Zwang zur Schönheit

Letzte Woche starb Carrie Fisher.

Über sie gibt es zu sagen, dass sie Tochter berühmter Eltern war, offen mit ihren Süchten und psychischen Krankheiten umgegangen ist und als Schauspielerin eine berühmte Rolle hatte.

"Wer ist sie? Sie ist wunderschön."

So wurde die 20jährige Carrie Fisher als Prinzessin Leia in „Krieg der Sterne“ eingeführt.

In „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ wurde die 59jährige für ihr Aussehen beschimpft.

 

Carrie Fisher

 

Aus „Wikipedia“: „Fisher war die Tochter des Sängers Eddie Fisher und der Schauspielerin Debbie Reynolds. Als sie zwei Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden und ihr Vater heiratete kurz danach Elizabeth Taylor. Ihr Bruder ist Todd Fisher, ihre Halbschwestern sind die Schauspielerinnen Joely Fisher und Tricia Leigh Fisher, deren Mutter die Schauspielerin Connie Stevens ist. Carrie Fisher besuchte die Beverly Hills High School und später die Central School of Speech and Drama in London.

Ihren ersten Filmauftritt hatte sie 1975 in Shampoo. 1977 spielte sie erstmals Prinzessin Leia in der Star-Wars-Trilogie. 1980 wirkte sie in der Rolle der Attentäterin im Film Blues Brothers mit. 1987 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Postcards From the Edge (dt. Titel Grüße aus Hollywood), der autobiografische Elemente enthält; die Hauptperson des Romans durchlebt mit ihrer Drogenabhängigkeit und mit ihrer Mutter ähnliche Probleme wie Fisher selbst. 1989 wurde der Roman mit Meryl Streep, Shirley MacLaine und Dennis Quaid unter dem Buchtitel verfilmt. 1995 hatte Fisher einen Gastauftritt in der Fernsehserie Ellen, in der ihre Halbschwester Joely Fisher ab der zweiten Staffel eine Hauptrolle spielte. Aus ihrer Lebensgeschichte machte Fisher die One-Woman-Show Wishful Drinking, die erfolgreich am Broadway lief. Die Show war die Grundlage für ihr gleichnamiges und von ihr auch als Hörbuch eingelesenes Buch, das 2008 erschien. Darin beschrieb Fisher auch ihre bipolare Störung.

Neben ihrer Tätigkeit als Schauspielerin arbeitete Fisher auch viele Jahre als Script Doctor und überarbeitete Dialogzeilen in Drehbüchern, wobei ihr Name im Abspann der jeweiligen Filme nicht genannt wurde. Unter anderem war sie an den Drehbüchern zu den Filmen Sister Act – Eine himmlische Karriere, Hook und Lethal Weapon 3 beteiligt.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Carrie_Fisher

 

Mut für kranke Menschen

 

„"Ich bin psychisch krank. So viel kann ich sagen. Ich schäme mich nicht dafür. Ich habe das überlebt, ich überlebe es weiter", sagte Carrie Fisher in einem Interview mit dem "People"-Magazin im Jahr 2013. Die als Prinzessin Leia bekannt gewordene Schauspielerin litt an einer bipolaren Störung, mit der sie bemerkenswert offen umging. Sie informierte die Öffentlichkeit, als sei sie auf einer Mission, schreibt das Magazin "Slate" in einer Würdigung.

Fisher hatte bereits 1987 in ihrem semiautobiografischen Buch "Postcards from the Edge" von ihrer Drogensucht und ihrem schwierigen Verhältnis zu ihrer Mutter berichtet. 2008 machte sie erstmals ihre psychische Erkrankung und Medikamentenabhängigkeit in ihrem humoristischen Buch "Wishful Drinking" öffentlich, das auch als Theaterstück inszeniert wurde.

Eine bipolare Störung ist eine Erkrankung, die zu den manisch-depressiven Krankheiten zählt. Betroffene leiden an übersteigerten Stimmungsschwankungen: In manischen Phasen schüttet der Körper euphorisch machende Botenstoffe aus, Betroffene fühlen sich wie unter Drogen, voller Tatendrang. Die Kehrseite sind lange Phasen der Depression, geprägt von Ängsten, Schuldgefühlen, Antriebslosigkeit.

Carrie Fisher arbeitete zeitlebens daran, sich mit ihrer Erkrankung zu arrangieren. Als Opfer betrachtete sie sich jedoch nicht, berichtete sehr offen über ihren Zustand und dürfte damit auch vielen anderen Betroffenen Mut gemacht haben. "Ich habe ein chemisches Ungleichgewicht, das mich in seiner extremen Ausprägung in die Klinik bringen kann", sagte sie im Jahr 2013 dem "People"-Magazin.

Das Wichtigste sei zu akzeptieren, dass man Hilfe brauche. Fisher unterzog sich auch einer Elektroschocktherapie, die bei besonders schweren Depressionen eingesetzt wird, und versuchte, dieser als zwar sehr wirksamen, aber als grausam stigmatisierten Therapieform zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.

Von der ersten Episode bis zu einer angemessenen Behandlung vergehen bei der Krankheit im Durchschnitt fünf bis zehn Jahre. Vor allem euphorische Phasen sind häufig nicht so stark ausgeprägt, dass sie auffallen. Viele der Betroffenen gehen erst in schwermütigen Zeiten zum Arzt. Zwischen den Episoden liegen oft Jahre, mit der Zeit verkürzen sich aber die Abstände zwischen den Krankheitsschüben, das Auf und Ab setzt vielen zu.

Für die Krankheit kann es auch eine genetische Disposition geben. Carrie Fisher sprach öffentlich über ihre Familiengeschichte und vermutete, dass ihr Vater ebenfalls an einer bipolaren Störung erkrankt war, die nie diagnostiziert wurde. Fisher erlebte eine wilde Kindheit, der Vater verließ die Familie früh, auch die Mutter, Hollywoodschauspielerin Debbie Reynolds, war oft abwesend. Als Teenager begann Fisher LSD zu nehmen, teilweise gemeinsam mit ihrem Vater. Später litt sie an Alkohol- und Kokainsucht.

Fishers bipolare Störung wurde im Alter von 24 Jahren festgestellt, doch sie habe noch mehrere Jahre gebraucht, bis sie die Diagnose habe akzeptieren und sich in Behandlung begeben konnte, sagte die Schauspielerin. Für den britischen "Guardian" schrieb Carrie Fisher bis zu ihrem Tod die Ratgeberkolumne "Advice from the dark side", dort beantwortete sie Leserfragen.

"Ich habe ebenfalls eine bipolare Störung und bewundere, wie offen Sie über Ihre psychische Gesundheit sprechen. Durch Sie fühlen sich Menschen wie ich weniger allein", schrieb eine Leserin im November.

"Wir haben eine herausfordernde Krankheit, und es gibt keinen anderen Weg, als uns dieser Herausforderung zu stellen", schrieb Fisher in ihrer letzten Kolumne. "Versuche, es als eine Möglichkeit zu sehen, heldenhaft zu sein, ein Überlebender. Ein Vorbild für solche, die ebenfalls unsere Störung haben. Deshalb ist es wichtig, eine - egal wie kleine - Gemeinschaft mit anderen zu bilden, um unsere Erfahrungen auszutauschen und uns Mut zu geben ... Als deine bipolare Schwester werde ich zuschauen. Nun gehe hinaus und zeige mir, was du kannst."

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/bipolare-stoerung-wie-carrie-fisher-mit-ihrer-psyche-kaempfte-a-1127744.html

 

Das Erwachen der Macht

 

„Doch sie kam irgendwie wieder in die Spur, und mit dem neuen „Star Was“-Film „Das Erwachen der Macht“ feiert sie jetzt ein glamouröses Comeback. Doch auch das hat für sie eine bittersüße Komponente. Sie musste für den Film 16 Kilo abnehmen, was sie im Interview mit dem Magazin „Good Housekeeping“ extrem kritisiert. „Ich bin in einem Geschäft, wo nur Gewicht und Aussehen zählen. Das ist so daneben.“

Auch mit dem Altern hat sie große Probleme. „Ich sehe meinem Alter entsprechend aus. Leider will ich nicht meinem Alter entsprechend aussehen. Ich würde alles dafür tun - außer mich einer Operation zu unterziehen und dann wie ein Fisch mit Kiemen auszusehen.“ Zumindest ihren Humor hat Prinzessin Leia nie verloren.“

http://www.bunte.de/film/carrie-fisher-59-prinzessin-leias-schwerer-kampf-gegen-die-sucht-211891.html

„Wie gut sich Fisher mit ihrem Leben jenseits von Hollywood arrangiert hatte, konnte man schließlich sehen, als sie auf Promo-Tour für "Star Wars: Das Erwachen der Macht" ging. Mit grauem Haar und abgedunkelter Brille, in unglamouröser Strickware und manchmal auch mit einem Hund an ihrer Seite zeigte sie sich auf den roten Teppichen rund um die Welt - nicht wie jemand, der auf alle Fachkräfte Hollywoods hätte zurückgreifen können, um sich jugendliche Haarfarbe, straffe Gesichtszüge und schmeichelhafte Designerkleidung beschaffen zu lassen. Sondern wie jemand, der mit sich, seinem Alter und seinem Körper zufrieden ist.“

http://www.spiegel.de/kultur/kino/carrie-fisher-nachruf-auf-eine-prinzessin-und-rebellin-a-1127697.html

„Viele kennen Carrie Fisher noch als junge Prinzessin Leia, doch die "Stars Wars"-Darstellerin ist inzwischen 30 Jahre älter. Auf Twitter wettert sie nun gegen Hasskommentatoren, die das meist nicht verstehen.

"Star Wars"-Darstellerin Carrie Fisher alias Prinzessin Leia ist seit den ersten Filmen vor mehr als 30 Jahren gealtert. So weit, so normal. Wären da nicht die zahlreichen gehässigen Kommentare, die auf die inzwischen 59-jährige Schauspielerin in den sozialen Medien einprasseln.

Nun hat sich Fisher, die im neuen, siebten "Star Wars"-Film als Generalin der Rebellen auftritt, gewehrt. Auf Twitter schrieb sie: "Bitte hört auf, darüber zu debattieren, ob ich gut gealtert bin." Die Diskussion darüber, wie sie gealtert sei, verletze ihre Gefühle.

Kurz darauf ergänzte Fisher: Schönheit und Jugend seien keine Leistung, die man selbst erbringt. "Sie sind das vorübergehende, glückliche Nebenprodukt von Zeit und DNA."

Mit was für herablassenden Kommentaren und Schmähungen sich Fisher herumschlagen muss, zeigen einige Tweets, die die Schauspielerin selbst weiterverbreitet hat: "Du bist nicht gut gealtert und du hast in 'Star Wars' versagt", schimpft ein Nutzer. "Ich will mein Geld zurück."

Einige ignorante Twitter-Nutzer vergleichen Fisher, die im Film 1983 als Leia noch halbnackt im metallenen sowie umstrittenen Bikini auftrat, auch mit ihren männlichen Kollegen Mark Hamill und Harrison Ford. Der Vorwurf: Diese seien weniger gealtert.

Für andere wiederum Grund genug, Fisher zu verteidigen: "Sie ist wundervoll. Sie ist beeindruckend", hieß es in einem Tweet. Nur weil Nerds sich bei Fisher "keine Rückkehr in den furchtbaren Sklavenbikini vorstellen können, heißt das nicht, dass sie nicht genauso unglaublich ist, wie ihre männlichen Filmpartner".

Eine andere Nutzerin kommentiert den Disput über die Darstellerin in "Das Erwachen der Macht" mit den Worten: "Männer altern nicht besser als Frauen, ihnen ist es nur erlaubt."

Zuvor war Fisher laut "Guardian" für ihre jetzige Rolle als Generalin bereits gedrängt worden, mehr als 15 Kilogramm abzunehmen. Auch beim ersten "Star Wars"-Film 1977 hatten die Produzenten demnach von ihr verlangt, Gewicht zu verlieren - viel habe sich seitdem also nicht verändert, bemerkt die Schauspielerin in dem Bericht.“

http://www.spiegel.de/panorama/leute/star-wars-darstellerin-carrie-fisher-verteidigt-ihren-koerper-a-1069982.html

Hatte sie jetzt mit dem Altern „große Probleme“ oder hatte sie sich damit arrangiert? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.

Eine 59jährige Frau sieht nun mal älter aus als eine 20jährige. Hat aber das Pech, dass Frauen in diesem Alter nicht mehr gerne in der Öffentlichkeit gesehen werden. Deshalb der Zwang, auf die eine oder andere Art manipulativ das Äußere verbessern zu müssen.

Ob ihr Gesicht, vor allem die etwas starr wirkende untere Gesichtshälfte, eine Folge des Alters, von Krankheit oder einer missglückten Operation oder eine Mischung aus allem darstellt, mag dahin gestellt sein.

Anders als bei ihren männlichen Kollegen kommen weder faltige Haut noch ein starres Gesicht einer Schauspielerin beim (sowohl männlichen als auch weiblichen) Publikum gut an – deshalb gibt es auch kaum Schauspielerinnen in diesem Alter.

 

Zwang zur Schönheit

 

Von Frauen wird erwartet, dass sie schön sind, einen schönen Körper haben, diesen pflegen und diesen durch Äußerlichkeiten wie Kleidung „verkaufen“. Der Erfolg der eigenen Attraktivität macht sich bemerkbar in der Männerwelt (frau bekommt eher den für sie attraktiven Mann), im Beruf (frau bekommt eher die für sie attraktive Arbeit mit höherem Gehalt) und beim Einkaufen (frau wird deutlich freundlicher bedient).

Das wissen Frauen und investieren entsprechend viel Geld und Zeit in ihr Äußeres: eine durchschnittliche mitteleuropäische Frau verwendet täglich durchschnittlich ca. 2 Stunden dafür (vor allem waschen, eincremen, Pflege der Haupthaare, Entfernen von Körperbehaarung, Pflege von Finger- und Fußnägeln, Gesichtsmasken, dekorative Kosmetik). Zusammen mit sportlicher Betätigung, Sammeln von Informationen (wie Lesen von Frauenmagazinen) und Einkaufen der entsprechenden Artikel sind das täglich durchschnittlich ca. 3 Stunden. Was davon notwendig, sinnvoll oder von der Mode-Industrie eingeredet ist, mag dahin gestellt sein.

 

Der Absturz

 

Männer haben die Angewohnheit, alles auf sich zu beziehen. Wenn sie eine attraktive Frau sehen, die viel auf ihr Äußeres hält, heisst das für sie, dass sie etwas von ihnen „will“. Entweder von ihnen persönlich oder allgemein von der Männerwelt. Dass sie das auch rein für sich selbst tun könnte, kommt diesen Männern nicht in den Sinn.

Entsprechend sind die Reaktionen. Bis zu einem gewissen Alter.

Eine 30jährige Frau, die alleine im Büro sitzt, braucht sich über mangelnde Kontakte nicht zu beschweren: die meisten Männer, die an ihrem Büro vorüber kommen, gehen zu ihr rein und schäkern mit ihr.

Zu einer Frau mit 50 Jahren kommt keiner mehr.

Bei „Laufkontakten“ verhält es sich ähnlich, etwa wenn frau in der Straßenbahn von einem Mann „einfach so“ angelächelt wird. Eine 30jährige kann davon ausgehen, dass sie tägliche Freundlichkeiten erlebt und jemand positiv auf sie reagiert. Bis dahin, dass sich gleichzeitig mehrere Menschen nach ihr umdrehen, wenn sie einen Raum betritt.

Eine 50jährige erlebt kaum Freundlichkeiten und kaum jemand reagiert auf sie positiv.

Wahrgenommen werden Frauen noch bis zum Alter von 40, maximal 45 Jahren; danach werden sie nicht mehr als Frau gesehen. Und allmählich fühlen sie sich nicht mehr als Frau.

Je besser frau ausgesehen hat, je mehr sie davon gelebt hat, je mehr sie im Mittelpunkt gestanden hat – umso früher und umso härter trifft es sie.

Frauen, die nicht so attraktiv sind oder sich nichts aus ihrem Äußeren machen, werden diese Probleme nicht haben. Auch nicht Männer, die gewohnt sind, ignoriert zu werden. Menschen reagieren ausschließlich auf jene positiv und reden nur mit denjenigen, von denen sie sich auf die eine oder andere Art und Weise einen Vorteil erwarten. Von einem schüchternen Menschen, der auch noch unvorteilhaft aussieht, verspricht sich kaum jemand einen Vorteil.

Das ist nicht schön – aber diejenigen, die es trifft, sind seit Jahrzehnten daran gewöhnt. Für diejenigen, die Jahrzehnte lang im Mittelpunkt des Interesses standen und von denen auf einmal kein Mensch mehr etwas wissen will, ist das jedoch ein brutaler Absturz und sie realisieren erstmals, dass sich kaum jemand für sie als Person interessiert.

Diejenigen, die sexuell aktiv sind, werden feststellen, dass lüsterne „ältere“ Männer, die körperlich oder materiell halbwegs attraktiv sind, Frauen mit einem Alter von maximal 35 Jahren bevorzugen. Prominente Beispiele gibt es zur Genüge.

Kontakte auf anderer Ebene als über die der Äußerlichkeiten bleiben davon unberührt. Im Beruf haben jene Frauen kaum Probleme, wenn sie Führungskraft sind oder eine Position als Respektsperson haben (etwa als Ärztin), so dass immer noch viele Menschen zu einem kommen.

 

Zwänge und falsche Vorbilder

 

„Viele Zeitschriften haben fast nur Frauen auf dem Titel. Leser und auch Leserinnen wollen das so.

Männer! Michael Eckert mag gar nicht daran denken. "Männer gehen nicht. Sie verkaufen sich einfach nicht. Unsere Zielgruppe will schöne und makellose Frauen auf dem Titel. Models, Schauspielerinnen, Glamour eben." Michael Eckert ist Chefredakteur der Programmzeitschrift "TV Spielfilm", seine Zielgruppe ist klar definiert: junge Männer zwischen 18 und 39. "Sex sells" - eine ewige Wahrheit? Ja, das sei wohl so, ja, sagt Eckert. Und seine zahlreichen Mitstreiter sehen es genauso: Fast alle 14-täglichen Programmzeitschriften präsentieren vorwiegend spärlich bekleidete Damen, die dem Käufer lächelnd ihr Dekolletee entgegenrecken.Die Triebe eben.

Frauen beherrschen die Titelbilder, denn auch auf Mode-, Frauen-und Lifestyle-Magazinen sind fast ausschließlich Frauen zu sehen. Hier gehen Männer auf dem Cover ebenfalls nicht. Aber warum greifen weibliche und männliche Leser mehr zu Magazinen mit schönen Frauen drauf? Und vor allem: Warum kaufen auch die Frauen kaum Hefte mit einem schönen Mann auf dem Titel?"Das ist nicht leicht zu erklären", sagt Ines Langmeyer vom Institut für Medienpsychologie und Medienpädagogik der FU Berlin. Es gehe um die "Sexualisierung von Wahrnehmung", die vor allem auf das "männliche Lustprinzip und die männliche Schaulust" abziele. Die Triebe eben.

Es gibt aber auch viele Frauen, die gerne zu einer Programmzeitschrift mit dem halb nackten Model greifen anstatt sich einer der raren Alternativen zuzuwenden. Aber nicht unbedingt, weil sie das sexy finden, sagt Ines Langmeyer, "sie kaufen aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus. Sie wollen wissen, wie die Frauen aussehen, die offensichtlich attraktiv auf Männer wirken. Und dann erhoffen sie sich Antwort auf die Frage: Wie kann ich für Männer schön sein?"

Die Zielgruppe von Frauenmagazinen sind verständlicherweise Frauen und nicht Männer. Dennoch sind auch auf den Titeln von "Amica", "Elle" oder "Brigitte" vor allem Frauen abgelichtet. Mal nur das Gesicht in Nahaufnahme, mal der ganze Körper, mal in schwarz-weiß, mal grell bunt. Und kaum war versuchsweise ein Mann auf dem Cover, da sanken die Absatzzahlen. Denn das Titelbild von Frauenmagazinen ist direkt mit dem Inhalt des Heftes und einer bestimmten Titelgeschichte verknüpft. "Aus Frauenmagazinen ziehen die Käuferinnen einen ganz anderen Nutzen", sagt Ines Langmeyer. "Sie suchen bewusst oder unbewusst nach modischen Vorbildern, wie sie sich selbst neu gestalten können und nach Trends, an denen sie sich orientieren wollen."“

http://www.berliner-zeitung.de/viele-zeitschriften-haben-fast-nur-frauen-auf-dem-titel--leser-und-auch-leserinnen-wollen-das-so-bloss-keine-maenner-16465910

Was dabei noch nicht geschrieben wurde: jene Frauen, die auf dem Titelblatt landen, werden erst mal durch Friseure und Kosmetiker mehrere Stunden „bearbeitet“, bevor sie abgelichtet werden. Damit nicht genug: digital bearbeitet werden auch noch die fertigen Bilder, so dass letztendlich kein einziger Quadratzentimeter original zu sehen ist.

So sind selbst Frauen jenseits der 70 (wie etwa Senta Berger) noch makellos anzuschauen. Auf dem Titelbild.

Soll wurm es den Frauen zum Vorwurf machen, wenn sie selbst sich die Reichen und die Schönen zum Vorbild nehmen? Solche, die sich selbst täglich 8 Stunden mit ihrem Äußeren beschäftigen? Oder Models, die deutlich größer und schlanker sind als Anna Normalverbraucher? Selbst ältere Models, so es sie überhaupt mal gibt, wirken mit ihrer dünnen Figur noch wie unterernährt.

In Filmen, Fernsehsendungen, am Zeitschriftenstand, in der Werbung. Ob frau will oder nicht: sie ist tagtäglich mit dem Schönheitsideal konfrontiert, an das über 90% der Frauen nicht heran kommen – in jungem Alter. Im nicht mehr ganz jungen Alter so gut wie keine einzige.

Natürlich bekommen sie auch mit, dass jeder Mann (ob dieser will oder nicht) per e-mail täglich mehrere Sex-Angebote von „jungen und heissen“ Frauen erhält.

So ist der Zwang da, schlank zu sein, sich die Haare zu färben, mehr und mehr Kosmetik zu verwenden, jedwede Narretei der jeweiligen Mode mitzumachen.

Und der Aufwand wird von Jahr zu Jahr größer.

 

Um die 50

 

Um die 50 kommen körperliche Probleme dazu. Selbst wenn diese halbwegs glimpflich ablaufen, gehören Haarausfall und verstärkt graues Haar zum Alltag. Durch hormonelle Umstellungen haben die Frauen meistens kein sexuelles Bedürfnis mehr. Wenn sie noch einen festen Partner haben, ist die Frage, wie dieser darauf reagieren wird. Wenn sie keinen festen Partner haben, werden sie immer weniger aktiv, sich einen zu suchen. Sie können von sich aus auf Männer zugehen – aber umgekehrt wird dies kaum passieren.

Was das Ganze noch verschärft, ist, dass Frauen ihr Kind bzw. ihre Kinder immer später kriegen. Das heisst, die Kinder gehen auch später aus dem Haus. Viele Frauen fallen dann in ein tiefes Loch, da sie oft ihr Leben entgegen ihren eigenen Interessen den Kindern und dem Mann untergeordnet haben. Kinder weg, mit dem Mann, der mehr oder weniger Karriere im Beruf macht und der ihre Nöte nicht versteht, gibt’s nichts mehr zu reden, die Einsicht, dass frau sich selbst für andere aufgeopfert hat und sie nun quasi alleine dasteht.

Das ist zwar tragisch, aber nichts Neues. Aber der Zeitpunkt, der ist neu: ihre Großmütter sind bald darauf gestorben, ihre Mütter hat’s im Alter von 40 Jahren erwischt und sie selbst im Alter von 50 Jahren.

Mit dem großen Nachteil, dass frau mit 40 Jahren noch so ziemlich alles ändern kann. Und sie mit 50 Jahren keine Kraft mehr für einen Neuanfang hat. Und es kaum noch möglich ist, in diesem Alter den entsprechenden Job oder Mann zu finden.

 

Altes Eisen

 

Während Männer etwa als Nachrichten-Moderatoren, Leiter von Fernseh-Sendungen oder Schauspieler noch so alt sein können, geht das bei Frauen so gut wie nicht. Wenn überhaupt, dann haben sie ihren Erfolg meist nicht ihrer Schönheit in der Jugend zu verdanken.

Unvorteilhaft aussehende Männer wie Klaus Kinski, Karl Dall oder Jürgen Vogel haben gerade deshalb ihre Erfolge, während für Frauen wie Helga Feddersen oder Cindy von Marzahn bestenfalls noch das Fach der „Ulknudel“ übrig bleibt.

Mensch mache den Straßenbahn-Test und sehe sich dort die Männer und Frauen an. Egal, in welchem Alter, egal, wie gekleidet. So ziemlich alle Männer könnten in Filmen vorkommen. Bei Frauen ist das nicht so. Dort werden nur attraktive, gut angezogene, frisch gestylte Frauen gezeigt. Männer werden halbwegs realisisch gezeigt, während das Frauenbild (zumindest äußerlich) idealisiert wird. Das heisst, der Großteil der in der Straßenbahn fahrenden Frauen fühlt sich minderwertig gegenüber dem in den Medien als "normal" präsentierten Ideal-Bild.

In jungen Jahren hübsche und sehr erfolgreiche Frauen der Showbranche haben meistens gewaltige persönliche Probleme, die in dramatischer Drogen-Abhängigkeit bis hin zum Selbstmord gipfeln. Oder sie gingen (bzw. gehen) den bitteren Weg bis zum Ende – zum großen Teil völlig zurückgezogen von der Außenwelt.

Mensch lasse sich große Namen der Vergangenheit durch den Kopf gehen – die meisten befinden sich darunter: Greta Garbo, Lilian Harvey, Marlene Dietrich, Marilyn Monroe, Romy Schneider, Brigitte Bardot.

Natürlich gab es auch jene, die dachten, der Erfolg hinge an ihrer Persönlichkeit und nicht an ihrem Alter, sich vorführen lassen und das wohlmeinende Publikum denkt „warum tut sie sich das noch an“? Zarah Leander oder Elizabeth Taylor gehören in diese Gruppe.

Die Gedanken des nicht-wohlmeinenden Publikums will mensch lieber nicht wissen. Sie sind ähnlich zur Reaktion, die Carrie Fisher abbekommen hat.

 

Die Zeit vor 30 Jahren

 

Gerne erinnert der Wurm an den „Fall Rut Speer“:

„Die Briefe klangen aufgebracht. „Das kann nur einer Einstellung entstammen, die den Körper, das Unwesentliche, über den Geist, das wesentliche, stellt“, schrieb eine Fernsehzuschauerin an die Intendanz des ZDF. Sie bezog sich auf Berichte, wonach die Heute-Moderatorin Rut Speer ihren Platz räumen sollte, weil sie mit 49 Jahren „zu alt“ für die Präsentation der Nachrichtensendung sei.

Es war nicht die einzige empörte Stellungnahme. Auf Rut Speers Tisch stapelten sich die Zuschriften, fast ausschließlich Plädoyers für die Moderatorin. „Wer maßt sich denn an“, schrieb ein Mann, „den richtigen Geschmack zu haben, wenn es darum geht, den notwendigen Grad an Schönheit einer Frau zu beurteilen?“ Ein anderer richtete an die Adresse der Intendanz den Stoßseufzer: „Es wäre schön, wenn Sie und viele andere von dieser fixen Idee, diesem Jugendlichkeitsfanatismus, abrücken würden.“

ZDF-Sprecher Fritz Hufen beteuert, nie sei erwogen worden, Frau Speer vom Bildschirm zu verbannen. Man habe für sie ein anderes Tätigkeitsfeld suchen wollen – ähnlich wie für Ingeborg Wurster, die im vergangenen Herbst die Sendung Sonntagsgespräche übernommen hat und „durchaus weiterhin als Gesprächspartnerin zu sehen ist“. Nur eben nicht mehr in den mit besonders hohen Einschaltquoten gesegneten Nachrichtensendungen ... Was Frau Speer betreffe, habe die selbst ja mal gesagt, sie wolle aus dem aufreibenden Job heraus. Tatsächlich, sagt Rut Speer, habe sie vor drei Jahren erklärt, wenn sie auf die 50 zugehe, wolle sie, nach der langen Zeit in der aktuellen Redaktion, in eine regelmäßigere Beschäftigung überwechseln, um wieder Filme zu machen. Aber sie dementiert auch nicht, daß ein leitender Redakteur ihr zu bedenken gegeben habe: „Meinst du nicht auch, daß dein Gesicht allmählich verbraucht ist fürs Publikum?“ Und das ist ja wohl zweierlei: ob man freiwillig den Abgang erwägt oder aber Sätze wie diese zu hören bekommt.

In Presseberichten sah Rut Speer sich zur Märtyrerin hochstilisiert, fand die Darstellung vergröbert. Aber immerhin: sie haben ein starkes öffentliches Echo gehabt und einen Plan vereitelt. Das ZDF wird die Moderatorin vorerst lassen, wo sie ist. Der Fall hat ein Phänomen ins Bewußtsein gerückt; hat die Diskussion darüber entfacht, ob Frauen auf dem Bildschirm nicht mehr erwünscht sind, wenn die ersten Falten kommen.

Aus der Runde der Fernseh-Hierarchen darf man wohl keine ehrliche Antwort erwarten. Als ich mich erkundigte, erhielt ich Auskünfte innerhalb der Spannweite entrüsteten Bestreitens bis zu Verbeugungen vor einem vermuteten Publikumsurteil, etwa so: „Wir kennen da keinerlei Vorbehalte – aber es ist möglich, daß gelegentlich die Rücksicht auf bestimmte Empfindungen und Meinungen beim Zuschauer mitschwingt.“ Im allgemeinen ist es ja auch so, daß man, wenn man eine Frau austauscht, einen anderen Grund parat hat. Zufällige Anlässe werden genutzt, Hilfsargumente gern aufgegriffen. Vielleicht hat die Betroffene ja selbst mal gesagt, sie wolle etwas anderes machen.

Unterschiedlich reagierten auch prominente Fernseh-Frauen selbst. Für die Heute-Moderatorin Ulrike von Möllendorff, selbst über die 40 hinaus, aber nach „Experten“-Urteil ein „ausgesprochener Blickfang“, ist das Ganze „überhaupt kein Thema“. Eine TV-Ansagerin aus Norddeutschland mochte über die Angelegenheit gar nicht reden, eine dritte nicht namentlich genannt werden. Seltsam, als hätten sie Angst, ihre Chancen in der Zukunft zu schmälern. Das gehört wohl als Symptom zu dieser Geschichte.

Aber natürlich gebe es sie, die unterschiedliche Beurteilung von Männern und Frauen auf dem Bildschirm, sagt eine 42jährige Sprecherin. Man werde als weibliches Wesen in Leistung und Aussehen stärker und aufmerksamer beobachtet und bewertet. Also ist zusätzliche Qualifikation nötig, auch ein besonderes Maß an Sachlichkeit, um dem weiter wirksamen Klischee von der „Gefühlsduselei“ der Frau zu entkommen. Wenn aber das Äußere „stimmt“, werden Fehler verziehen. Nur, wie lange – und wann – „stimmt“ das Äußere?

Vor ein paar Jahren mußte Gisela Mahlmann unfreiwillig aus dem Moderatoren-Team der Tagesthemen ausscheiden. Sicherlich nicht aus „Altersgründen“. Sie war noch nicht 40 und kriegte gerade ein Kind (wollte aber nach der Geburt gern wieder antreten). Mancherlei offizielle Begründungen hörte sie, warum sie die Sendung nicht mehr präsentieren sollte; sie wurde aber den Verdacht nicht los, daß ihre Schwangerschaft manchen ein willkommener Anlaß war, die zuvor mit leichtem Naserümpfen gemeint hatten, „die Mahlmann“ wirke „so herb“. Das mag ja gestimmt haben. Nur wird „Herbheit“ den männlichen Moderatoren im allgemeinen nicht angekreidet.

Daß gestandene Journalistinnen nicht mehr unbedingt glatthäutige Jugend zeigen, läßt man ja noch hingehen. Allerdings: dann muß ein Ausgleich her. „Wenn sie Persönlichkeit und eine starke Ausstrahlung mitbringt“, so sinniert eine der bildschirmgestählten Profi-Damen, und es klingt, als setze sie zu einem Werbespot für Oil of Olaz an, „dann spielt das Alter doch kaum eine Rolle!“ Ja, wenn! Offenkundig muß etwas zur Kompensation mitgeliefert werden, jedenfalls von den weiblichen Akteuren. „Bei den Männern, auch bei den älteren Semestern“, sagt eine TV-Sprecherin, „nehmen unsere Programmverantwortlichen auch eine Null-Ausstrahlung in Kauf.“

Also wird doch mit zweierlei Maß gemessen, vielleicht unterschwellig, nicht immer absichtlich? Ganz bestreiten mag ZDF-Sprecher Fritz Hufen das nicht. Er formuliert es diplomatisch: „Es würde mir schwerfallen, diese These mit dem Ausdruck der Entrüstung zurückzuweisen.“ Aber in einer aktuellen Redaktion seien es eben auch öfter die Frauen, die irgendwann mal sagten: Laßt mich mit dem Streß in Ruhe ...

Sigi Harreis, Moderatorin der Montagsmaler und der Aktuellen Stunde des WDR, sagt es dagegen sehr deutlich: „Unter vielen Fernsengewaltigen herrscht das gleiche Denken wie in der Modebranche: Am liebsten dünn und jung.“ Sie selbst, 47jährig, hat noch keine Anzeichen von Diskriminierung zu spüren bekommen. Immerhin, als sie vor drei Jahren mit der Moderation der Montagsmaler begann, fragte jemand sie: „Sag mal, was geben wir denn gegenüber der Presse als dein Alter an?“ „Ich bin so alt, wie ich bin“, antwortete sie. Wie sie es überhaupt „nur peinlich“ findet, daß so viele Kolleginnen ein paar Jahre unterschlagen.

Allerdings – zu solchem Flunkern „zwingen uns die Machos“, sagt sie. „Mit 39 kriegen wir doch keine Pop-Sendung mehr – die Männer aber leicht noch mit 49.“ Sie sei wahrhaftig kein Dallas- und Denver-Fan, aber wenn an diesen Serien etwas Positives sei, dann die Tatsache, daß weibliche Hauptfiguren um die 50 dabei sind.

Sigi Harreis bedauert, daß auch Frauen an der Frau auf dem Bildschirm das Aussehen kritischer begutachten als die Aussagen. Selbst Berufskolleginnen sprechen sie nach einer Sendung oft zunächst nicht auf die Inhalte an, sondern etwa so: „Sahst dufte aus. Woher stammen denn die Klamotten?“ „Manchmal“, sagt sie, „wünschte ich, ich wäre eine Mischung aus Ella Fitzgerald und Golda Meïr. Dann würde man wirklich auf die sachliche Information achten!“

Aber warum wird überhaupt von 40- oder 50jährigen Fernseh-Frauen gesprochen? Warum soll nicht auch eine 60jährige moderieren? „Durchaus denkbar“, wird freundlich eingeräumt – „für die Senioren-Sendung zum Beispiel.“ Ansonsten aber gäbe es wohl doch starke Bedenken unter Programmhierarchen, die ohne große Verwunderung die fortdauernde Beliebtheit des Robert Lembke („Was bin ich?“) konstatieren.

Die These, daß besonders Frauen ihre „gelebten Runzeln“ (Sigi Harreis) nicht zu Markte tragen dürften, hört man so gut wie nie vom gebührenzahlenden Publikum. Abgesehen davon, daß sich unter den Zuschauern eine große Zahl älterer Leute befindet und man es als 60- oder 70jähriger ungern hört, daß eine kaum Fünfzigjährige für bestimmte Tätigkeiten „zu alt“ sei – die meisten wissen sehr wohl zwischen einer Show und einer Informationssendung zu trennen. An Rut Speer schrieb eine Frau: „Sie machen doch Nachrichten – keine Peep-Show!“

Unversehens sah sich Rut Speer auch mit der Frage nach der Gleichberechtigung konfrontiert: „Ich habe mich vorher nie damit auseinandersetzen müssen.) Meinen Job machte ich wie die Männer. Ich war und bin gern Frau und habe nichts dagegen, wenn man mir in den Mantel hilft. Das Emanzen-Geschrei hat mich nie gekümmert.“

Es ist ja auch kein „Emanzen-Geschrei“. Nur die kühl-verwunderte Frage, ob denn eigentlich Selbstverständliches noch immer nicht selbstverständlich ist.

http://www.zeit.de/1985/26/am-liebsten-duenn-und-jung

Es hat sich das Eine oder Andere geändert. Dennoch gibt der Wurm gerne den Artikel „Die Frau um 40“ von Marion Schreiber aus dem Jahr 1984 in Auszügen wider:

„Das Risiko, an dieser Krise kaputtzugehen, ist groß. Denn es sind offensichtlich gefährliche Jahre: Die Statistiken über Ladendiebstähle und Selbstmorde schnellen hoch. 70 Prozent aller Suizide von Frauen werden von Lebensmüden über Vierzig begangen - Zeichen der Ausweglosigkeit und der Irritation.

Auch die Scheidungsrate steigt bei Frauen zwischen 40 und 44 noch einmal an. In demselben Alter, stellte kürzlich der Deutsche Ärztetag fest, beginnen Patientinnen abhängig von Medikamenten zu werden. Gemessen an den verschriebenen Arzneimitteln, vermutet der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Friedhelm Farthmann, dürfte es - statistisch gesehen - keine Frau über Vierzig geben, die nicht mindestens ein oder zwei Psychopharmaka oder Schmerzmittel schluckt.

Die Krise in der Lebensmitte erfaßt gerade jene Frauen, die bisher den gesellschaftlichen Erwartungen in besonders hohem Maße entsprachen: die Nur-Hausfrauen und Nur-Mütter.

Wenn die Kinder aus dem Haus gehen, stellen die Frauen auf einmal fest, daß sie am Ende ihrer Laufbahn angekommen sind. Weil sie sich ausschließlich um Mann und Kinder kümmerten, haben sie versäumt, einen eigenen Lebensplan zu entwerfen, ihre eigenen Interessen wachzuhalten.

Der halbwegs automatisierte Haushalt, die Vierzimmerwohnung oder das Reihenhaus absorbieren ihre Arbeitskraft nicht völlig. Langeweile kommt auf, das Gefühl, überflüssig, nichts mehr wert zu sein. Der Ehepartner, oft im besten Mannesalter und auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Karriere, vermag die emotionale Leere nicht auszufüllen. Zu weit haben sie sich voneinander entfernt.

Aber auch berufstätige Frauen beginnen in diesem Alter zu bilanzieren. Für eine vierzigjährige Angestellte, Sekretärin oder Hotelkauffrau ist es absehbar, wie es von nun an weitergehen wird. Große Karrieresprünge, interessante Veränderungen sind kaum mehr zu erwarten. Und manch eine, die ihr Selbstbewußtsein und ihre Selbstsicherheit fast ausschließlich aus beruflichem Erfolg zieht, fragt sich erstmals, ob ihr Privatleben nicht zu kurz gekommen ist, ob sie auch die zweite Hälfte ihres Lebens ohne Kind und Familie verbringen will. Viele bekommen mit Vierzig, wie die Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters Pina Bausch, ihr erstes Kind.

Die Krise in der Lebensmitte ist auch aus anderem Grund allgegenwärtig: Spätestens ab Vierzig beginnen jene Frauen gegen den Trend zu leben, für die bisher feststand, daß Jugend und Schönheit unauflöslich miteinander verbunden sind.

"Ich bin unsichtbar geworden", klagt eine attraktive und gebildete Hamburgerin. Wenn sie ein Restaurant betritt, dreht sich niemand mehr nach ihr um. Das herrschende Schönheitsideal, dem sie so lange gehuldigt haben, wird für diese Frauen zur Bedrohung: Sie fühlen sich über Nacht als Muster ohne Wert …

Die Frauenjahre um die Vierzig: Das sind Jahre der Revision, des Aufbruchs oder des Wechsels. Frauen fragen sich: Soll das alles gewesen sein? Doch Veränderungen und Verunsicherung in diesem Alter werden noch immer, wie es seit Großmutters Zeiten üblich ist, von Medizinern auf die bevorstehenden Wechseljahre zurückgeführt. Tranquilizer oder Östrogen-Präparate werden verordnet.

Aber die Krise der Frau in der Lebensmitte ist kein medizinisches Problem. Sie ist auch anders als die vielbeschriebene Midlife-Krise des Mannes.

Die Frauen erreichen die Lebensmitte mit einer ganz anderen psychologischen Geschichte als die Männer. Sie sind in dieser Periode nicht nur "einer anderen sozialen Realität mit anderen Möglichkeiten für Lieben und Arbeit konfrontiert, sondern sie denken die Dinge aufgrund ihres Wissens über menschliche Beziehungen auch anders", sagt die amerikanische Psychologin Carol Gilligan.

Es waren Psychologinnen, Therapeutinnen, Ärztinnen und Feministinnen, die in den vergangenen Jahren die gesellschaftlichen Ursachen für die Konflikte der Frau um die Vierzig aufdeckten. Die Deklassierung zum "unsichtbaren Geschlecht" mochten sie sich nicht länger gefallen lassen. Sie durchbrachen die "Konspiration des Schweigens" (so die englische Publizistin Beatrice Musgrave), an der sich bis dahin auch die Betroffenen selbst beteiligt hatten.

Wer mochte sich schon zu einer Altersgruppe bekennen, deren Ansehen so niedrig war? Die amerikanische Psychologie-Professorin Carol Nowack hat bei einer Befragung festgestellt, daß die Frauen in den mittleren Jahren auch von ihren Geschlechtsgenossinnen am negativsten eingestuft werden. Gleichaltrige Männer hingegen besitzen in diesen Lebensjahren die größte Attraktivität.

Wissenschaftlerinnen untergraben nun das Expertenmonopol von Gynäkologen und Freudianern. Sie schreiben an gegen langlebige Vorurteile, wie Sigmund Freuds Behauptung, daß schon die Frau mit 30 am Ende ihrer psychischen Entwicklung, somit von "psychischer Starrheit und Unveränderlichkeit" gekennzeichnet sei. Ein Urteil, das bis in die siebziger Jahre hinein von Medizinern und Psychologen immer wieder aufs neue variiert wurde.

"Ihre Eierstöcke überlebt zu haben, bedeutet vielleicht wirklich", schrieb 1972 der amerikanische Sex-Spezialist David Reuben über die alternden Frauen, "daß sie ihre Nützlichkeit als menschliches Wesen überlebt haben. Die restlichen Jahre sind für sie vielleicht nur ein Auf-der-Stelle-Treten, bis sie ihren Drüsen in die Vergessenheit nachfolgen."

Gegen solche Verdikte setzen sich Schriftstellerinnen, Frauengruppen, Ärztinnen heute zur Wehr. Feministinnen versuchen ihren Leidensgenossinnen Mut zu machen, indem sie die gesellschaftlichen Ursachen der Frauenkrise bloßlegen …

Schon 1961 war die Bonner Psychologin Ursula Lehr in ihrer Studie "Veränderungen der Daseinsthematik der Frau im Erwachsenenalter" auf die Symptome der "Midlife-crisis" gestoßen, ohne daß damals dieser Begriff schon geläufig war. Die Ergebnisse der Untersuchung, in der 120 Frauen aller Altersstufen befragt wurden, beschreiben exakt die Krise.

So sahen die 40- bis 49jährigen Frauen, verglichen mit allen anderen Altersgruppen, "besonders pessimistisch" in die Zukunft. Sie hielten an ihren einmal übernommenen Aufgaben fest, kümmerten sich um die aus dem Haus strebenden Kinder oder versorgten die pflegebedürftigen Eltern. Einerseits klagten sie, weil sie sich überfordert fühlten, andererseits aber erblickten sie in diesen Aufgaben "oft so etwas wie einen letzten ''Sinn des Lebens''" (Ursula Lehr).

Nur auf den ersten Blick paradox scheint, daß die Frauen über Vierzig heftiger als die über 50jährigen der Gedanke ans Älterwerden und Sterben ängstigte. Viel mehr als die älteren und jüngeren Frauen fürchteten sie den Verlust ihrer Kinder. Vor allem die unentschiedene Situation, so folgerte Ursula Lehr, scheint Angst zu erzeugen, die Krise zu verstärken.

Das gilt auch heute noch. Die Göttinger Sozialwissenschaftlerin Heidi Rosenbaum, die in dem Buch "Formen der Familie" die Familienverhältnisse im sozialen Wandel untersuchte, sieht einen Grund für die Krise in der Lebensmitte darin, daß viele Frauen diesen zweiten Teil ihres Lebens meist ohne Kinder, ohne Aussicht auf einen Beruf und mit einer immensen "Kommunikationsleere" verbringen müssen.

"Was machst du eigentlich den ganzen Tag?", fragt abends der gestreßte Ehemann. Auf Verständnis dürfen Frauen, die in diese gesellschaftliche Falle tappten, selbst bei jenen Politikern nicht hoffen, die sonst das Hohelied der aufopfernden Mütter zu singen pflegen. Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht nennt die Wiedereingliederung dieser Hausfrauen und Mütter ins Berufsleben "Recycling" - den Abfall für die Gesellschaft verwertbar machen …

Doch auch intellektuellen Frauen macht der drohende Verlust ihrer Kinder zu schaffen. Im Kursbuch "Mütter" reflektiert die Soziologin Sylvia Kade, was es für sie bedeutet, wenn sie demnächst ihren halbwüchsigen Sohn an andere verliert: "Einmal mehr wird mir klar, daß ich meinem Sohn weder die Angst abnehmen noch zum Kumpel in der Zukunft werden kann, die schon ohne mich begonnen hat."

"Wie aber", fragt sie, "helfe ich mir selbst weiter? Wie kann ich die Selbstausschaltung aufhalten, das Resignieren der Wünsche und Ansprüche, die Selbstverdrängung vom Tanzparkett und den Rückzug in die intimen Gelage mit guten Weinen ...?"

Die Kinder stillen nicht nur das mütterliche Bedürfnis nach Nähe und Wärme, sie garantieren auch ein gewisses Maß an Außenbeziehungen und Kontakten. Elternversammlungen, Zufallsgespräche über den Kindergarten oder den neuen Klassenlehrer, Fahrgemeinschaften, Klassenfeste und Schulausflüge, das alles fällt weg, wenn die Herangewachsenen das Haus verlassen.

Vielen Frauen bleibt das Gefühl der Isolation. Und, genauso schlimm, die Erkenntnis, daß mit dem Weggang der Kinder auch das Gespräch zwischen den Eltern erstirbt. Denn Erziehungs- und Schulprobleme sind oftmals die einzigen Themen zwischen Eheleuten, die sich seit langem nichts mehr zu sagen haben.

Parallel zu dem Verlust an Lebenssinn entdeckt die Frau um die Vierzig an sich die nicht mehr zu leugnenden Anzeichen des Älterwerdens. "In diesen Jahren", resümiert die Gastwirtin Charlotte Pieper, 43, "kommt auf der Minus-Seite eine Menge zusammen."

Graue Haare lassen sich nicht mehr wegzupfen, Falten sind nicht mehr zu übersehen. Auf dem Markt oder in der Straßenbahn heißt es nun nicht mehr "junge Frau", schon gar nicht "Frollein", sondern "Madame". Die junge Studentin, die freundschaftlich geduzt wird, erwidert mit einem höflichen Sie.

Alltagserfahrungen Vierzigjähriger, die lernen müssen, sich damit abzufinden, daß sie nun zu "den Älteren" gehören.

Das eigene Alter anzuerkennen fällt um so schwerer, je stärker sich eine Frau mit ihren äußeren Vorzügen identifiziert, je ausschließlicher ihr Selbstbewußtsein von einer knackigen Figur und einem ebenmäßigen Gesicht zehrt. Genau wie jene Mütter und Hausfrauen, die plötzlich entdecken müssen, daß sie ohne Familie nichts sind, bricht auch für die welkenden Schönheiten eine Welt zusammen, wenn sie "unsichtbar" werden.

Denn schön sind in unserer Gesellschaft vor allem die Jungen.

Ab Dreißig, so bleut die Kosmetik-Industrie den Frauen ein, müssen sie sich ihre Schönheit kaufen. Ab Dreißig verliert das Bindegewebe seine Elastizität und "der Busen wird schlaffer", warnt die Firma Omnicur. Und die Konkurrenten der Firma Jade mahnen: "Warten Sie nicht auf Ihre ersten Fältchen."

"Für Haare über 40" offeriert der amerikanische Kosmetik-Konzern Johnson & Johnson neuerdings "Affinity Shampoo". Affinity, Anziehungskraft, so das Kalkül der Werbestrategen, das ist es, wonach diese Frauen sich sehnen.

In den Anzeigen der Hausfrauenzeitschriften "Frau im Spiegel" oder "Bild der Frau" werden den Leserinnen seitenlang Wunderdrogen und -kuren offeriert, die sie schlanker, straffer, jünger und schöner machen. Deutschlands Wunderdoktor Manfred Köhnlechner empfiehlt Übergewichtigen eine "Diät für Frauen um 40".

Schönheitsfarmen inserieren - Müttergenesungsheime für die höheren Stände. Allein in der "Beauty-Farm" des Schickeria-Hotels Bachmair am Tegernsee absolvieren sechs Tage lang 60 Frauen brav ein Kosmetik- und Fitneßprogramm, das sie mindestens 2000 Mark kostet.

Die Angebote der Privatkliniken für plastische Chirurgie lesen sich wie Dr. Sados Erzählungen und scheinen dennoch nicht zu schrecken. Da lassen sich die Frauen einreden, sie müßten ihre Gesichter oder Busen liften, Hängebäuche wegoperieren, Falten unterspritzen oder Fett absaugen lassen. "Es ist heller Wahn", so eine Gynäkologin, "zu welchen Körperverletzungen Frauen bereit sind, um einem Schönheitsideal zu entsprechen."

Und es wird viel Geld damit verdient. Die ambulante Korrektur des Augenoberlides kostet etwa 1200 Mark. Eine Bruststraffung - inklusive vier Tage Klinikaufenthalt und Narkose - rund 5500 Mark. Das Facelifting, bei dem die Wangen- und Kinnhaut abgelöst und um drei Zentimeter verkürzt wird, ist etwa genauso teuer.

"Ein Mann darf Falten haben. Eine Frau nicht." Dieser Werbespruch für die Hautcreme "Endocil" trifft das Problem exakt: Ein Mann darf älter werden, eine Frau nicht.

Wie sehr selbst aufgeklärte Frauen das eingeschliffene Rollenspiel verinnerlicht haben, nach dem Körper und Aussehen der Frau wichtige Hilfsmittel sind, einen Mann und/oder einen sozialen Status zu ergattern, wurde der Architektin Gisela Kohlhammer bei einem Klassentreffen, 20 Jahre nach dem Abitur, bewußt.

Zum allgemeinen Erstaunen hatte ausgerechnet die unscheinbarste und unattraktivste Mitschülerin den "dicksten Fisch geangelt" und hielt ihn, wider die Regel, noch immer an der Leine. Ausgiebig rätselten einige Klassenkameradinnen, wie sie das wohl angestellt habe. Da wurde Gisela Kohlhammer schlagartig bewußt, "wie sehr wir an dem Vorurteil mitstricken, daß nur eine schöne Frau einen erfolgreichen Mann verdient".

Viel stärker als Männer sind Frauen fürs eigene Selbstgefühl auf Resonanz beim anderen Geschlecht angewiesen. Sie spiegeln sich im Wohlgefallen ihres männlichen Publikums. Und wie Schulmädchen richten sich noch gestandene Frauen nach Vorlieben ihres Mannes.

"Wenn ich mit abgeschnittenen Haaren nach Hause komme", erklärt die Enddreißigerin der Friseuse, "dann knallt mir mein Mann die Scheidung auf den Tisch." Sie bleibt bei ihrem biederen Knoten, obwohl sie lieber eine "praktischere und flottere Frisur" hätte.

"Ein Hosenanzug", zögert die Dame aus Düsseldorf, die sich nach einer kalorienarmen Woche in der Schönheitsfarm mit einem Boutique-Bummel in Rottach-Egern belohnt, "wäre ja ganz schick. Aber mein Mann mag mich lieber im Rock."

Diese Abhängigkeit von der Resonanz beim anderen Geschlecht hat, so glaubt die Frankfurter Psychoanalytikerin Marina Gambaroff, vor allem damit zu tun, daß "Frauen kein autonomes Körpergefühl besitzen". Nicht nur Sexbomben erleiden in diesem Alter ihren Karrierebruch. Die Frauen schlechthin, schreibt in der Zeitschrift "Cosmopolitan" der 55jährige Journalist Benno Kroll - er muß sich offenbar weder seines Alters noch seiner Dickleibigkeit oder seines Glatzkopfes genieren -, verlieren "im Verständnis des Mannes ihre Funktion", wenn ihre "Reize welken" und ihre "Fruchtbarkeit stirbt".

Vom französischen Modemacher Andre Courreges ist das Bonmot überliefert, jede Frau über Vierzig solle sich erschießen.

Geliebt und verehrt, glaubt Marina Gambaroff, werden Frauen "vor allem als Sexkätzchen oder Mütter". Liebe und Zuwendung als Lohn für körperliche Attraktivität oder mütterliche Fürsorge. Und nicht wenige Frauen scheinen das zu akzeptieren …

Da die Frauen um die Vierzig "auf sich zurückgeworfen sind wie nie zuvor" (so die Psychiaterin Ann Dally) - die Kinder werden selbständig, der Mann geht seinen Interessen nach, ihre Attraktivität schwindet -, werden jetzt Persönlichkeitsprobleme und Störungen sichtbar, die jahrelang verborgen blieben. Viele Frauen erleben diese Phase als ihre schwerste Identitätskrise.

Es ist die letzte Phase des Erwachsenwerdens. Konflikte, die in der Pubertät nicht gelöst und jahrelang überdeckt wurden durch Ausbildung, erste Berufserfahrungen, Ehe, Kinderkriegen und Kindererziehung, brechen vehement aus. Die versäumte Ablösung von den Eltern, die mangelnde Selbstbehauptung gegenüber einer bestimmenden, besitzergreifenden Mutter - das sind Probleme, die diese scheinbar so erwachsenen Frauen auf einmal quälen. Hinzu kommen die aktuellen Verlustängste - die Furcht, die Kinder, den Mann, die eigene Anziehungskraft zu verlieren.

Oft äußern sich die seelischen Konflikte als Herzbeschwerden, Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit oder Kreislaufstörungen. Bei Medizinern werden diese körperlichen Signale inzwischen unter dem Sammelbegriff "Hausfrauen-Syndrom" geführt.

Doch nicht nur Hausfrauen leiden unter diesen Symptomen …

Frauen werden krank, wenn sie um die Vierzig herum erkennen müssen, daß sich "ihre ohnehin begrenzten Möglichkeiten zur Befriedigung ihrer sexuellen, emotionalen und intellektuellen Bedürfnisse noch weiter reduzieren" (die amerikanische Feministin Phyllis Chesler). Häufig sind Phobien und Depressionen Ausdruck ihrer verzweifelten Situation. Und zwar lange bevor die hormonellen Veränderungen des Wechsels, der meist erst Anfang Fünfzig eintritt, als Standarderklärung herangezogen werden können …

Hilfe können diese Frauen von den Ärzten nur selten erwarten. "Machen Sie sich doch mal einen schönen Tag; gehen Sie mit einer Freundin Kaffee trinken", so der Rat eines ratlosen Neurologen. Dieser Tip ist freilich immer noch besser, als wenn er, wie es viele seiner Kollegen tun, Beruhigungsmittel verschreiben würde.

Die gerade bei Frauen dieses Alters verbreitete Medikamentensucht haben die Ärzte oft selber zu verantworten. Mit ihrer Verschreibungspraxis eröffnen sie den Patientinnen erst diesen Fluchtweg in eine neue Abhängigkeit …

Spätestens um die Vierzig müssen für jene, die sich bislang widerspruchslos fremden Ansprüchen unterwarfen, die Jahre des Ungehorsams beginnen. Sie müssen sich aus den gesellschaftlichen Zwängen und Normen befreien, um die Krise in der Lebensmitte als einen "produktiven Zustand" erleben, eine eigene Identität entwickeln zu können.

Das ist das Ende der Abhängigkeit.

Der Versuch, sich zu lösen, kann sich an Nebensächlichkeiten festmachen. Zum Beispiel, wenn die Berlinerin Uschi von "Raupe und Schmetterling" nicht mehr täglich für ihre Familie kocht und damit mehr Zeit für sich gewinnt. Oder wenn die Stuttgarter Arbeiterin Rosel Schmitt sich weigert, in ihrer Freizeit den kleinen Sohn ihrer berufstätigen Tochter zu hüten: "Die erste Hälfte meines Lebens war nur schaffen, schaffen, schaffen. Jetzt bin ich mal dran." …

Für Frankreichs Schönheitsidol Brigitte Bardot gehörte der Imagewechsel um die Vierzig zur Überlebensstrategie. "Da ich keine Lust habe zum Sterben", sagte sie kürzlich in einem Fernsehinterview, "muß ich mich abfinden mit dem Altern." Heute zeigt sie sich dem Publikum nur noch als engagierte Tierschützerin. Strandspaziergänge mit ihren Hunden vermeidet sie tagsüber, um die "scheußliche Darbietung von bonbonrosa Fleisch" nicht sehen zu müssen.

Mit Vierzig kommt die Einsicht, so wie bisher nicht weiterleben zu können, nicht zu spät. Noch haben die Frauen fast die Hälfte ihres Lebens vor sich.“

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13512834.html

 

 

Dada

 

Unsere kleine Polizei-Station

 

Wir befinden uns im Jahre 2017 unserer Zeitrechnung. Ganz Deutschland ist von Verbrechern besetzt … Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Hütern des Gesetzes bewohnte Polizei-Station hört nicht auf, dem Verbrechen Widerstand zu leisten.

Und so ist halt noch vieles in Ordnung in der Region. Denn für Ruhe, Ordnung und Gerechtigkeit sorgt der Polizeiposten Rüppurr.

Kleine und große Spitzbuben, mehr oder weniger Leichtgläubige, Verrückte und Alkoholisierte, mehr oder weniger wilde Tiere treiben hier ihr Unwesen. Der Polizeioberkommissar und Chronist Karl Sauter hält diese Vorkommnisse fest im Buch „Tatort Rüppurr – Karl Sauters Notizen aus dem Polizei-Alltag“ aus dem Jahr 2005, jeweils monatlich im lokalen „Rieberger Bläddle“ und „Monatsspiegel“ und im Internet:

http://www.polizei.rueppurr.de/index.php?action=berichte

http://www.polizei.rueppurr.de/index.php?action=cms&id=1

Von Zeit zu Zeit möchte der Wurm eine dieser Geschichten zitieren. Diesmal geht es um folgenden Fall:

 

Unfall mit Alkohol

 

Am 07.11.16, gegen 20:00 Uhr, wurden Zeugen durch ein lautes Geräusch im Bereich der Einmündung Rastatter Straße und Lange Straße auf einen Unfall aufmerksam. Ein Golffahrer war von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen auf dem Gehweg befindlichen Fahrradständer gefahren. Neben dem Golf wurden sowohl der Fahrradständer als auch ein dort abgestelltes Fahrrad beschädigt.

Die Polizei wurde verständigt und bevor die Streife vor Ort erschien, hatte eine findige Zeugin den Autoschlüssel an sich genommen, um eine Weiterfahrt zu verhindern. Der Fahrer hätte dazu allen Grund gehabt, denn ein Alkomattest ergab einen Wert von annähernd zwei Promille.

Der Fahrer wurde mit zur Wache genommen, wo ihm eine Blutprobe entnommen wurde. Ob er einen Führerschein hat, bedarf noch der Abklärung. Im Rahmen der Fahrzeugsicherung wurden die Kollegen auf ein in der Türablage befindliches Tütchen aufmerksam. Der Inhalt entpuppte sich später als Cannabis. Bei einer weiteren Durchsuchung des Fahrzeuges fanden sich noch knapp 3.000 € im Handschuhfach. Sollte das Bargeld nicht gleich als „Dealgeld“ eingezogen werden, wäre es zumindest mal eine Anzahlung auf die zu erwartende Strafe.

 

Das Leben geht weiter: Ob Freispruch oder Zuchthaus – und auf die Guillotin' hat unser Herr Polizeioberkommissar Karl Sauter eh niemanden geschickt.

Es ist eine liebe Zeit – trotz der Vorkommnisse, menschlich halt. Und darum kommt es immer wieder zu diesen Szenen – beim Polizeiposten Rüppurr.

 

 

 

Der Mann aus Strom: hier eine dadaistische Strom-Skulptur an einem Staudamm an der Grenze zwischen Oltenien und Siebenbürgen. Aus dem Reisebericht

http://www.edwin-grub-media.de/reiseberichte/europa/rumaenien/oltenien/mitten-in-der-walachei-oltenien.html