Religion und Krieg

Die Öffnung der deutschen Außenpolitik für mehr Impulse aus der Zivilgesellschaft ergänzt die klassische Außenpolitik zwischen Staaten um eine Außenpolitik der Gesellschaften.

Religionsgemeinschaften sind die größten transnationalen zivilgesellschaftlichen Akteure auf der Welt: 84 Prozent der Weltbevölkerung bekennen sich zu einer Religion.

Im politischen Raum werden die Begriffe „Religion“ und „Problem“ gerne in einem Atemzug genannt, da Religionen allzu oft entweder als Konfliktquellen oder -beschleuniger oder aber als diskriminierte und verfolgte Minderheiten gesehen werden. Selten werden sie als Partner auf Augenhöhe betrachtet. Dabei haben Religionsvertreter oft ein gutes Gespür für Entwicklungen in ihrem Land und beeinflussen diese an vielen Stellen.

Mit dem Ziel, Religionsgemeinschaften und ihren möglichen Einfluss auf Gesellschaft und Politik besser zu verstehen, widmet sich auch das Auswärtige Amt dem Thema Religion.

Die Weltversammlung "Religions for Peace" in Lindau vom 20. - 23.8.2019

Im Juli 2018 beschloss der Bundestag, die 10. Weltversammlung der Organisation “Religions for Peace” (RfP) zu fördern, die im August 2019 in Lindau am Bodensee stattfinden wird. Fast 1000 Religionsvertreterinnen –und vertreter aus über 100 Ländern werden erwartet, um eine gemeinsame Agenda zur Übernahme von Verantwortung in der Welt zu verabschieden. Das Referat „Religion und Außenpolitik“ begleitet diese Weltversammlung inhaltlich und organisatorisch.“

 

https://www.youtube.com/watch?v=PajCYgKc0XQ

 

Miteinander reden und nach Lösungen suchen ist immer gut. Allerdings sind alle Religionen, auch dann, wenn sie sich noch so friedliebend geben, kriegstreibend. Und das hat seine Gründe.

 

Die Konferenz in Lindau

 

Tilmann Kleinjung: „Schon die Ankunft der Delegierten in Lindau bietet ein Bild von hoher Symbolkraft. Aus den Shuttlebussen steigen muslimische Geistliche, jüdische Rabbiner, buddhistische Mönche. Alle leicht zu identifizieren an ihren traditionellen Gewändern und Kopfbedeckungen. Der Turban der Sikhs, der Schleier der katholischen Nonne.

Doch Lindau ist mehr als ein multireligiöses Panoptikum. Es geht darum, dass die Vertreter der verschiedensten religiösen Traditionen und Konfessionen miteinander ins Gespräch kommen. Zum Beispiel in Uganda. Hier gibt es zwischen der christlichen Bevölkerungsmehrheit und der muslimischen Minderheit immer wieder kleinere Konflikte, Reibereien. Drijaru Allen Solance ist eine Delegierte aus Uganda und setzt große Hoffnung in diese Versammlung:

"Ich hoffe, dass es zwischen den Religionen in meinem Land Einheit gibt, dass als Ergebnis dieser Konferenz die Religionen in Frieden und Harmonie miteinander leben."

Mit ähnlich hohen Erwartungen sind auch Teilnehmer aus Myanmar an den Bodensee gereist. 700.000 muslimische Rohingya wurden aus dem Land vertrieben, von radikalen Buddhisten. Hinter verschlossenen Türen versuchen Vertreter der Religionen aus Myanmar in Lindau wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Im besten Fall soll es konkrete Vereinbarungen geben, sagt Ulrich Schneider, der als Geschäftsführer das Treffen in Lindau vorbereitet hat.

"Es wird am Ende eine Abschlusserklärung geben, und das Besondere an dieser Erklärung ist, dass die tatsächlich hier erarbeitet wird. Und es soll ein Aktionsplan im Zentrum stehen, der konkrete Handlungsverabredungen für die nächsten Jahre gibt in einzelnen Nationen und Regionen."

"Religions for Peace" ist das weltweit größte Bündnis von Religionsgemeinschaften, aktiv in rund 100 Ländern. 1961 wurde die Organisation gegründet mit dem erklärten Ziel, dass Religionsvertreter in Krisen und Konflikten Friedensarbeit leisten. Das ist in Zeiten, in denen vor allem das Konfliktpotential von Religionen wahrgenommen wird, aktueller denn je, sagt der Generalsekretär von "Religions for Peace", William Vendley:

"Gewalt im Namen der Religion erregt Aufmerksamkeit. Gleichzeitig beginnen in kleinen Dörfern der Imam, der Geistliche, der Priester zusammenzuarbeiten; das ist ein globales Phänomen."

Doch auch in diesem Jahr haben vor allem verheerende Anschläge im Namen der Religion Schlagzeilen gemacht. Die Angriffe auf Kirchen in Sri Lanka und das Massaker in einer Moschee im neuseeländischen Christchurch. In Lindau wollen sich Spitzenvertreter von Glaubensgemeinschaften für einen weltweiten Schutz religiöser Stätten einsetzen, sagt der Buddhist Kyoichi Sugino aus Japan:

"Der Schutz heiliger Stätten ist immens wichtig, und eine Kultur des Friedens und des Respekts zu fördern. Diese Punkte müssen hier in Lindau gestärkt werden."

Die Bundesregierung unterstützt diese Ziele. Auch finanziell. Zusammen mit dem Freistaat Bayern ist das Auswärtige Amt ein wichtiger Sponsor der Lindauer Versammlung. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier wird den Religionsgipfel eröffnen. Schon als Außenminister hat sich Steinmeier dafür stark gemacht, dass das Friedenspotential von Religionen ein Thema der Außenpolitik wird.“

https://www.tagesschau.de/inland/religions-for-peace-konferenz-101.html

Christopher Beschnitt: „In Lindau ist am Freitag die Weltversammlung von "Religions for Peace" zu Ende gegangen. Rund 900 Vertreter von einem Dutzend Glaubensrichtungen sprachen über Wege zu einer besseren Zukunft. Die Friedensbemühungen trafen aber auch auf Kritik.

Plötzlich rinnen Tränen unter der Sonnenbrille der Frau hervor. Sie lässt sie einfach von ihren Wangen perlen. Diese Frau, sie zeigt, wie Religion wirken kann: anrührend und ergreifend, indem sie Gemeinschaft und Geborgenheit vermittelt.

Zugetragen hat sich die Szene am Mittwoch bei einer interreligiösen Zeremonie mit Gebeten, Gesängen und Meditationen in Lindau. In der südbayerischen Stadt am Bodensee fand von Dienstag bis Freitag die Weltversammlung von "Religions for Peace" (RfP) statt. Die Nichtregierungsorganisation ist nach eigenen Angaben die größte internationale Allianz religiöser Gemeinschaften auf Erden.

Bei der Zeremonie beschworen nach einer gemeinsamen Prozession Christen wie Hindus und Muslime, Buddhisten wie Juden und Anhänger indigener Naturspiritualität die Einheit der Menschen in Vielfalt und das Wunder der Schöpfung, die dringend zu schützen sei. "Wenn Mutter Erde leidet, leiden die Menschen; wenn die Menschen leiden, leidet Mutter Erde", mahnte ein mit Federschmuck bekränzter Ureinwohner aus Kanada.

Wie dieser Mann fielen viele RfP-Teilnehmer ins Auge - ihren kunterbunten Kutten, Schleiern und Turbanen sei Dank. Doch so farbenfroh ihr Äußeres, so düster war das, was die Gläubigen im Inneren bewegte. "Wir sind ein Bündnis der Fürsorge, der Barmherzigkeit und der Liebe", heißt es in der am Freitag veröffentlichten Schlusserklärung der Konferenz. "Angesichts dessen gestehen wir mit Bedauern die Weisen ein - seien sie subtil oder eklatant -, auf die wir und unsere Religionsgemeinschaften versagt haben. Unser Herz trauert um den Missbrauch unseres Glaubens, insbesondere darum, wie er verzerrt wurde, um Gewalt und Hass zu schüren."

Umso besser wolle man nun die Zukunft gestalten, so RfP. In ihrer Deklaration bekennt sich die Organisation mithin zu mehr Schutz für arme Menschen, für Migranten, Frauen, Jugend, Umwelt und religiöse Stätten sowie zu öffentlichen Akten der Versöhnung angesichts zugefügter Verletzungen. Auch der Ruf nach Abrüstung, besonders zur Abschaffung von Atomwaffen, findet sich darin. In Anbetracht von Klimawandel und 70 Millionen Flüchtlingen weltweit gelte: "Es ist höchste Zeit: Wir sind zu sofortigem Handeln aufgerufen."

Die Tagung habe bereits für Lichtblicke gesorgt, hieß es. So hätten religiöse Oberhäupter aus Myanmar, der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Nigeria und dem Südsudan das von RfP propagierte Engagement für die Transformation gewalthaltiger Konflikte konkret umgesetzt. Ferner seien Gläubige aus Nord- und Südkorea im Gespräch über Bedingungen für Frieden in ihrer Heimat gewesen.

In Sachen Frauenförderung hat RfP selbst einen Schritt nach vorn gemacht. Erstmals wählte das Bündnis eine weibliche Generalsekretärin: die 50-jährige Azza Karam, eine in Kairo geborene niederländische UNO-Mitarbeiterin und Wissenschaftlerin für politischen Islam. Die Muslimin rief dazu auf, Religionsfreiheit für alle zu verteidigen - auch die Freiheit, nicht zu glauben. In ihrer neuen Position folgt sie auf den US-Amerikaner William F. Vendley (71). Der katholische Theologe stand 25 Jahre an der RfP-Spitze.

Die letzte Weltversammlung unter Vendleys Führung hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet, zum Abschluss sandte Papst Franziskus ein Grußwort. Doch bei aller hochrangigen Unterstützung - der Schulterschluss der Weltanschauungen rief auch Kritiker auf den Plan. Am Rande protestierte etwa ein Mann, der meinte, es gebe nur einen wahren Glauben, Jesus missfalle multireligiöse Wirrsal. Ähnliches schrieben Kommentatoren in Internetforen.

Die Friedensaktivisten planen derweil ihr nächstes großes Treffen: Voraussichtlich im Herbst 2020 soll - erneut in Lindau - der 80-köpfige "World Council" tagen, das höchste Beschlussgremium zwischen den etwa alle fünf Jahre stattfindenden Weltversammlungen. Daran wird auch die evangelische Theologin Margot Käßmann teilnehmen, die just als deutsche Vertreterin bestimmt wurde. Für die nächste Weltversammlung gibt es noch keinen Termin.“

https://www.katholisch.de/artikel/22721-religions-for-peace-buendnis-der-fuersorge-in-konfliktreichen-zeiten

 

Religionen als kriegstreibende Kräfte

 

Um es kurz zu machen: Religionen stiften Identität. So sehr, dass alle, die nicht dazu gehören, oft als „Feinde“ angesehen werden.

Friedlich können einige wenige Menschen sein, die weltabgeschieden leben. Spätestens in dem Moment, in dem eine Religions-Gemeinschaft in staatliche Verantwortung kommt, wird sie Krieg bejahen. Wenn nicht offiziell, so doch hinten rum durch gedankliche Konstrukte. Der „gerechte Krieg“ etwa gehört dazu.

Das ist bei allen Religionen so. Hartmut Zinser hat sich in seinem Buch „Religion und Krieg“ aus dem Jahr 2015 näher mit dem Thema beschäftigt. Wenn nicht anders angegeben, stammen die angegebenen Zitate aus diesem Buch.

 

Mensch und Krieg

 

Das kriegerische Element, das gegen seine Mitmenschen gerichtet ist, ist vielen Menschen angeboren. Mit der Thematik hatte sich der Wurm bereits in http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/277-nervenkitzel.html und http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/319-das-auge-des-kriegers.html beschäftigt.

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Nach verheerenden Kriegen besteht erst mal Bedarf nach Ruhe. So wie nach dem Schmalkaldischen Krieg und dem Augsburger Religionsfrieden Mitte des 16. Jahrhunderts. Spätestens nach zwei oder drei Generationen haben die Oberschichten wieder Lust an Beutezügen und leiten die Vorspiele zum nächsten Krieg und die entsprechende Propaganda ein.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/332-terra-deserta.html

Spätestens nach zwei oder drei Generationen“ ist aber auch das gemeine Volk wieder für Krieg begeisterbar, wehrt sich zumindest kaum dagegen. Wie es derzeit unter anderem in Deutschland wieder der Fall ist.

Hartmut Zinser: „Daß Mörder und Diebe ihre Taten selber als Verbrechen betrachten, erhellt daraus, daß sie ihre Taten heimlich begehen und verleugnen, während Feldherrn wie z. B. Caesar oder Titus am Ende des Krieges sich der Anzahl der getöteten Feinde rühmten und die geraubten Güter als Beute und repräsentativ ausgewählte Gefangene im Triumphzug öffentlich demonstrierten, wie man es noch heute auf dem Titusbogen in Rom sehen kann.“

Im 19. Jahrhundert hat man angesichts der modernen technologischen Waffen versucht, die Gewaltanwendung im Krieg zu mäßigen. Ich hatte auf die Haager Abkommen bereits hingewiesen. Im Kellogg-Pakt wird dann jeder Angriffskrieg geächtet, Streitfälle zwischen Staaten sind friedlich zu lösen. Aber er gibt keine Garantien und nennt keine Instanz, die diese Ächtung durchsetzen könnte. Da der Verteidigungskrieg nicht unter diese Ächtung fällt, haben dann alle kriegführenden Staaten ihre Kriege als Verteidigung, präventiven oder präemptiven Krieg deklariert und eine enorme Propaganda dazu aufgeboten. Nur wenige haben es so brutal wie Hitler formuliert, der sagte, daß nach dem Sieg niemand mehr nach dem Recht fragt.“

 

Krieg regulierende Religionen sind nicht kriegslüstern

 

Wenn eine Religion Regeln vorschreibt für die Kriegsführung und die Bedingungen festlegt, unter welchen Umständen die Kriegsführung notwendig und gerecht ist, macht dies diese Religion genausowenig zu einer kriegsliebenden Religion, wie die Regulierung von Sexualität eine Religion sexlüstern macht.“

Ein Problem nun scheint mir vor allem in der Doppelzüngigkeit zu liegen. Es hat Zeiten und Religionen gegeben, in denen ein oder mehrere Götter für Krieg zuständig waren, z. B. Mars und Ares, Zeus und Jupiter, Athene und Nike, oder Indra, Skanda, Karttikeya und Murugan im indischen Kontext. Von diesen Religionen wurde eine Kriegslehre verkündet, die vielleicht zur Mäßigung des Krieges beigetragen hat, in denen Krieger und Waffen irgendwie geheiligt oder unter den Schutz und Fürsorge eines Gottes oder von „Militärheiligen"' gestellt und Kriegshandlungen als Opfer aufgefaßt wurden, überhaupt das Vokabular und die Institutionen der Religion bemüht wurden. Heute reden zwar alle oder doch die meisten Religionen auf den verschiedensten Konferenzen für den Frieden, wenn aber der konkrete Fall eintritt, schweigen sie oder suchen eine mühsame Rechtfertigung.“

Mir ist keine genealogische Religion bekannt, die Krieg grundsätzlich abweist, ebensowenig die Polisreligionen der Antike und die Religionen Asiens. Überhaupt scheint die grundsätzliche Verwerfung des Krieges als gottwidrig und den ethischen und anderen Lehren der Religionen widersprechend wohl eher eine Ausnahme zu sein. Selbst Buddhismus und Christentum, die in ihrer Gründungszeit, wenn wir den Berichten glauben dürfen, jede Form der Gewaltanwendung und damit auch den Krieg verworfen haben, haben in den Zeiten, in denen sie das Leben und die Welt gesellschaftlich zu gestalten hatten, sicherlich abgestuft, mit vielen Einschränkungen und Kompromissen eine Kriegslehre entworfen, sich aufdrängen lassen oder sich in den Dienst von kriegführenden Parteien stellen lassen. Es scheint, daß nur monastische religiöse Gemeinschaften und die auch nicht alle, vielleicht nicht einmal die Mehrheit (vgl. die japanischen und tibetischen Mönchsarmeen und die geistlichen Ritterorden im Mittelalter), einer solchen Beteiligung entgehen konnten, und wenn um den Preis, daß sie auf eine Gestaltung der Welt und des Lebens Verzicht taten, sich in ihr Kloster, die Wüste, den Wald oder in die Einsamkeit zurückzogen und die Welt den anderen überließen.“

Nur Religionen, die grundsätzlich Krieg und Gewalt verwerfen wie Christentum und Buddhismus, benötigen eine Theorie des bellum iustum, um trotz der grundsätzlichen Lehre, Kriege als Ausnahme führen und rechtfertigen zu können; einerseits um den intellektuellen Widerspruch irgendwie auszugleichen und andererseits die Bevölkerungen, darunter auch die Soldaten selber motivieren zu können. Religionen, die eine solche Lehre nicht vertreten, brauchen auch keine Rechtfertigung für Kriege, bzw. sie kann und muß anders aussehen.“

 

Christentum

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Denn der christliche Glaube äußert sich in keinster Weise negativ zum Krieg, in dem ja bekanntlich Menschen getötet werden. Das Alte Testament schildert seinen Gott als Kriegsgott und das Neue Testament ist entgegen aller Propaganda alles andere als pazifistisch.

Jesus erzählt kriegerische Gleichnisse (Lukas 14; 31) und als ihn Soldaten fragen, was sie tun sollen, ruft er nicht zur Abkehr vom kriegerischen Beruf auf, sondern, dass sie mit ihrem Sold zufrieden sein sollen (Lukas 3; 14). Er hat bewaffnete Begleiter (Matthäus 26; 51), ruft auf zum Waffenkauf (Lukas 22; 36) und sagt folgende Sätze:

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert“ (Matthäus 10; 34) oder „Ich bin gekommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden; was wollte ich lieber, denn es brennete schon!“ (Lukas 12;49)

Solche Sätze sind weder von frühen noch von späten Christen pazifistisch verstanden worden.

Wurm ist es gewohnt, von den Menschen nicht ernst genommen zu werden. Deshalb hier die Stellen, um in aller Ruhe nachzulesen:

http://bibel-online.net/buch/luther_1912/lukas/14/#1
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/lukas/3/#1
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/lukas/22/#1
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/matthaeus/26/#1
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/matthaeus/10/#1
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/lukas/12/#1

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/26-die-katholiban-und-das-leben.html

Und hier einige wenige von sehr vielen ähnlich lautenden Stellen aus dem Alten Testament:

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Räche die Kinder Israel an den Midianitern, daß du darnach dich sammelst zu deinem Volk. Da redete Mose mit dem Volk und sprach: Rüstet unter euch Leute zum Heer wider die Midianiter, daß sie den HERRN rächen an den Midianitern, aus jeglichem Stamm tausend, daß ihr aus allen Stämmen Israels in das Heer schickt. Und sie nahmen aus den Tausenden Israels je tausend eines Stammes, zwölftausend gerüstet zum Heer. Und Mose schickte sie mit Pinehas, dem Sohn Eleasars, des Priesters, ins Heer und die heiligen Geräte und die Halldrommeten in seiner Hand. Und sie führten das Heer wider die Midianiter, wie der HERR dem Mose geboten hatte, und erwürgten alles, was männlich war. Dazu die Könige der Midianiter erwürgten sie samt ihren Erschlagenen, nämlich Evi, Rekem, Zur, Hur und Reba, die fünf Könige der Midianiter. Bileam, den Sohn Beors, erwürgten sie auch mit dem Schwert.

Und die Kinder Israel nahmen gefangen die Weiber der Midianiter und ihre Kinder; all ihr Vieh, alle ihre Habe und alle ihre Güter raubten sie, und verbrannten mit Feuer alle ihre Städte ihrer Wohnungen und alle Zeltdörfer. Und nahmen allen Raub und alles, was zu nehmen war, Menschen und Vieh, und brachten's zu Mose und zu Eleasar, dem Priester, und zu der Gemeinde der Kinder Israel, nämlich die Gefangenen und das genommene Vieh und das geraubte Gut ins Lager auf der Moabiter Gefilde, das am Jordan liegt gegenüber Jericho. Und Mose und Eleasar, der Priester, und alle Fürsten der Gemeinde gingen ihnen entgegen, hinaus vor das Lager.

Und Mose ward zornig über die Hauptleute des Heeres, die Hauptleute über tausend und über hundert waren, die aus dem Heer und Streit kamen, und sprach zu ihnen: Warum habt ihr alle Weiber leben lassen? Siehe, haben nicht dieselben die Kinder Israel durch Bileams Rat abwendig gemacht, daß sie sich versündigten am HERRN über dem Peor und eine Plage der Gemeinde des HERRN widerfuhr? So erwürget nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Weiber, die Männer erkannt und beigelegen haben; aber alle Kinder, die weiblich sind und nicht Männer erkannt haben, die laßt für euch leben.“  4. Buch Moses 31; 1-18

https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/4_mose/31/#1

Wenn du vor eine Stadt ziehst, sie zu bestreiten, so sollst du ihr den Frieden anbieten. Antwortet sie dir friedlich und tut dir auf, so soll das Volk, das darin gefunden wird dir zinsbar und untertan sein. Will sie aber nicht friedlich mit dir handeln und will mit dir kriegen, so belagere sie. Und wenn sie der HERR, dein Gott, dir in die Hand gibt, so sollst du alles, was männlich darin ist, mit des Schwertes Schärfe schlagen. Allein die Weiber, die Kinder und das Vieh und alles, was in der Stadt ist, und allen Raub sollst du unter dich austeilen und sollst essen von der Ausbeute deiner Feinde, die dir der HERR, dein Gott, gegeben hat. Also sollst du allen Städten tun, die sehr ferne von dir liegen und nicht von den Städten dieser Völker hier sind.

Aber in den Städten dieser Völker, die dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern sollst sie verbannen, nämlich die Hethiter, Amoriter, Kanaaniter, Pheresiter, Heviter und Jebusiter, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat, auf daß sie euch nicht lehren tun alle die Greuel, die sie ihren Göttern tun, und ihr euch versündigt an dem HERR, eurem Gott“  5. Buch Moses 20; 10-18

https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/5_mose/20/#1

Verflucht sei, der des HERRN Werk lässig tut; verflucht sei, der sein Schwert aufhält, daß es nicht Blut vergieße!“ Jeremias 48; 10

https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/jeremia/48/#1

„… darum spricht der Herr, HERR also: Ich will meine Hand ausstrecken über Edom und will ausrotten von ihm Menschen und Vieh und will es wüst machen von Theman bis gen Dedan und durchs Schwert fällen; und will mich an Edom rächen durch mein Volk Israel, und sie sollen mit Edom umgehen nach meinem Zorn und Grimm, daß sie meine Rache erfahren sollen, spricht der Herr, HERR.“  Hesekiel 25; 12-14

https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/hesekiel/25/#1

Ruft viel wider Babel, belagert sie um und um, alle Bogenschützen, und laßt keinen davonkommen! Vergeltet ihr, wie sie verdient hat; wie sie getan hat, so tut ihr wieder! denn sie hat stolz gehandelt wider den HERR, den Heiligen in Israel. Darum soll ihre junge Mannschaft fallen auf ihren Gassen, und alle Kriegsleute sollen untergehen zur selben Zeit, spricht der HERR. Siehe, du Stolzer, ich will an dich, spricht der Herr, HERR Zebaoth; denn dein Tag ist gekommen, die Zeit deiner Heimsuchung. Da soll der Stolze stürzen und fallen, daß ihn niemand aufrichte; ich will seine Städte mit Feuer anstecken, das soll alles, was um ihn her ist, verzehren … Schwert soll kommen, spricht der HERR, über die Chaldäer und über ihr Einwohner zu Babel und über ihre Fürsten und über ihre Weisen! Schwert soll kommen über ihre Weissager, daß sie zu Narren werden; Schwert soll kommen über ihre Starken, daß sie verzagen! Schwert soll kommen über ihre Rosse und Wagen und alles fremde Volk, so darin sind, daß sie zu Weibern werden! Schwert soll kommen über ihre Schätze, daß sie geplündert werden!“  Jeremias 50; 29-37

https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/jeremia/50/#1

Du verstörte Tochter Babel, wohl dem, der dir vergilt, wie du uns getan hast! Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und zerschmettert sie an dem Stein!“  Psalm 137; 8-9

https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/psalm/137/#1

Wie geschrieben: es handelt sich keinesfalls um Ausnahmen; solch bestialische Stellen in der Bibel sind die Regel.

Wer näheres Interesse hat, kann gerne mit dem Wurm Kontakt aufnehmen: der Wurm ist ein großer Bibel-Experte und kennt das „worst of“ des Wortes Gottes und nennt gerne die betreffenden Stellen.

Was der Wurm von Menschen hält, die einen solchen Gott anbeten, kann sich mensch denken.

 

Hinduismus

 

Der Hinduismus oder die Religionen Indiens werden im Westen im Unterschied zum Christentum mit seinen Kreuzzügen und zum Islam mit seinem Gihad vielfach als friedliebend und besonders friedfertig ausgegeben. Grundlage dieser Auffassung ist die für die meisten indischen Asketen gültige Lehre der Gewaltlosigkeit (ahimsa). Den Asketen ist ein Verzicht auf Gewalt, bisweilen sogar ein Verzicht auf Selbstverteidigung auferlegt. Diese für Asketen und Sadhus geltende Gewaltlosigkeit wird in den Darstellungen bisweilen etwas schnell auf alle Anhänger des Hinduismus ausgedehnt. Man ist dann überrascht, wenn man von den militanten und gewaltsamen Aktionen der Hindus in den letzten Jahrzehnten, besonders herausragend die Zerstörung der Moschee in Ayodhya, den Bürgerkriegen zwischen Hindus und Muslimen und Christen liest. Nun fallen bei allen Religionsgemeinschaften die gesellschaftliche und geschichtliche Praxis und die Lehren häufig auseinander. Aber auch die Lehre ist nicht so eindeutig, wie man es immer wieder zu lesen bekommt. Wenn man freilich das berühmte Gespräch zwischen Arjuna und Krishna vor Beginn einer Schlacht in der Bhagavadgita liest und zur Kenntnis nimmt, daß diesem Text in vielen hinduistischen Gruppen vielleicht sogar ein normativer Charakter zugesprochen wird, dann wird einem die verbreitete Auffassung von der Friedfertigkeit des Hinduismus mehr als zweifelhaft erscheinen. In diesem Gespräch wird von Krishna das Töten ausdrücklich gefordert und gerechtfertigt. Es erstaunen einen die Argumente, mit denen Krishna die Bedenken Arjunas zu zerstreuen sucht ...“

Jede einzelne bestimmte Aussage zum Hinduismus - von den oben angeführten allgemeinen Grundlagen abgesehen - kann leicht durch andere Aussagen und Texte problematisiert werden und genauso verhält es sich mit den Aussagen zum Krieg. Je nachdem, ob man z. B. das Arthashastra des Kautilya, asketische Lehren des ahimsa oder das Lehrgespräch zwischen Arjuna und Krishna aus der Bhagavadgita heranzieht, wird man andere Positionen zu Krieg und Gewalt finden …“

Es lassen sich zumindest folgende Positionen im Umgang mit Gewalt und Krieg im Hinduismus und in den hinduistischen Kulturen aufweisen:

a) ein Gewaltverbot für die meisten Asketen (ahimsa)

b) Krieg als ehrenvolles Feld für Heldentum, durch das man bei eigenem Tod gleich in den Himmel eingehen kann (dieses Heldentum wird anderen religiösen Erlösungswegen gleichgestellt oder gar vorgeordnet). Im Falle eines Sieges wird der Genuß der weltlichen Güter versprochen. Für beide Fälle allerdings gilt, daß man ohne persönliche Leidenschaften und mit innerer Distanz kämpfen muß.

c) Krieg gehört zur Aufrechterhaltung der kosmischen und sozialen Ordnung (des dharma) zu den Aufgaben und Pflichten des Kshatriya. Er kann sich diesen Pflichten nicht entziehen, ohne karmische Schuld auf sich zu laden. Der Krieger wird wie auch beim Heldentum als Werkzeug Gottes angesehen.

d) Krieg als politisches Mittel zum Erwerb und zur Aufrechterhaltung des Besitzes und von weltlichen Gütern, die als artha (Gewinn) dem dharma und kama übergeordnet sind.

Ein Ausgleich dieser verschiedenen Positionen wird nicht wirklich vorgenommen, sondern die verschiedenen Auffassungen sind nebeneinander gestellt und jedem ist aufgetragen, auf Grund seiner Wiedergeburt die ihm zukommenden Aufgaben und Pflichten zu erfüllen. Wenn man sich klar macht, daß Religionen weder rational noch widerspruchsfrei sein müssen - eine spezifisch christliche Vorstellung und eine Grundlage der Theologie -, so darf man sich nicht über die verschiedenen Positionen im Hinduismus wundern. Der Hinduismus hat keine in sich vereinheitlichte Lehre hervorgebracht und gibt je nach Stand und Aufgaben verschiedene Antworten zu Gewalt und Krieg. Eine Rechtfertigung des Krieges braucht er nicht, da Krieg als zur Welt gehörig angesehen wird und der Kriegerkaste einen Weg zum Heil weist. Wundern sollte man sich eher darüber, daß im Westen vielfach die hinduistische Lehre einseitig rezipiert wurde und der Hinduismus fälschlich als besonders friedfertige Religion ausgegeben wird. Tatsächlich trifft das aber nur auf viele, nicht alle Asketen zu. Auf der anderen Seite wird man fragen dürfen, ob das indische Konzept der Gewaltlosigkeit ein Vorbild sein könnte. Ich habe daran erhebliche Zweifel, da Gewaltlosigkeit nur ein absolutes Gebot ist für die meisten Heiligen, Sadhus, Asketen, die durch ihre Entscheidung zur Askese auf die Welt und ihre Gestaltung Verzicht geleistet haben. Der Hinduismus sieht keine Verallgemeinerung dieser Lebensform vor. Der Versuch Gandhis, mit gewaltlosen Mitteln die Unabhängigkeit vom britischen Kolonialismus zu erringen, kann man als Erfolg ansehen, aber kaum war diese erreicht, konnte er und seine Politik nicht verhindern, daß bei der Teilung Indiens 1947 blutige Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen ausbrachen. 1948 wird Gandhi von einem Hindu-Fanatiker ermordet.“

 

Buddhismus

 

Die streng und absolut gesetzten Regeln des Buddhismus führen eigentlich bei konsequenter Einhaltung dazu, daß jede Gewaltanwendung und damit auch aller Krieg ausgeschlossen sein sollte, denn im Krieg wird getötet, Beute gemacht, also geraubt, vergewaltigt und die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges. Wenn man nun die Geschichte buddhistischer Gesellschaften und Staaten oder von Ländern, in denen der Buddhismus die herrschende Religion war und ist, sich auch nur oberflächlich ansieht, kann die Tatsache, daß diese immer wieder Krieg geführt haben, nur mit erheblicher Anstrengung übersehen werden. Die Kriege beginnen mit Kaiser Ashoka im 3. Jh. v., er hatte sein Reich wesentlich durch Kriege erweitert, auch wenn er später die dabei begangenen Tötungen bedauert und verwirft, und endet bei den Rechtfertigungen von Gewaltanwendungen im srilankischen Bürgerkrieg durch höchste buddhistische Würdenträger in den letzten Jahren. Die Mönchsarmeen in Japan, Korea und Tibet (Idab Idob) sind im Westen erst in den letzten Jahrzehnten im öffentlichen Bewußtsein wahrgenommen worden. Weitere Beispiele lassen sich ohne große Anstrengung zusammentragen: Die Beteiligung von buddhistischen Würdenträgern und buddhistischen Mönchen an Kriegen haben ein solches Ausmaß, daß sie nicht als zu vernachlässigende Ausnahmen abgetan werden konnten und einen Ausgleich zwischen Praxis und Lehre und der dabei entstehenden kognitiven Dissonanz erforderlich machten. Allein schon die Krieger benötigten eine Rechtfertigung, da sie ohne eine solche mit dem Widerspruch zwischen Lehre und ihrer blutigen Praxis kaum zu suffizientem Handeln fähig gewesen wären. Der Buddhismus war damit in eine ähnliche Situation gekommen wie das Christentum, als es unter Konstantin und seinen Nachfolgern zur politischen Macht kam und die Lehre des bellum iustum, des gerechten Krieges entwickelte. Wie sahen und sehen diese Rechtfertigungen im Buddhismus aus, welche Strategien von Argumentationen wurden und werden dafür beigebracht?

Lambert Schmithausen führt eine Lehrrede des Mahayana an, nach welcher ein „gerechter" König auf Angriffskriege, Todesstrafe und Verstümmelung zu verzichten hat, zugleich wird ihm das Recht zum Verteidigungskrieg zugestanden. In einer weiteren Lehrrede des Mahayana wird den Laien und dem König aufgetragen, „die buddhistische Lehre, vor allem das Mahayana, und die tugendhaften Mönche bei Bedarf auch mit Waffengewalt zu schützen". Zwar soll dabei niemand getötet werden, doch „werden solche Bedenken mit dem Hinweis abgetan, daß das Töten von icchantikas, d. h. von Personen (auch buddhistischen Mönchen!), die das Mahayana und seine Texte verwerfen und unheilsame Lehren verbreiten, weniger schlimm sei, als das Töten von Tieren; ja, genau genommen stelle es überhaupt keinen Verstoß gegen die Norm des Nichttötens dar, so wenig wie das Fällen von Bäumen, das Mähen von Gras oder das Zerschneiden einer Leiche". Neben der Verteidigung des Buddhismus wird auch das „Töten aus Mitleid" angeführt. Aus Mitleid darf getötet werden, wenn dadurch ein Angreifer an seinen selbstsüchtigen Verbrechen, die ihm schlimme karmische Folgen einbringen würden, gehindert wird. Töten dürfe man nur, wenn man „zugleich mit der Tötung auch die Erlösung des getöteten Lebewesens (gleichgültig, ob Dämon, Mensch oder Tier) ... bewirken (kann), zumindest aber eine günstige Wiedergeburt". Ferner führt Schmithausen an, „daß der in der esoterischen Praxis zur Vollendung Gelangte, der Siddha, über allen Gegensätzen und deshalb auch über Gut und Böse, Recht und Unrecht stehe, und selbst von normalerweise besonders unheilvollen Handlungen wie Töten nicht befleckt werde". Die Problematik dieser Argumentationen wird von Schmithausen herausgestellt, zumal er auch das Beispiel des tibetischen Lama Zhang Tshal-pa (12. Jh.) anführt, der sich dieses Recht herausnahm, um „auch seine politischen Ziele gegebenenfalls mit Gewalt, auch militärischer, durchzusetzen".

Christoph Kleine berichtet, daß spätestens seit dem 10. Jahrhundert alle großen klösterlichen Institutionen im japanischen Buddhismus Mönchsarmeen unterhalten haben. Zur Begründung wird von dem Abt Ryogen (912-985), der auf dem heiligen Berg Hiei eine Mönchsarmee einrichtete, angeführt, daß die Ländereien des Klosters vor Rebellen und Eindringlingen geschützt werden müßten und die wahre buddhistische Lehre in den Zeiten des Niedergangs vor falschen Ritualen und überspannten Praktiken anderer Orden zu bewahren sei. Für das Ausmaß der Militarisierung des Mönchsordens verweist er auf zwei der für die Mönche erlassenen Regeln, die das Verdecken des Gesichts mit weißen Tüchern und das Tragen von Waffen in den Tempelhallen und bei religiösen Zeremonien untersagen. Als Anlässe für einen Einsatz der Mönchskrieger führt Kleine an: gewaltsame Proteste gegen Regierungsentscheidungen, ordensinterne Konflikte, Kämpfe zwischen den konkurrierenden Orden um Landbesitz und Tempel, Angriffe auf „häretische" Gruppen und Auseinandersetzungen mit weltlichen Autoritäten um Landrechte. In dem für die Verhaltensnormen der Tendai Mönche autoritativen Bonmo kyo sind eine Reihe von Regeln aufgenommen, nach denen ein Schüler des Buddha keine Waffen aufbewahren soll, keine kriegerische Auseinandersetzung provozieren und Waffen verkaufen soll. Doch war gerade das Kloster Negoroji, Hauptsitz der Shingi-Shingon-Schule, im 16. Jahrhundert der Hauptproduzent von Feuerwaffen europäischer Machart.

Kleine stellt bei seiner Analyse der Texte vier Faktoren in Lehre und Praxis heraus, mit denen der Einsatz von Mönchskriegern vorbereitet und begründet wurde. Dabei möchte er es unentschieden lassen, ob bei diesen Änderungen die Lehre die Praxis oder die Praxis die Lehre bestimmt hat. Er sieht einen Grund für die Änderungen der Lehre darin, daß der Buddhismus bei seiner Ausbreitung „erhebliche Anpassungsleistungen" erbringen mußte, so daß auch die Ordensregeln mit den Gegebenheiten in Zentral- und Ostasien vereinbar gemacht werden mußten. Nun hatte bereits Buddha gelehrt, daß „Regeln von marginaler Bedeutung" entsprechend den Gegebenheiten modifiziert werden dürften, ohne daß er angegeben hat, welche Regeln von marginaler Bedeutung seien. Ich möchte diese Auffassung dahingehend ergänzen, daß nicht erst in Gestalt des Mahayana solche Anpassungen erforderlich wurden, sondern seit den Momenten, in denen sich der Buddhismus, d. h. seine Mönche und Nonnen aus der Waldabgeschiedenheit und der Abgeschlossenheit der Klöster gelöst hatte, sei es, um selber an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens mitzuwirken, sei es, daß er von Herrschern oder anderen gesellschaftlichen Gruppen zu dieser Aufgabe gedrängt oder genötigt wurde. Buddha hatte aus guten Gründen den Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben gepredigt, da die absolut gesetzten Regeln mit den Erfordernissen des Alltagslebens nicht, sondern - wenn überhaupt - nur in einer Waldeinsamkeit oder im Kloster verwirklicht werden können.

Kleine führt als Faktoren der Anpassung oder Änderung an: 1. eine Entwertung der Ordensregeln durch die Mahayana-Ethik, 2. die Theorie der Leerheit (des Ich) (shunyata, chin. Kong, jap. Ku), 3. den ethischen Relativismus der Tiantai-Philosophie und 4. die Theorie vom ursprünglichen Erwachtsein (jap. hongaku homon).

Die Lehre des Nicht-Ich oder der Leerheit des Ich besagt, daß das, was wir unser Ich, unsere Seele nennen, nicht existiert und die empirischen Personen kein Ich seien. Unser Ich sei vielmehr ein Erlebnisphänomen ohne Kern. „Sie ist leer". Kleine führt folgendes Zitat, in welchem diese Lehre auf die Frage des Tötens angewandt ist, an:

Also sind die fühlenden Wesen in Wirklichkeit nicht existent. Wenn nun die fühlenden Wesen nicht existent sind, gibt es auch nicht das Vergehen des Tötens. Wenn es das Vergehen des Tötens nicht gibt, dann gibt es auch keine Regel (gegen das Töten), die einzuhalten wäre. Wenn man fernerhin eingehend die fünf (das Dasein konstituierenden) Aggregate (Skt. skandha) betrachtet, so erkennt man, daß diese leer sind wie ein Traum oder wie das Bild, das man in einem Spiegel sieht. Wenn man etwas im Traum tötet oder ein Bild in einem Spiegel, dann ist dies kein Tötungsdelikt. Man tötet die leere Erscheinung der fünf Aggregate. Und genau so (das heißt leer wie Traum- oder Spiegelbilder) sind auch die fühlenden Wesen".

Kleine führt ein weiteres Zitat an, in dem diese Leerheitsdoktrin für einen König als Anweisung und Rat für sein Handeln dargelegt ist:

Großer König, höre wie ich nun erkläre, daß es in Wirklichkeit keinen Mord gibt. Angenommen, es gäbe ein substantielles Ich, dann gäbe es tatsächlich keinen Mord. Angenommen, es gäbe kein substantielles Ich, dann gäbe es ebenfalls keinen Mord. Warum ist das so? Wenn es ein substantielles Ich gäbe, dann wäre dies auf ewig unwandelbar, und da es für immer existieren würde, könnte es nicht getötet werden ... Wie sollte es da das Vergehen des Mordes geben? Angenommen, es gäbe kein substantielles Ich, dann impliziert dies, daß alle dharmas unbeständig sind, und da sie unbeständig sind, vergehen sie von einem Augenblick zum nächsten. Da sie von einem Augenblick zum nächsten vergehen, vergehen auch Mord und Tod von einem Augenblick zum nächsten. Wenn sie von einem Augenblick zum nächsten vergehen, wem soll dann das Vergehen (des Mordes) angelastet werden?"

Ein anderer Argumentationsstrang ist nach Kleine die „Doktrin vom ursprünglichen Erwachtsein" (hongaku homon). Diese knüpft an ältere Mahayana-Überlegungen bereits noch aus Indien an. Diese geht von einer jedem Menschen innewohnenden Buddha-Natur aus. Deshalb seien im Grunde alle Wesen bereits erlöst. Alle „Dinge sind von Urbeginn an erloschen (adiparinirvrta)." „Erlösung ist Erlöstheit". Sie sei eine immerwährende Tatsache, aber von den Menschen vergessen und sei durch Einsicht (oder meditative Praxis, wie je nach Schulrichtung zu ergänzen ist) wieder zu entdecken. Ein Streben nach einer besseren Existenz sei deshalb letztlich überflüssig. In dieser Theorie würden keine Unterschiede als wirklich anerkannt und alle Probleme auf ein „Wahrnehmungsproblem verblendeter Wesen reduziert". Daraus folge, „alle erdenklichen Verhaltensweisen zu legitimieren", also auch, was Kleine anführt, Töten im Krieg. Die kanonische Literatur des Mahayana enthalte darüber hinaus den unverblümten Aufruf zur Gewalt gegen Feinde des Buddhismus. Das Mahaparinirvanasutra erklärt es zur Pflicht eines buddhistischen Laien, „die Mönche auch mit Waffengewalt zu schützen". Die Tötung eines unverbesserlichen Ungläubigen (icchantika) sei keinesfalls als Mord zu betrachten, vielmehr wird betont: „Sohn aus guter Familie, wenn jemand einen icchantika tötet, so fällt dies nicht unter eine der drei Kategorien des Mordes. Sohn aus guter Familie, all diese Brahmanen usw. sind sämtlich icchantikas. Genauso wie man nicht dafür büßen muß, wenn man den Boden aufgräbt, Gras mäht, Bäume fällt und Leichname in Stücke schneidet, beschimpft und schlägt, so muß man auch nicht dafür büßen, wenn man die Brahmanen oder andere ungläubige Wesen tötet. So tötet man zwar, aber man stürzt dafür nicht in die Hölle".

Ein weiterer Topos, mit dem das absolute Tötungsverbot relativiert wurde, ist das Töten aus Mitleid, das schon in frühen indischen Texten auftritt. Einem Bodhisattva sei es erlaubt, einen Menschen zu töten, der fühlende Wesen ermorden oder einen Mönch oder einen Bodhisattva verletzen will. Um diesem potentiellen Mörder und Übeltäter vor den Höllenstrafen und einer schlechten Wiedergeburt zu bewahren, wurde seine Tötung als „mitleidiger" Akt angesehen. „Die Tötungshandlung zieht in diesem Fall also keine negativen karmischen Konsequenzen nach sich, sondern bringt großes Verdienst". Allerdings wird von dem Bodhisattva eine „neutrale Geisteshaltung" verlangt, er darf es nur mit guten Absichten und ohne Affekte ausführen. Kleine führt weiter aus, daß die mahayanistische Regelauffassung dadurch noch weiter „flexibilisier" wurde, daß selbst „unbestreitbare Sünden ... durch eine erneute Bodhisattva-Weihe zu tilgen" seien. „Nach jedem Empfang der Bodhisattva-Regeln galt man wieder als rituell gereinigt. Dies führte im japanischen Mittelalter unter den Angehörigen des Kaiserhauses und des Hochadels zu einem regelmäßigen Empfang der Bodhisattva-Regeln als eine der wichtigsten religiösen Praktiken. Der berühmte japanische Tendai-Denker Annen (841-889?) führt in seinem Verständnis der Regeln an, daß ein Angehöriger der Tendai-Esoterik jederzeit die Vorschriften des Hinayana und des Mahayana brechen könne, „solange er (1) sich nicht vom wahren Dharma abwendet, (2) nicht das Streben nach Erleuchtung aufgibt, (3) sich nicht weigert, ernsthaft Interessierten die buddhistische Lehre darzulegen und (4) den Lebewesen dient."“

 

Identität

 

Die Unterscheidung in „wir"- und „andere"-Gruppen, zwischen denen Konflikte auch mit physischer Gewalt ausgetragen werden, bilden in den letzten fünfzig Jahren die Basis für den größten Anteil von gewaltsam mit Waffen ausgetragenen Konflikten. Mir fällt fast nur der Falklandkrieg zwischen England und Argentinien und der Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak ein, der regulär zwischen zwei Staaten ausgetragen wurde. Und gerade in allen anderen spielen Religionen eine große Rolle. An der Religionszugehörigkeit verlaufen im früheren Jugoslawien, in Indien, zwischen Indien und Pakistan, in Palästina, im Sudan, in Tschetschenien die Grenzen zwischen den kriegführenden Parteien. Die Religionszugehörigkeit, eventuell sogar der Großeltern, bildet das entscheidende Merkmal der Gruppierung der Menschen in Freund und Feind. Religionen spielen mithin für die heutigen asymmetrischen Kriege eine entscheidende Rolle.“

Religionen tragen zur kulturellen Identität von Menschen bei, ebenso von Völkern und Staaten, Familien und Gemeinschaften. Diese kulturelle Identität wird heute vielfach besonders hervorgehoben, ohne daß alle damit verbundenen Konsequenzen eines Begriffs der kulturellen Identität deutlich sind. Identität bildet sich und wird vielfach aufrechterhalten durch Abgrenzen und Abgegrenzt-Werden von anderen und gegen andere. Identität hat zum Inhalt das, was man zu verteidigen bereit ist, wie es einmal der Pädagoge Thomas Flügge formuliert hat. Ohne Zweifel gibt es dabei Abstufungen und Abwägungen. An erster Stelle steht, wie Spinoza formuliert hat, die Selbst-Erhaltung: „Connatus sese co,nservandi primum et unicum virtutis est fundamentum". Aber man kann auch Fälle beibringen, wo Menschen lieber auf das Leben verzichten, als ihre religiösen, ethischen oder politischen Positionen aufzugeben oder gar ihr Leben einsetzen. Abwehr von Eingriffen in die Unversehrtheit des Körpers folgt aus dem Selbsterhaltungsprinzip. Aber es gibt Menschen, die um ihrer Identität willen sich beschneiden oder andere körperliche Alterationen vornehmen lassen. Einen Blinddarm lassen sich die meisten Menschen heute herausnehmen, ohne daß sie dadurch ihre Identität tangiert sehen. Mit Bluttransfusionen sieht es schon anders aus, ebenso mit einer Sterilisation. Ein Raucherbein lassen sich die meisten Menschen nur amputieren in der Erwartung, damit das Leben zu retten. Die Abgrenzungen und die Verteidigung des eigenen Lebens hat Menschen immer wieder dazu gebracht, ihr Eigentum und was alles sonst sie ihr eigen nennen und als solches betrachten, auch mit dem Einsatz ihres Lebens zu schützen. Zum Leben gehört eben nicht nur die Aufrechterhaltung des Lebens, sondern ebenso die Art und Weise, wie man lebt. Und genau diese Vorstellungen des Lebens werden oder wurden wesentlich durch und in den Religionen formuliert. Religionen geben Antwort auf die Fragen, was darf ich tun, was nicht, was kann ich hoffen, wie soll ich leben. (Ich betone, daß das keine Definition von Religion ist. Antworten auf diese Fragen geben auch die Kunst, die Wissenschaften, die Unterhaltung und viele stellen sich diese Fragen überhaupt nicht.) Insoweit haben Religionen einen wesentlichen Anteil an der Bestimmung der kulturellen Identität und damit dessen, was im Zweifelsfall auch durch Krieg verteidigt wird.“

Identität bildet sich oder wird gebildet durch die Abgrenzung von Innen und Außen. Was innen und was außen ist, ist dabei nicht immer eindeutig, und wenn es um die Identität von sozialen Gemeinschaften geht, gibt es Abstufungen von Innen und Außen und dies wird je nach Situation verschieden bestimmt, z. B. alle Studenten im Gegensatz zu allen Beamten bis hin zu alle Europäer der EU im Gegensatz zu den Bewohnern Asiens und Afrikas. Jeder Mensch hat an verschiedenen Gemeinschaftsbildungen und sozialen Identitäten Anteil und muß zwischen diesen verschiedenen Identitäten als Berufstätiger und Familienmitglied, Protestant, Katholik, Atheist, Konfessionsloser und Staatsbürger, Sportvereinsmitglied und Lesezirkelmitglied usw. ständig vermitteln und eine Balance finden. Es entstehen durch die sozialen Prozesse ständig „Wir-Gruppen" und „andere Gruppen", zwischen denen Konflikte auftreten können, die nicht nur in der vergangenen Geschichte auch gewaltsam und ggf. durch Krieg ausgetragen wurden. Religionen aber spielen für die Gruppenbildungen, die Unterscheidung in Innen und Außen, in „wir" und die „anderen" eine herausragende Rolle, bis hin zur Unterscheidung, daß alle Anhänger einer bestimmten Lehre und eines bestimmten Kultus erlöst und alle anderen verworfen sind vor Gott.

Verschärft wird die durch die Religionen produzierte Gruppenbildung noch durch den Absolutheitsanspruch, der mit dem Gott und den Göttern und religiösen Lehren verbunden wird. Zwischen solchen kann es keine Kompromisse geben, da diese den eigenen Anspruch herabsetzen würden. Religionen sind, jedenfalls waren in ihrem Kern nicht kompromißfähig. Die den indischen Religionen und dem Buddhismus häufig zugeschriebene Toleranz war und ist ein Wunschbild. Aber dazu auch später. Vielen religiösen Gruppenbildungen wohnt deshalb eine Tendenz zur Intoleranz ein.“

Daß Religionen bei der Bestimmung und Selbstbestimmung der kulturellen Identität eine große Rolle spielen, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Religionen bringen - sicherlich nicht allein - die Gruppenbildungen zustande, die als Gemeinschaften gegen andere auch gewaltsam vorgehen. Man kann oder konnte es in Nordirland zwischen Protestanten und Katholiken, in Indien zwischen Hindus und Muslimen und gegen Christen, in Jugoslawien zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen, im Libanon zwischen Christen und Muslimen, in Mesopotamien zwischen Schiiten und Sunniten und gegen die Christen tagtäglich beobachten. In allen genannten Beispielen produzieren Religionen - oder tragen dazu bei - die Gruppen, die gewaltsam aufeinanderschlagen. Auch das westliche Christentum war bis zum Westfälischen Frieden durch religiös begründete und interpretierte Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen geprägt. Wenn die anderen nicht nur als anders, sondern auch als Feind angesehen werden, den man vielleicht auch noch zu fürchten hat, dann ist eine gewaltsame Auseinandersetzung ideologisch und geistig bereits vorbereitet und in Gang gesetzt. Religionen tragen zur kulturellen Identität bei oder haben sie sogar über lange Zeiten der Geschichte konstituiert, so daß jeder andere von ihrem Himmelreich und ihren Erwartungen ausgeschlossen ist und, wenn sie unter Druck geraten, der andere zum Feind erklärt werden kann.

Alle diese Religionsparteien verkünden: Du sollst nicht töten und nicht stehlen und legitimieren doch zugleich, daß im Krieg und Bürgerkrieg getötet und geplündert wird. Nach Innen verkünden alle, ich sollte vorsichtiger sein und sagen: die meisten Religionen, Frieden, ob sie ihn auch nach außen in gleicher Weise vertreten, ist zweifelhaft. Es ist doch sehr fraglich, ob ohne religiöse Motivierung und Legitimierung des Tötens sich Völker und nicht nur Söldner zu anhaltenden Kriegen bewegen lassen. Sicher gibt es zahlreiche andere Gründe für Krieg und Bürgerkrieg und die sollen auf keinen Fall geleugnet werden, aber ich halte nichts von solchen Versuchen, den 30jährigen Krieg auf eine Verschiebung im Wollwebergewerbe zurückzuführen (Kautzki) und die religiösen Gründe nur als vorgeschobene Propaganda zu bewerten. Im Gegenteil, über Äußeres wie Reichtum, der ja teilbar ist, kann man Kompromisse erzielen, über Absolutes ist das wesentlich schwerer oder unmöglich. Nur durch eine politische Neutralisierung der Religion konnte bisher ein Friede zwischen den verschiedenen religiösen Auffassungen des Absoluten hergestellt werden. Ob es andere Modelle geben kann, möchte ich nicht entscheiden. Bisher haben sich solche als wenig tragfähig erwiesen. Unterschiede in der Auffassung der Wege zum ewigen Seelenheil lassen sich schwer durch Kompromisse ausgleichen. Die Gründe für den Ausbruch von Gewalt dürften vielfältig sein und ein bisweilen unentwirrbares Geflecht bilden. Religionen aber, die eine moralische Instanz zu sein beanspruchen, sehen sich auch in der Position, die moralischen Normen auszusetzen und das Überschreiten der im Innenverhältnis gültigen Regeln selbst noch in einen moralischen Akt zu verwandeln.

Die Götter, das Absolute müssen geglaubt werden, sie sind kein Objekt einer überprüfbaren Erfahrung. Viele Menschen bedürfen für ihren Glauben - anders als bei z. B. Zahnschmerzen - einer sozialen Bestätigung. Der Andersgläubige, Atheist, Ungläubige und Spötter verweigert eine solche Bestätigung. Auch die Nichtbeteiligung oder gar Mißachtung des gemeinsamen religiösen Kultus wird - wie im römischen Reich der Kaiserkult - als Bedrohung der eigenen Weltordnung und Moralität angesehen. Sie verweigert die soziale Bestätigung und schließt sich damit aus der moralischen Gemeinschaft aus oder wird ausgeschlossen. Sie wird deshalb im Zweifelsfall mit gewaltsamen Mitteln bekämpft. Zur Verteidigung ihres Glaubens und ihrer Kulte sahen und sehen sich Religionen noch immer berechtigt, auch zu gewaltsamen Mitteln, zu Krieg und Bürgerkrieg und Terrorismus zu greifen. Die Lehre des compelle intrare von Augustinus ist dafür ein folgenreiches Exempel. Deshalb produzieren Religionen immer wieder Gewalt und Krieg. Sicher nicht immer, in vielen Situationen haben sie sich vielleicht sogar lachend und spöttisch über Unglauben erhoben und eine Ahndung der Mißachtung Gottes und des Absoluten diesem selber überlassen. „Mein ist die Rache, spricht der Herr", lautet es in der Griechischen Bibel. Aber allzuoft haben die Amtsträger der Religionen gemeint, der göttlichen Rache nachhelfen zu müssen.“

 

Ideologisch oder religiös begründete Kriege

 

In den letzten Jahrzehnten scheint diese Auffassung, daß nur Staaten Krieg führen, zum Problem geworden zu sein, wie Herfried Münkler dargelegt hat. Er zeigt in seinem Buch „Die neuen Kriege", daß diese Auffassung von Krieg fraglich geworden zu sein scheint und nun auch wieder einzelne soziale, religiöse, ethnische usw. Gruppierungen meinen, Krieg führen zu können und zu dürfen. Dafür wird fast immer der Topos der Verteidigung geltend gemacht. Vielleicht muß man aber auch davon sprechen, daß diese Formen der Kriegführung - insbesondere außerhalb Europas - nicht wirklich aufgehoben waren, sondern lange Zeit nur nicht wahrgenommen wurden.

In Bürgerkriegen haben nun Religionen eine große Rolle gespielt, wie in anderen Kriegen in unterschiedlicher Form, wie es die Darstellung verschiedener Religionen gezeigt hat, auch. Im 30jährigen Krieg traten zunächst Protestanten und Katholiken gegeneinander an und führten Krieg, der dann im weiteren auf andere europäische Staaten ausgeweitet wurde. In Jugoslawien vor kurzem zwischen Orthodoxen, Katholiken und Muslimen, in Nordirland zwischen Katholiken und Protestanten, in Indien zwischen Hindus und Muslimen, im Libanon zwischen Muslimen und verschiedenen orientalischen Christen, um mir diese aktuellen Beispiele zu nennen, stellen die Religionen eine, ich betone eine, denn es gibt auch andere, Scheidelinie der kriegführenden Parteien dar. Religionen, religiöse Lehren und Kulte sind - ausweislich der geschichtlichen Ereignisse - fähig, die Menschen zu Handlungen zu bringen und sie in Gruppen zu organisieren, die bereit sind, „Krieg zu führen und damit offen über das Leben von Menschen zu verfügen. Denn das jus belli enthält eine solche Verfügung; es bedeutet die doppelte Möglichkeit: von Angehörigen des eigenen Volkes Todesbereitschaft und Tötungsbereitschaft zu verlangen, und auf der Feindesseite stehende Menschen zu töten". H. Münkler schreibt: „Selbst wo das Zusammenleben in multikulturellen, multiethnischen Gemeinschaften über Jahrzehnte reibungslos funktioniert hat, wie etwa in Bosnien, werden ethnische und religiöse Trennlinien mit Ausbruch offener Gewaltanwendung zu Bruchstellen der Freund-Feind-Erklärung." Er fährt dann freilich nicht ganz schlüssig fort: „Kurz, ethnische wie religiöse Gegensätze sind meist nicht die Ursache eines Konfliktes, sondern sie verstärken ihn nur".“

Während im 19. Jahrhundert und auch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die meisten gewalttätigen Gruppen und Bewegungen ihre Aktionen politisch als Befreiungskampf von Fremdherrschaft oder zur Beseitigung einer korrupten Herrschaft oder zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit ansahen und begründeten und kaum religiöse Begründungen angeführt wurden, hat sich das seit den 90er Jahren deutlich verschoben. Die ideellen Grundlagen von revolutionären Bewegungen basierten auf den Prinzipien der Französischen Revolution und später der Menschenrechtserklärung der UN. Seit etwa vierzig Jahren wird von solchen Bewegungen auch ihre eigene religiöse Tradition angeführt.

Bruce Hoffmann zählt von den 49 international identifizierbaren terroristischen Gruppen 1994 ein Drittel zu den religiösen, 2004 waren es 42% (52 Organisationen), während von ihm 32 Organisationen einem linksgerichteten Spektrum (28%) und 24 als ethnisch-nationalistische bzw. separatistische Gruppen eingestuft werden. Zu einer ähnlichen Beurteilung kommt auch Louise Richardson in ihrer Tabelle von terroristischen Organisationen. Sie verweist darauf, daß 1968 keine der damals als terroristisch angesehenen Gruppen „irgendeine Art religiöser Bindung" hatten, 2004 hätten nach den Listen des US-Innenministeriums 40 von 77 eine Mischung aus religiösen und politischen Motiven zur Grundlage. Da die religiösen Grenzen nicht mit den politisch-staatlichen Grenzen übereinstimmen, träten diese Gruppen auch transnational auf und operierten über die Grenzen hinweg. Gruppen mit einer religiösen Motivation würden sich „weniger Zurückhaltung" in der Anwendung von Gewalt auflegen. Im Blick auf die Motive und Begründungen muß deshalb ohne Zweifel von religiösen Gewaltakteuren gesprochen werden, auf jeden Fall ist in den letzten Jahrzehnten zu beobachten, daß Religion auch für Gewaltraten eine zunehmende Rolle spielt. Natürlich dürfte in ethnisch-nationalistischen, separatistischen und sozial-revolutionären Gruppen Religion auch früher schon eine Rolle gespielt haben, zumal ja häufig ethnische Grenzen und Gemeinschaftsbildungen mit religiösen einhergehen. Durch die religiösen Begründungen ist aber auf jeden Fall eine Verschärfung und Entgrenzung der Gewalt eingetreten. Da in den Religionen die Regeln des zwischenmenschlichen Handelns auf ihren Gott zurückgeführt werden, ist dieser auch die Instanz, die angeführt wird, um diese Regeln in einzelnen Situationen außer Kraft zu setzen. Und so meinen dann solche religiösen Gruppen, ihre gewalttätigen Aktionen religiös legitimieren zu können.

Nun wird man solche Personen und Gruppen daran kaum hindern können, aber die jeweiligen Religionsgemeinschaften und die Weltöffentlichkeit kann ihnen die Unterstützung, sei es durch Propaganda, sei es durch Geld und andere Hilfen, entziehen. Ein Mord wird nicht dadurch legitim und legitimiert, daß er religiös begründet wird. Ich kenne keine Religion, in der Mord als legitim angesehen wird. Da in Religionen zumal mit einer langen Geschichte Rechtfertigungen von Gewalt und Krieg aufzuweisen sind, gelingt es solchen Gruppen meist ohne Schwierigkeiten, religiöse Deutungen und Vorgaben für Gewaltanwendungen zu finden. Keine Religion war und ist konsequent in der Verurteilung von Krieg gewesen. Es ist deshalb eine Aufgabe der Religionen, ihrer Anhänger und ihrer Amtsträger, entschieden und bestimmt solche Positionen und Interpretationen zu kritisieren und jede Inanspruchnahme ihrer Religion für terroristische Aktionen zurückzuweisen und damit solchen Gruppen jede religiöse Rechtfertigung und Begründung zu nehmen. Da alle Religionen Antwort auf die Frage geben, was darf ich tun und was nicht, und in Anspruch nehmen, eine moralische Instanz zu sein, wird man sie nicht aus dieser Aufgabe und ihrem eigenen Anspruch entlassen können.

Da es einigen religiösen Gruppen nicht gelungen ist, die Mehrheit und die Amtsträger für ihre Auffassung zu gewinnen, wenden sie sich zu Gewaltaktionen, um den Staat zu provozieren, moralisch zu delegitimieren und eine Polarisierung der Menschen zu erreichen. Terroristische Bewegungen ließen sich dann als Bewegungen auf dem Wege zum Bürgerkrieg und Krieg bestimmen, die einen solchen zum Ausbrechen bringen wollen. Dies konnte man bei einigen Bewegungen direkt beobachten, von den Tamil Tigers bis hin zu den Muslimbrüdern in verschiedenen arabischen Staaten, z. B. Libyen und jetzt Syrien.

In den letzten Jahren können wir beobachten, daß viele terroristische Bewegungen nicht die Kraft haben, die Menschen für einen offenen Bürgerkrieg zu mobilisieren - die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Vielmehr richten sie sich in einem Zwischenstadium ein und versuchen, diesen auf Dauer zu stellen. Auch stellen sie sich vielfach in den Dienst von sog. Gewaltmärkten. Für diese Entwicklung spielen dann politische oder religiöse Begründungen krimineller Handlungen eigentlich nur noch eine Propagandarolle. Es ist außerordentlich schwierig, Männer - denn in der Regel handelt es sich um Männer -, die gelernt haben, sich ihren Lebensunterhalt, ihr Selbstbewußtsein, ihre Befriedigungen durch Gewalt zu verschaffen, zu einer geregelten friedlichen Arbeit zurückzubringen, zumal in den Medien vielfach das Bild von Männern herausgestellt wird, die Ruhm durch Gewalt erwerben, wie es in vergangenen Perioden der Geschichte als Vorbild in Erinnerungen überliefert und in der Literatur dargestellt wird. Größenwahn und Phantasien, einmal etwas Wichtiges für eine „gerechte Sache" geleistet zu haben und einem als hoffnungslos aufgefaßten Alltag zu entkommen, mögen noch hinzutreten. Eine Psychogenese der individuellen Konversion zur Gewalt freilich will und kann ich nicht geben, sie bliebe - angesichts der bisherigen Forschungslage - eine Konstruktion, die vielleicht ein Erklärungsbedürfnis befriedigt, aber zweifelhaft bleibt. Sowohl die materielle als auch psychische Situation und die Konfliktlagen eines Menschen in Afghanistan und auf Sri Lanka, um nur diese Beispiele anzuführen, und Migranten in zweiter Generation in Europa und den USA sowie von westlichen Konvertiten sehen zu unterschiedlich aus. Fast alle, wenn nicht sogar alle solche Bewegungen und Gruppen, die Terroraktionen einsetzen, werden von Intellektuellen, jedenfalls Personen mit einem höheren Schulabschluß, häufig sogar mit einem Universitätsexamen angeführt. Die Armen und sozial Zurückgesetzen spielen in der Regel nur eine untergeordnete Rolle. Das war auch bereits in den terroristischen Gruppen im 19. Jahrhundert der Fall. Man erhält den Eindruck, daß diese Personen nicht in eine ihrer Bildung und Ausbildung entsprechende oder von ihnen erwartete berufliche Tätigkeit gelangt sind und es ihnen nicht gelingt, das Mißverhältnis zwischen ihren Erwartungen und Hoffnungen und ihrer sozialen Wirklichkeit auszuhalten und dann im Heldentum und Heroismus einen Ausweg suchen. Für eine wirkungsvolle Intervention und zugleich für einen Frieden wären bessere Kenntnisse der Konversion zur Gewalt von größter Wichtigkeit.“ Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/116-amok.html

Nun haben offensichtlich, wie die Geschichte zeigt, Religionen die Kraft, die Menschen nach Freund und Feind zu gruppieren. Ich möchte nicht behaupten, daß die Religionen dabei das einzige sind. Religiöse Positionen gehen bei solchen Gruppierungen der Menschen sicherlich viele Verbindungen mit anderen Fragen, z. B. wirtschaftlichen, ethnischen, territorialen usw. ein. Aber alle Religionen unterscheiden die Menschen in Anhänger und Nichtanhänger: eben die Anderen. Religionen bilden, wie E. Durkheird schrieb, solidarische und moralische Gemeinschaften. Diese Gemeinschaft hat bisher offensichtlich ebenso wenig wie die Familie durchgreifend durch die solidarische und moralische Gemeinschaft des Rechts und, ich wage es kaum zu formulieren, eines zufriedenen und glücklichen Lebens abgelöst werden können. Es drängt sich der Eindruck auf, daß vor allem in Konfliktfällen auf die durch die Religion vermittelte moralische und solidarische Gemeinschaft zurückgegriffen wird und der Anhänger einer anderen Religion damit nicht nur zum anderen, sondern zugleich außerhalb des Rechts gestellt wird. Er hat ja nicht Teil an der moralischen Solidarität und ist damit zum Feind erklärt. Die Familie spielt in diesem Zusammenhang eine doppelte Rolle, zum einen ist sie die erste solidarische Gemeinschaft und damit Vorbild der weiteren, auf die in Konfliktfällen immer zurückgegriffen wird, zum anderen zugleich die Instanz, in der Religion wesentlich vermittelt wird.“

Da das Absolutum, in monotheistischen Religionen der Gott, die moralischen Regeln, zu denen auch das Verbot des Tötens gehört, verkündet hat, diese jedenfalls auf ihn zurückgeführt werden und er bzw. es als Garant der Einhaltung dieser Regeln angesehen wird, ist dieser Gott auch derjenige, der ein Tötungsverbot in Ausnahmesituationen dispensieren kann. In manchen Religionen sind solche Ausnahmen in einem besonderen Kriegsrecht von vorneherein vorgesehen; in anderen wird eine entsprechende Lehre - vielleicht nach Widerständen - entwickelt. Religionen können so leicht zum Agenten einer Relativierung oder Herabsetzung der gegebenen oder kulturell erworbenen Tötungshemmung dienen oder herangezogen werden. In Bürgerkriegen, in denen Mitglieder einer Kultur, Verwandte und Bekannte, Nachbarn gegeneinanderstehen, bedarf es in der Regel einer besonderen Herabsetzung der Tötungshemmung und diese ist, so scheint mir jedenfalls, durch Verweis auf das ewige Seelenheil oder wie immer die Versprechungen einer Religion lauten mögen, oder gar den Willen Gottes, wie Bush es formuliert hatte (9.1.1991) - ich bin vorsichtig und sage - erleichtert.

Religiöse Begründungen sind in Kriegen und Bürgerkriegen geeignet, die Konflikte zu verschärfen, da es um ein Absolutes geht, das aus sich selbst heraus keine Kompromisse erlaubt. Es geht um die „seinsmäßige Negierung des anderen", wie C. Schmitt schreibt. Damit entfallen leicht die von v. Clausewitz angeführten Mäßigungen, die auch im Blick auf das Danach wirksam werden. Die mühsam aufgerichteten Schranken der Gewalt auch im Kriege, die immer prekär waren, fallen und es werden alle Gewaltaktionen, mit denen man den Feind/Gegner schädigen und besiegen kann, eingesetzt. Solche Gewalthandlungen werden in den letzten Jahrzehnten Terrorismus genannt.“

Nach Schmitt sind ideologische oder religiös begründete Kriege „besonders intensive und unmenschliche Kriege, weil sie, über das Politische hinausgehend, den Feind gleichzeitig in moralischen und anderen Kategorien herabsetzen und zum unmenschlichen Scheusal machen müssen, das nicht nur abgewehrt, sondern definitiv vernichtet werden muß, also nicht mehr nur ein in seine Grenzen zurückzuweisender Feind ist".“

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm