich der Richter erneut blamiert fühlte. Er wollte Roman wieder ins Gefängnis schicken, diesmal auf unbestimmte Dauer. Es hätten fünf Tage sein können oder fünf Jahre.

So was geht?

Es ging auf jeden Fall damals. Roman musste den Eindruck haben, dass dem Richter nicht mehr zu trauen ist. Deswegen ist er geflohen. Ehrlich gesagt, ich kann das verstehen.

Wenn man Sie hört und Ihr Buch liest, kann man den Eindruck gewinnen, dass Sie das, was Polanski Ihnen angetan hat, nicht so schlimm finden.

Jedenfalls war ich niemals so am Boden zerstört und traumatisiert, wie die Leute das gern wollten. Was ich bis heute nicht verstehe: Wenn alle fanden, dass Romans Tat so böse war - warum wollen sie immer noch, dass ich ein tief traumatisiertes Opfer bin? Oh, Polanski hat Ihnen das angetan - aber warum geht es Ihnen eigentlich nicht schlechter?

Das verstehen wir nicht.

Ich bin auch eine Feministin. Ich verstehe die Motive dieser Frauen, die mich öffentlich attackiert haben. Aber sie wollten, dass ich mich als Opfer fühle, weil ihnen und ihrem Anliegen nur ein tiefverletztes Opfer wirklich helfen würde. Aber das war ich nicht. Ich fühle mich bis heute nicht als Opfer von Roman, sondern als Opfer der Öffentlichkeit, der Justiz und der Medien. Deswegen auch dieses Buch und dieses Gespräch.

Wie kam es dazu, dass Roman Polanski Sie 1977 fotografieren wollte?

Der Freund meiner älteren Schwester kannte ihn aus Hollywood-Kreisen. Auf einer Party lernte er so auch meine Mutter kennen. Roman erzählte, dass er für die französische "Vogue" junge Mädchen zum Fotografieren suche. Der Freund meiner Schwester schlug mich vor, und so kam Roman zu uns. Er brachte die Fotos mit, die er von Nastassja Kinski für die "Vogue" gemacht hat.

Dann war doch alles klar: erotische Fotos einer 15-Jährigen.

Ich fand sie wunderschön. Ich wollte Schauspielerin werden. Für Nastassja hatte das offenbar alles ziemlich gut funktioniert.

Hatten Sie von Polanski vorher schon einmal gehört?

Ich wusste, er hatte den Film "Chinatown" gemacht. Den hatte ich im Kino gesehen, mochte ihn aber nicht. Zu düster. Aber ich wusste, Roman Polanski war wichtig.

Wussten Sie von den Tragödien in seinem Leben? Von den Eltern, die in Konzentrationslagern waren? Von der Mutter, die in Auschwitz starb? Von dem Achtjährigen, der allein floh? Von Sharon Tate, die sein ungeborenes Kind trug, als sie von der Charles-Manson-Bande bestialisch ermordet wurde?

Nichts. Das erfuhr ich alles erst später. So grauenhaft, das alles.

Als Sie ihn trafen, lag der Mord an Sharon Tate acht Jahre zurück. Er wollte Probeaufnahmen machen. Ihre Mutter war einverstanden?

Ja. Als sie mitkommen wollte, meinte Roman, das sei nicht so gut. Zu zweit gingen wir hinter unserem Haus die Straße hoch, und er fing an zu fotografieren. Irgendwann sollte ich mein Top wechseln. Ich trug keinen BH, weil ich noch keinen brauchte, und drehte mich beim Umziehen von ihm weg. Das Komische war, er fotografierte weiter. Und dann bat er mich, mich umzudrehen.

War das nicht seltsam für Sie?

Es war 1977. Die Welt war damals sehr anders. Ich wuchs in einer Zeit auf, als die 13-jährige Jodie Foster in "Taxi Driver" eine Prostituierte spielte. Kurz darauf Brooke Shields in "Pretty Baby": als 12-jährige Prostituierte. Die Sexualisierung von Mädchen in meinem Alter war Mainstream. Es war überall. Deswegen schien das nicht so seltsam. Ich weiß, wie komisch das heute klingt.

Haben Sie Ihrer Mutter anschließend von den Aufnahmen erzählt?

Nein. Irgendwie ahnte ich, dass ich das nicht tun durfte. Aber ich hatte ohnehin nicht erwartet, dass Roman mich noch einmal fotografieren würde. Er schien nicht so angetan.

Aber er kam wieder.

Zwei oder drei Wochen später. Ich war nicht scharf darauf, denn ich wusste, das war nicht richtig beim ersten Mal. Andererseits wollte ich immer noch in die "Vogue". Wir suchten ein paar Klamotten aus, und er sagte, wir würden zum Haus eines Freundes fahren und da richtige Fotos machen.

Und Ihre Mutter hatte keine Bedenken?

Nein. Er war dieser mächtige, berühmte Regisseur, der ja auch einen Ruf zu verlieren hatte.

Er hatte auch einen Ruf als Frauenheld, genauso wie Jack Nicholson oder Robert De Niro. Es gab damals Gerüchte, dass Polanski eine Affäre mit Nastassja Kinski hatte.

Das wissen wir heute. Ich wusste es nicht. Roman fuhr mit mir jedenfalls in seinem Mercedes erst zu Jacqueline Bisset und dann zum Haus von Jack Nicholson.

Kannten Sie Nicholson?

Ich wusste, dass er in "Chinatown" mitgespielt hatte. Aber für mich waren das alles nur ein Haufen langweiliger Erwachsener. Nicholson war auch gar nicht da. Polanski fragte mich, ob wir Champagner trinken.

Hatten Sie schon einmal Alkohol getrunken?

Vielleicht ein Glas an Silvester. Aber ich konnte es nicht dosieren. Später hat Polanski mir dazu eine Quaalude-Pille angeboten. Er fragte mich, ob ich wisse, was das sei. Ich wollte kein dummes Kind sein und sagte: klar. Ich wusste es auch. Quaalude war 1977 in Los Angeles die Droge. Sie war Teil der Kultur. Quaalude-Pillen waren auf T-Shirts abgebildet, wurden in Popsongs besungen.

Eigentlich ein Schlafmittel.

Ja. Mit Alkohol kombiniert, erzeugt es so ein dösiges, entspanntes High.

Wann wurde das Fotoshooting dann seltsam?

Beim Fotografieren war alles in Ordnung. Er hat mich zwar wieder oben ohne fotografiert, aber er hat nicht mit mir geflirtet, es war Business. Für die letzten Fotos sollte ich in den Whirlpool. In dem heißen Wasser spürte ich jetzt den Alkohol und die Quaalude. Ich fühlte mich leicht und dizzy. Gleichzeitig spürte ich ein bisschen Panik. Polanski sagte irgendwann, das Licht sei nun zu schlecht zum Fotografieren - er komme jetzt auch in den Whirlpool. Da wusste ich: nicht gut. Ich habe behauptet, ich hätte Asthma, und bin aus dem Whirlpool gesprungen.

Hat Polanski Ihnen geglaubt?

Ja. Das Problem war nur: Jetzt wollte er, dass ich mich hinlege und mich ausruhe. Er hat mich in einen Raum gebracht, da war es dunkel, und da wusste ich: Okay, der Typ will Sex mit dir. Ich war überrascht, denn eigentlich schien er mich nicht besonders zu mögen. Aber ich wusste nicht, wie ich ihn stoppen sollte. Ich hatte ihm gesagt, dass ich nicht in dieses Zimmer wollte. Als er mich anfasste, sagte ich nein. Aber als "nein" nicht funktionierte, wusste ich nicht mehr, was ich machen sollte. Lass es ihn tun, dachte ich, und dann gehe ich nach Hause. Ich wusste, was Sex war. Ich hatte einen Freund, und, ja, wir hatten schon Sex gehabt. Ich dachte damals, ich sei eine Erwachsene.

Ziemlich früh.

Fand ich nicht. Ich war damals definitiv nicht die Einzige. Roman fragte mich ständig, ob mir das gefalle. Ich habe nichts geantwortet. Er war der Filmregisseur, sollte er sich seinen Dialog selbst schreiben. Er fragte auch, wann ich das letzte Mal meine Regel gehabt hätte. Aber ich war zu verwirrt und zu high, um mich zu erinnern. Er fragte dann noch, ob ich es mögen würde, wenn er durch den Hintereingang in mich eindringe. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, sagte aber sicherheitshalber nein. Als es dann passierte, dachte ich, Moment mal, war das jetzt mein Po?

Das klingt grauenhaft, man kann sich das kaum anhören.

Alle sind darüber entsetzt. Mir war damals nicht klar, dass Analsex so eine große Sache war. Es war nicht so schlimm, wie alle Leute dachten. Es hat mir nicht weh getan. Ich war high. Hauptsache, er war schnell fertig und ich konnte nach Hause gehen. Auch hier weiß ich, dass das heute merkwürdig klingt.

Es klingt lapidar.

Mir ging es nicht gut unmittelbar danach. Aber ich kenne Leute, denen Schlimmeres passiert ist.

Es gibt Menschen, deren Leben nach einem solchen Erlebnis zerstört ist.

So war ich nicht. Ich bin nicht mit so einer merkwürdigen Scham erzogen worden. Sex war nicht böse. Ich wusste ja, was Sex war. Dass Sex dreckig oder beschämend sei, hat nie jemand in meinen Kopf gepflanzt. Außerdem hatte ich nicht um mein Leben gefürchtet. Ich hatte keine Angst, dass er mir weh tut.

Nicht einmal psychisch?

Ich glaube, ich hatte keine Zeit dafür. Als es vorbei war, hatte ich ja nicht einmal eine Stunde Zeit, in der sich die Sache von "Oh, ich kann nicht glauben, was gerade passiert ist" in eine ganze Welt von Problemen verwandelte.

Eigentlich wollten Sie Ihren Eltern gar nicht erzählen, was passiert war.

O nein! Aber ich musste es ja irgendjemandem erzählen, also rief ich meinen Ex-Freund Steve an, der ein paar Jahre älter war. Meine Schwester hat es gehört und meiner Mutter erzählt. Und dann ging es los: Polizei, Krankenhaus, Staatsanwalt, Polanski festgenommen, Paparazzi, Telefone, die nicht mehr stillstanden. Es gab keine Zeit zum Nachdenken.

Wünschten Sie, man hätte nicht die Polizei gerufen?

Ich habe das damals und über die Jahre immer wieder gedacht. Aber was hätte meine Mutter tun sollen? Sie konnte das nicht einfach durchgehen lassen. Wussten wir, was auf uns zukam? Nein. Heute könnte man sich das vielleicht ausrechnen. Wenn es meine Tochter gewesen wäre, ich hätte auch die Polizei gerufen.

Trifft Ihre Mutter keine Schuld?

Sie macht sich Vorwürfe, weil sie mich hat gehen lassen. Wir waren alle naiv. Wir haben alle Fehler gemacht.

War es eine Vergewaltigung?

Ich war 13. Nach dem Gesetz war es Vergewaltigung.

Und moralisch?

Ich wollte es nicht. Ich habe versucht, nein zu sagen. Das macht es zu einer Vergewaltigung. Habe ich damals gedacht, dass das eine Vergewaltigung war? Nein. Ich dachte, Vergewaltigung bedeutet physische Gewalt oder Kidnapping. Dann kam ich nach Hause, und alle schrien: Du bis 13. Das ist Vergewaltigung. Ich war echt überrascht.

Nachdem er Sie zu Hause abgesetzt hat, ist Polanski zu seinem Kumpel Robert De Niro gefahren. Er hatte offenbar überhaupt keine Schuldgefühle.

Polanski fand nicht, dass er etwas Falsches getan hat. Er hatte mir nicht weh tun wollen. Er wollte, dass ich es genieße. Mich traf der Schlag, als ich am nächsten Tag hörte, Polanski sei verhaftet worden.

Und dann wurde auch noch Anjelica Huston festgenommen. Sie war damals Nicholsons Freundin und hatte uns während des Sex in Nicholsons Haus überrascht. Als die Polizei Nicholsons Haus nach Spuren untersuchte, fanden sie in Hustons Handtasche Kokain. Hier war ich also: Polanski festgenommen, Huston festgenommen, und Nicholson war bestimmt auch nicht happy, dass das alles in seinem Haus passiert war. Super Start in meine Schauspielkarriere. Ich wusste, es war nicht meine Schuld. Aber ich fühlte mich schlecht.

Ist es nicht merkwürdig, dass Polanski, aber ja auch offenbar Sie Sex mit einer 13-Jährigen nicht für eine so große Sache hielten?

Man kann sich diese Stimmung in den späten Siebzigern nicht mehr vorstellen. Vor allem in Hollywood. Elvis Presley hatte in den sechziger Jahren Priscilla geheiratet. Sie war 14, als sie Elvis kennenlernte. Woody Allens "Manhattan" war eine Hommage an einen mittelalten Mann, der eine Teenagerin liebt. Ich habe ein Foto von Don Johnson gesehen, da sitzt seine spätere Frau Melanie Griffith auf seinem Schoß. Sie war 14, als sie zusammenkamen. Das Mädchen, das zur Frau wird, war kein Tabu. Das Wort Kindesmissbrauch existierte nicht. Jedenfalls sprach niemand darüber.

Lassen Sie das als Rechtfertigung gelten?

Es gibt keine Rechtfertigung. Roman hätte es besser wissen müssen. Aber Sie müssen anerkennen, dass die Menschen sich damals in sexuellen Dingen etwas anders verhalten haben. Roman glaubte, wie er später sagte, aus Wärme und Zuneigung gehandelt zu haben, und wissen Sie was: Ich glaube ihm das. Das aus heutiger Sicht zu verurteilen, ist ahistorisch. Trotzdem: Es war beschissen von ihm, das zu tun. Egal, was er damals dachte. Egal, was er heute denkt.

Wir erleben in Deutschland gerade eine ähnliche Diskussion: Da wird Mitgliedern der Grünen, einer linksliberalen, ökologischen Partei, vorgeworfen, in den Achtzigern aus ideologischen oder pädagogischen Gründen, aber wohl ohne böse Absicht, Sexualität mit Kindern unterstützt und verharmlost zu haben.

Wer in den Siebzigern irgendwie zwischen 13 und 45 war, der weiß, dass sowohl Roman als auch Ihre Grünen in Deutschland das wahrscheinlich exakt so meinten. Da war damals kein Kalkül, keine böse Absicht dabei. Erotische Erfahrungen wurden als etwas Förderliches betrachtet. Man glaubte auch, dass die emotionale Reife durch eine weiter ausgedehnte - oder auch frühe - Sexualität gefördert wurde. Und zwar für beide Seiten, für denjenigen mit Macht, also Roman, aber auch für den Ausgelieferten, also mich. Roman sah mich nicht als Opfer.

Also war die Sexualmoral in den Siebzigern besser, obwohl sie möglicherweise dazu beitrug, dass Ihnen so etwas wie mit Polanski passieren konnte?

Ich fand es damals besser. Vielleicht nur, weil ich so aufgewachsen bin. Ich finde es falsch, Regeln darüber aufzustellen, ab wann für ein Individuum Sex okay ist und wann nicht. Das will ich selbst entscheiden.

Aber in Ihrem Fall hat der 43-jährige Polanski entschieden.

Er hat für mich entschieden, weil er es für richtig hielt. Und ich würde lieber den Abend mit Roman noch einmal erleben als das Verhör vor Gericht. Das war erniedrigend. Diese Fragen. Das war willkürlich. Da war ich Opfer.

Danach verbrachten Sie zehn ziemlich wilde Jahre, Drogen, Alkohol, viele Männer. War das eine Folge der Polanski-Geschichte?

Meine Mutter und meine Schwester würden Ihnen sagen: Ich war nie wieder dieselbe. Ich war furchtbar. Ich habe mit keinem mehr geredet. Ich bin aus meinem Zimmer nicht mehr herausgekommen. Ich habe aufgehört zu leben. Die Presse, das Gericht, der Richter, die Fotografen, die Angst vor dem Prozess, die schlimmen Dinge, die über mich und meine Mutter gesagt wurden - ich hielt das nicht aus. Aber das hatte nichts mit Roman zu tun. Ein Jahr später, nachdem Roman das Land verlassen hatte, spürte ich nur noch Erleichterung: Er ist weg, kein Prozess mehr! Party. Ich wurde ein Kiffer, wir tranken viel, nahmen LSD, Speed, Kokain, Quaaludes, alles.

Hatten Sie Probleme mit Sex?

Nein. Ich hatte gern guten Sex.

1988 haben Sie sich entschlossen, Polanski doch noch zivilrechtlich zu verklagen. Elf Jahre später. Warum auf einmal? Sie wollten doch in Ruhe gelassen werden.

Aber mir wurde klar, das würde nie passieren. Diese Geschichte wird mich nie verlassen. Ich konnte so nicht mehr leben. Wir, mein Mann und ich, hatten kein Geld mehr und ein kleines Kind. Dass jetzt alles wieder anfing, war Romans Schuld, weil er in seiner Autobiografie ein paar unschöne Dinge über mich und meine Mutter geschrieben hatte. Dann, so dachte ich mir, soll Roman mir jetzt helfen, sprich: dafür zahlen.

Polanski hat gezahlt.

Eine sechsstellige Summe.

Eine halbe Million Dollar.

Ich fühle mich nicht schlecht deswegen. Roman hat ohne Zögern gezahlt. Genauso wie er sich damals ohne Zögern als Teil des Deals schuldig bekannt hat und wie er ins Gefängnis gegangen ist.

Vor vier Jahren, 2009, bekamen Sie plötzlich einen Brief von Polanski.

Es war ein kleiner handgeschriebener Zettel. Er hat ihn mir aus Frankreich nach Hawaii gefedext. Ich hatte vorher schon gehört, dass er sich nach meiner Adresse erkundigt hatte und dachte: O je, er wird ja wohl nicht herkommen!

Was schrieb er?

Er hatte die Dokumentation "Wanted and Desired" gesehen, die 2008 den Fall ziemlich akkurat darstellte. Roman schrieb, dass er sich den Film zweimal angesehen habe und dass es ihm ein Bedürfnis sei, mir zu schreiben. Ich solle wissen, wie leid es ihm tue, mein Leben so aus der Bahn gebracht zu haben. Er sei beeindruckt, wie integer ich im Film gewesen sei. Dann schrieb er das Wichtigste: dass meine Mutter in Ruhe gelassen werden soll. Es sei allein sein Fehler.

Hat Sie das berührt?

Es hat mir viel bedeutet. Vor allem für meine Mutter, die 30 Jahre später endlich schwarz auf weiß hatte, dass sie nicht komplett versagt hat. Aber auch für den Rest meiner Familie. Alle wollten Roman ja immer nur hassen. Das war auch der Grund, warum ich dieses Buch erst jetzt veröffentlicht habe.

Es klingt merkwürdig, wie Sie von ihm immer als Roman sprechen. Sie haben ihn nie wieder getroffen, aber dieser Abend im Jahr 1977, der nun 36 Jahre her ist, hat Ihr und sein Leben aneinandergekettet. Fühlt es sich vielleicht so an, als würde man sich gut kennen?

Wir haben ein gemeinsames Leben und sind doch komplett Fremde.

Haben Sie sich seine Filme danach angeguckt?

Nein. Ich wollte mich fernhalten.

Trotzdem mögen Sie ihn?

Er hat genauso viel abgekriegt wie ich.

Das klingt fast wie ein Stockholm-Syndrom.

Nur weil man den Täter, der gebüßt hat, nicht auf ewig hasst? Ich muss ihn nicht hassen, das tun schon genug Leute. Ich muss nichts Schlechtes über ihn sagen. Denn ich weiß, wie sich das anfühlt.

Hat er Ihnen jemals leid getan?

2009 habe ich mich schlecht gefühlt. Er kam in Auslieferungshaft für ein Verbrechen, für das er 32 Jahre zuvor schon seine Strafe abgesessen hatte. Damals war es ein narzisstischer Richter, diesmal passiert alles nur, weil der Staatsanwalt Steve Cooley kalifornischer Justizminister werden wollte. Ich bin jeden Morgen aufgewacht und dachte: O Gott, Roman ist Mitte siebzig. Er hat Kinder. Das ist grauenhaft. Aber leid tun? Wir sind erwachsen. Wir haben alle unsere Fehler gemacht und dafür bezahlt. Er braucht mich nicht.

Würden Sie Roman Polanski gern noch einmal treffen?

Ich weiß nicht. Vielleicht. Es wäre sicher seltsam. Aber auch interessant. Ich würde niemals sagen, dass ich das nicht mache. Aber ich würde nie erwarten, die Gelegenheit dazu zu bekommen.“

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-114257875.html

 

Roman Polanski: Ich kann nicht länger schweigen (2010)

 

„Zum ersten Mal seit seiner Verhaftung am 26. September 2009 meldet sich Regisseur Roman Polanski zu Wort. In einem Gastbeitrag für die NZZ und weitere internationale Blätter setzt sich der Oscar-Preisträger gegen seine drohende Auslieferung in die USA zur Wehr.

Seit Ende September des letzten Jahres befinde ich mich nach Zahlung einer Kaution in Gstaad unter Hausarrest, um von der Schweiz an die USA ausgeliefert zu werden. Ich kann nicht länger schweigen, weil das Auslieferungsgesuch auf einer Lüge basiert.

Seit sieben Monaten, seit dem 26. September 2009, dem Tag meiner Festnahme auf dem Flughafen Zürich, wohin ich mich begeben hatte, um aus den Händen eines Vertreters des Schweizer Kulturministeriums einen Preis für mein Lebenswerk entgegenzunehmen, habe ich mich einer eigenen Stellungnahme enthalten und meine Anwälte gebeten, ihre Äusserungen auf das Notwendigste zu beschränken. Ich wollte, dass die Justizbehörden der Schweiz und der Vereinigten Staaten und meine Anwälte ihre Arbeit ohne jede Polemik meinerseits tun konnten.

Nun habe ich beschlossen, mein Schweigen zu brechen und mich ohne Vermittler direkt und mit meinen eigenen Worten an Sie zu wenden.

Wie jeder von uns habe ich in meinem Leben Dramen und Freuden erlebt, und ich werde Sie nicht um Mitleid mit meinem Schicksal bitten. Ich möchte nur wie alle anderen behandelt werden.

Es stimmt, vor 33 Jahren habe ich mich schuldig bekannt und im Staatsgefängnis von Chino, das kein VIP-Gefängnis ist, eine Strafe verbüsst, die eigentlich die Gesamtstrafe darstellen sollte. Als man mich aus dem Gefängnis entliess, änderte der Richter seine Meinung und erklärte, die in Chino verbüsste Haft sei nicht die Gesamtstrafe. Wegen dieses Rückziehers verliess ich damals die Vereinigten Staaten.

Aus ihrem Schlaf geweckt wurde die ganze Sache durch eine Cineastin, die einen Dokumentarfilm drehen wollte und dazu Aussagen von damals Beteiligten sammelte, ohne dass ich selbst aus der Nähe oder aus der Ferne daran mitgewirkt hätte. Diese Dokumentation brachte ans Licht, dass ich die Vereinigten Staaten verlassen hatte, weil ich nicht gerecht behandelt worden war. Und sie löste die Reaktion der Justizbehörden in Los Angeles aus, die sich angegriffen fühlten und sich zu einem Auslieferungsgesuch an die Schweiz entschlossen, wo ich mich seit mehr als dreissig Jahren immer wieder aufgehalten hatte, ohne jemals die geringste Befürchtung zu hegen.

Ich kann nicht länger schweigen, weil die amerikanischen Justizbehörden unter Missachtung aller Argumente und Zeugenaussagen Dritter beschlossen haben, nicht in Abwesenheit gegen mich zu verhandeln, obwohl das Berufungsgericht genau dies empfohlen hatte.

Ich kann nicht länger schweigen, weil das kalifornische Gericht zum x-ten Mal die Bitte des Opfers abgewiesen hat, die Strafverfolgung gegen meine Person ein für alle Mal einzustellen und selbst nicht immer wieder bedrängt zu werden, wenn der Fall erneut aufgerollt wird.

Ich kann nicht länger schweigen, weil eine wesentliche Tatsache ihre Bestätigung gefunden hat: Am 26. Februar dieses Jahres erklärte Roger Gunson, der 1977 die Anklage vertrat und sich heute im Ruhestand befindet, in Anwesenheit des heute zuständigen Staatsanwalts David Walgren, der ausreichend Zeit hatte, diesem Zeugen zu widersprechen und ihn zu befragen, vor der Richterin Mary Lou Villar unter Eid, Richter Rittenband habe am 19. September 1977 gegenüber allen Parteien erklärt, dass meine Haftzeit im Gefängnis von Chino die Gesamtstrafe sei, die ich zu verbüssen hatte.

Ich kann nicht länger schweigen, weil das Auslieferungsgesuch an die Schweiz auf einer Lüge basiert. In seiner Aussage vom 26. Februar erklärte Staatsanwalt Roger Gunson, es sei eine Unwahrheit, wenn behauptet werde, wie der gegenwärtig zuständige Staatsanwalt dies in seinem Auslieferungsgesuch tut, die in Chino verbüsste Haft sei nicht die im damaligen Urteil verhängte Gesamtstrafe gewesen.

Im Auslieferungsgesuch heisst es, ich sei geflohen, um mich einer Verurteilung durch die amerikanische Justiz zu entziehen, während ich mich in Wirklichkeit nach dem amerikanischen Strafprozessrecht «schuldig bekannt» hatte und in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt war, um die Strafe zu verbüssen. Damals galt es nur noch, diese Übereinkunft vom Gericht bestätigen zu lassen, bevor der Richter sie zurückzog, um sich auf meine Kosten die Aufmerksamkeit der Medien zu sichern.

Ich kann nicht länger schweigen, weil meine Anwälte mir seit 30 Jahren sagen, der Richter habe mich hintergangen, er sei meineidig geworden, und ich hätte meine Strafe verbüsst. Der damalige Staatsanwalt, der einen untadeligen Ruf geniesst, habe alle meine Angaben unter Eid bestätigt, und das sei von ganz anderer Tragweite.

Ich kann nicht länger schweigen, weil heute dieselben Ursachen dieselben Wirkungen zeitigen und der neue Staatsanwalt, der sich um meinen Fall kümmert und die Auslieferung beantragt hat, sich gleichfalls im Wahlkampf befindet und die Aufmerksamkeit der Medien benötigt.

Ich kann nicht länger schweigen, weil die Vereinigten Staaten weiterhin meine Auslieferung verlangen, und das mehr, um mich den Medien der ganzen Welt zum Frass vorzuwerfen, als um ein Urteil zu vollstrecken, über das schon vor 33 Jahren eine Übereinkunft erzielt worden ist.

Ich kann nicht länger schweigen, weil man mich in Gstaad in der Schweiz unter Hausarrest gestellt hat, gegen Zahlung einer Kaution, die ich nur aufbringen konnte, indem ich eine Hypothek auf die Wohnung aufnahm, die ich dort seit mehr als 30 Jahren bewohne, und weil ich fern von meiner Familie bin und nicht arbeiten kann.

Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte. Ich hoffe, die Schweiz wird einsehen, dass es keinen Grund für eine Auslieferung gibt, so dass ich in Frieden und als freier Mann in mein Land und zu meiner Familie zurückkehren kann."

https://www.nzz.ch/polanski_meldet_sich_zu_wortjustizaffaere-1.5621386

 

Roman Polanskis Interview mit „Paris Match“

 

Im Dezember 2019 gab Roman Polanski „Paris Match“ ein Interview, das mensch als „humanistisch-rational-rechtsstaatliches Manifest“ bezeichnen könnte, das vor der gegenwärtigen und zukünftigen Irrationalität warnt.

Hier das mit „DeepL“ übersetzte Interview:

Die Veröffentlichung Ihres neuesten Films, "J'accuse", wurde durch Vergewaltigungsvorwürfe gestört. Trotz der Kontroverse ist es dennoch ein Erfolg. Ist es eine Rache? Eine Erleichterung?

Ich bin nicht rachsüchtig. Das liegt nicht in meiner Natur. Erleichterung, ja. Einen Film zu machen ist eine gewaltige Arbeit, all die Mühe, Energie und Hoffnung, die auf ein einziges Ziel gerichtet ist: dass die Menschen kommen, um ihn zu sehen. Und sie taten es! Ich hatte ein außerordentliches Team um mich herum, sehr engagiert. Während der Dreharbeiten war uns allen bewusst, dass es sich lohnt, dass wir etwas Lohnenswertes tun. Ich bin froh, dass sich die Zuschauer trotz allem nicht entmutigen ließen.

Sie beziehen sich auf die Boykottaufrufe; haben sie Sie wütend gemacht?

Ich versuche, Abstand zu halten. Wir leben in seltsamen Zeiten, ich habe den Eindruck einer totalen Umkehrung der Ideologie zwischen meiner Jugend und heute. Ich habe das Glück gehabt, in einer unendlich freieren Gesellschaft zu leben. In den 1960er Jahren war alles aufgeschlossen: Sprache, Musik, Moral. Sie hätten sich nicht vorstellen können, Gruppen von Demonstranten vor einem Kino oder einem Museum zu sehen, um eine Vorführung oder eine Ausstellung zu verbieten. Heute ist alles möglich geworden. Und absurd. Der McDonald's-Chef wird entlassen, weil er eine einvernehmliche Beziehung mit einer Angestellten hatte, einem Verteidigungsminister, weil er vor 15 Jahren angeblich einer Journalistin die Hand auf das Knie gelegt hatte. Wir stellen die Evolution in Frage, die Existenz beider Geschlechter, Impfstoffe, die Tatsache, dass die Erde rund ist; wir tauchen in eine Art Neo-Obskurantismus ein.

Haben Sie Sehnsucht nach Ihren jungen Jahren?


Es ist nicht so, dass ich sie bedauere, wie alte Leute, die über dieses "vorher war es besser" schwafeln; es ist eher so, als hätte ich auf einem anderen Planeten gelebt. Zwischen Männern und Frauen war alles einfach: Wir trafen uns in einem Club, wir aßen zu Abend, wir gingen zusammen nach Hause, es war normal. Eine Klammer der Freiheit zwischen der Pille und AIDS. Das Auftreten von AIDS hat alles verändert. Am Anfang dachten wir, dass die Epidemie nur Auswirkungen auf die sexuellen Beziehungen haben würde; tatsächlich breitete sie sich auf alle Aspekte des Lebens aus: Mentalitäten, Mode, Wirtschaft, Politik ... Es war das Ende des Leichtsinns.

Sie lebten zwischen London, Los Angeles, Gstaad, meist umgeben von Frauen


Ich war oft in Gstaad, dem Zufluchtsort, den ich nach der Ermordung von Sharon [seine Frau, die Schauspielerin Sharon Tate, 1969 in Los Angeles ermordet] gefunden habe. Ich hatte eine Menge Freunde in meinem Chalet, Freunde und Freunde von Freunden ... Wir hörten Musik, tranken, plauderten, tanzten. An Feiertagen hatten wir ein Feuerwerk. Es herrschte eine ganze Atmosphäre, sehr fröhlich. Ich hatte sehr viele Freundinnen, ich hatte sehr viele Freundinnen. Nicht nur One-Night-Stands, nicht nur für Sex. Einige von ihnen blieben Freunde fürs Leben.

Lassen Sie uns über die Angriffe auf Sie sprechen. Das Ex-Model und Schauspielerin Valentine Monnier beschuldigt Sie, sie 1975 in Gstaad vergewaltigt zu haben. Erinnern Sie sich an sie?

Ich kann mich kaum an sie erinnern. Und ich habe offensichtlich keine Erinnerung an das, was sie gesagt hat, da es nicht wahr ist. Ich bestreite das absolut. Ihr Gesicht auf den veröffentlichten Fotos ist mir bekannt, nicht mehr als das. Sie sagt, eine Freundin habe sie eingeladen, ein paar Tage bei mir zu verbringen, aber sie weiß nicht mehr, wer das war! Es ist leicht zu beschuldigen, wenn alles jahrzehntelang her ist und wenn man sich sicher ist, dass es kein Gerichtsverfahren geben kann, das mich entlastet.

Sie beschuldigt Sie auch, sie geschlagen zu haben …

Das ist verrückt! Ich schlage keine Frauen! Wahrscheinlich ist die Vergewaltigungsanklage nicht mehr sensationell genug. Wir mussten eine Schicht hinzufügen. Sie erzählt [der Zeitung "Le Parisien"], dass ich sie in einem Sessellift gefragt habe: "Do you want to fuck?“ Warum auf Englisch? Sie nimmt drei meiner Freunde, die im Chalet anwesend sind, als Zeugen mit: meinen Assistenten Hercules Bellville, Gérard Brach und seine Frau Elisabeth. Die ersten beiden sind tot - bequemerweise können sie nicht mehr bestätigen oder widerlegen, was sie ihnen erzählt. Was Frau Brach betrifft, so konnte die Zeitung sie nicht finden. Es bleibt der Nachbar von gegenüber, John Bentley, der "sich nicht daran erinnert, dass Valentine mit ihm über Vergewaltigung gesprochen hat", aber eine Theorie über meine angeblichen "psychologischen Probleme mit Frauen" hat, und ein anderer mysteriöser Nachbar, der anonym bleiben will - wovor hat er Angst? Und ein paar noch indirektere Zeugen, die ein Gericht abgelehnt hätte, die aber von der Zeitung vorbehaltlos abgedruckt werden. Diese Geschichte ist ein Irrweg.

Valentine Monnier versichert uns, dass sie wegen des Titels Ihres Films "J'accuse" zum Sprechen gedrängt wurde. Sie sagt, sie könne den Gedanken nicht ertragen, dass man sich mit dem Schicksal von Hauptmann Dreyfus identifizieren könne. Was sagen Sie dazu?

Wo hat sie das her? Ich bin 30 Mal von Reportern gefragt worden, und ich habe immer gesagt, dass ich mich niemals mit Dreyfus identifizieren würde, das wäre absurd. Die Erklärungen wurden drei Tage vor der Veröffentlichung des Films veröffentlicht, aber alles war im Voraus vorbereitet worden. Vorsätzlich. Die Zeitung begann angeblich im September mit ihrer Pseudo-Untersuchung, ohne jemals nach einer Quelle zu suchen, die nicht von meiner Anklägerin stammte. Ziel war es, den Film zu sabotieren und dabei zu vergessen, dass sie durch diese Art, auf mich zu zielen, auch mein 200-köpfiges Team, den Produzenten Alain Goldman, alle Schauspieler, Jean Dujardin, Grégory Gadebois, Louis Garrel, Emmanuelle Seigner und die vielen Schauspieler der Comédie-Française getroffen haben.

In der Pressemappe von "J'accuse" spricht der Schriftsteller Pascal Bruckner von einem "neo-feministischen McCarthyismus", um unsere Zeit zu definieren, und Sie scheinen sich ihm anzuschließen. Sind Sie damit einverstanden?

Wenn man jemanden nur mit einem Tweet verurteilen kann, ist das schlimmer als der McCarthyismus, wo es zumindest eine Untersuchungskommission gab! Man nannte es eine "Hexenjagd", aber selbst Hexen im Mittelalter hatten Anspruch auf einen Prozess - einen schnellen, aber einen Prozess. Heute sind Reputation, Karriere und Leben mit wenigen Worten ruiniert. Wie viele Unschuldige gibt es, alles in allem? Es gibt sicherlich berechtigte Anschuldigungen, aber es wird nicht mehr versucht, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden. Es ist beängstigend.

Die #MeToo-Bewegung entstand aus Dutzenden von Frauenvorwürfen gegen den Produzenten Harvey Weinstein. Wussten Sie von seinem Verhalten in der Filmwelt?

Ich hatte nie eine Verbindung zu ihm. Ich bin ihm ein paar Mal begegnet. Weinstein hatte den Ruf eines Wirtschaftshais, aber ich wusste nichts über seine Geschichte mit Frauen. Ich war sehr überrascht über die Flut von Anschuldigungen, eine Farandole von bekannten Gesichtern. Ich weiß jedoch, dass Weinstein 2003 in Panik geriet, als "Der Pianist" zwei Bafta-Preise, den britischen Oscar und den Preis für den besten Film gewann. Weinstein, der zwei Oscar-nominierte Filme hatte, startete sofort eine Kampagne, um zu verhindern, dass sich das Gleiche in Hollywood wiederholt. Er war derjenige, der meine Affäre mit Samantha ausgrub, die damals niemanden interessierte, und sein Presseagent war der erste, der mich als "Kindervergewaltiger" bezeichnete. Das Paradoxe daran ist, dass "Der Pianist" nicht den Oscar für den besten Film gewonnen hat, der an den Produzenten geht, sondern ich habe den Oscar für die beste Regie bekommen! Harrison Ford nahm es in meinem Namen entgegen, vor stehenden Ovationen.

Opfer sexueller Gewalt brauchen oft Jahre, um sich aus Angst oder Scham zu äußern. Ist es nicht nützlich, diese Frauen zu befreien, damit sie sich zu Wort melden?

Das tut es sicherlich. Aber ich bin nicht für eine Philosophie, die darin besteht, um einiger weniger willen Köpfe abzuschlagen. Dann sagen sie, es sei der Preis gewesen, den sie für eine gerechte Sache zahlen mussten. Das widerspricht den Grundlagen unserer Zivilisation in Bezug auf Gerechtigkeit seit dem antiken Griechenland und der Magna Carta von 1215, insbesondere ihrem Artikel 39, dem berühmten "Habeas corpus". Die Grundsätze eines fairen Verfahrens, die Unschuldsvermutung ... Dies ist eines der wesentlichen Elemente von "J‘accuse". Es obliegt der Staatsanwaltschaft, die Schuld zu beweisen. Solange keine Beweise vorgelegt werden, bleibt der Angeklagte unschuldig. Dies ist das heilige Prinzip der Gerechtigkeit und die Säule der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit. Nun, da wir von dieser Verpflichtung absehen, halten wir die Anklage für schuldig. Wir alle riskieren, dafür einen sehr hohen Preis zu zahlen.

Wollten Sie deshalb unbedingt einen Film über den Fall Dreyfus drehen? Sie wollten unbewusst Ungerechtigkeiten zur Sprache bringen?

Diese Frage müssten Sie meinem Psychiater stellen, aber ich habe keinen. Viele Elemente dieser Geschichte mögen vertraut klingen, aber auch hier glaube ich nicht, dass ich Dreyfus bin.

Sehen Sie sich selbst als Opfer?

Seit Jahren haben Menschen versucht, mich in ein Monster zu verwandeln. Ich habe mich an Verleumdungen gewöhnt, meine Haut ist dicker geworden, verhärtet wie eine Schale. Aber für meine Kinder, für Emmanuelle, ist es schrecklich. Für sie spreche ich; für mich hoffe ich nicht einmal mehr, den Lauf der Dinge zu ändern. Sie leiden enorm. Sie erhalten Beleidigungen, Drohungen in sozialen Netzwerken. Die Kinder verbergen es vor mir, um mich zu schützen, aber ich erfahre es von Emmanuelle - jedenfalls, gibt es heutzutage noch Geheimnisse? Natürlich bin ich verantwortlich. 1977 habe ich einen Fehler gemacht, und meine Familie zahlt fast ein halbes Jahrhundert später den Preis dafür. Die Medien stürzten sich mit unerhörter Gewalt auf mich. Sie greifen jede neue falsche Anschuldigung auf, wie absurd und substanzlos sie auch sein mag, denn sie erlaubt es ihnen, die Geschichte wieder aufleben zu lassen. Es ist wie ein Fluch, der zurückkommt und ich kann nichts dagegen tun ...

Es geht um den Fall Samantha Geimer. Ein 13-jähriges Mädchen, das Sie 1977 beschuldigte, sie in Jack Nicholsons Hollywood-Villa unter Drogen gesetzt und vergewaltigt zu haben. Sie bekannten sich in diesem Fall schuldig, und dann schrieben Sie in Ihrer 1984 veröffentlichten Autobiographie, dass Sie verurteilt wurden, "weil Sie Liebe gemacht haben". Bedauern Sie das auch?

Es war nicht Samantha, sondern der Staatsanwalt, der mich dieser Verbrechen beschuldigt hat, und ich habe mich in Bezug auf diese Anklagen nie schuldig bekannt. Ich habe mich des unrechtmäßigen Verkehrs mit einer Minderjährigen schuldig bekannt. Nur Samantha und ich wissen, was an diesem Tag geschah. Ich möchte das nicht noch einmal durchgehen. Was immer ich getan habe, in welcher Form auch immer, ist zutiefst bedauerlich. Ich habe es schon oft gesagt, ich habe es Samantha geschrieben und bin mit ihr in Kontakt geblieben, sie weiß es. Sie und ihre Familie haben meinetwegen gelitten, und trotz mir geht es weiter. Jedes Mal, wenn jemand eine neue Lüge gegen mich beginnt, kommt sie zu ihr zurück. Ursprünglich bot die Staatsanwaltschaft einen Deal im Strafverfahren an, um zu verhindern, dass sie vor Gericht gestellt wird. Ihre Familie wollte nicht, dass ihr Name veröffentlicht wird. Aber ihr Name wurde genannt, und seitdem geht sie durch die Hölle. Sie hat seit Jahren darum gebeten, das Verfahren gegen mich einzustellen. Sie hat dem Staatsanwalt mehrmals geschrieben und erklärt, dass das Trauma des "Medienzirkus" viel schlimmer ist als das, was ich ihr zugemutet habe. Niemand nimmt Notiz davon!

Glauben Sie aus heutiger Sicht, dass ein Prozess besser gewesen wäre?

Das tue ich.

War es für Sie nicht das Risiko einer schweren Strafe?

Nein. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Distrikt mehrere Fälle dieses Vergehens. Niemand ging ins Gefängnis. Ich versuche nicht, das, was ich getan habe, herunterzuspielen, sondern Ihnen eine Vorstellung von der Rechtsprechung jener Zeit zu vermitteln. Über die Jahre und durch die Artikel wurde ich behandelt, als hätte ich zugegeben, ein Vergewaltiger zu sein, und nach all dieser Zeit halten sie mir das immer noch vor. Sie wiederholen auch, dass ich vor der Justiz geflohen bin: Das ist nicht wahr. Ich war in Tahiti, auf französischem Gebiet, als Richter Laurence Rittenband mich zu einer 90tägigen "diagnostischen Studie" verurteilte, die die Gesamtheit meiner Strafe ausmachen sollte. Ich kehrte nach Kalifornien zurück, um mich im Gefängnis von Chino zu melden, von wo mich die Behörden nach 42 Tagen freiließen. Ohne Kaution. Ich war frei und wartete nur noch auf die letzte Anhörung und das offizielle Urteil. Es war mein Anwalt, der mir erzählte, dass der Richter unter dem Druck der Medien sein Wort gebrochen und beschlossen habe, mich unter dem, was die Amerikaner als "unbestimmtes Urteil" bezeichnen, in Haft zu nehmen. Und dann kehrte ich nach Frankreich zurück. Später sagte der Staatsanwalt selbst, dass er unter solchen Umständen verstanden habe, dass ich weggegangen sei ... Was ich hier sage, sind Fakten, aber das sagt nie jemand!

Haben Sie das Gefühl, in eine Falle getappt zu sein?

Urteilen Sie selbst. Der erste Schritt von Richter Rittenband war die Einberufung einer Pressekonferenz. Die Richter in den Vereinigten Staaten werden gewählt, sie müssen auf ihr Image achten. Das ist alles, woran Rittenband dachte. Er diskutierte meinen Fall im Hillcrest Club und beriet sich hinter den Kulissen mit einem anderen Staatsanwalt, was illegal ist. Er hat mich benutzt, um seine Publicity zu bekommen. Im Jahr 2010 schrieb einer seiner Nachfolger in einer E-Mail, dass ich bei einer Rückkehr nach Kalifornien ins Gefängnis käme und dass er die Anhörung so lange wie möglich hinauszögern würde, um "mich am Boden zu halten". Das ist Gerechtigkeit: Jeder Richter deckt die Fehler der Präzedenzfälle. Der Deal, den ich mit der Familie von Samantha Geimer gemacht habe, ist in Amerika üblich, das Justizsystem ist so gemacht. Bei mir war nichts normal. Rechnet man meine 42 Tage in Chino, meine 70 Tage Gefängnis in der Schweiz und meine 221 Tage Hausarrest, insgesamt 333 Tage Freiheitsentzug hinzu, so ist das mehr als die Strafe, zu der ich verurteilt worden wäre, wenn der Prozess stattgefunden hätte, und doppelt so viel wie die Strafe, die ich heute erhalten hätte.

Verstehen Sie, dass jetzt die Frage der Zustimmung eines sehr jungen Mädchens zu einem viel älteren Mann [Sie waren 30 Jahre älter als sie] anders betrachtet wird?

Es hängt von Ihrem Standpunkt ab. Was halten Sie von einem sehr jungen Mann, der einer viel älteren Frau gegenübersteht? Wie ich Ihnen sagte, hat sich die Moral dramatisch verändert. Wir vergessen, wie viel freier und toleranter unsere Gesellschaft geworden ist. Alles, was man mir vorwirft, bezieht sich immer auf diese Zeit. Das ist fast ein halbes Jahrhundert her!

Es stimmt, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht mehr akzeptiert werden. Kann man das nicht als Fortschritt bezeichnen?

Wie definieren Sie, was Fortschritt ist? Ich bezweifle, dass die Menschen jetzt glücklicher sind. Wir können immer noch kritisieren, überall das Böse sehen, was uns heute unvorstellbar erscheint, entspricht dem, was die Welt unmittelbar davor glaubte. Diejenigen, die von Fortschritt sprechen, sind nicht unbedingt die zahlreichsten, vielleicht schreien sie lauter als die anderen ... Lassen Sie uns ein wenig Bescheidenheit zeigen, stellen wir uns vor, wie man uns in fünfzig Jahren beurteilen wird.

In dem Dokumentarfilm "Wanted and Desired", der Ihnen gewidmet war, sehen wir Sie 1979 auf ein Interview antworten und mit einem Lächeln sagen, dass Sie "junge Mädchen" mögen. War das eine Provokation?

Ganz und gar nicht, das ist wahr. Heutzutage ist es eher wie "junge Frauen". Die Mädchen, mit denen ich früher ausgegangen bin, waren oft 20 Jahre alt, war das falsch?

Sie hatten eine Affäre mit Nastassja Kinski, sie war 15 …

Unsere Geschichte hat niemanden schockiert. Es war eine einvernehmliche Beziehung. Wir sind Freunde geblieben, wir haben uns geschrieben, sie kennt Emmanuelle und meine Kinder. Außerdem, warum fragt sie niemand, was sie von mir hält? Ich habe zu den meisten Schauspielerinnen, die für mich gefilmt haben, sehr gute Beziehungen unterhalten. Es ist komisch, wenn man mich nach meinen Filmen beurteilt hat, könnte man sagen, dass ich Feminist bin. Denken Sie an "Chinatown", "Tess", "Das Mädchen und der Tod", "Venus im Pelz"... Das sind alles Huldigungen an die Frauen.

Sie hatten auch eine Affäre mit der Schauspielerin Charlotte Lewis, die Sie 1982 beschuldigte, sie vergewaltigt zu haben. Was sagen Sie dazu?

Das ist eine ungeheuerliche Lüge! Sie machte diese Anschuldigung 2010, als ich in Erwartung des Auslieferungsbeschlusses in der Schweiz inhaftiert war. Sie muss vergessen haben, dass sie elf Jahre zuvor, 1999, 13 Jahre nach den Dreharbeiten zu "Piraten", wo ich ihr eine Rolle gegeben hatte, ein Interview gab [er gräbt sich durch eine Akte und entnimmt einer englischen Zeitschrift einen Presseausschnitt], in dem sie sagt: "Ich war von ihm fasziniert, ich wollte seine Geliebte werden" und dann "Ich wollte ihn wahrscheinlich mehr als er mich". Es ist ein langes und ausführliches Interview, in dem sie auch gesteht: "Ich weiß nicht, wie viele Männer schon für Geld mit mir geschlafen haben. Ich war 14 Jahre alt".

Später behauptete sie, dass das, was in dieser Zeitung berichtet wurde, falsch dargestellt worden sei …

Falsch dargestellt? Und das auch? "France-Soir", 8. Mai 1986: "Ich verdanke alles Roman Polanski, Gott und meiner Mutter, die mich geboren hat". Oder Paris Match, 16. Mai 1986: "Das Drehen war für mich ein absoluter Traum. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Zeit davonlief. Sobald der Film fertig war, fühlte ich mich wie ein Waisenkind. Zwischen Roman und mir gab es, trotz allem, was gesagt wurde, nur eine Geschichte der Freundschaft. Ich weiß, dass er immer da sein wird, wenn ich ihn brauche". Sie sehen, die erste Eigenschaft eines guten Lügners ist ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Charlotte Lewis wird in meiner Liste der Ankläger immer erwähnt, ohne jemals auf diese Widersprüche hinzuweisen.

Aber was würde es ihr nützen, Sie fälschlicherweise zu beschuldigen?

Woher soll ich das wissen? Frustration? Wir müssten Psychiater, Wissenschaftler, Historiker, was auch immer befragen.

Haben Sie seit ihren Anschuldigungen versucht, mit ihr zu sprechen?

Warum, um an sie heranzukommen? Im Gegenteil, ich möchte, dass sie aus meinem Leben verschwindet.

Eine gewisse Renate Langer behauptet, Sie hätten sie in Gstaad missbraucht, als sie 15 Jahre alt war. Erinnern Sie sich an sie?

Das ist ein Haufen Mist. Ihre Bilder, die Sie im Internet gefunden haben, erinnern mich immer noch an sie. Habe ich sie in München getroffen ... Sie sagt, ich habe sie zweimal vergewaltigt: in Gstaad, dann in Italien während der Dreharbeiten zu "Was?", die vor fast einem halben Jahrhundert stattfanden. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie am Set war. Die Justiz war der Ansicht, dass alles vorgeschrieben war, aber ihr Name steht immer noch auf einer Liste von zehn oder zwölf Frauen, die auf der Website imetpolanski.com veröffentlicht wurde und von einem Mann namens Matan Uziel, einem mir unbekannten Israeli, erstellt wurde. Auf Twitter bietet er jedem, der gegen mich aussagen will, 20.000 Dollar an. Ich weiß nicht, ob er bezahlt, aber die meisten Anschuldigungen, die er veröffentlicht, sind anonym.

Auf dieser Liste befindet sich auch die Amerikanerin Marianne Barnard, die behauptet, ihre Mutter habe sie Ihnen "verkauft", als sie 10 Jahre alt war, um ihr Universitätsstudium zu finanzieren. Kennen Sie sie?

Ganz und gar nicht, es ist geradezu tragikomisch. Ein zehnjähriges Mädchen, offen gesagt... [ seufzt ] Sie erzählt von einem Fotoshooting, das angeblich an einem Strand in Malibu stattgefunden haben soll. Als dieses Ding ansprang, hörte ich es im Radio in meinem Auto; ich hielt an, um einige Freunde anzurufen. Es war so absurd, dass ich dachte: "Dieses Mal ist es zu weit gegangen, es wird endlich aufhören. Es ist genau andersherum. Sie wurde meiner Liste der "Opfer" hinzugefügt, ohne etwas zu überprüfen. Es ist erschütternd: Ihre Mutter lehrt immer noch an der gleichen amerikanischen Universität, und sie wird nicht zur Rechenschaft gezogen? Wenn diese Frau ihre Tochter an einen Perversen verkaufen würde, wäre es doch das Richtige, nicht wahr? Mein Anwalt hat einen Detektiv engagiert. Der Bruder dieser Frau sagte auf offiziellen Dokumenten, dass sie bereits ihren Vater der Vergewaltigung beschuldigt habe und dass sie zweimal in psychiatrischen Kliniken ein- und ausgegangen sei. "Sie twittert und twittert und twittert und twittert und am Ende glaubt sie, was sie getwittert hat". Wir haben diese Dokumente den Journalisten gezeigt: Niemand nimmt sie zur Kenntnis. Was kann ich noch tun?

Haben Sie das Gefühl, schikaniert zu werden?

Eher wie leichte Beute. Meine Probleme mit den Medien begannen lange davor: etwa zur Zeit der Ermordung von Sharon Tate. Zwischen ihrem Tod und der Verhaftung der Mörder, Charles Manson und seiner Komplizen, vergingen vier Monate. In dieser Zeit wurden so viele schreckliche Dinge über Sharon geschrieben, über unsere ermordeten Freunde, über mich. Das Massaker war so grauenhaft. Eine schöne, berühmte Frau, achteinhalb Monate schwanger - es war vielleicht leichter zu akzeptieren, wenn die Opfer nicht unschuldig waren ... Große Zeitungen unterstellten mir, dass ich beteiligt war, dass Sharon und ihre Freundinnen einer Hexensitzung erlegen waren, "Newsweek" prangerte "die Subkultur Hollywoods" an, indem sie von "Drogen, Esoterik und abweichenden Sexualpraktiken" sprach - mit anderen Worten: sie hatten es verdient!

Was war Ihre Reaktion? Wut, Mutlosigkeit?

Mein Leben wurde erschüttert. Schon damals wollte ich mein Gesicht nicht allzu sehr zeigen. Während die Polizei ermittelte, sagten die Leute um mich herum: "Sie müssen reden". Schließlich hielt ich eine Pressekonferenz, ich erzählte von unserem Glück, unserem ruhigen Leben ohne Ausschweifungen oder Drogen, außer manchmal ein Freund, der einen Joint rauchte ... Es war der einzige Satz, den alle Medien aufgriffen! Das wird wahrscheinlich auch bei diesem Interview passieren: ein oder zwei "kleine Sätze", nur gegen mich. Es war mir egal, ich war besessen von dem Verbrechen, ich suchte wie verrückt nach dem Täter, war überzeugt, dass es jemand war, der uns nahe stand. Mit Peter Sellers boten wir eine Belohnung an, die es uns ermöglichte, Zeugnisse zu sammeln, die zu Manson führten.

War das eine Erleichterung für Sie?

Nein. Ich lebte in der Illusion, dass Sharon zurückkehren würde, sobald die Schuldigen gefasst wären. Und dann wurde mir klar, dass mein Leben nicht mehr dasselbe sein würde. Seitdem denke ich bei tragischen Ereignissen immer an die Menschen, die verzweifelt nach den Schuldigen suchen, und ich denke: "Die armen Leute wissen nicht, dass es ein Köder ist. Wir sprechen von "trauern". Aber es gibt keinen Tag, keine bestimmte Tageszeit, zu der Trauer getan wird. Die Trauer geht einfach weg, das ist alles, bis sie weit genug weg ist, um Ihnen ein mehr oder weniger normales Leben zu ermöglichen.

Wie haben Sie eine solche Tragödie überlebt? Durch das Kino?

Ich war nicht in der Lage, sofort zu arbeiten, aber irgendwann kam der Drang zurück. Und ich musste meinen Lebensunterhalt verdienen. "Rosemary's Baby" hatte gut funktioniert, aber es brachte mir nur mein Gehalt, etwa 50.000 Dollar. Ich war nicht reich. Also stieg ich in "Macbeth" ein und machte einfach weiter. Mir wurde klar, dass ich trotz meines Unglücks auf einem Set fast glücklich war. Und schließlich das Treffen mit Emmanuelle 1984 und der von uns gegründeten Familie; die Kinder, die die Arbeit nicht mehr zur Hauptsache machten, änderten alles: Ich begann, meine Dreharbeiten nach den Schulferien zu organisieren.

Ihre Mutter starb in Auschwitz, Ihre Frau wurde auf grausame Weise ermordet, Sie werden regelmäßig des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, Sie waren im Gefängnis... Wie leben Sie diese Kette von Prozessen? Sehen Sie eine Kontinuität, ein tragisches Schicksal?

Was ist Schicksal? Ereignisse treten ein, mein Leben ist ungewöhnlich; es ist wie Zwiebelschalen, eine Schicht enthüllt die andere ... Meine Mutter wurde 1941 von den Deutschen an Stelle meiner Schwester Annette, die 16 Jahre alt werden sollte, von den Deutschen entführt - sie schob sie hinter das Bett, um sie zu verstecken. Mein Vater, ich wurde von ihm im Krakauer Ghetto getrennt. Nach dem Krieg kam er aus dem Lager Mauthausen zurück. Eines Tages erzählte er mir, wie im Lager Plaszow die Wachen alle Gefangenen, mit Ausnahme der Kinder, stundenlang im Regen herausgeführt hatten. Dann kamen die Lastwagen an und die Kinder wurden hergebracht. Er erinnerte sich an die Geräusche, das Geschrei, das Weinen, die Menschen, die im Schlamm ausrutschten, und währenddessen lief über die Lautsprecher ein altes deutsches Lied: "Oh Mein Papa". Eines Tages fand ich ihn weinend in seinem Hotelzimmer vor. Im Radio lief das gleiche Lied ... Wie kann eine Nation so tief sinken? Alles kann passieren. Was gerade in der Welt passiert, so seltsam, so beunruhigend, das hätten Sie sich nie vorstellen können.

Ihr Land ist heute Frankreich?

Ja. Ich bin hier geboren. Als Kind hörte ich meine Eltern über Paris sprechen, es war wie ein Ideal. Meine Schwester lebte dort, und sobald die polnischen kommunistischen Behörden denjenigen, die Verwandte im Ausland hatten, Pässe ausstellten, eilte ich nach Paris, ich war 22 Jahre alt. Wissen Sie, wie die Adresse lautete? 100, rue de Charonne - wie Sharon ist auch mein Leben voller Zeichen …

Die Oscar-Akademie hat Sie 2018 abgewählt. Macht Sie das verbittert?

Es bringt mich irgendwie zum Lächeln. Seit Jahren geben sie mir Nominierungen. Im Jahr 2003 haben sie mir endlich einen Oscar verliehen, und das alles nach dem, wofür sie mich jetzt feuern. Das ist ein gutes Zeichen für den Wandel der Zeiten.

Fühlen Sie sich wie ein Ausgestoßener Hollywoods?

Schlimmer noch, ein Aussätziger.

Ihre Freunde von damals, Warren Beatty, Jack Nicholson, unterstützen Sie nicht mehr?

Wenn wir uns anrufen, sprechen wir über unsere Familien, Filme, nicht so etwas.

Werden Sie jemals in die Staaten zurückkehren?

Nein. Wenn ich es täte, würde ich ins Gefängnis geworfen werden, wenn es keinen Grund dazu gibt. Und vergessen Sie nicht, dass all diese verrückten Ideen, die ich missbillige, aus diesem Land kommen, das verrückt geworden ist. Kürzlich fügte jemand auf meiner Google-Seite ein drittes Kind mit dem Vornamen des Babys hinzu, das Sharon trug und mit dem sie begraben wurde. Ich musste Briefe von Anwälten verschicken und mit einer Klage drohen, um sie entfernen zu lassen. Jetzt schreibt jemand Ihre Biographie um, und Sie können fast nichts dagegen tun ...

Ist es Ihre Geschichte, Ihre Filme, die Ihnen einen gewissen Wahnsinn einflößen?

Keine Ahnung. Keine Ahnung. Keine Ahnung. Nach "Tanz der Vampire" und "Rosemary's Baby" haben wir so getan, als seien es autobiografische Filme, das ist seltsam. Vor etwa 20 Jahren meldete sich eine Frau bei mir und sagte, dass Sharon keinen Jungen, sondern ein Mädchen in sich trug, und dass sie es war, die von den Mördern gerettet wurde. Seitdem schickt sie mir Briefe, Geschenke und Fotos. Sie änderte ihren Namen von Rosie Blanchard in Rosie Tate Polanski. Es ist verrückt. Sie wurde zwei Jahre nach Sharons Tod geboren! (Er packt eine Schachtel voller Papiere und Umschläge aus, von denen einige noch verschlossen sind). Ich habe alles behalten, sonst würde mir niemand glauben. Vor zwei Jahren klingelte in Gstaad ein junges Paar an meiner Tür. Sie gaben mir einen Brief von Rosie, ich wusste nicht, wer es war. Der junge Mann sagte: "Rosie, Ihre Tochter... Sie ist meine Mutter, ich bin dein Enkel!" Hilfe!

In Frankreich hat die Société civile des auteurs directeurs producteurs [Arp] Sie "suspendiert" und erwägt ebenfalls, Sie auszuschließen. Werden Sie sich verteidigen?

Ich verteidige mich mit meinen Filmen. Ich bezweifle, dass jeder ihnen zustimmt. Ich habe bei der Gründung von Arp geholfen, Claude Berri hat mich davon überzeugt, dass es nützlich ist. Heute weiß ich es nicht.

Die Schauspielerin Adèle Haenel bat darum, dass die Vorführung von "J'accuse" von Debatten über Gewalt gegen Frauen eingerahmt wird. Was halten Sie davon?

Für mich sollte ein Film von nichts gerahmt werden. Ich glaube an die Freiheit.

Befürchten Sie bei all der Opposition und den Boykottaufrufen, dass Sie vielleicht keine Filme mehr machen können?

Die Öffentlichkeit reagiert darauf. Wir haben in Frankreich die Grenze von einer Million Zuschauer überschritten, darüber bin ich froh. Vielleicht werden einige Leute sagen, es liegt an der Kontroverse. Ich überlasse sie ihren Vermutungen. Ich interessiere mich für Wissenschaft, Physik, Wahrscheinlichkeiten; ich weiß, dass es keine absolute Wahrheit gibt, man kann ihr nur nahe kommen. Wenn die Kampagnen gegen mich weitergehen, werden sie mich vielleicht am Ende daran hindern, zu drehen. Aber ich bin von Natur aus optimistisch.“

https://www.parismatch.com/Actu/Societe/Exclusif-Roman-Polanski-On-essaie-de-faire-de-moi-un-monstre-1664159

 

Die Vorwürfe

 

In seinem Interview mit „Paris Match“ hatte Roman Polanski die Vorwürfe bereits entkräftet.

Neben dem im Hintergrund noch bekannten Fall Samantha Geimer geht es vor allem um den Fall derjenigen Frau, der es nach 44 Jahren einfällt, dem mittlerweile 86jährigen Roman Polanski vorzuwerfen, sie damals misshandelt zu haben. Nach 44 Jahren!

Da der Fall schon lange verjährt ist, kann sich Roman Polanski noch nicht mal juristisch dagegen wehren.

Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, kann mensch davon ausgehen, dass nach solch einer langen Zeit immer ganz andere Kräfte dahinter stecken, die ganz andere Ziele verfolgen.

Roman Polanski hatte in seinem Interview mit „Paris Match“ bereits die Intrigen von Harvey Weinstein erzählt und warum dieser so gehandelt hat. Wenn es gegen eine bestimmte Person geht, werden für diese unangenehme Dinge ans Tageslicht gebracht. Ob da jetzt ein Körnchen Wahrheit dahinter steckt oder es um vollkommene Erfindungen geht – Dreck bleibt immer an der entsprechenden Person hängen. Den Vorwurf, „Antisemit“ zu sein, kriegt mensch nie mehr los (siehe unter anderem http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/318-zeit-gegen-die-verleumder-vorzugehen.html ). Julian Assange wurde in Schweden infamerweise der Vergewaltigung angeklagt (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/382-sagen-was-ist.html ), wobei die Anklage nach seiner Verhaftung sofort fallengelassen wurde. Und der integre Sebastian Edathy kann sich in Deutschland erst gar nicht mehr sehen lassen, obwohl er gegen kein einziges Gesetz der Welt verstoßen hat (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/58-respekt-vor-edathy.html ).

 

César

 

Lautstark wurde zum Boykott des Films „Intrige“ aufgerufen – was nichts mit dem Film zu tun hatte, sondern mit den Vorwürfen gegen einen 86jährigen von dubiosen Gestalten wg. angeblicher Taten, die Jahrzehnte zurückliegen und gegen die sich das Opfer der Rufmord-Kampagne nicht wehren kann. Und es gab keine Filmkritik, in denen die Worte „Vergewaltigung“ nicht vorkamen. Der Gipfel der Intrige war der Aufruf des französischen Kulturministers Franck Riester, dem Film keine Preise zukommen zu lassen. Das Madig-machen des Films „Intrige“ war also zumindest von der französischen Regierung so gewollt.

Gerhard Midding: „Kurz vor dem Ende des Abends, es war schon weit nach Mitternacht, trat ein, was der Kulturminister befürchtet hatte. Franck Riester, ein eher blasser Politiker, hatte den Mitgliedern der französischen Filmakademie vor der Gala abgeraten, den Regiepreis an Roman Polanski zu vergeben. Den Film selbst könne man durchaus auszeichnen, er sei ja als Gemeinschaftskunstwerk entstanden. Den 86-jährigen Regisseur und Drehbuchautor jedoch zu feiern sei ein verheerendes Signal.

Denn: Im vergangenen Jahr hatte eine Schauspielerin Polanski beschuldigt, sie 1975 im Alter von 18 Jahren vergewaltigt zu haben. Polanski bestreitet das, ebenso weist er Beschuldigungen weiterer Schauspielerinnen zurück, sie sexuell missbraucht zu haben. Im Wettbewerb der Césars war Polanski mit „Intrige“ angetreten, einem Film über die Dreyfus-Affäre. Der Film war zwölfmal nominiert worden.

Riesters Intervention war präzedenzlos: Zum ersten Mal in der 45-jährigen Geschichte der César-Akademie sprach ein Kulturminister eine Wahlempfehlung aus. Allerdings war diese Preisvergabe auch keine wie andere. Sie wurde von heftigen Protesten überschattet. Die Moderatorin der Zeremonie, die Komikerin Florence Foresti, bewies immerhin Galgenhumor, als sie das Publikum zu „der letzten, pardon der 45. Verleihung der Césars“ begrüßte.

Zwar hatte Polanski im Vorfeld sein Kommen abgesagt, weil er sich keinem Lynchmob aussetzen wollte. Auch sein Team blieb der Verleihung fern. Das beruhigte am Freitagabend die Gemüter in der Salle Pleyel allerdings wenig. Als verkündet wurde, dass der verfemte Regisseur seinen fünften César für die beste Regie erhalten sollte, verließ die Schauspielerin Adèle Haenel, nominiert für „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, empört den Saal, gefolgt von ihrer Leinwandpartnerin Noémi Merlant und ihrer Regisseurin Céline Sciamma, die schrie: „Welche Schande“ …

Nachdem die Institution in den letzten Wochen von mächtigen Implosionen erschüttert worden war – der Vorstand trat vor 14 Tagen geschlossen zurück, nachdem 400 Mitglieder in einem offenen Brief scharf gegen den Mangel an Demokratie, Transparenz, Geschlechterparität und ethnischer Pluralität protestiert hatten –, war am Abend der Verleihung mit Explosionen zu rechnen gewesen.

Vor dem roten Teppich demonstrierten bereits Stunden vor Beginn der Zeremonie Vertreterinnen feministischer Organisationen gegen die Nominierung „Violanskis“ (viol: Vergewaltigung). Sie durchbrachen Sicherheitsbarrieren und lieferten sich heftige Gefechte mit der Polizei, bei denen Tränengas zum Einsatz kam. Die Empörung entzündete sich nicht nur an der Causa Polanski.

Adèle Haenel warf der französischen Filmindustrie in einem Interview mit der „New York Times“ vor, den Anschluss zur #MeToo-Ära fahrlässig verpasst zu haben. Céline Sciamma zieh die Branche im britischen „Guardian“, sexistisch, patriarchal und viel zu bürgerlich zu sein. Zahlreiche Filmkünstler, darunter Mathieu Kassovitz, beklagten die Riege der Nominierten als zu weiß …

Der Schauspieler Jean-Pierre Darroussin verschluckte demonstrativ den Namen Polanskis, als er die Nominierten für die beste Drehbuchadaption vorstellte …

Das Konzept, die Zeremonie stets von Komikern moderieren zu lassen, weist längst Schleifspuren auf. Foresti geriet sichtlich an die Grenzen ihrer Beherrschung. Nach dem Regiepreis für Polanski kehrte sie aus Protest nicht mehr auf die Bühne zurück.“

https://www.welt.de/kultur/kino/article206228091/Cesars-Empoerung-als-Polanski-den-Preis-gewinnt.html

 

https://www.youtube.com/watch?v=jEQbV4ui-Mc

 

Sechs Jahre

 

Sehr schön lassen sich im Falle von Roman Polanski die Änderungen in der Zeit ablesen. Gerne erinnert der Wurm an Mesut Özil, der im Jahr 2018 nieder gemacht wurde, obwohl er nichts anderes tat als im Jahr 2011. In diesen 7 Jahren lässt sich sehr schön zeigen, was sich seitdem vor allem in Deutschland zum Negativen geändert hat: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/342-sieben-jahre.html

Bei Roman Polanski gibt es eine ähnliche Marke: als 2013 „Venus im Pelz“ in die Kinos kam, gab es nämlich keine Intrigen und Boykott-Aufrufe gegen diesen Film: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/46-venus-im-pelz.html

Warum also jetzt? Was hat sich in den letzten 6 Jahren verändert?

 

#MeToo

 

Der Wurm hatte anfangs ja noch eine gewisse Sympathie für #MeToo, war sich aber auch der Risiken bewusst:

„Männer, die ihre Macht gegenüber Frauen gegen deren Willen ausgenutzt haben, sollten sich nicht darüber beschweren, wenn ihr Verhalten öffentlich gemacht wird.

Ärgerlich ist es allerdings, wenn das vermeintliche Opfer lügt und seine persönliche Rechnung mit den entsprechenden Männern begleicht. So im Fall Gina-Lisa Lohfink (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/241-wann-ist-ein-nein-ein-nein.html ) und sehr wahrscheinlich auch im Fall Jörg Kachelmann: https://de.wikipedia.org/wiki/Kachelmann-Prozess#Schlussplädoyers_und_Urteil . Trotz Freispruchs ist die Karriere von Jörg Kachelmann beendet.

Wer auch immer an den Pranger gestellt wird: es ist Vorsicht geboten, das alles zu glauben, was gesagt wird. Auch sollten nicht alle Männer unter General-Verdacht gestellt werden – die Mehrheit unter ihnen ist nicht so drauf.

Wer als Frau wg. seines Frau-Seins sein ganzes Leben lang benachteiligt, gepiesackt, unterdrückt wird, wer Angst hat, alleine auf dem Gehweg zu gehen und sich überlegen muss, die Straßenseite zu wechseln, wenn ihr ein oder mehrere Männer entgegen kommen – der will nicht immer nur Gerechtigkeit, sondern auch Rache üben, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.

Manche Aktionen, manche Forderungen schießen deshalb auch über’s Ziel hinaus. Das ist nicht immer schön, aber menschlich verständlich.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/314-totalitaeres-klima-in-sachen-sexualitaet.html

 

Gutmenschentum

 

Mensch lasse sich nicht täuschen. Es ist nicht nur #MeToo, im Grunde ist es das gesamte Gutmenschentum.

Sie werden von finsteren Kräften finanziert und organisiert, machen publikumswirksam in und für die Medien ein großes Geschrei und predigen einen quasi-religiösen Moralismus, der rigoros durchgezogen wird. Rechtsstaatliche Prinzipien werden verworfen, massiv wird auf Emotionen gesetzt. Notfalls werden dubiose Gestalten „ausgegraben“, die nach 44 Jahren erstmals öffentlich einen heute 86jährigen beschuldigen, sie misshandelt zu haben oder gleich kompletten Blödsinn behaupten.

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: Der Wurm hat sich mehrfach mit diesen Gutmenschen befasst; ein Beitrag über Wissenschaftler trifft den Sachverhalt ganz gut: „Ein modernes Zauberwort für die Akademiker lautet „privat“. Abgesehen von den privaten Krankenkassen gibt es mehr und mehr private Kindergärten, private Schulen, private Internate, private Universitäten. Natürlich wollen die alle auch in einer noblen Wohngegend wohnen. Von der Wiege bis zur Bahre abgeschottet vom real existierenden Leben.

Und wenn sie mal gezwungen sind, mit etwas einfacheren Menschen zu tun zu haben (etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln), kann mensch davon ausgehen, dass sie von ihren Mitmenschen recht wenig mitbekommen, da sie sich dann sehr wahrscheinlich mit sich selbst und ihren mitgebrachten elektronischen Geräten beschäftigen …

Dabei handelt es sich noch nicht mal um Schlechtmenschen. Im Gegenteil: häufig sind es richtige Gutmenschen, die sich um den Erhalt der Regenwälder kümmern, um bedrohte Kinder, Tiere und Völker „hinten, weit, in der Türkei“, die Bio- und „Fair Trade“-Produkte kaufen, sich für die Umwelt und für regenerative Energien einsetzen und überhaupt die ganze Welt retten möchten.

Nur das Elend im eigenen Land sehen sie nicht. Im Grunde handelt es sich um eine abgeschottete Parallel-Gesellschaft, die um sich selbst kreist.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/39-leben-im-elfenbeinturm.html

Kinder kann es der Meinung der Gutmenschen nach auf der Welt nicht genug geben http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/24-arabischer-winter.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/154-krokodilstraenen-der-internationalen-verbrecherbande.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/230-menschen-fischer.html .

Ihre eigenen Kinder erziehen sie so, dass diese sich als die Größten fühlen und kein Interesse am Schicksal anderer haben http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/300-generation-anything-goes.html , halten sie durch die entsprechenden Kindergärten und Schulen vom „Pöbel“ fern und verweigern sich der Schulmedizin mit dem Ergebnis, dass etwa Masern nicht ausgerottet werden, sondern sich vermehrt verbreiten http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/56-unausrottbar.html und damit zu schweren Krankheits-Verläufen und Todesopfern führen.

Religion finden sie immer gut http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/257-armuts-tourismus.html , auch dann, wenn erwiesen ist, dass diese oder einer ihrer Haupt-Vertreter zutiefst inhuman ist http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/302-hass-prediger.html . Entweder wird das ignoriert oder es wird etwas pseudo-religiöses so aus allem Möglichen zusammengebastelt, was dann zu esoterischem Blödsinn führt http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/125-brett-vorm-kopf.html . Rationale, wissenschaftliche Gründe interessieren sie nicht – ihre Emotion muss befriedigt werden http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/27-vampire-auf-dem-englischen-koenigsthron.html .

Wenn Menschen aus religiösen Gründen unnötig leiden müssen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/194-verweigerte-hilfeleistung.html oder schikaniert werden http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/150-der-apotheker-danach.html , ist ihnen das völlig egal.

Sie geben vor, die Natur schützen zu wollen, sorgen aber durch eigenen Flächen-Verbrauch, Reise-Verhalten http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/90-oekoterrorist-noah.html und Konsum-Verhalten http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/210-unmoralische-blumenfreunde.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/337-fuer-den-muell.html für das genaue Gegenteil. Das Wohl der Tiere liegt ihnen sehr am Herzen, sorgen aber selbst etwa durch unnötigen Mode-Tand für bestialisches Leiden der entsprechenden Tiere http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/201-untier-im-pelz.html .

Sie halten sich selbst für „die Guten“ und halten es für gut, wenn anderen Staaten der deutsche Willen in politischen und wirtschaftlichen Fragen aufgezwungen wird http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/177-man-spricht-deutsch.html . Entsprechend finden sie es gut, wenn Deutschland militärisch wieder zur Weltmacht wird http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/266-heute-gehoert-uns-europa-und-morgen-die-ganze-welt.html . Nicht aus Gründen der Bösartigkeit, sondern deshalb, um die anderen zu ihrem Glück zu zwingen.

Sie glauben das, was die Staats-Medien ihnen sagen und finden jeden Krieg gut, bei dem vorgegeben wird, dass für das Gute gekämpft wird http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/189-ein-gutmensch-ist-ein-schlechter-mensch.html . Sie brauchen ein Feindbild und glauben an alles, was über dieses verbreitet wird. Dabei ist es für sie kein Problem, auf jegliche rechtsstaatliche Prinzipien zu verzichten http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/326-gut-gestylter-nato-strichjunge.html .

Die Auswirkungen ihrer Kriege interessieren sie nicht. Eine 6-stellige Zahl an Getöteten in Syrien? Egal. Kaum sind sie jedoch als „Flüchtlinge“ da, heisst es „ach, diese Armen, denen muss geholfen werden. Kommet alle herein“ http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/186-kater-vor-der-tuer.html . Das Schicksal der afrikanischen Bauern, die durch subventionierte Dumping-Importe seitens der EU um ihre Arbeit gebracht werden, interessiert sie auch nicht. Erst dann, wenn diese in Massen über‘s Mittelmeer flüchten, werden sie überhaupt wahrgenommen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/154-krokodilstraenen-der-internationalen-verbrecherbande.html . Auf die Idee, die eigentlichen Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen, kommen sie jedoch nicht.

Aus ihrer Vergangenheit haben sie gelernt. Mit der absurden Konsequenz, dass alles, was auch nur entfernt mit Kritik an Juden oder Israel zu tun haben könnte wie etwa Kritik an Banken, scharf kritisiert wird. Andersdenkende werden schnell als „Antisemiten“ verunglimpft http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/318-zeit-gegen-die-verleumder-vorzugehen.html . Dass während des II. Weltkriegs von ihren Vorfahren ein Vielfaches an Russen als an Juden getötet wurden, interessiert sie nicht im Entferntesten http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/317-stalingrad.html .

Sie wollen zwar, dass alle gut bezahlt werden, erwarten aber billige Preise http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/107-geiz-ist-geil.html – mit den entsprechenden Folgen. Wenn es heute noch Gewerkschaften gibt, die die Interessen ihrer Arbeitnehmer vertreten, werden diese auf‘s Übelste beschimpft, wenn es der eigenen Bequemlichkeit schadet http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/119-niedere-beweggruende.html . Staatliche Sozial-Ausgaben sind für sie des Teufels; mit laxer Steuer-Eintreibung oder Steuer-Hinterziehung haben sie, wenn überhaupt, nur geringe Probleme http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/117-diebstahl-ungeheuren-ausmasses.html . Selbst wollen sie immer weniger, am liebsten gar keine Steuern zahlen und vom Staat wollen sie, dass er alle möglichen und unmöglichen Ausgaben kürzt http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/283-schlanker-staat.html .

Sie haben kein Interesse an sozialen Problemen, sind aber entsetzt, wenn sich ein Mensch wg. was auch immer diskriminiert fühlt. Politisch sind sie empört, wenn diejenigen mit den sozialen Problemen sich von ihnen abwenden und für unerwünschte Wahl-Ergebnisse sorgen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/91-nach-rechts-richtung-abgrund.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/251-zeitenwende.html . Diese werden dann als „weisser Müll“ beschimpft http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/254-weisser-muell.html .

Wenn unschätzbare Kulturgüter verlustig zu werden drohen, interessiert sie das nicht, sofern das nicht ihre Ideologie widerspiegelt http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/288-die-sodann-bibliothek.html . Wenn „Kunst“ aber ihre Ideologie widerspiegelt, wird jeder noch so blöde Blödsinn gefeiert. Namentlich Herta Müller, Pussy Riot, Ai Weiwei. Der russische Performancekünstler Pjotr Pawlenski hat diese Gutmenschen jedoch entlarvt: Lippen zunähen, sich nackt in Stacheldraht einwickeln, einen Teil des Ohrs abschneiden, Hodensack annageln – das alles war „Kunst“, solange es gegen den russischen Staat ging. Als er jedoch in Frankreich eine Bank anzündete, um gegen den Kapitalismus Front zu machen, war schnell aus mit lustig und er wurde in die Psychiatrie eingewiesen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/301-komplett-einen-an-der-waffel.html . Dorthin gehören offensichtlich viele weitere „Performance-Künstler“ und deren Publikum. An dieser Stelle erinnert der Wurm gerne an Jonathan Swifts „Hospital für Unheilbare“ http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/307-ad-usum-delphini.html

Wehe, wenn es einer wagt, aus ihrem System auszuscheren – dann können die Gutmenschen sehr, sehr böse werden. Die Glücklicheren werden noch kaltgestellt http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/235-die-wiedergeburt-des-bassam-tibi.html , die Unglücklicheren werden wirtschaftlich ruiniert http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/192-die-vernichtung-des-akif-pirincci.html oder können sich im Land nicht mehr blicken lassen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/40-flug-lug-und-betrug.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/58-respekt-vor-edathy.html .

Jene, die soziale Probleme haben, wisssen mittlerweile, wer dafür verantwortlich ist und was die dafür Verantwortlichen von ihnen halten. Mehr und mehr wenden sie sich von der Mitte der Gesellschaft ab. Mit unguten Folgen.

Der Pädagoge Johann Heil hatte einst den Begriff des „Mitte-Extremismus“ geprägt http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/105-weltmeister.html . Hier passt er. Wenn das die Mitte der Gesellschaft ist, dann braucht mensch keine extremen Ränder mehr. Wenn das die Gutmenschen sind, dann werden Schlechtmenschen gar nicht mehr benötigt.

Es sind nicht alle so, aber viele. Es gibt auch gute, engagierte Menschen unter ihnen, die der Wurm respektiert. Aber tendenziell bleibt der Wurm dabei: Ein Gutmensch ist ein schlechter Mensch.

Sie wollen nur Gutes, schaffen aber meist nur Böses.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/344-die-kraft-die-stets-das-gute-will-und-stets-das-boese-schafft.html

Wer diese tonangebende Masse steuern kann, kann so ziemlich alles machen.

 

Moralismus

 

Es geht auch darum, den Menschen ihre Individualität zu nehmen, sie gleichförmig zu machen. Sie sollen „funktionieren“, sollen wirtschaftlich verwertbar sein. Früher ging das über Religion, heute über aufgezwungene Moral.

Verteufelt werden „Exzesse“ jedweder Art, vor allem jene, wie sie in den 1970ern nicht selten waren. Publikumswirksame Filme über bekannte Exzessive wie über Freddie Mercury oder Elton John gehören da dazu.

Wolfgang M. Schmitt: „Wenn Rocker spießig werden, sollte man als Zuschauer rasch die Flucht ergreifen. In dem Biopic "Rocketman" beichtet Elton John, der den Film mitproduziert hat, nun sein "sündhaftes" Leben. Drogen, Sex, Erfolg - der Film tut so, als seien die wilden 70er-Jahre die Hölle gewesen. Das wahre Glück, wird suggeriert, liegt in der Verbürgerlichung. Da wundert es nicht, daß der Film denkbar brav inszeniert ist. Bei der einzigen schwulen Sexszene wendet sich die Kamera verschämt ab, der Rest besteht aus lahmen Musicalnummern, die jedes Männerballett auf der nächsten Prunksitzung imitieren könnte. Elton John verabschiedet sich mit diesem Film nicht nur von seinem alten Leben, er betreibt Popgeschichtsrevisionismus.“

 

https://www.youtube.com/watch?v=hpNyY73VKOM

 

Roman Polanski war so „exzessiv“ jetzt auch wieder nicht, hatte aber seine Freiheit genossen und sie gelebt und ist damit eines der letzten noch lebenden Symbole, die zerstört werden sollen.

 

Der Fall Woody Allen

 

Aktuell ist der Fall Woody Allen, der nach Meinung der Gutmenschen seine Autobiographie nicht veröffentlichen darf. Der deutsche Rowohlt-Verlag ist nach einer massiven Kampagne nicht eingeknickt, wohl aber der US-Verlag Hachette.

Mensch muss sich das mal vorstellen: einem sehr bekannten und verdienten Künstler wird verweigert, seine Sicht über sein Leben zu veröffentlichen. Wg. nicht bewiesener Behauptungen.

Arne Hoffmann: „Diese Stelle hier finde ich ganz interessant:

Die Autoren des offenen Briefes an den Rowohlt-Verlag halten es nun für „unethisch“, dass der Verlag die Angaben vermutlich nicht prüfen werde, die Woody Allen in seinem Buch mache, und erkennen darin einen „Mangel an Interesse für die Belange der Opfer sexueller Übergriffe“. Unethisch ist aber in erster Linie das blinde Nachbeten einer Falschbeschuldigung. Und um eine solche handelt es sich nach den klaren, ohne Einschränkung formulierten Ergebnissen der polizeilichen, medizinischen und psychologischen Untersuchungen zu diesem Fall. (…) Der Brief an den Rowohlt-Verlag ist (…) ein weiterer Beleg mangelnden Interesses für die Opfer von Falschbeschuldigungen, das in der MeToo-Debatte nach wie vor zum Ausdruck kommt.

Am Ende ihres Briefes werfen die Rowohlt-Autoren Woody Allen noch vor, er habe „sich nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt“ und die „öffentliche Auseinandersetzungen über sexuelle Gewalt als Hexenjagd heruntergespielt“. Offenbar haben sie nie gelesen, was Allen in der New York Times zu den Behauptungen von Dylan geschrieben hat.

Das wirkt schon für sich betrachtet überzeugender als alles, was von Mia, Dylan und Ronan Farrow in dieser Sache geäußert worden ist. Zum Beispiel der (unbestrittene) Hinweis, dass sich Allen freiwillig einem Polygrafentest („Lügendetektor“) unterzogen und ihn bestanden hat – während sich Mia Farrow dem Test verweigerte. Nach all dem kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass in diesem Fall nur ein Vorwurf zu erheben ist: der des Rufmordes. Ein Rufmord, der jetzt unter den Autoren des Rowohlt-Verlages weitere willige Gehilfen gefunden hat.

Ebenso diese:

Nun tun Allens Kritiker so, als sei Allen so eine Art Weinstein 2.0 und die nunmehr 50-jährige Soon-Yi sein hilfloses Opfer. Davon könne gar keine Rede sein, schreibt Moses Farrow, eines der Adoptivkinder von Mia Farrow, in seinem Blog: Mia Farrow habe nach der Trennung von Woody all ihren Kindern eingedrillt, was für ein „schrecklicher Vater“ der sei. Dabei habe Mia, die selbst aus eine dysfunktionalen Familie stamme, ihre Adoptivkinder ständig angeschrien, geschlagen, eingesperrt, oder Gehirnwäschen unterzogen, damit sie kleine Vergehen gestehen. Soon-Yi habe die Affäre mit Allen nur angefangen, um Mia zu entkommen, wohingehend zwei andere Adoptivkinder Selbstmord begangen hätten.

(…) Auch Soon-Yi hatte ihren Mann im New York Magazine verteidigt und wurde dafür von ihrem kleinen Bruder Ronan angegriffen. Überhaupt beharken Ronan und Dylan jeden auf Twitter, der sich ihrem Feldzug entgegenstellt, und niemand in der Branche möchte sich Ronans Rache aussetzen. Inzwischen haben sich mehrere Schauspielerinnen, darunter Natalie Portman und Mia Sorvino, dafür entschuldigt, in Allens Filmen aufgetreten zu sein — wobei ihm keine vorwarf, ihr zu nahe getreten zu sein. Selbst Regisseure wie Greta Gerwig distanzierten sich von ihm.“

https://allesevolution.wordpress.com/2020/03/12/die-woody-allen-biografie/

Hier die ausführliche Presseschau von Arne Hoffmann zum Fall Woody Allen: https://genderama.blogspot.com/2020/03/frankfurter-allgemeine-es-ist-zeit-dem.html

 

Zum Schluss

 

Das Negative

 

Mit der Zerstörung von Roman Polanski (und anderer wie Woody Allen) verfolgen die gut organisierten und finanzierten Gutmenschen folgende Ziele:

- moralischer Rigorismus; Ende von Freiheiten jeder Art

- zumindest starke Einschränkung der rationalen Weltsicht hin zur leicht steuerbaren Emotionalität

- Vorverurteilungen und mediale Hinrichtungen gegen Prinzipien des Rechtsstaats, die ausgehebelt werden sollen

Roman Polanski ist Jude; hat das Warschauer Getto knapp überlebt; unter anderem wurden seine Mutter und ein enger Freund der Kindheit in Auschwitz ermordet; sein Vater hat das KZ in Mauthausen knapp überlebt; die neue Frau seines Vaters wollte Roman ihn nicht haben – davor und danach wurde er bei fremden Leuten untergebracht; war mit Antisemitismus konfrontiert; wurde in der Jugend von einem gesuchten Mörder brutal niedergeschlagen; seine hochschwangere Frau wurde bestialisch ermordet; war Jahrzehnte auf der Flucht vor der US-Justiz; wurde von den Medien verleumdet und medial hingerichtet; wird noch als 86jähriger wg. absurden Vergewaltigungs-Vorwürfen angeprangert; hat unter anderem mit „Der Pianist“ und „Intrige“ großartige Filme des Humanismus der Menschheit geschenkt.

Ja, wo sind denn hier die Gutmenschen, die ansonsten aufheulen, wenn ein Mensch wg. Nichtigkeiten angeblich benachteiligt wird oder sooo ein schweres Schicksal hat, dass ihm unbedingt geholfen werden muss und er keinesfalls kritisiert werden darf?

Das alles zeigt auch, dass die sonstigen Gutmenschen-Kampagnen wie die gegen „Antisemitismus“ gesteuert sind und je nach Belieben umgelenkt werden.

 

Das Positive

 

Roman Polanski lässt sich nicht in die Opfer-Rolle drängen. Wenn er auf sein schweres Schicksal angesprochen wird, fragt er: warum? Anderen Menschen ginge es wesentlich schlechter; unter anderem sei er nie richtig krank gewesen.

Ein weiterer Grund, dass ihn die Gutmenschen nicht leiden können: wenn ein Mensch sein Schicksal annimmt und mit sich und seinem Leben einen positiven Umgang pflegt, kommt das bei denen gar nicht gut an.

Wie das Interview mit „Paris Match“ zeigt, ist er weiterhin ein überzeugter Verfechter des Rechtsstaats.

James Greenberg: „Während der Dreharbeiten widmete sich Polanski zunächst mit seinem Koautor Robert Harris dem Drehbuch für D. Mit diesem Projekt hatte er sich bereits fünf oder sechs Jahre zuvor erstmals beschäftigt: „Das ist ein großartiges Thema, auf das ich durch meine eigenen Erlebnisse gestoßen bin“, erklärt Polanski. Er zieht damit einen Vergleich zwischen dem Medienrummel, der ihn über weite Strecken seines Lebens und insbesondere 2009 nach seiner Verhaftung in der Schweiz begleitete, und der Verfolgung des jüdischen Offiziers Alfred Dreyfus in Frankreich, der beschuldigt worden war, Staatsgeheimnisse an die Deutschen verraten zu haben. Dreyfus ging 1894 für fünf Jahre ins Gefängnis, bevor er begnadigt und schließlich freigesprochen wurde.

„Es war ein tragischer Irrtum, und als die Verantwortlichen entdeckten, dass Dreyfus unschuldig war, wollten sie ihren Irrtum nicht zugeben und begannen Dokumente zu fälschen, um ihre Version zu untermauern“, so Polanski. „Das erinnert stark an die heutige Justiz und auch an die Praktiken der Medien, den Zeitungen und Zeitschriften. Sie werden niemals zugeben, dass sie einen gottverdammten Fehler gemacht haben, was dem Ganzen ein Ende setzen würde.“ Polanski bezog sich hier vor allem auf eine Verleumdungsklage gegen Vanity Fair, mit der er 2005 erfolgreich war.

 

https://www.youtube.com/watch?v=2KDySy13HFc

 

Peter Priskil in „Ketzerbriefe“ Nr. 220: „Hören wir nur eine Stimme aus dem Presse-Unisono: „... der polnisch-französische Regisseur steht im Kreuzfeuer der Kritik wie schon lange nicht mehr“, heißt es in der „Badischen Zeitung“ vom 4. Februar 2020. So so. Seit wann ist Lüge und Verleumdung, Boykott und Zensur, staatliches, in Gesetze geronnenes Unrecht wie das US-amerikanische Sexualstrafrecht, seit wann sind Pogrome, die sich in weltweiten Jagdszenen und Anpöbeleien niederschlagen, seit wann ist Rufmord denn „Kritik“?! …

Es gibt keine wirklichen Wunder, aber es reicht doch nahe an ein solches heran, nämlich daß Roman Polanski in hohem Alter aller Widerwärtigkeiten, aller Gemeinheiten, aller Niedrigkeit zum Trotz ein Werk schaffen konnte, das ein Menschheitsinteresse artikuliert und sich wohltuend von den Niederungen der Gegenwart mit dem ganzen menschlichen Abschaum abhebt. Der Film ist in jeder Hinsicht unzeitgemäß, denn er thematisiert nicht nur schreiendes staatliches Unrecht, sondern die Sympathieträger in ihm lesen, lieben und - rauchen. Einfach wohltuend.

Man verachte das Lügenpack der Wahrheitspresse und ihre Souffleure samt ZuträgerInnen nach Gebühr!“

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm