Sancta

https://www.youtube.com/watch?v=DWLmmDIMGaE

 

Nach Aufführungen in Schwerin und Wien wurde nun Florentina Holzingers Musiktanztheater Sancta an der Staatsoper in Stuttgart aufgeführt.

Überdeutlich werden zwei Dinge: der Zeitgeist ist völlig daneben und der Heilige Geist hat überhaupt nichts mehr zu sagen und hat sich vom westlichen Abendland abgewendet.

 

Das Stück

 

Holger Kaletha: „Zu den prägenden Erfahrungen meiner Studienzeit gehörte der alljährliche zweiwöchige Aufenthalt im Dominikanerkloster Walberberg bei der von Pater Paulus Engelhardt verantworteten philosophisch-theologischen Arbeitsgemeinschaft. Dort erzählte mir damals eine befreundete Studentin des Faches Katholische Theologie die Geschichte ihrer Großmutter, einer streng gläubigen Katholikin, die auf dem Sterbebett (!) ihre katholische Kirche verfluchte, die sie dazu erzogen hatte, ihren Körper und ihre Sexualität zu verachten, wodurch sie sich um ihr Leben betrogen fühlte. Von solch traumatischem Leiden im Kerker kirchlich-christlicher Leibverachtung handelt Paul Hindemiths einaktige Oper Sancta Susanna, basierend auf der expressionistischen Szene Ein Gesang in der Mainacht von August Stramm aus dem Jahr 1914 – Stramm fiel wie so viele andere Expressionisten als Soldat im 1. Weltkrieg im darauf folgenden Jahr 1915. In diesem expressionistischen Stück ist die Blasphemie der Notschrei einer von anbefohlener und verinnerlichter Leibverachtung geknechteten und gequälten Seele: Es entkleidet sich die Nonne Susanna vor dem Altar mit den Worten „ich bin schön“ und beharrt dort in stolzer, aufrechter Haltung. Die Aufforderung ihrer Mitschwester zur Beichte weist sie energisch zurück. Die Stuttgarter Inszenierung ist nun keine Werkaufführung von Hindemiths Stück und will es auch nicht sein. In der Erläuterung der Staatsoper Stuttgart lesen wir:

„„Ein Skandal? Nein, Freude. Überbordende Freude“, befand die Süddeutsche Zeitung nach der Schweriner Premiere von SANCTA. Florentina Holzingers Opernperformance verquickt Paul Hindemiths Operneinakter Sancta Susanna und Elemente der katholischen Liturgie zu einer radikalen Vision der heiligen Messe. Mit ihren Performerinnen begibt sie sich in spektakuläre körperliche Grenzerfahrungen und erkundet individuelle Spiritualität und Glaube, Sexualität und Schmerz, Scham und Befreiung. Magie und religiöse Wunder erfahren eine Neudeutung in einer ekstatischen Feier der Gemeinschaft und der Selbstbestimmung, in der Bach auf Metal trifft, die Weather Girls auf Rachmaninow – und nackte Nonnen auf Rollschuhe.“

https://www.staatsoper-stuttgart.de/spielplan/a-z/sancta/

Erlauben wir uns ein wenig Satire: Verkaufsstrategisch ungemein geschickt wirbt das Haus mit seinem bereits provozierten Skandal: >Kommt, kommt, liebes Publikum und überzeugt euch selbst: Der Skandal ist gar kein Skandal!< Und die Rechnung ist aufgegangen: Alle Vorstellungen sind inzwischen ausverkauft! Was dem Zuschauer versprochen wird ist ein Nervenkitzel, ja, aber so gar kein anstrengender, der das Gemüt belasten könnte, nichts schwer Verdauliches also, sondern statt dessen beste Abendunterhaltung leichter Theaterkost, ein aufregendes Spektakel „überbordender Freude“, wie die „Süddeutsche“ zitiert wird. Überbordend ganz gewiss ist diese heiter zusammen gekitschte Cross-Over-Postmoderne, ein kulinarisches Gericht aus den Zutaten: ein ordentlicher Löffel blasphemisches Püree, das Sakrales mit Profanem verquirlt, nichts allerdings für prüde Veganer, weil schön garniert mit viel nacktem Fleisch und der Botschaft, dass das katholisch Nicht-sein-Sollende das eigentlich Tolle ist, das alles eingelegt in eine magische Sauce pseudoreligiösen Spiritismus. Nicht zu vergessen die in Bildern freigeistigen Übermuts schwelgende Ästhetik des Spektakels: ein Päpstlein als Luftschraube von der Jahrmarktbude, splitternackte Nonnen auf Rollschuhen und dann auch noch als der weiß nicht wievielte „Wow“-Effekt die Erscheinung von Jesus als Frau. Dazu wird als musikalische Gemüsebeilage ein Leipziger Allerlei serviert, was neusachlichen Hindemith mit elektrisierendem Heavy-Metal-Gekreische und Rachmaninow-Sentimentalität zusammenrührt, mit ein bisschen Bach als barockes Speckstückchen dazwischen.“

https://www.tamino-klassikforum.at/index.php?thread/23574-florentina-holzingers-sancta-spektakel-in-stuttgart/

 

Frank Heublein: „In der Staatsoper Stuttgart wird an diesem Abend Sancta erstmals aufgeführt. Uraufgeführt wurde die Opern-Performance am 30. Mai 2024 in Schwerin gegeben. Was das für ein Abend ist?

Einer der mich an die Grenzen des Zusehens bringt, mich an die Grenzen des Ertragens bringt. Dazu passt das Ende des Abends für mich absolut nicht. Was passiert am Ende? Die Performerinnen und Chorsängerinnen – es stehen ausschließlich Frauen auf der Bühne – fordern das Publikum auf – ich fühle mich persönlich genötigt – den Refrain des Songs „Don’t dream it“ (…be it) des Musicals The Rocky Horror Picture Show mitzusingen. Was für mich nicht passt, wenn das heißt, dass ich folgendes „sein soll“ (be it): lass Dir in einer Live Performance zweimal den Haltestift einer kleinen Bergsteiger-Öse (oder einem vergleichbaren Element aus einem Sexshop) mit zwei Millimeter Durchmesser durch das Fleisch unterhalb der Schultern stechen – und das passiert hier live bei zwei Personen, eine davon ist Regisseurin und Performerin Florentina Holzinger selbst.

Hier verliert die Performance ein zweites Mal am Abend die moralische Erdung. Ich finde die beiden per Videogroßaufnahme gezeigten bewussten Körperverletzungen abstoßend (die zweite: ein kleines Stück Haut wird unterhalb der Brust per Skalpell entfernt). Ob diese die Performerinnen auf der Bühne aus Performancegründen ausführen und ausführen wollen, das ist ihre Sache. Mich als Teil des Publikums am Ende dazu aufzufordern, es ihnen gleich zu tun, widerspricht nach meinem Verständnis der Absicht der Performance. Denn ich verstehe Befreiung als das Thema. Mich befreit es nicht, meinen Körper aus „Performancegründen“ so stark zu verletzten. Das will ich nicht sein. Und davon träumen tue ich auch nicht.

Das erste Mal verliert die Performance die moralische Erdung, wenn versucht wird, Personen aus dem Publikum Beichtgeständnisse abzuringen. Denn Jesus steht ja auf der Bühne und verzeiht allen alles augenblicklich. Alles easy. „Wir sind ungeimpft“. Verziehen! Doch was wäre, wenn jemand „gesteht“, gestern daran gedacht zu haben, sich umzubringen? Hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Performance. Denn folgten die Inszenierungsverantwortlichen ihrer Einstellung, alles aus Gründen der Befreiung tun zu dürfen, müsste mein Beispiel als Möglichkeit mitgedacht werden. Der von mir gesehene weitere Ablauf „ich-bin-Jesus-alles-ist-verziehen-ha-ha“ wäre im Beispiel katastrophal. Hätte die Performance anders re- und agiert? Ich habe Zweifel, die Performerinnen haben einen Plan, einen Flow und ziehen es von Anfang bis Ende durch.

Sancta ist an vielen Stellen ein Akt der Befreiung, mit dem ich nicht viel anfange. Die Performerinnen sind nackt. Immer. Natürlich ist Nacktsein auf der Bühne in dieser Performance ein Akt der Befreiung. So exzessiv eingesetzt verliert Nacktheit an Aussagekraft. So viel hat die dauerhafte Nacktheit in allem was ich tue mit Freiheit für mich nicht zu tun. Die körperliche Befreiung durch eigene Körperverletzung? Gestehe ich anderen zu, kommt für mich nicht in Frage.

Heavy (ist es Black?) Metal. It’s raining men. Eine Musicalperformance, nackt auf einer Art Trapez gesungen. Stimmlich toll. Szenisch gut. Insgesamt ist der Grad schmal: zählt für mich das, was ich sehe als Befreiung? Passt das als Antwort oder Argument zu Hindemiths Sancta Susanna? Für mich fällt die Performance ein ums andere Mal ins Sicherungsseil „wir haben und machen doch Spaß“. Verliert mir allzu oft die für mich verständliche und klare Orientierung, auf Hindemiths Sancta Susanna zu reagieren.

Das ist ein spannendes Sujet: Susanna ist die „Supernonne“. Daher wird sie die Heilige genannt. Durch zufälliges Verfolgen eines Liebesspiels erfährt sie ihre Körperlichkeit. Sie will sich befreien und wird deswegen von den anderen Nonnen verdammt. Von Sancta zu Satana – das ist die Handlung von Hindemiths fünfundzwanzigminütiger Einakteroper Sancta Susanna in Kürze. Aus meiner Wahrnehmung und entsprechend der Einführung heraus ist das der Faden, den die Performance aufnehmen will.

Die für mich stärkste Stelle: Saioa Alvarez Ruiz ist eine Schauspielerin, die sich selbstbestimmt als Frau mit Behinderung inszeniert. Mit dunkel timbrierter einnehmender Stimme als Papst markiert sie in dieser zugespitzten Performance einen brennenden Punkt. Befreiung von der Männerdominanz und des Normalen. Soziale und ästhetische Gewohnheiten werden in mir in diesem Augenblick in Frage gestellt.

Am Anfang der Performance wird Hindemiths Sancta Susanna aufgeführt. Mezzo Andrea Baker als Klementia und Sopran Caroline Melzer als Susanna überzeugen stimmlich wie dramatisch. Beide kernig, die Tiefen der Emotionalität auslotend: überzeugt strahlend, zurückgenommen zweifelnd zögernd, ängstlich, entsetzt. Das währenddessen kopulierende lesbische Performance-Paar im Hintergrund der Bühne als Sinnbild Susannas sündigen Gedankens vollziehe ich nach. Doch das changiert für mich zwischen Sinnbild und Provokation. Ganz im Gegensatz zu Caroline Melzer. Sie setzt Nacktheit als fulminantes Zeichen ein. „Ich bin schön“ singt sie und lässt singend die Kutte fallen. Das hat starke Wirkung! Das Staatsorchester zaubert bei Hindemiths Kurzoper stimmfarblich schillernde Atmosphäre unter Dirigentin Marit Strindlund.

Wie anfangs erwähnt: die Performance ist am Ende frech und lässt das Publikum vor dem Applaus singend aufstehen. Standing Ovations also? Es gibt viele, die begeistert sind. Für mich klappt die Verbindung zwischen Kurzoper und Performance nicht. Ich verspüre die mir am Ende aufgedrängte positive Energie der Befreiung, des „be it“, in keiner Faser meines Körpers zu keinem Zeitpunkt der Performance.“

https://klassik-begeistert.de/sancta-opernperformance-von-und-mit-florentina-holzinger-staatsoper-stuttgart-05-oktober-2024-premiere/

 

Jubel ohne Ende

 

Eva Marburg: „In ihrer ersten Opernregie greift die Regisseurin und Choreografin Florentina Holzinger die kurze Oper „Sancta Susanna" von Paul Hindemith auf, um die Frage nach weiblicher Sexualität innerhalb der christlichen Religion zu stellen. Herausgekommen ist eine sensationelle feministische Überschreibung von Kirchenritualen hin zu einer selbstbestimmten Feier des weiblichen Körpers.

Das verbotene Begehren, das Schwester Susanna zu Beginn der Opernperformance „Sancta“ in sich fühlt, bleibt bei Florentina Holzinger keine Imagination. Während Susanna vorn am Bühnenrand von Schwester Klementia beschworen wird, von der körperlichen Liebe zu lassen; küssen, reiben und berühren sich leidenschaftlich zwei nackte Performerinnen ganz hinten vor einer riesigen Kletterwand. Später klettern sie auf ein leuchtendes Kreuz: die Jesusfigur wird ersetzt durch ein umschlungenes Frauenpaar.

Damit ist die Aussage gesetzt: in der knapp dreistündigen Performance wird es darum gehen, jegliche Scham und Schuld, mit der das Christentum den Frauenkörper seit Jahrhunderten bestraft hat, abzulegen.

Die Gewalt, mit der dieser Schuldkomplex auferlegt wurde, zeigt sich in der Geschichte von Beata: Sie wurde vor 30 Jahren bei lebendigem Leib eingemauert, als Strafe dafür, sich nackt ans Kreuz geschmiegt zu haben. Susanna meint, ihre Rufe noch immer zu hören.

Nach diesen ersten zwanzig Minuten der kurzen Oper von Paul Hindemith inszeniert Florentina Holzinger den großen Befreiungsschlag. Wie ein dunkler Racheengel durchbricht plötzlich eine nackte und mit E-Gitarre ausgestattete Beata ihr Gefängnis aus Stein.

Was nun folgt ist eine ebenso erschütternde wie unterhaltsame Opernperformance, in der ausschließlich nackte Darstellerinnen einerseits auf die religiöse Gewaltgeschichte hinweisen und andererseits den Glauben an das, was uns heilig ist, neu definieren.

Die Umdeutung geschieht in sehr bewegenden Bildern wie dem nackten, baumelnden Frauenkörper, der hier in einer riesigen herabgelassenen Kirchenglocke zur Stunde schlägt. Oder die nackten Nonnen mit Hauben, die auf einer Half-Pipe Inline-Skates fahren. An der Kletterwand hängen gekreuzigte Frauen, aus denen Blut rinnt und es werden verschiedene Bilder der Pietá nachgestellt.

Doch die Arbeiten von Florentina Holzinger haben auch stets Elemente von Varieté und Zaubershow. Und natürlich ganz viel Parodie, wie beim Auftritt des weiblichen Jesus im Zuschauerraum. Sie kommt zu spät, raucht Elektrozigarette, verteilt Autogrammkarten, erteilt dem Publikum die Absolution. Und sie ist viel relaxter und much more fun als das männliche Leidensbild.

So ist „Sancta“ vor allem eine selbstbewusste Aneignung kirchlicher Rituale, in der durch Choreografien und Gesänge eine eigene theatrale Form von religiösem Erleben erschaffen wird.

So sähe das also aus, eine humorvoll feministische Feier-Messe, bei der ein weiblicher Heiliger Geist mit spektakulären Tricks beim Abendmahl Weinflaschen auf den Tisch zaubert und Jesus das Publikum zum Beichten auffordert, denn nur wer sündigt, gewinnt.

Und als am Ende das nackte Ensemble seine zentrale Botschaft verkündet, nämlich die Akzeptanz jedes Körpers, jedes Begehrens und die Liebe, die wir alle untereinander teilen sollen, da reißt es noch den letzten Zuschauer im Opernhaus aus dem Sitz. „Träum es nicht, sei es!“, singt dann das gesamte Publikum gemeinsam.

Und das kann auf diese Weise vielleicht nur Florentina Holzinger: in der Kunst einen Raum erschaffen, in dem für eine kurze Zeit das alles möglich scheint, Akzeptanz, Toleranz und Liebe. Der Glaube macht's möglich. In Stuttgart gibt es dafür Jubel ohne Ende.“

https://www.swr.de/swrkultur/buehne/florentina-holzinger-feiert-ausnahmeerfolg-mit-sancta-an-der-staatsoper-stuttgart-jubel-ohne-ende-100.html

 

Lustvolles Überschreiten von Grenzen

 

„Mit ihren Arbeiten, bei denen sie radikal und freizügig weibliche Körper in Szene setzt, schmerzhafte Stunts einbaut und auch vor Trash nicht zurückschreckt, sorgt Holzinger seit Jahren für Aufsehen in der Theaterwelt. In "Sancta" bringt sie mit aufreizender Deutlichkeit lesbische Liebesszenen auf die Bühne, zieht christliche Rituale ins Lächerliche und prangert die sexuelle Unterdrückung der Frau an.

Spiritualität, Sexualität, aber auch Religionskritik und ein kritischer Blick auf religiöse und gesellschaftliche Gewalt stünden im Mittelpunkt der Aufführungen, informiert auch die Staatsoper. "Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst", zitiert die Oper ihren Intendanten Viktor Schoner.“

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/oper-inszenierung-florentina-holzinger-stuttgart-arzt-sancta-reaktionen-100.html

 

Wiener Aktionismus

 

Alexander Folz: „Florentina Holzingers künstlerische Arbeit wird oft mit dem Wiener Aktionismus der 1960er Jahre in Verbindung gebracht, einer radikalen Bewegung, die ebenfalls gesellschaftliche Tabus brach und Provokation als zentrales Ausdrucksmittel nutzte, wie die Aargauer Zeitung berichtete.

Sowohl Holzinger als auch die Wiener Aktionisten griffen häufig katholische Symbole und Rituale auf, um gesellschaftliche und religiöse Normen auf irritierende Weise in Frage zu stellen. Besonders Hermann Nitschs „Orgien-Mysterien-Theater“ verband christliche Rituale mit antiken Kulten und provozierte durch die Verwendung von Blut und Tierkadavern.

Es gibt deutliche Verbindungen zwischen dem Wiener Aktionismus und der sogenannten 68er-Bewegung in Österreich. Beide Bewegungen erreichten Ende der 1960er-Jahre ihren Höhepunkt.

Sowohl die Aktionisten als auch die 68er-Bewegung wandten sich gegen die konservativ-autoritäre Nachkriegsgesellschaft und nutzten provokante Aktionen, um gesellschaftliche Tabus zu brechen und auf Missstände aufmerksam zu machen.“

https://de.catholicnewsagency.com/news/17231/blasphemische-operninszenierung-sancta-stuttgarter-stadtdekan-kritisiert-auffuhrung-scharf

 

Aufruhr christlicher Organisationen bleibt aus

 

Holger Kaletha: „Und was sagt die katholische Kirche zu diesem „Teufelslärm der freien Geister“ (Friedrich Nietzsche)? Es meldete sich der katholische Stadtdekan zu Wort. Die „Stuttgarter Zeitung“ vermeldet unter der Rubrik „Stuttgarts katholischer Stadtdekan übt scharfe Kritik“:

„Stuttgarts katholischer Stadtdekan Christian Hermes sagte am Donnerstag der KNA: „Ich wundere mich nicht, dass Zuschauer und Mitwirkende große Probleme mit dem Stück haben.“ Er habe zwar Respekt vor der künstlerischen Radikalität von Florentina Holzinger. „Sie legt schonungslos den Finger in die Wunde patriarchaler und klerikal-religiöser Herrschaft.“ Das sei „richtig und wichtig“, denn es gebe „eine schlimme Schuldgeschichte unserer Kirche“, so Hermes.

Doch das Stück zelebriere nicht nur „naive, um nicht zu sagen kitschige sexuell-spirituelle Erlösungsträume“. Bei ihm kämen seit der Premiere „wirklich beunruhigende Rückmeldungen“ an, berichtete der Stadtdekan. „Dass Mitarbeitende und Besucher brutal an und über die Grenzen des ästhetisch und psychisch Erträglichen geführt werden, religiöse Gefühle entgegen aller sonst gepflegten politischen Korrektheit obszön verletzt werden und ganz bewusst mit der mentalen Gesundheit der Menschen gespielt wird. Das scheint hier kein Unfall zu sein, sondern Teil des Konzepts.““

Nach „scharfer“ und lautstarker Kritik hört sich das nun keineswegs an – eher schon kleinlaut fühlt sich der Dekan bemüßigt, der Regisseurin erst einmal „Respekt“ zu zollen. Ja natürlich, wenn katholische Priester weltweit und seit Jahrzehnten in trauriger Regelmäßigkeit vor kleinen Jungs schamlos die Hosen runtergelassen haben und das auch noch von der Institution Kirche systematisch vertuscht wurde, dann wäre es angesichts dieser bitteren Realität schlicht und einfach Bigotterie, wenn ausgerechnet Vertreter der katholischen Amtskirche lautstark „Blasphemie“ schreien, wenn in der Fiktionswelt des Theaters vor dem unechten Bühnenaltar eine Schauspielerin, welche eine Nonne gar nicht ist, vielmehr nur spielt, die Hüllen fallen lässt. Das eigentlich Beunruhigende spricht diese katholische Stimme aber gar nicht an. Stellen wir uns vor, ein Betroffener des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche, ein traumatisiertes Vergewaltigungsopfer, verirrt sich in den Saal. Von der Inszenierung bekommt dieser gequälte Mensch dann die Lehrstunde erteilt, dass sein Schicksal eigentlich gar nicht so schlimm ist, weil man das Leiden an der sexuellen Grenzüberschreitung ja nicht nur leidend erfahren muss, sondern auch masochistisch als Lustquelle erleben kann. Dass Niemand von den Beteiligten an diese beklemmende Möglichkeit auch nur denkt geschweige dann öffentlich darüber spricht, spricht Bände. Es verrät sich damit die Oberflächlichkeit einer solchen Spektakel-Kunst wie auch die Spaßgesellschaft von heute, für die sie bestimmt ist.“

https://www.tamino-klassikforum.at/index.php?thread/23574-florentina-holzingers-sancta-spektakel-in-stuttgart/

 

https://www.youtube.com/watch?v=F_pom-R9f1g

 

„Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) sagte der Sprecher der Staatsoper, dass es am Anfang des Stücks am Samstag einen Zwischenrufer gegeben hatte. Er habe den Saal später von sich aus verlassen. Die Staatsoper hatte zuletzt ihr Sicherheitspersonal für die Aufführungen von "Sancta" aufgestockt, nachdem Regisseurin Holzinger und ihr Team Hassbotschaften und Gewaltandrohungen bekommen hatten.

Vor der Oper kam es am Samstag auch zum Protest. Laut dem Opernsprecher hatten sich 50 Menschen vor dem Opernhaus versammelt. Es seien Mitglieder der Organisation "Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum" gewesen. Die Gruppe gilt laut KNA als erzkatholisch und traditionalistisch. Bei der Demonstration habe es aber "keine Vorfälle" gegeben.“

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/staatsoper-stuttgart-sancta-besucher-kreislauf-protest-100.html

 

Die Katholische Nachrichten-Agentur bezeichnet diejenigen Demonstranten, die ihren Glauben noch ernst nehmen, als „erzkatholisch und traditionalistisch“. Allein dies und dass lediglich ein paar Hansel gegen „Sancta“ protestierten, zeigt, dass die christlichen Kirchen im Westen nicht ernst zu nehmen sind und keinerlei gesellschaftlichen Einfluss mehr haben. Siehe auch https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/1325-gott-und-die-cdu-sind-queer-und-durchgeknallt und https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/1301-wir-sind-irrelevant

 

Die Zeiten, in denen diese Kirchen ernst zu nehmen waren und enormen gesellschaftlichen Einfluss hatten, wünscht sich allerdings auch (fast) keiner zurück.

Hervorgehoben seien an dieser Stelle zwei Theater-Stücke und ein Film:

„Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag1698.html

„Reigen“ von Arthur Schnitzler: https://de.wikipedia.org/wiki/Reigen_(Drama)

„Die Sünderin“ von Willi Forst: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_S%C3%BCnderin

 

Warum das Stück und die Reaktion darauf völlig daneben sind

 

50 Jahre zu spät

 

Da, wo es nötig ist, ist Kritik am christlichen Glauben bzw. an den christlichen Kirchen erforderlich und angebracht. Der Wurm hatte auch immer wieder auf deren schädlichen Einfluss hingewiesen; unter anderem in den Beiträgen

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/303-glauben-und-wissen

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/338-oekoterrorist-noah

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/551-ich-judas

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/277-die-katholiban-und-das-leben

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/374-missachtung-von-frauenrechten

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/398-der-apotheker-danach

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/442-verweigerte-hilfeleistung

https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/598-sexuelle-gewalt-an-kindern-scham-und-entsetzen

 

„Sowohl die Aktionisten als auch die 68er-Bewegung wandten sich gegen die konservativ-autoritäre Nachkriegsgesellschaft und nutzten provokante Aktionen, um gesellschaftliche Tabus zu brechen und auf Missstände aufmerksam zu machen.“

Vor 50 Jahren wäre „Sancta“ noch angebracht gewesen als Provokation gegen die damals noch mächtigen christlichen Groß-Kirchen und als Denkanstoß.

„Die Frage nach weiblicher Sexualität innerhalb der christlichen Religion“ interessiert heutzutage nur sehr wenige. Es gibt mit Sicherheit individuelle Fragen dazu – aber keine gesellschaftlich relevanten.

 

Verachtung der eigenen Kultur

 

Die Eröffnungs-Feier der Olympischen Spiele in Paris markierte einen Höhepunkt der Verachtung der eigenen Kultur: https://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/1384-voelliger-zusammenbruch-der-westlichen-zivilisation

Bemerkenswert war, dass die Proteste dagegen aus dem christlich-orthodoxen, christlich-evangelikalen, katholisch/protestantischem Bereich außerhalb Europas kamen sowie von anderen, nicht-christlichen Religionen – so gut wie gar nicht aus dem Christentum der westlichen Großkirchen.

Im Falle „Sancta“ wird das zwar in der Welt zur Kenntnis genommen, aber weitestgehend dem deutschsprachigen Raum überlassen. Christliche Offizielle reagieren kaum negativ und der Rest jubelt „ohne Ende“.

 

Politisch inkorrekt

 

Als widerwärtige Heuchler entlarven sich die Jubler, die sich ansonsten so sehr politisch korrekt verhalten.

Keiner darf sich verletzt fühlen, keiner darf diskriminiert werden, ja, Denunziations-Diskriminierungs-Stellen werden eingerichtet – und jetzt das.

Entweder ich habe Lust an der Provokation, der Beleidigung und der Verletzung religiöser Gefühle – oder sage, dass all dies des Teufels ist.

Beides zusammen geht nicht.

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider | 26.10.

Im neuen Wochenkommentar geht es heute um die diesjährigen Gewinner des Johann-Nestroy-Sonderpreises für die schlechteste Schmierentheater-Aufführung. Wir werfen einen exklusiven Blick hinter die Theater-Kulissen!

https://www.servustv.com/aktuelles/v/aabmndweki6hz7byvup4/

 

Mel Gibson vs. Kamala Harris

https://www.youtube.com/watch?v=ujQuIeK3b1c

 

Kamala Harris vs. Stimmung

https://www.youtube.com/watch?v=OHwaLI2hktM

 

WELT: „zum Kapitol-Sturm aufhetzte“ vs. Realität

https://www.youtube.com/watch?v=CqMjsKBsKp0

 

Simone Solga: Saugen wie Scholz | Folge 137

https://www.youtube.com/watch?v=Q8VUdKTNfRI

 

Das neue Buch / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 164

https://www.youtube.com/watch?v=KUor_6Dy-u4

 

HallMack  Aktuelle Kamera 84 - Schönen Sonntag

https://www.frei3.de/post/5cf12973-c9ea-4fd4-9f4d-8cd22999ce72