Staatlicher Untergrund

Die Urteile im NSU-Prozess sind gefallen. Was der politisch-mediale Komplex dazu zu sagen hat, ist albern, weshalb der Wurm sich mit dessen Thesen erst gar nicht auseinandersetzt.

Tatsache ist: mit staatlichem Wissen wurden Morde an unbescholtenen Mitbürgern begangen. Und staatlicherseits wurde alles getan, um Spuren zu verwischen. Sowohl was die Morde betrifft als auch die drei sehr merkwürdigen Todesfälle, die Zeugen betreffen, die kurz davor waren, auszusagen. Spuren wurden auch danach in den Behörden verwischt, die mit dem NSU zu tun hatten.

 

Der NSU

 

Aus „Wikipedia“: „Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) war eine neonazistische terroristische Vereinigung in Deutschland, die um 1999 zur Ermordung von Mitbürgern ausländischer Herkunft aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven gebildet wurde. Die Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stammten aus Jena und lebten ab 1998 untergetaucht in Chemnitz und Zwickau. Sie ermordeten zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin, verübten drei Sprengstoffanschläge (Nürnberg 1999, Köln 2001 und 2004) und 15 Raubüberfälle. Die Zahl ihrer lokalen, überregional vernetzten Unterstützer wird auf 100 bis 200 geschätzt, darunter V-Personen und Funktionäre rechtsextremer Parteien.

Der NSU wurde ab dem 4. November 2011 öffentlich bekannt, als Mundlos und Böhnhardt tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden wurden und Zschäpe ihre Zwickauer Wohnung abbrannte sowie Bekennervideos versandte. Bis dahin hatten die Ermittler der Polizei rechtsextreme Hintergründe der Verbrechen weitgehend ausgeschlossen und Täter im Umfeld der Opfer gesucht, was viele Angehörige stigmatisierte. Inlandsnachrichtendienste hatten die rechtsextreme Szene jahrelang beobachtet und durch V-Leute im NSU-Umfeld indirekt finanziell gefördert. Das vielschichtige Versagen führte zu einer tiefen Krise der deutschen Sicherheitspolitik. Einige Beamte des Verfassungsschutzes vernichteten nach Bekanntwerden des NSU relevante Akten, weshalb 2012 die Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und der Landesbehörden Thüringens, Sachsens und Berlins zurücktraten. NSU-Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in acht Landesparlamenten untersuchten den Einsatz von V-Personen, Ermittlungspannen, organisatorische Defizite und mögliche lokale Unterstützer.

Der NSU-Prozess gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Gehilfen lief ab Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München. Am 11. Juli 2018 wurde Zschäpe als Mittäterin der Morde und Sprengstoffanschläge, wegen Mitgliedschaft im NSU und wegen schwerer Brandstiftung zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere ihrer Schuld festgestellt; vier NSU-Helfer erhielten zeitige Freiheitsstrafen.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund

 

Deutscher Staat als Rechtsbrecher und Mörder

 

Nun ist der deutsche Staat nicht so friedlich, wie er tut und wer der Meinung ist „Wir sind die Guten“, glaubt an jede Propaganda. Um es positiv auszudrücken.

Der deutsche Staat bombardiert Jugoslawien und tötet damit Menschen. „Da haben wir unsere Flugzeuge ... nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt - ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte." Heutzutage gibt der damalige Kanzler Gerhard Schröder offen zu, gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/88-bruch-des-voelkerrechts.html

Deutschland mischt vor, während und nach dem Putsch in der Ukraine aktiv mit und hat nicht das geringste Problem damit, mit faschistischen Kräften zusammenzuarbeiten. Siehe unter anderem http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/57-boxer-aufstand.html

Drohnen-Angriffe der USA werden auch durch militärische Einrichtungen in Deutschland koordiniert und umgesetzt. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/261-leichen-pflastern-seinen-weg.html

Und übt eine Total-Überwachung seiner Bürger zusammen mit befreundeten Geheimdiensten aus.

Wie die meisten anderen NATO-Länder auch, terrorisierte Deutschland seine eigene Bevölkerung im Rahmen von „Stay behind“ bzw. „Gladio“. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/196-gladio.html . Sehr verdächtig dafür sind der RAF-Terror (bewiesenermaßen hatte anfänglich der deutsche Geheimdienst die sich gerade gründende RAF mit Waffen versorgt, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/181-ein-abgrund-von-landesverrat.html ) und das Oktoberfest-Attentat von 1980.

Sehr verdächtig nach deutschem Geheimdienst sehen unter anderem die Ermordungen von Siegfried Buback http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/274-buback.html und Alfred Herrhausen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/124-herrhausens-ende.html aus. Auch, wenn es sich um die Vertreter des eigenen Staates handelt – bei internationalen Verbrecherbanden kommt es auch ab und zu vor, dass es Machtkämpfe in den eigenen Reihen gibt.

Sehr verdächtig nach deutschem Staat sehen die Attentate der letzten Zeit in München http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/236-muenchen-geschlossene-stadt.html und Berlin http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/258-alte-bekannte.html aus.

In befreundeten westlichen Ländern geht es nach der „Gladio“-Zeit auch nicht anders zu. Auch da sieht es so aus, dass der eigene Staat die eigenen Bürger terrorisiert und mordet. Unter anderem in den USA http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/243-viele-zufaelle.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/165-vorbereitungen-fuer-groessere-auseinandersetzungen.html , in Frankreich http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/131-islam-in-europa.html , http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/195-wer-wind-saet-wird-sturm-ernten-terror-in-paris.html und Großbritannien http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/282-krieg-der-internationalen-verbrecherbande-gegen-die-bevoelkerung.html

Schon beinahe harmlos ist es, wenn in „interessante“ Gruppen Leute eingeschleust werden, die zu Gewalt aufstacheln, wie es schon bei der RAF der Fall war. Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/212-agent-provocateur.html oder http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/287-hamburg.html

 

Motiv im Fall des NSU

 

In 7 Jahren werden 10 Menschen an sehr unterschiedlichen Orten getötet.

Na und? möchte wurm schon beinahe dazu sagen – im selben Zeitraum wurden in Deutschland offiziell 3.358 Menschen ermordet https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2229/umfrage/mordopfer-in-deutschland-entwicklung-seit-1987/

Offiziell handelt es sich bei den NSU-Morden um rechtsradikale fremdenfeindliche Morde. Ohne Bekenner-Schreiben.

Etwas absurd hört sich das ja schon an. Mensch stelle sich vor, er wäre rechtsradikal, geht in den Untergrund, will Ausländer töten und Terror im Land verbreiten. 10 Menschen in 7 Jahren regional verteilt, ohne dass auch nur ein Mensch mitkriegt, warum? Soll so rechter Terror aussehen?

Wie würden die staatlichen Motive aussehen? Es muss Motive geben – aber dem Wurm erschließen sie sich nicht.

Die Attentate unter staatlicher Beteiligung, die der Wurm aufgeführt hatte, waren alle spektakulär, hatten einen „Schuldigen“, waren sehr stark in den Medien vertreten. Bei den NSU-Morden war dies nicht der Fall. Die meisten dürften davon gar nichts mitgekriegt haben. Die Bevölkerung war also nicht der Adressat der Tat.

Der ist sie nämlich sonst: eine bestimmte Gruppe von Menschen soll diskreditiert werden, schärfere Sicherheits-Bestimmungen sollen durchgesetzt werden, von wichtigen sozialen Themen soll abgelenkt werden, außenpolitische Maßnahmen bis hin zu Kriegen sollen rechtfertigt werden.

Bei den NSU-Morden gibt es mehrere Theorien, wobei allerdings keine für den Wurm schlüssig erscheint und er deshalb auch keine Spekulationen anstellt.

Was auch immer das Motiv gewesen sein mag: der Staat war dabei. Da ist sich der Wurm sicher.

 

Ende und Anfang

 

Wolf Wetzel: „»Es war ein Zufall, der die größte rechtsterroristische Terrorgruppe auffliegen ließ. Und es war Rentner Stutzke. Am Morgen des 4. November 2011 kam er aus dem Supermarkt in Eisenach, zwei Flaschen Wasser, Bananen, Brötchen in der Tüte, als er zwei Polizisten erzählte: Ja, er habe zwei Männer gesehen, wie sie Fahrräder in ein Wohnmobil luden und losdüsten. Dann wies der Mann den Beamten den Weg, den das Wohnmobil genommen hatte. Kurz darauf entdeckte eine Streife die Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.« (morgenpost.de vom 5.11.2015)

So wird bis heute die Geschichte ausgerollt, um den Anfang vom Ende der neonazistischen Terrorgruppe NSU zu erzählen – auch wenn tatsächlich fast alles im wahrsten Sinn des Wortes auf dem Kopf steht.

Ein Streifenwagen stößt auf einen abgestellten Campingwagen in Eisenach-Stregda. Die Insassen sind mit acht Waffen ausgerüstet: Dazu zählen Revolver, eine Maschinenpistole, eine Pumpgun und eine Handgranate. Sie erkennen die hoffnungslose Situation sofort. Es findet eine „spontane Deradikalisierung“ (Kriminologe und Experte für Rechtsextremismus, Bernd Wagner) statt. Die Insassen entziehen sich der aussichtslosen Lage durch „gemeinschaftlichen Selbstmord“. Der Campingwagen geht in Flammen auf. Die Feuerwehr wird gerufen und löscht. Im Inneren werden zwei Leichen entdeckt. Der Campingwagen wird abgeschleppt und alles weitere mausert sich zu einer Staatsaffäre.

Bereits am nächsten Tag verkündet die Polizei, dass es sich bei den Toten um Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos handele. Nicht viel später erfährt die Öffentlichkeit, dass die beiden Toten Mitglieder einer neonazistischen Terrorgruppe seien, die sich NSU nennt. Auch die Ermittlungsergebnisse der Polizei können sich sehen lassen: Demnach soll Uwe Mundlos zuerst seinen ›Kameraden‹ umgebracht, dann den Campingwagen angezündet haben, um sich wenig später selbst zu töten – mit einer Pumpgun, die man auf dem Boden fand, sowie die beiden dazugehörigen Patronenhülsen. Außerdem präsentierte die ›Tatortgruppe‹ insgesamt acht Waffen, die im Campingwagen sichergestellt wurden, u.a. die beiden Dienstwaffen der Polizisten, die in Heilbronn 2007 Opfer eines Mordanschlages wurden. Und dazu noch ein Haufen Geld, aus diversen Banküberfällen.

Was dreizehn Jahre ein einziges Rätsel war, wurde innerhalb weniger Tage ›aufgeklärt‹. Alles, was man dazu brauchte, befand sich ganz ordentlich und unversehrt in besagtem ausgebranntem Campingwagen. Was will man gegen einen solch sagenhaften Glücksfall einwenden?

Diese Version wird bis heute aufrechterhalten. Zeugen für diesen Tathergang, Zeugen für die im Campingwagen gefundenen Gegenstände gibt es nicht. Alles stützt sich einzig und allein auf die Auswertung von Spuren.

An dieser Version zweifelte auch kaum jemand. Die allermeisten Medien rührten diesen ›Selbstmord‹ nicht an. Die Zweifel, die an vielen anderen Tatorten (die dem NSU zugeordnet werden) geäußert wurden, machten hier einen großen Bogen …

Ganz sicher spielt bei diesem Schweigen auch der gedanklich nächste Schritt eine Rolle, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass der Selbstmord der beiden NSU-Mitglieder die unwahrscheinlichste Todesursache ist. Wer hat dann die beiden Neonazis ermordet?

Waren es andere Neonazis? Gäbe es plausible Gründe dafür, dass dies von staatlicher Seite aus gedeckt werden soll? Und was bedeutet es, wenn der Geheimdienst, allen voran der sogenannte Verfassungsschutz darin involviert war – sei es in Untätigkeit, sei es in Form eines aktiven Gewährens? Niemand wollte, niemand will diese Tür aufmachen.

Sie würde ganz nebenbei den Prozess in München auf der Stelle platzen lassen. Die Annahme eines Mordgeschehens würde nicht nur die polizeilichen und parlamentarischen Aufklärer in Nöte bringen. Es würde auch die Linke mit der Frage konfrontieren: In was für einem Staat leben wir? Und was machen dann damit?

2013 habe ich in einem Buchbeitrag die Selbstmordthese in Frage gestellt, anhand der Fakten, die damals öffentlich zugänglich waren. Nun sind weitere drei Jahre vergangen und ich möchte im Folgenden belegen, dass keiner der NSU-Tatorte so manipuliert wurde wie der in Eisenach-Stregda …

Fazit

- Für die Selbstmordthese gibt es keinen einzigen belastbaren Beweis. Die gewichtigsten Indizien für einen Selbstmord sind vorgetäuscht bzw. manipuliert worden.

- Für ein Mordgeschehen hingegen sprechen zahlreiche Indizien, die den „ermittelten“ Tathergang unmöglich machen.

- Wenn diese Schlussfolgerung richtig ist, dann ist nicht alles rätselhaft, sondern sehr plausibel: Es handelt sich um ein Mordgeschehen, das mit der Zerstörung des Tatorts und der Manipulation von Beweismitteln gedeckt werden soll.

- Wenn Ermittlungsbehörden, Bundesanwaltschaft und Gericht dennoch an der Selbstmordversion festhalten, dann machen sie das nicht aufgrund der Faktenlage. Dann liegt die Annahme nahe, dass die Ermittlungen anderer Geschehensabläufe zu Personen und Verwicklungen führen würden, die unter allen Umständen verdeckt bleiben müssen.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=35857

Dietmar Henning: „Der international renommierte Brandsachverständige und Kriminaltechniker Frank Dieter Stolt ist am 15. Juni im Alter von 62 Jahren in einem Krankenhaus in Mannheim gestorben. Er war bei seiner Einlieferung ins Koma gefallen, aus dem er nicht wieder erwachte. Stolt war im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Terrormorden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) als Experte und Gutachter herangezogen worden. Weil die Ärzte die Ursache seines Todes nicht benennen konnten und der Tod für seine Familie „sehr überraschend“ kam, hat diese eine Obduktion in Auftrag gegeben.

Stolt hatte sich mehrmals kritisch über das Vorgehen der NSU-Ermittler geäußert. So kritisierte er in der ARD-Dokumentation Die Akte Zschäpe insbesondere den Polizeidirektor Michael Menzel, der die Ermittlungen an sich nahm, als die beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011 tot in ihrem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach aufgefunden wurden. Es war der Tag, an dem ans Tageslicht kam, dass eine terroristische Neonazi-Gruppe rund 13 Jahre lang unbehelligt neun Migranten und eine Polizistin ermorden sowie Bombenanschläge und Raubüberfälle verüben konnte – und dies unter den Augen verschiedener Geheimdienst- und Polizeibehörden.

Menzels erste Amtshandlung war die Beschlagnahme der Tatortbilder, die die Feuerwehr gemacht hatte, und deren spätere Löschung. Stolt erklärte, es sei eine Grundregel bei allen Bränden: „Alle Bilder müssen asserviert werden, mit Betonung auf ‚alle‘.“

Menzel ordnete auch an, dass ein Mitarbeiter des thüringischen Landeskriminalamts (LKA) eine Waffe im Wohnmobil birgt, die er persönlich entdeckt haben will. In einer Nachstellung des Vorgangs sagte später Katharina König, die Obfrau der Linken im thüringischen Untersuchungsausschuss, dabei habe der Beamte wegen der Enge des Gangs „über Leichen gehen“ müssen. Stolt kommentierte: „Brandort ist Tatort. Da gibt es Vorgehensweisen, bis hin, dass Trassen gebildet werden.“ Es könne nicht jeder in einem Tatort herumrennen.

Menzel selbst habe sich sogar in das Wohnmobil begeben und mit einer Harke darin herum gesucht, kritisierte Stolte. Im Wohnmobil soll dann eine Polizeiwaffe entdeckt worden sein, die später als die des Polizeibeamten identifiziert wurde, der im April 2007 in Heilbronn Opfer eines angeblichen NSU-Anschlages geworden war, bei dem seine Kollegin Michèle Kiesewetter starb.

Zum Schluss sorgte Menzel dafür, dass das ausgebrannte Wohnmobil samt Leichen und Waffen von einem Abschleppwagen in eine private – unbewachte – Halle in Eisenach transportiert wurde. Nach dem Transport lag in dem Wohnmobil nichts mehr an seinem ursprünglichen Platz.

Bis heute ist unklar, warum Menzel entgegen allen kriminologischen Regeln und Grundsätzen den Tatort verwüsten und die ursprünglichen Bilder aus dem Wohnmobil vernichten ließ. Bekannt ist jedoch, dass ein früherer Mitarbeiter Menzels bei der Kriminalpolizei Mike Wenzel war, der als Staatsschützer mehrfach mit dem Thüringer Heimatschutz (THS) zu tun hatte. Der THS, in dem sich Mundlos, Böhnhardt und die in München vor Gericht stehende Zschäpe radikalisierten, war maßgeblich von Tino Brandt, einem V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes, aufgebaut worden.

Der Kripobeamte Wenzel war außerdem ein Onkel der Polizistin Michèle Kiesewetter, die im April 2007 als mutmaßlich letztes Opfer des NSU ermordet wurde. Obwohl damals öffentlich noch nichts über den NSU bekannt war, hatte Wenzel sofort einen Zusammenhang zwischen dem Tod seiner Nichte und den sogenannten „Döner-Morden“ hergestellt.

Stolt, der auch ausgebildeter Feuerwehrmann und Feuerwehrlehrer war, äußerte auch Kritik am Vorgehen in der Frühlingstraße in Zwickau. Dort explodierte kurz nach der Entdeckung des ausgebrannten Wohnmobils in Eisenach die Wohnung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Stolt beanstandete, dass die ausgebrannte Wohnung mit schwerem Gerät (einem Bagger) ausgeräumt wurde: „Alles, was Sie da rausholen, können Sie nicht wieder richtig zuordnen.“

Im Brandschutt wurde dann nicht nur die Pistole der Marke Ceska gefunden, mit der die neun Migranten erschossen worden waren, sondern auch zahlreiche weitere Indizien und Beweisstücke für die dem NSU zur Last gelegten Morde. Und auch hier gab es Auffälligkeiten. So wurde nicht vermerkt, welcher Beamte die Ceska-Mordwaffe im Brandschutt gefunden hatte.

Der Brandsachverständige Stolt zweifelte auch an, dass Zschäpe das Benzin in der Wohnung ausgeschüttet und dann entzündet habe. Er war der Meinung, dann hätte sie sich selber verletzen müssen. Der Journalist Thomas Moser, der intensiv zum NSU-Komplex recherchiert, insbesondere zum Tod der Polizistin Kiesewetter, schreibt in einem Online-Beitrag für Telepolis auf heise.de, dass die Brandermittler bis heute nicht sagen können, wie die Wohnung zur Explosion gebracht wurde. „Dass es durch einen Menschen in der Wohnung mit offener Flamme geschah, schließen sie aus.““

https://www.wsws.org/de/articles/2018/07/04/nsuz-j04.html

 

Der Staat

 

Wolf Wetzel im Jahr 2012: „Hätte vor ein paar Monaten jemand behauptet, dass zur ›Aufklärung‹ der neonazistischen Mordserie Akten vernichtet, wichtige Erkenntnisse unterschlagen, Untersuchungsausschüsse belogen werden, Leitende Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz Falschaussagen machen, wäre er als Verschwörungstheoretiker lächerlich gemacht worden. Wenn vor Monaten jemand behauptet hätte, dass die verschiedenen Geheimdienste nicht dilettantisch, sondern perfekt zusammengearbeitet hatten und über ausgezeichnete Kontakte zum neonazistischen Thüringer Heimatschutz/THS verfügten, also zu Mitgliedern der daraus hervorgegangenen Terror-Gruppe ›NSU‹, wäre ihm Gleiches widerfahren.

Jetzt sind diese berechtigten Annahmen gerichtsverwertbar.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=13772

 

Operation Konfetti

 

Johannes Gunst, Lena Kampf, Dirk Liedtke, Andreas Mönnich, Uli Rauss und Oliver Schröm im Jahr 2012: „Seit Anfang November 2011 ist das Versagen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Rechtsextremismus offenkundig. Eine rechte Terrorzelle aus Thüringen hat 13 Jahre lang im Untergrund agiert, unterstützt von einem Netz Gesinnungsgenossen. Die Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nannten sich Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Sie überfielen Banken, verübten Bombenanschläge auf Ausländer, richteten acht Türken, einen Griechen und eine deutsche Polizistin mit Kopfschüssen hin. Polizei und Verfassungsschutz mit einem Heer von V-Leuten haben all dies nicht erkannt.

Totales Versagen - und eine Zäsur in der Geschichte der deutschen Inlandsgeheimdienste. Der Präsident des BfV und die Chefs der Verfassungsschutzbehörden in Thüringen und in Sachsen verloren ihre Ämter. Statt aufzuklären, wurden beim Verfassungsschutz heimlich Akten über V-Leute und die gewaltbereite Neonaziszene geschreddert. Manche gar auf Anweisung aus dem Bundesinnenministerium. Untersuchungsausschüsse beschäftigen sich mit der Frage nach Verantwortlichen. Als oberster Aufklärer des Schredderskandals fungiert, diskret im Hintergrund, Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche …

Berlin, 8. November 2011, Nachrichtendienstliche Lage im 4. Stock des Bundeskanzleramts …

Vier Tage zuvor hat die Polizei in Eisenach die toten Mundlos und Böhnhardt in einem Wohnmobil gefunden. Ihre Komplizin Beate Zschäpe steckte die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand und verschickte auf der Flucht Bekennervideos. Das Bundeskriminalamt (BKA) präsentiert Staatssekretären aus vier Ressorts und Vertretern der Geheimdienste den Ermittlungsstand. Videos mit Tatortwissen und Analysen gefundener Tatwaffen lassen keinen Zweifel: Rechtsterroristen sind verantwortlich für die viel diskutierte Mordserie an ausländischen Kleinhändlern, für Bombenanschläge und einen Polizistenmord. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich die Nachrichten in Telefonaten zwischen Verfassungsschützern und BKA-Ermittlern. Das politische Barometer steht auf Sturm. Wer wusste wann was über diese Killer? Gab es Pannen? Was steht in unseren Akten?

Köln, 11. November 2011, Bundesamt für Verfassungsschutz.

Referatsleiter Axel M., über Jahre verantwortlich für das Anwerben und Führen rechtsradikaler Spitzel, hat am Vortag um 10.25 Uhr per Mail den Auftrag erteilt, Dokumente zu sechs V-Männern aus Thüringen und einem aus Niedersachsen zu vernichten. Die Akten zu den Fällen Tobago, Tusche, Treppe, Tonfarbe, Tacho, Tinte, Tarif würden "nicht mehr gebraucht". Die Spitzel führte das Amt von 1999 bis 2003 - im Rahmen der "Operation Rennsteig".

Nun füllen Referatsleiter M. und zwei Gehilfen die nötigen Formulare aus. M. schickt die beiden Mitarbeiter in den Keller. Dort legen sie die "Rennsteig"-Dokumente aufs Laufband einer Großanlage, eines Reißwolfs mit riesigem Schlund, der komplette Aktenkartons schreddert. Dem Verfassungsschutzchef Fromm aber bleibt die "Operation Konfetti" verborgen. Am selben Tag übernimmt die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen die Terrorgruppe NSU. Das Bundeskriminalamt gründet eine Sondereinheit mit mehr als 330 Ermittlern, rund 50 Verfassungsschützer liefern zu. Sie alle ahnen nichts von der Schredderei.

Axel M., 53 und Vater von zwei Kindern, ist seit 25 Jahren Verfassungshüter. Er war schon "Referatsleiter Rechts", als Klaus-Dieter Fritsche Vizepräsident wurde. Die beiden liefen sich im Amt neun Jahre lang immer mal wieder über den Weg. M. ging nach einem Intermezzo bei der "Arbeitsgruppe Scientology" zurück in die Abteilung Rechtsextremismus. Seinen "gesellschaftsrelevanten Job" gegen Rechtsextremisten empfand er als "große Ehre". Warum aber Axel M. ausgerechnet die Akten der "Operation Rennsteig" schreddern ließ, ob er dies aus eigenem Antrieb tat - darüber schweigt er bis heute.

Zwei Tage nach der Aktion erreicht der Schock über den Naziterror die Öffentlichkeit. Das Fernsehen zeigt zynische Bilder aus dem Bekennervideo. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wertet die Nazitaten als "neue Form des rechtsextremistischen Terrors". Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht in ARD und ZDF: "Wir werden das umfassend aufarbeiten. Das sind wir denen, die ums Leben gekommen sind, schuldig."

Berlin, 14. November 2011, Bundesinnenministerium.

Ein Sachbearbeiter ist es, zuständig für Geheimschutz im Referat "ÖS III 3", der einen vertraulichen "Vernichtungserlass" ans BfV abschickt. Es ist eine Weisung: Akten zu Abhörmaßnahmen müssten vernichtet werden, weil Löschungsfristen abgelaufen seien. Die "Sammelanordnung" betrifft auch sechs Ordner mit Abhörprotokollen von Rechtsextremisten. Der Auftrag zum Schreddern kommt direkt aus dem Ministerium - aus einer Abteilung aus dem Bereich des Sicherheits-Staatssekretärs Fritsche.

Am Tag, als das BfV eine "Lageorientierte Sonderorganisation" (LoS) zur Aufklärung des NSUKomplexes ausruft - seine zweite in der Geschichte nach den New Yorker Terroranschlägen des 11. September -, schieben im Keller Sachbearbeiter auf Befehl aus Berlin Unterlagen zu Rechtsextremisten unbesehen in den Schredder. Papiere, die womöglich bei NSUErmittlungen hätten helfen können: Abhörprotokolle nach Anschlägen auf türkische Imbissbuden, Akten über das verbotene Skinhead-Netzwerk Blood & Honour und Hinweise auf eine "Braune Armee Fraktion" nach RAF-Vorbild.

Verfassungsschützer löschen und schreddern

Im Dezember löschen Verfassungsschützer weiter. Am Tag, als im BfV neue Informationen zu einem NSU-Helfer namens Jan W. eingehen - "#Neu! Nicht in der P-Akte!" -, schreddert der Verfassungsschutz vier Abhörprotokolle und eine V-Mann-Meldung über diesen Mann, der als Waffenbeschaffer für die Zwickauer Nazis im Verdacht steht. Im November und Dezember 2011 werden im BfV insgesamt 19 Ordner mit solchen Beweisstücken vernichtet, alle aus dem Bereich Rechtsextremismus.

Internen E-Mail-Protokollen zufolge diskutierten Verfassungsschützer sogar noch im Februar 2012, ob Informationen gegen den NSU-Helfer Thomas S. gelöscht werden dürften, einen früheren Kopf von Blood & Honour. S. soll zu einer Zeit, da Beate Zschäpe schon im Untergrund war, mit ihr liiert gewesen sein.

Dabei hat das Bundeskriminalamt im Zuge der NSU-Ermittlungen erst wenige Tage zuvor, am 25. Januar 2012, die Wohnung von S. durchsucht. Ergebnis der Diskussion im BfV: Die aktuelle Personalakte zu dem Hardcore- Neonazi und mutmaßlichen Ex-Liebhaber von Zschäpe "ist zu löschen".

Berlin, 21. November 2011, Innenausschuss.

Alle sind da, Abgeordnete, Minister, Staatssekretäre, die Chefs der Sicherheitsbehörden, auch aus Thüringen. Es wird eine Mammutsitzung. In der Analyse des Falls NSU sagt Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm: "Dieser Vorgang ist objektiv betrachtet - ich empfinde das auch persönlich so - eine Niederlage für die Sicherheitsbehörden." Staatssekretär Fritsche, fünf Jahre Fromms Stellvertreter und jetzt dessen Vorgesetzter, sagt nichts. Schweigt vier Stunden und 18 Minuten lang.

Wenig später zückt er den Dolch. Er sitzt neben Fromm auf dem Podium, der Saal der Bundespressekonferenz ist voll besetzt. Fritsche ergreift das Wort und schiebt Fromm in die Schusslinie. "Ich zitiere einmal den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, was er soeben im Innenausschuss gesagt hat: Es ist eine Niederlage der Sicherheitsbehörden." Fritsche sagt es nicht direkt, aber der Ton lässt keinen Zweifel: Es ist die Niederlage von Fromm - und nur von Fromm.

Köln-Chorweiler, Dienstag, 26. Juni 2012.

Medien haben über die "Operation Rennsteig" und die V-Leute des BfV in Thüringen berichtet und Aktenvernichtungen erwähnt. Fromm bereitet sich auf die Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss vor. Von Referatsleiter Axel M. hat er einen "Sprechzettel" vorliegen: "Anfang des Jahres 2011 wurden Akten vernichtet, die dienstlich nicht mehr benötigt und damit auch vor Bekanntwerden der Aktivitäten des NSU vernichtet wurden." Fromm ist beruhigt.

Berlin, Mittwoch, 27. Juni 2012.

Im Büro von Fritsche, Durchwahl -1112, läutet gegen zwölf Uhr das Telefon. Fromm. Der BfV-Präsident beginnt das Gespräch mit einer Entschuldigung: "Warum bin immer ich es, der Ihnen schlechte Nachrichten überbringt?" Und berichtet dann von Aktenvernichtungen, und zwar nach dem Auffliegen des Terrortrios. Das habe er gerade herausgefunden. Es sind "Werbungsakten" zu den V-Leuten in Thüringen, "Operation Rennsteig".

Die Nachricht ist eine Bombe, Das muss Fritsche sofort klargewesen sein. Nicht zu verheimlichen. In wenigen Stunden tagt das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages. Eile ist geboten. Es gilt, die Opposition einzubinden. Fritsche informiert Sebastian Edathy (SPD), den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. Dann erst geht der Staatssekretär zur Sitzung des PKGr, Raum UI 215. Fritsche rollt die Augen, rudert mit den Armen und redet über "einen ungeheuerlichen Vorgang". Er verspricht "komplette Aufklärung". Die perplexen Abgeordneten stellen kaum Fragen. Abends ist die Nachricht in den Medien.

Samstag, 30. Juni 2012.

In "Bild" fordert ein Parteifreund Fritsches, der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU), Fromms Kopf: "Die Affäre wirft die Frage auf, ob Fromm den Verfassungsschutz noch im Griff hat. Das muss Konsequenzen haben." Am nächsten Tag beantragt Fromm seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand.

Er ist es dann, der zwei Wochen später darauf hinweist, dass das Bundesinnenministerium selbst noch nach Bekanntwerden der NSU-Zelle Löschaktionen anordnete. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sind fassungslos. "Jedes gezielte Löschen macht misstrauisch", sagt Wolfgang Wieland von den Grünen. Die SPD-Politikerin Eva Högl sagt: "Wie kann man auf die Idee kommen, in dieser Situation überhaupt ein Blatt Papier zu vernichten?", und fordert öffentlich einen Vernichtungsstopp.

Das Innenministerium versucht abzuwiegeln, ein Sprecher stellt die Schredderei als Routinevorgang dar. Er räumt aber ein, dass manche der gelöschten Akten "Bezug zur NSU" haben - aber "nicht zu NSU-Straftaten". Dabei ist die NSU als terroristische Vereinigung per se eine Straftat. Der Name des Mannes im Schatten fällt in all den Wochen nicht. Fritsche bleibt unsichtbar.“

https://www.stern.de/investigativ/projekte/terrorismus/rechtsterrorismus--operation-konfetti--3869404.html

 

Rache an einem Aufklärer

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Rechtlich unschuldig, aber durch die Staatsanwaltschaft ans Messer der Öffentlichkeit geliefert? Wie kann das sein? Einen sehr erhellenden Kommentar dazu hat Ulrich Rippert geschrieben, den der Wurm hier zum größten Teil zitieren möchte:

„…Durch die gegenseitigen Beschuldigungen und die Koalitionskrise ist eine viel wichtigere Frage aus dem Blickfeld geraten: Sebastian Edathy hatte von Januar 2012 bis zum Herbst 2013 den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags geleitet und war dabei mehrmals mit führenden Vertretern der Sicherheitsbehörden aneinander geraten. Nun ist seine politische Karriere und sein persönlicher Ruf durch Indiskretionen aus demselben Sicherheitsapparat zerstört worden, obwohl er sich – nach allem, was bisher bekannt ist – keiner Gesetzeswidrigkeit schuldig gemacht hat …

Auch Rechtsexperten kritisieren das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Die Rechtsprofessorin Monika Frommel bezeichnet die Durchsuchung von Büros und Privaträumen ohne hinreichenden Anfangsverdacht als „grundrechtswidrige Beweisermittlungsdurchsuchungen“. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung. Die Hausdurchsuchungen ohne hinreichenden Verdacht auf eine Straftat seien „hochproblematisch“ und „rechts- und verfassungswidrig“. Es handle sich um „verbotene Ermittlungen ins Blaue hinein“.

Edathys Ruf und politische Karriere sind durch die Veröffentlichung des Verdachts erledigt. Die SPD hat ihn fallen gelassen und ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet, obwohl er bisher weder angeklagt noch einer Gesetzesverletzung überführt ist. Politik und Medien begleiten den Skandal mit einer Kampagne für schärfere Gesetze gegen den Handel mit Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen.

Nicht thematisiert wird dagegen der Zusammenhang zwischen Edathys Rolle im NSU-Untersuchungsausschuss und seinem abrupten Fall. Dabei war der Ausschuss während seiner 15-monatigen Tätigkeit mit einer systematischen Blockadehaltung der Behörden konfrontiert. Akten wurden geschreddert, geschwärzt oder zurückgehalten. Zeugen mauerten, wurden spontan krank, erhielten von ihren politischen Vorgesetzten keine Aussagegenehmigung oder behandelten den Ausschuss und seinen Vorsitzenden mit unübersehbarer Arroganz.

Die zentrale Frage, wie es möglich war, dass eine rechte Terrorgruppe unter den Augen staatlicher Sicherheitsbehörden, mit deren Duldung und zumindest indirekten Unterstützung jahrelang rassistische Morde an Migranten verüben konnte, beantwortete der Ausschuss zwar nicht. Er blieb bei der offiziellen Linie, dies sei auf „Pannen“ und „Versagen“ zurückzuführen. Aber Edathy bescheinigte der Polizei und den Nachrichtendiensten, sie hätten vorurteilsbeladen und mit Scheuklappen gegen die NSU-Terrorzelle ermittelt, und sprach von einem „multiplen“ und „historisch beispiellosen“ Versagen der Sicherheitsbehörden.

Im Untersuchungsausschuss wurde deutlich, dass der Sicherheitsapparat wie ein selbstherrlicher Staat im Staat fungiert, der sich jegliche parlamentarischen Kontrolle widersetzt.

Mittlerweile ist bekannt, dass das Bundesamt (BfV) und die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Berliner Landeskriminalamt (LKA) mindestens 24 V-Leute im direkten Umfeld des NSU platziert hatten.

Das rechte Netzwerk „Thüringischer Heimatschutz“ (THS), aus dem die Terrorgruppe um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in den neunziger Jahren hervorging, wurde von Tino Brandt, einem Informanten des Verfassungsschutzes aufgebaut und vom thüringischen Landesamt für Verfassungsschutz mit sechsstelligen DM-Beträgen finanziert.

Ob es eine direkte Verbindung zwischen dem Mord-Trio und dem Verfassungsschutz gab, wird zwar nach wie vor geheim gehalten. Bekannt ist aber, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) Anfang 1995 versucht hatte, Uwe Mundlos als Mitarbeiter und Informant zu gewinnen. Auch „Beate Zschäpe soll sehr wohl für den Geheimdienst in Thüringen gearbeitet haben“, schrieb im November 2011 Focus Online unter Berufung auf die Leipziger Volkszeitung. Der Hinweis stamme vom Landeskriminalamt Thüringen.

Im November 1997 observierte der Thüringer Verfassungsschutz Mundlos und Böhnhardt beim Kauf möglicher Bombenbauteile. Zwei Monate später durchsuchte die Polizei eine von Beate Zschäpe gemietete Garage und fand eine Bombenwerkstatt mit vier funktionsfähigen Rohrbomben. Uwe Böhnhardt war anwesend und konnte sich ungehindert entfernen.

Später wurde bekannt, dass der Sprengstoff für die Rohrbomben, etwa 1,4 Kilogramm TNT, von Thomas Starke besorgt worden war, einem früheren Freund von Beate Zschäpe. Starke war V-Mann des Berliner Landeskriminalamts.

Die Verstrickung des Geheimdiensts in die rechtsterroristische Mordserie geht so weit, dass beim Mord an dem 21-jährigen Halit Yozgat im April 2006 in einem Kasseler Internetcafé ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes während der Tatzeit anwesend war und – laut Wikipedia – das Internetcafé nur wenige Sekunden nach dem Mord verließ.

Völlig unaufgeklärt ist nach wie vor der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn. Er passt nicht ins Bild der anderen, rassistisch motivierten Morde. Auffällig ist auch, dass die Mordserie damals ein abruptes Ende nahm. Im Umfeld der getöteten Polizistin arbeiteten auch zwei Polizeibeamte, die einige Jahre dem deutschen Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) angehörten. Einer der beiden war sogar Gruppenführer der Einheit von Kiesewetter.

Als diese Fragen im Untersuchungsausschuss aufkamen, wies Sebastian Edathy darauf hin, dass die Ku-Klux-Klan-Organisation zur Hälfte aus V-Leuten der Geheimdienste bestand. Zu ihnen gehörte auch Thomas Richter, alias „Corelli“, der mehr als zehn Jahre lang als V-Mann für den Bundesverfassungsschutz arbeitete. Erst als Edathy mit einer Anordnung des Bundesverfassungsgerichts drohte, waren die Vertreter der Geheimdienste bereit, den Parlamentariern einige, in weiten Teilen geschwärzte Unterlagen über „Corelli“ zur Verfügung zu stellen.

Im September vergangenen Jahres meldete sich ein 21-jähriger Zeuge, der angab, er habe wichtige Informationen über den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter. Er wurde am Tag seiner geplanten Vernehmung in seinem Auto tot aufgefunden. Trotz des Widerspruchs seiner Mutter wurde sein Tod als Selbstmord eingestuft und die Ermittlungen nach wenigen Tagen eingestellt.

Besonders heftig geriet Edathy mit Klaus-Dieter Fritsche (CSU) aneinander, als dieser im Untersuchungsausschuss vernommen wurde. Fritsche war knapp zehn Jahre lang Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, anschließend Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt und ab 2009 beamteter Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Unter der Überschrift „Ex-Verfassungsschützer sorgt für Eklat“ berichtete der Stern, Ex-Verfassungsschützer Fritsche habe sich mit harscher Kritik gegen den Ausschuss gewandt und sich geweigert, Fragen zu beantworten. Edathy habe die Sitzung unterbrochen, nachdem Fritsche Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden mit scharfen Worten zurückgewiesen und Zwischenfragen von Abgeordneten abgelehnt habe. „Es gibt Grenzen dessen, was man hier hinnehmen muss“, habe Edathy kommentiert.

Edathys Frage, ob er es für legitim halte, dem Untersuchungsausschuss die Tätigkeit von V-Leuten im Umfeld der NSU zu verschweigen, beantwortet Frische mit „Ja“. Das Staatswohl sei wichtiger als parlamentarische Aufklärung.

Es ist nicht bekannt, ob die Geheimdienste bereits zum damaligen Zeitpunkt, im Oktober 2012, über den Verdacht gegen Edathy Bescheid wussten. Fakt ist aber, dass der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, im Oktober 2013 Klaus-Dieter Fritsche als Staatssekretär im Innenministerium darüber informierte.

Das leitete Edathys Absturz ein, während Fritsche, der immer wieder im Zusammenhang mit Vertuschungsmaßnahmen und Aktenvernichtung genannt wurde, aufstieg. Er ist jetzt im Bundeskanzleramt als Staatssekretär für alle Geheimdienste zuständig.

Auch der Nachfolger von Friedrich im Landwirtschaftministerium, Christian Schmidt (CSU), ist ein Vertrauter Fritsches. Er hatte nie etwas mit Landwirtschaft zu tun, war aber viele Jahre Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Das Gewicht von Vertretern des Sicherheitsapparats – von Militär und Geheimdiensten – im Kabinett nimmt damit erheblich zu. Edathys Schicksal dient auch als Einschüchterung und Warnung an alle, die es wagen, deren Einfluss auch nur ansatzweise in Frage zu stellen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2014/02/21/edat-f21.html

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/58-respekt-vor-edathy.html

 

Alle Verantwortlichen fallen sanft

 

Wolf Wetzel: „Mit diesem Rätsel beschäftigte sich auch der parlamentarische Untersuchungsausschuss in Berlin (PUA), um dieser dreizehn Jahre währenden Ahnungslosigkeit auf die Schliche zu kommen. In seinem Abschlussbericht konstatierte dieses Gremium 2013 ein „massives Behördenversagen“, was folglich alle Institutionen beträfe, die an der (Nicht-)Verfolgung bzw. (Nicht-)Aufklärung beteiligt gewesen waren: Die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Geheimdienste, und die jeweiligen Innenministerien.

Ein Fazit, das im Klartext bedeutet, dass es sich nicht um bedauerliche Pannen Einzelner und auch nicht um persönliches Versagen Vieler handelte, sondern um ein strukturelles, um ein systemisches Versagen, das man eben nicht durch Austausch einzelner ‚Köpfe’ oder durch personale Schuldzuweisungen lösen kann. Selbstverständlich teilten keine der angesprochenen Institutionen dieses politische Urteil.

So stellt sich Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nicht nur schützend vor seine Polizei, sondern auch vor den Verfassungsschutz:

»Polizei und Verfassungsschutz Rassismus oder gar Vertuschung von Straftaten gegen Nichtdeutsche oder Deutsche mit Migrationshintergrund vorzuwerfen, diskreditiert die tägliche mühevolle Arbeit zehntausender Frauen und Männer in beiden Institutionen, die innere Sicherheit zu gewährleisten und Angriffe gegen die Verfassung Deutschlands abzuwehren.« (2.11.2012)

Und der amtierende Chef des Inlandgeheimdienstes/BfV, Hans-Georg Maaßen, ließ 2015 die Öffentlichkeit wissen:

„Ich weise diese Kritik zurück; viele Vorwürfe sind unsachlich oder zu pauschal. Klar ist: Mein Amt war nicht zuständig für die Fahndung nach dem Trio. Das war Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaften. Damals sind schwere Fehler gemacht worden, aber ich verwahre mich dagegen, dies meiner Behörde zuzurechnen.“ (taz vom 11.2.2015)

Ein mehr als durchsichtiger Versuch, einen nicht gemachten Vorwurf mit Verve zurückzuweisen. Denn niemand erwartete vom BfV, dass es die Fahndung nach untergetauchten Neonazis selbst in die Hand nimmt, was ihm untersagt ist. Vielmehr lautet der vielfach belegte Vorwurf, den eigenen Vorgaben massiv zuwider gehandelt zu haben: Informationen und Kenntnisse über die untergetauchten Neonazis an die zuständigen Polizeibehörden weiterzugeben, um schwere Straftaten zu verhindern bzw. an der Aufklärung einer begangenen Straftat mitzuwirken. Genau dies ist nachweislich in unzähligen Fällen nicht passiert! Zahlreiche Festnahmemöglichkeiten wurden durch Interventionen vonseiten des Verfassungsschutzes, dem sich das Innenministerium anschloss, verhindert:

„Vergangene Woche war in einer vertraulichen Sitzung des Thüringer Justizausschusses bekannt geworden, dass ein halbes Dutzend Aktennotizen aus der Zeit zwischen 2000 und 2002 existieren, laut denen das Innenministerium Festnahmeversuche verhindert hatte.“ (Frankfurter Rundschau vom 8.12.2011)

Dennoch erntete der neue Geheimdienst-Chef für diese Irreführung und Selbstamnestierung keine erbosten Gegenstimmen, keine Entrüstung aus dem parlamentarischen Raum. Schon gar nicht antwortete man ihm mit Entlassung.

Bleiben wir einmal bei dieser Art der „Aufklärung“. Wenn zumindest viele „Einzelne“ gegen Strafgesetze und Dienstvorschriften verstoßen haben, dann müssten doch all jene „Einzeltäter“ mit straf- bzw. dienstrechtlichen Mitteln belangt worden sein. Das Ergebnis ist mehr als niederschmetternd.

Ich möchte dies an einigen herausragenden Personen nachzeichnen, die in exponierter Position dieses „massive Behördenversagen“ ermöglicht haben.

Andreas Temme, V-Mann-Führer im Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen …

Temme hat heute einen geruhsamen Job in der Rentenabteilung des hessischen Innenministeriums.

Michael Menzel, Einsatzleiter in Eisenach 2011, später Chef der SOKO „Capron“ und zugleich Leiter der Polizeidirektion in Gotha …

„Menzel ist derzeit im Thüringer Innenministerium Referatsleiter Verbrechensbekämpfung.“ (thueringer-allgemeine.de vom 18.11.2015)

Viel höher kann man nicht „fallen“.

Gordian Meyer-Plath | Verfassungsschutz in Brandenburg …

All das hat Gordian Meyer-Plath nicht geschadet: Er ist seit 2013 Präsident des Verfassungsschutzes in Sachsen.

Referatsleiter Axel M. | Deckname Lothar Lingen | Bundesamt für Verfassungsschutz/BfV in Köln …

Er wurde ins Bundesverwaltungsamt in Köln versetzt, „wo er unter anderem Personenvorschläge für Auszeichnungen durch den Bundespräsidenten erarbeitet“ (FR vom 5.10.2016), unter seinem echten Namen: Axel Minrath.

Alexander Eisvogel | Direktor im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) …

„Weniger als zwei Monate nach der Erstattung des Gutachtens wurde Eisvogel von Bouffier zum Präsidenten des hessischen Verfassungsschutzes ernannt.“ (FR vom 10./11.9.2016)

Auch das sollte noch nicht alles sein:

„Nach seiner Rückkehr zum BfV als dessen Vizepräsident leitete er zuletzt das Projekt zur Reform des Verfassungsschutzes.“ (n24. de vom 15.9.2013)

Klaus-Dieter Fritsche | Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz …

Seit Dezember 2013 ist er Staatssekretär für die Belange der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt. Dieser Posten wurde von der Bundeskanzlerin Angela Merkel neu geschaffen.

Freispruch am laufenden Meter

Man muss den Ausgang im NSU-Prozess in München nicht abwarten, um mit dieser Art der „Aufklärung“ abzuschließen. Denn lange bevor das Urteil in München gesprochen wird, wurden die an dem „massiven Behördenversagen“ Beteiligten mit diesen Belobigungen „gefeiert“.

Und es lässt sich ein mehr als düsteres Fazit ziehen: Wenn all jene nichts zu befürchten haben, die den NSU ausgestattet haben, Festnahmemöglichkeiten verhindert hatten, V-Leute als Neonazis gewähren ließen, Akten vernichtet haben, die dies belegen würden – wenn diese vielmehr gedeckt, beschützt, belohnt und befördert werden, dann haben sie nichts falsch, sondern alles richtiggemacht."

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43045

 

Exkurs: Hessen

 

Wolf Wetzel: „Erst im Mai 2014 konnte mit den Stimmen der SPD und der Partei „DIE LINKE“ doch noch ein PUA eingesetzt werden. CDU, Grüne und FDP hielten diesen für „nicht zielführend“ und enthielten sich der Stimme. Nun liegt ein erster Entwurf des Abschlussberichtes vor.

Vorgeschichte

Der neunte Mord, der der neonazistischen Terrorgruppe NSU zugeordnet wird, fand 2006 in Kassel statt. Dort wurde Halit Yozgat in seinem Internetcafé mit zwei Schüssen in den Kopf „hingerichtet“. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf und stieß dabei auf einen Zeugen, der sich nicht gemeldet hatte: Ein Mann, der sich im Internetcafé als „Jörg Schneeberg“ ausgab, und im wirklichen Leben Geheimdienstmitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz war, unter dem Decknamen Alexander Thomsen.

Die Polizei ermittelte gegen ihn, hörte seine Telefonanschlüsse wochenlang ab und bekam heraus, dass er V-Mann-Führer war und u.a. einen Neonazi „führte“. In der Folgezeit warfen sich alle Vorgesetzten, vom Chef des hessischen Verfassungsschutzes bis hin zum damaligen Innenminister Volker Bouffier vor ihn und schützten ihn. An diesem Schutzschild scheiterte die außerordentlich gut arbeitende Mordkommission: Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden eingestellt und die „Dönermord“-Losung hatte wieder freie Fahrt.

Nachdem sich der NSU im Jahre 2011 selbst bekannt gemacht hatte, war die Aufregung groß. Was elf Jahre lang als „Dönermorde“ ausgegeben wurde, stellte sich nun als eine neonazistische Mordserie heraus. Der Mord in Kassel 2006 war dabei der neunte und letzte Mord aus rassistischen Motiven.

Überall wurden parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingerichtet – nur in Hessen nicht. Die Regierungsparteien sprachen sich gegen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus. Schließlich war nach dem Willen der politisch Verantwortlichen alles „ausermittelt“, zu Deutsch: nichts herausgekommen, außer … einem unguten Gefühl, das aber auch in Hessen nicht strafbar ist.

Schließlich wurde im Mai 2014 mit den Stimmen der SPD und der Partei „DIE LINKE“ doch noch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss/PUA eingesetzt. CDU, Grüne und FDP hielten diesen für „nicht zielführend“ und enthielten sich der Stimme.

Nachdem die Einrichtung eines PUA nicht mehr verhindert werden konnte, gab es massive Versuche, vor allem von Seiten des aktuellen Regierungslagers, den Untersuchungsauftrag zu unterminieren, gerade in Hinblick auf die Fragen: Welche Rolle spielen staatliche Behörden bei der Sabotage der Aufklärung? Welche Rolle spielt der Verfassungsschutzmitarbeiter Temme, der einen Neonazi als V-Mann führte, der zum Netzwerk des NSU gehörte (Benjamin Gärtner)?

Monatelang wurde darüber gestritten, welche Akten aus dem PUA in Berlin, aus dem Prozess in München angefordert werden sollen. Aber es ging auch um die fortgesetzte Verschleierung von Beweismaterial:

„Derzeit wird über die Geheimhaltung hessischer Akten gestritten, die aus Berlin zurückgekehrt sind. Nach geltendem Recht müsse ein hessischer U-Ausschuss sie noch einmal einstufen, sagt Bellino. Die Akten seien schon klassifiziert, sagt Linken-Obmann Hermann Schaus. Er befürchtet, dass noch mehr Papiere den Stempel geheim bekommen. Dann darf in öffentlicher Sitzung nicht mehr daraus zitiert werden.“ (Die Welt vom 7.1.2015)

Seit dem 14. März 2018 liegt ein vom Grünen-Abgeordneten Jürgen Frömmrich verfasster Entwurf für den Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses/PUA zum NSU-Komplex in Hessen vor. Einen parteiübergreifenden Abschlussbericht wird es nicht geben. Unter anderem „kommen in den Augen von SPD und Linken die Erkenntnisse des Ausschusses über die rechtsextreme Szene in Hessen viel zu kurz. So hatte das Gremium herausgefunden, dass die rechte Szenefrau Corryna Görtz mehrfach das Internetcafé des späteren Mordopfers Halit Yozgat aufgesucht hatte. ‚Die Akten von Frau Görtz sind 2009 vom Landesamt für Verfassungsschutz vernichtet worden. Darüber steht kein Wort drin‘, bemängelte der Linke Schaus.“ (FR vom 13.3.2018)

Die Frankfurter Rundschau fasste die zentralen Ergebnisse dieses Entwurfes zusammen:

Andreas Temme, ein V-Mann-Führer des LfV in Hessen, der den Neonazi Benjamin Gärtner aus dem NSU-Netzwerk führte, habe – so gut wie – nichts mit dem Mord an dem Internetbesitzer Ismail Yozgat zu tun: „Die Frage, ob Temme an der Tat beteiligt oder ob er gar selbst der Täter war, kann auch der Untersuchungsausschuss nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Allerdings hält es der Ausschuss, ebenso wie es die Staatsanwaltschaften in den Jahren 2007 und 2012 sahen, für wahrscheinlicher, dass Temme nicht daran beteiligt war … Als Temme das Internetcafé betrat, versuchte er nicht, sich oder seine Identität zu verbergen … Eine sichere Feststellung, dass Temme nicht der Täter war, lassen diese Erwägungen aber nicht zu.“

Dass sich Andreas Temme dort als „Jörg Schneeberg“ eingeloggt hatte, wertet dieser Abschlussbericht demnach als mangelhafte Tarnung. Aber vielleicht musste sich Andreas Temme um eine perfekte Tarnung gar keine so großen Sorgen machen, da er darauf setzen konnte, im „Ernstfall“ mit allen Mitteln gedeckt zu werden.

Im NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss in Berlin wurde Gerhard Hoffmann, leitender Kriminaldirektor des Polizeipräsidiums Nordhessen und damaliger Leiter der „SOKO Café“ im Juni 2012 befragt.

Aus dem Gedächtnis gibt Mely Kiyak, die die besten Kolumnen in der Frankfurter Rundschau veröffentlichte, folgenden Dialog zwischen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses (UA) und dem SOKO-Chef Gerhard Hoffmann (GH) wieder:

GH: Innenminister Bouffier hat damals entschieden: Die Quellen von Herrn T. können nicht vernommen werden. Als Minister war er für den Verfassungsschutz verantwortlich.

UA: Er war doch auch Ihr Minister! Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen? Jedes Mal, wenn gegen V-Männer ermittelt wurde, kam einer vom Landesamt für Verfassungsschutz vorbei, stoppt die Ermittlung mit der Begründung, der Schutz des Landes Hessen ist in Gefahr. Aus den Akten geht eine Bemerkung hervor, die meint, dass man erst eine Leiche neben einem Verfassungsschützer finden müsse, damit man Auskunft bekommt. Richtig?

GH: Selbst dann nicht …

UA: Bitte?

GH: Es heißt, selbst wenn man eine Leiche neben einem Verfassungsschützer findet, bekommt man keine Auskunft.

(FR vom 30.6.2012)

Dem Abschlussbericht zufolge stehe auch fest, dass der Neonazi, den Andreas Temme „führte“, weder vom NSU etwas wusste noch von den Tatvorbereitungen. Das weiß man aufgrund einer „Befragung“, die der Verfassungsschutz selbst durchgeführt hatte, nachdem der damalige Innenminister Volker Bouffier zum Wohle des Landes verfügt hatte, dass es der Polizei untersagt sei, den Neonazi und V-Mann zu vernehmen. Ob das stimmt oder eine Notwendigkeit war, sich nicht selbst zu belasten, wäre leicht zu überprüfen: Man müsste nur die Protokolle auswerten, die zwei Telefonate zum Inhalt haben, die Andreas Temme mit dem V-Mann Benjamin Gärtner am Mordtag geführt hatte, das erste um 13:06 Uhr und ein weiteres um 16:10 Uhr, also knapp eine Stunde vor der Mordtat. Doch genau diese Wortprotokolle sind nicht mehr vorhanden, wodurch ein wichtiges Beweismittel beseitigt wurde.

Ein ähnliches Schicksal widerfuhr den „Treffberichten“, die Andreas Temme als V-Mann-Führer verfasst hatte. Ausgerechnet die Treffberichte aus dem Jahr 2006 fehlen. Der „grüne“ Abschlussbericht weiß noch mehr zu berichten und zu begraben: Das Ermittlungsergebnis der Polizei, wonach Andreas Temme nach dem Mord zu dem Tisch gegangen war, um dort ein Geldstück abzulegen, also den Toten habe sehen müssen, ist falsch – oder feiner formuliert „obsolet“:

„Die zwischenzeitlich vorherrschende These, wonach Temme an seinem PC gesessen habe, als die Schüsse fielen, lässt sich (…) nicht mehr aufrechterhalten. Die dieser These zugrundeliegende analytische Aufbereitung des Tathergangs durch die BAO Bosporus wurde von ihrem Verfasser für ,obsolet’ erklärt …“

Ermittlungen und Ergebnis passten einfach nicht (mehr) zusammen. Das wollen die polizeilichen Ermittler aus freien Stücken selbst erkannt und nun ein- und ausgeräumt haben. In Wirklichkeit steht nur eines zweifelsfrei fest: Der Zeitpunkt, als Andreas Temme sich am Computer abgemeldet hatte: 17:01 Uhr. Da der Todeszeitpunkt nicht minutengenau bestimmt werden kann, ist und bleibt das Ergebnis von BAO Bosporus nicht „obsolet“, sondern gleichermaßen wahrscheinlich. Was jedoch mit dieser Revision gelungen ist, ist unübersehbar: Nun passen die Lügen von Andreas Temme und das „grüne“ Ergebnis des PUA auch zusammen.

Dass die CDU im Jahr 2006 in Hessen allein regiert hatte, danach Bündnisse mit der FDP und seit 2014 mit den GRÜNEN eingegangen ist, also im PUA die Mehrheit stellt, ist auch wahr … und hat keinen Einfluss auf das Ermittlungsergebnis. Das glaubt nur jemand, der ausblendet, dass Inhalt und Umfang des Ermittlungsauftrages von der politischen Mehrheit diktiert werden.

Fazit: Dieser Abschlussbericht bestätigt in allen zentralen Punkten genau das, was das Gericht in München schon seit fast fünf Jahren weiß. Einen ganz kleinen Trostpreis hält dieser „grüne“ Abschlussbericht doch noch bereit: Er öffnet einem anderen Tatgeschehen einen Spalt weit die Tür, wenn man der Ausführung folgt: „Eine sichere Feststellung, dass Temme nicht der Täter war, lassen diese Erwägungen aber nicht zu.“

Nutzen wir also diese Chance und machen uns anhand der öffentlich zugänglichen Fakten daran, einen Geschehensablauf zu rekonstruieren, in dem Andreas Temme ein (Mit-)Täter ist.

Andreas Temme verließ tatsächlich das Internetcafé, bevor Halit Yozgat erschossen wurde. Er verließ dieses, als er den günstigen Zeitpunkt für ausgemacht hielt. Draußen übergab er dem Mörder eine Plastiktüte. Eine solche sah ein Zeuge, als sich Andreas Temme zu seinem Internetplatz begab. Und über diese machte sich auch seine Frau lustig, in einem abgehörten Telefonat. Laut Telefonprotokoll hat sie ihrem Mann gesagt:

„Willst du nicht mal auf mich hören? Ich sage noch, ne, nimm keine Plastiktüte mit!“ (tagesspiegel.de vom 8.6.2015)

Möglicherweise wartete er noch im Auto, bis der Mörder wieder herauskam, damit dieser die Waffe samt zerschossener Plastiktüte und eingefangener Patronenhülsen durchs offene Fenster werfen konnte, um so die Tatwaffe sicher zu „entsorgen“. Wer würde im Zweifelsfall einen Geheimdienstagenten anhalten und durchsuchen?

Das hört sich verrückt an, wie in einem Mafiafilm, in dem Geheimdienstagenten und Mafia Hand in Hand arbeiten. Wenn man jedoch die „Beweislage“ dagegenhält, die für eine Täterschaft der beiden NSU-Mitglieder angeführt wird, dann stützt sich diese alternative Version auf einen „Berg“ von Beweismitteln. Denn so sehr man diesen Neonazis diesen Mord zutraut, so sehr er ihrer rassistischen Logik entspricht: Es existiert kein einziger Beweis vor Ort, keine einzige Zeugenschaft, die die offizielle Version stützen könnte.

Mehr noch: Der offiziellen Version zufolge haben die beiden NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Tat alleine begangen, ohne jede Art der Unterstützung. Sie sind folglich „blind“ in das Internetcafé gegangen, ohne zu wissen, ob sich neben Halit Yozgat noch weitere Personen in dem Vorraum aufhalten, wo sich die Kasse befand. Dass dies genauso gewesen sein müsste, ergibt sich aus Zeugenaussagen der im Internetcafé Anwesenden. Keiner der sechs Kunden (einschließlich Andreas Temme) hat einen Mann oder gar zwei Männer kurz vor der Mordtat gesehen, um die Örtlichkeiten auszuspähen, mit dem Ziel, unter allen Umständen zu vermeiden, dass es einen unmittelbaren Zeugen des Mordes gibt. Das würde jedoch gänzlich dem professionellen und umsichtigen Verhalten widersprechen, das man den beiden NSU-Mitgliedern attestiert hatte.

Welcher Tathergang also wahrscheinlicher ist, welcher von mehr Indizien getragen wird, entscheidet sich bei Anwendung gängiger Ermittlungsmethoden nicht an der Frage, wem man einen solchen Mord zutraut, sondern einzig und allein am Gewicht der Indizien, an der Beweisdichte.

Ganz sicher machen Andreas Temme seine Anwesenheit am Tatort, sein Versuch, diese zu leugnen, seine Kontakte zu einem Neonazi am Mordtag, seine eigene rassistische Gesinnung verdächtig. Deshalb wurde er auch von der Mordkommission lange als Tatverdächtiger geführt. Für diesen etwas anderen Tatverlauf gibt es zudem eine sehr ungewöhnliche und unfreiwillig glaubwürdige Zeugin: Temmes Frau selbst!

Man mag es kaum glauben, dass genau sie das gesagt hat: die Ehefrau, die sich bis heute aufopferungsbereit vor ihren Mann stellt und ihn zum Opfer unglücklicher Umstände stilisiert. Sehr wahrscheinlich dachte sie nicht einmal im Traum daran, dass ihr Telefon abgehört wird. Doch genau das wurde gemacht, so auch das Gespräch mit ihrer Schwester, in dem sie – ihren Mann vor Augen – sagte:

„Interessiert es mich denn, wen der heute wieder niedergemetzelt hat? Solange er sich die Klamotten nicht schmutzig macht!“

Daraufhin lachten Eva Temme und ihre Schwester herzhaft und zwanglos. Diese Aussage, die sie bis jetzt noch nicht zurückgenommen hat, passt so gar nicht in die Trottelversion, die sich Staatsanwaltschaft, Gericht und nun auch die Mehrheit des PUA in Hessen teilen: „Klein Adolf“, eine tragische Figur, am falschen Ort, zur falschen Zeit.

Einer, der nicht einmal auf seinen Schutzengel, den Geheimschutzbeauftragten des hessischen LfV, Gerald-Hasso Hess, hörte:

„Ich sach ja jedem, äh, wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert: Bitte nicht vorbeifahren! Ja, es ist sch … Ja, wie sieht es bei Ihnen aus, wie fühlen Sie sich?“ (Telefonat mit Andreas Temme am 9. Mai 2006)

Als man den Geheimschutzbeauftragten des LfV Hessen mit diesem abgehörten Telefonat konfrontierte und von Täterwissen ausging, winkte Herr Hess ab. Das sei nur ein Scherz gewesen. So witzig wie der mit den Blutspritzern auf dem von Eva Temme so glatt gebügelten Hemd.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43313

 

Der Prozess

 

23. Februar 2012

„Merkels Gedenkrede für Neonazi-Opfer im Wortlaut

In ihrer Rede zum zentralen Gedenken für die Opfer der Neonazi-Terrorzelle entschuldigt sich Kanzlerin Angela Merkel bei den Hinterbliebenen. Sie verspricht die Aufklärung der Morde und warnt vor Gleichgültigkeit und Unachtsamkeit gegenüber Intoleranz und Rassismus. Ihre Rede im Wortlaut.

… Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck. Das ist wichtig genug, es würde aber noch nicht reichen. Denn es geht auch darum, alles in den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann …“

https://www.sueddeutsche.de/politik/merkels-gedenkrede-fuer-neonazi-opfer-im-wortlaut-die-hintergruende-der-taten-lagen-im-dunkeln-viel-zu-lange-1.1291733

 

Ken Jebsen im Gespräch mit Wolf Wetzel im Jahr 2013: „Die größte Mordserie in der Geschichte der BRD offenbart sich immer mehr als Farce. Das, was uns das Gericht in München glauben machen will, nämlich dass es keinerlei kriminelle Verbindungen zwischen Staat und NSU-Trio gegeben haben soll, ist nicht nur nachweislich falsch, es ist noch mehr: eine dreiste Lüge. Ohne den Staat hätte es die NSU, wie wir sie kennen, nie gegeben. Aber anstatt einen soliden Untersuchungsausschuss durchzuführen, geht die Justiz auf Anweisung von ganz oben einen anderen Weg. Sie seift die Bevölkerung komplett ein und verhöhnt die Opfer. Der Staat hatte über das, was später als NSU-Terrorzelle bekannt werden sollte, zu jeder Zeit das volle Wissen. Er war schon am Set, als sich die Neo-Nazis noch THS (Thüringer Heimatschutz) nannten. Er begleitete sie quasi in den Untergrund, und war über 10 Jahre eine Art Escortservice.

Die Beweise sind erdrückend, nur sie sind in München kein Thema. Hier steht Beate Zschäpe vor Gericht, als einzige Überlebende des Trios. Was sie nicht weiß, gab es nicht. Eine Farce.

Ein deratiges Verfahren, das auf das Gros der Zeugen - unzählige Verfassungsschützer, Polizisten und BKA-Angestellte - verzichtet, würde, in Moskau abgehalten, als Schauprozess gelten. Exakt das ist er auch hier. Die Blutspur führt hoch hinaus, bis ins Innenministerium, und von "Behördenchaos" kann überhaupt nicht die Rede sein. Als es um das vorsätzliche Vernichten von Beweisen ging, und man Akten im Tonnenbereich schredderte, arbeiteten diverse Behörden sauber synchron zusammen.

Was wir bisher über die sogenannte NSU-Affäre wissen, sind höstens fünf bis zehn Prozent, sagt Wolf Wetzel, der nach 2 Jahren Recherche mit "Der NSU-VS-Komplex" ein Buch zu dieser Staataffäre vorlegt.

KenFM tauchte mit dem Autor ganz tief in den Sumpf des Verbrechen und des staatlich geförderten Terrors ab."

 

 

Dietmar Henning: „Mit den Plädoyers der Verteidigung geht der Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der zwischen 2000 und 2007 kaltblütig neun Migranten und eine Polizistin ermordete, seinem Ende zu. Mitte Juni wird ein Urteil des Münchener Oberlandesgerichts erwartet.

Mit einer Dauer von fünf Jahren und Kosten von 64 Millionen Euro handelt es sich um einen der größten Prozesse in der deutschen Rechtsgeschichte. Kommentare haben ihn deswegen mit dem Auschwitz-Prozess verglichen, der in den 1960er Jahre erstmals das Schweigen über den Holocaust durchbrach und nachhaltige Auswirkungen auf das Denken der jüngeren Generation hatte.

Doch der NSU-Prozess hat nichts dergleichen vollbracht. Während er voraussichtlich mit Schuldsprüchen für die fünf Angeklagten enden wird, haben das Gericht und die Generalbundesanwaltschaft alles getan, um das Umfeld und die Rolle der Sicherheitskräfte auszublenden, die das ungestörte Morden erst ermöglicht haben.

„Wir haben einiges in München erreicht – und im Grunde gar nichts“, kommentierte Opferanwalt Mehmet Daimagüler am vergangenen Montag den NSU-Prozess in Bochum. Daimagüler vertritt in München die Angehörigen der NSU-Opfer Ismail Yasar und Abdurrahim Özüdogru. Er sprach im Rahmen der vom Fachschaftsrat Sozialwissenschaft veranstalteten „Kritischen Einführungswoche“ vor über 70 Zuhörern, vor allem Studenten, zum Thema „NSU-Prozess aus der Innensicht“.

Daimagüler ist sich sicher, dass alle fünf Angeklagten verurteilt werden. Zschäpe, die langjährige Komplizin der toten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, dürfte des Mordes schuldig befunden werden. Doch die von der Bundeskanzlerin 2012 versprochene Aufklärung der Morde gibt es nicht. Daimagüler ging ausführlich darauf ein, wie diese Aufklärung von allen staatlichen Beteiligten verhindert wurde.

Als erstes demontierte er die These der Generalbundesanwaltschaft, die drei Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien „isoliert“ gewesen und somit die einzigen Mitglieder der terroristischen Vereinigung NSU. „Wir haben 24 Zeugen gehört, die alle berichteten, dass sie den Dreien geholfen haben“, berichtete er. Dabei sei es nicht um Kleinigkeiten gegangen. „Sie unterstützten mit Wohnungen, Identitäten, Autos und Geld.“ Trotzdem seien sie lediglich Zeugen, nicht Angeklagte.

Nicht nur die nackte Zahl von 28 Unterstützern des „Trios“ (24 Zeugen, vier Angeklagte) wiederlegten die Trio-These, sondern auch die Tatumstände. An mehreren Beispielen wies Daimagüler nach, dass Mundlos und Böhnhardt bei ihren Morden Unterstützung von ortserfahrenen Personen gehabt haben müssen.

Der Bombenanschlag auf das Geschäft der Familie Malayeri in der Probsteigasse in Köln sei in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. Im Januar 2001 hatte Mashia, die damals 19-jährige Tochter des Geschäftsinhabers, nur durch Glück eine Explosion überlebt.

Das von der Familie erstellte Phantombild des Täters glich in keiner Weise den beiden NSU-Männern. Dafür wies es große Ähnlichkeit mit Johann H., einem V-Mann des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen auf, was Daimagüler nicht erwähnte. Er schilderte aber die Tatumstände, die es völlig unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass Mundlos und Böhnhardt ohne Unterstützer vor Ort handelten.

Laut Anklage waren Mundlos und Böhnhardt aus dem 500 Kilometer entfernten Zwickau, wo sie im Untergrund lebten, nach Köln gereist, um Opfer auszukundschaften. Sie gingen aber nicht in einen Stadtteil, in dem viele Migranten wohnen, sondern in einen anderen, wo sie das Geschäft in der winzigen Probsteigasse entdeckten, in der laut Daimagüler „nicht einmal zwei Autos aneinander vorbeikommen“.

Dem Geschäft, auf das sie den Anschlag verübten, war von außen nicht anzusehen, dass es von einem Migranten betrieben wurde. Auf dem Schaufenster befand sich die Beschriftung des Vorbesitzers „Getränkeshop Gerd Simon“. Trotzdem: „Sie gehen dort hinein – und Bingo. Sie haben ihr nächstes Opfer gefunden“, sagte Daimagüler.

Dass es sich dabei um eine absurde Version handle, fechte die Generalbundesanwaltschaft nicht an, auch nicht, dass mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum Ergebnis gekommen seien, es müsse Unterstützer des NSU vor Ort gegeben haben.

Dies führte ihn zu seinem zweiten Punkt, der Rolle des Staates. Anhand vieler Beispiele zeigt er auf, wie die verschiedenen Verfassungsschutzämter die neonazistischen Strukturen aufgebaut haben.

Die drei Zwickauer Neonazis waren, bevor sie 1998 in den Untergrund gingen, in der Neonazi-Organisation „Thüringischer Heimatschutz“ (THS) aktiv, die laut Daimagüler um die 160 Mitglieder hatte. „Darunter waren nachweislich 42 V-Leute, allesamt Nazis, teilweise hochkriminell.“

Dabei gebe das Verhältnis eins zu vier, ein V-Mann auf vier Neonazis, das volle Ausmaß der staatlichen Verantwortung nicht wieder. Bei den 42 V-Leuten habe es sich nicht um „die besoffenen Skinheads“, die Mitläufer, sondern um „die Führer, die Macher, die Organisatoren“ gehandelt. In der Führung neonazistischer Organisationen stehen laut Daimagüler nicht 25, „sondern 60, 70, 80 teilweise 90 Prozent“ der Kader in den Diensten der Geheimdienste. „Was wären die Nazis ohne ihre V-Leute“, fragte er rhetorisch.

Der Opferanwalt nannte Timo Brandt, der von 1994 bis 2001 als V-Mann den THS aufbaute, als Beispiel. Brandt habe nicht nur mehr als 100.000 Euro, Laptops, Handys und andere Mittel erhalten. „Über ihn wurde auch die schützende Hand gehalten. Gegen Brandt wurde in dieser Zeit 36 mal ermittelt, nicht wegen Kleinigkeiten. Alle Ermittlungen wurden eingestellt.“

Erst nach seiner unfreiwilligen Enttarnung im Jahr 2001 sei Brandt für den Verfassungsschutz wertlos geworden. Nun sitzt er im Gefängnis wegen Prostitution Minderjähriger. „So viel zu den Nazi-Rufen nach der ‚Todesstrafe für Kinderschänder‘.“

Brandts V-Mann-Führer – ein Beamter des Landesverfassungsschutzes Thüringen – habe ihn auch vor Hausdurchsuchungen gewarnt „und gemeinsam seine Wohnung ‚aufgeräumt‘“. Vor Gericht habe Brandt zugegeben, dass er wusste, wo sich die drei Untergetauchten befanden, und dass er ihnen geholfen habe, auch mit Geld. Auf die Frage der Nebenklageanwälte, woher dieses Geld gekommen sei, habe er geantwortet: „Vom Amt, und das haben die auch gewusst.“

Unmittelbar nach ihrem Abtauchen hatten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe die Ceska-Pistole gekauft, mit der dann die neun Migranten ermordet wurden. Daimagüler folgerte: „Es steht der Verdacht im Raume, dass in Deutschland mit staatlichem Geld eine Mordwaffe gekauft wurde.“

Daimagüler sprach auch über Andreas Temme, den V-Mann-Führer des hessischen Verfassungsschutzes, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel anwesend war. „Temme hat von der ersten bis zur letzten Sekunde gelogen. Aber er wurde gedeckt.“ Genauso wie viele andere, von denen Daimagüler berichtete. Wie viele und vor allem wer gedeckt wurde, sei unklar. „Im Laufe der Jahre sind über 300 Aktenordner mit NSU-Bezug vernichtet worden.“

Daimagüler sprach von einem „wirklichen rechtsstaatlichen Problem“. Für die Verfassungsschutzbeamten habe all dies keine negativen Folgen gehabt, im Gegenteil. Der frühere V-Mann-Führer von Carsten Czepanski, Deckname „Piatto“, der eine zentrale Rolle im Unterstützernetzwerk des Trios spielte, sei jetzt Präsident des Landesverfassungsschutzes in Sachsen.

Zum Schluss ging er auf den – wie er es nannte – institutionellen Rassismus ein, der bei den Ermittlungen zum Ausdruck kam. Am Fall der Frau des ermordeten Enver Simsek und weiteren Beispielen machte er deutlich, wie die Ermittler die Opfer kriminalisierten und die Täter in deren Umfeld verorteten.

Er habe vor Gericht 140 bis 150 Polizeibeamte gehört, die alle sagten, sie hätten keine Hinweise auf Neonazis gehabt. Doch dies treffe nicht zu. Im Fall Simsek habe es zahlreiche Zeugenaussagen gegeben, die eindeutig auf zwei Mörder mittel- bis nordeuropäischen Aussehens mit Fahrrädern hinwiesen. Mehrere Zeugen hätten sogar gesagt, sie sähen wie Nazis aus. Doch dies habe nicht ins Bild der Polizeibehörden gepasst, die von kriminellen Ausländern fantasierten.

Daimagüler zitierte aus dem Gedächtnis eine Fallanalyse des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg aus dem Jahr 2007, in der es hieß: „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturkreis mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“ Wahrscheinlich sei daher auch, dass die Täter „im Ausland aufwuchsen oder immer noch dort leben“. Mit anderen Worten: Die Mörder mussten Ausländer sein.

In der Fallanalyse sei von einem „Häuptling“ fantasiert worden, von „verletzter Ehre“ usw., mit dem Ergebnis, dass der Mörder aus Süd- oder Südosteuropa, aus der Türkei oder Kurdistan stammen musste. Diesem Vorurteil entsprach auch die Bezeichnung der Mordserie als „Döner-Morde“ und der Name der Sonderkommission, die sich „Bosporus“ nannte.

Zum Schluss appellierte Daimagüler an die anwesenden Studenten, sich nicht mit den offiziellen staatlichen Erklärungen und Ermittlungen zufrieden zu geben. Er erinnerte an die Ermittlungen im Zuge des Oktoberfest-Attentats und des Todes von Oury Jalloh. Diese Fälle seien nur deshalb nicht beendet, weil sich Journalisten und andere nicht mit den offiziellen Erklärungen abspeisen lassen und insistiert hätten, Widersprüchen und offenen Fragen nachzugehen.

Er selbst habe sich vorzuwerfen, nicht genug getan zu haben. Er habe zwar schon 2006 vermutet, „dass die Täter der so genannten ‚Döner-Morde‘ Nazis waren. Aber ich habe nichts getan. Damals war ich im Bundesvorstand einer Partei, in der auch der Innenminister Nordrhein-Westfalens war. Ich hätte ihn ansprechen können.“ Doch er habe es nicht getan: „Aus Feigheit und auch aus Opportunismus.“ Damals habe er in der Politik noch Karriere machen wollen – „Staatssekretär oder so“. Und „da hilft es nicht, über Rassismus zu reden“.

Daimagüler war zu diesem Zeitpunkt Mitglied der FDP, die er 2007 verließ. Er schloss mit der Forderung: „Wir müssen uns einmischen."

Die Studenten hatten anschließend viele Fragen. Auf die Frage, wie er es schaffe, zwischen den offenen Fragen und Verschwörungstheorien zu unterscheiden, entgegnete er: „Es gibt Verschwörungen. Daher sollte man sich nicht mundtot machen lassen, wenn man den Vorwurf der ‚Verschwörungstheorie‘ entgegen geschleudert bekommt.“

Es gebe einfach zu viele offene Fragen. Die Todesumstände von Mundlos und Böhnhardt: Haben sie sich selbst umgebracht oder waren Dritte im Spiel? „Ich weiß es nicht“, beides könne sein. Die Ermordung der Polizistin Kiesewetter in Heilbronn: „Völlig unklar.“ Sind die insgesamt vier toten Zeugen ermordet worden? Dazu habe er keine Belege, aber „ich bin so weit, dass ich nichts ausschließe“.“

https://www.wsws.org/de/articles/2018/05/07/daim-m07.html

 

Wolf Wetzel: „Wahrscheinlich sollen die Superlative das mehr als Wenige überstrahlen, das dieser Prozess hinterlassen wird: Einen angeblichen „Jahrhundertprozess“, mit 250 Verhandlungstagen, 95 Nebenklägern, 60 Rechtsanwälten, 600 Zeugen, 250 Anträgen und 1.100 Bildern aus dem NS-Untergrund des 21. Jahrhunderts ….

Ganz sicher hilft dies, das ganz Offensichtliche zuzudecken, einfach zu vergessen. Denn es stand von Anfang an fest, was nicht Gegenstand dieses „Jahrhundertprozesses“ ist:

- Bestand der NSU aus mehr als drei Mitgliedern?

- Waren V-Leute der Geheimdienste in (tat-)relevantem Maße am Zustandekommen, am Gewährenlassen des NSU beteiligt?

- Hätten deutsche Behörden (von Polizei bis Geheimdiensten) die Morde verhindern können, die dem NSU zur Last gelegt werden?

Wenn man diesen extrem kleinen Laufstall juristischer „Aufklärung“ nicht ausblendet, sondern sich ihn heute mehr denn je bewusstmacht, dann ist die mancherorts geäußerte Enttäuschung über den seit über fünf Jahren sich hinschleppenden Prozess überraschend und wissensabgewandt.

Fast nichts, was manche Beobachter mit Wut konstatieren, ist unerwartbar und gänzlich unangebracht gewesen:

Dass Neonazis vor Gericht schweigen, ins 1.000-jährige Koma verfallen, verwundert nicht und ist ihr Recht.

Dass Verfassungsschutzmitarbeiter als Zeugen genau dasselbe tun, hat nichts mit spontanem Gedächtnisschwund zu tun, sondern mit den Vorgaben, nichts oder noch weniger zur Aufklärung beizutragen. Es ist nicht das erste Mal, dass Geheimdienste für die Justiz nicht zur Verfügung stehen. Und wer sich jetzt empört, der sollte wissen, dass alle Regierungsparteien in allen Koalitionen und Konstellationen dies genauso wollen. Denn selbstverständlich hätten sie das Recht (Primat der Politik) und die Macht, die gesetzlichen Bestimmungen und Vorgaben für Geheimdienste so zu fassen, dass deren Aufklärungs- und Auskunftspflicht höher bewertet werden als deren geheimdienstliche Interessen.

Auch die Tatsache, dass die meisten Angeklagten schweigen, ist nicht besonders neonazistisch und respektlos, sondern ihr Recht, das eben auch Neonazis zusteht.

Dennoch werden viele auf den Ausgang des Prozesses schauen – schließlich gibt es keinen eigenen Schauplatz, der dieses Thema würdig darstellen würde. Im Wesentlichen haben die über fünf Jahre für Müdigkeit, Lethargie und Gleichgültigkeit gesorgt – wie bei einem Serienkrimi, bei dem man regelmäßig einschläft und nur aufwacht, wenn noch jemand neben einem sitzt oder ein Schreckschuss den Schlaf stört …

Mit raunigem Ton wird der Neonazin Beate Zschäpe vorgeworfen, dass sie in diesem Prozess geschwiegen, also von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Auch mit dieser Empörung unterschreitet man bestehendes Recht, anstatt es jedem zuzubilligen.

Dabei wird etwas wirklich Bemerkenswertes unter den Tisch gekehrt: Beate Zschäpe hat sich „eingelassen“ – einmal und zwar ausschließlich im Sinne der Anklage. Ausgerechnet an den größten Bruchstellen dieses Prozesses hat sie Einlassungen gemacht, die der Anklage zu Hilfe kamen.

Mit Blick auf den „einvernehmlichen Selbstmord“, den die beiden NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Eisenach am 4. November 2011 begangen haben sollen, erklärte Beate Zschäpe in ihrer Einlassung vom 9. Dezember 2015 Folgendes:

„Sie hätten miteinander besprochen und sich gegenseitig geschworen, sich niemals von der Polizei festnehmen zu lassen. Sie hätten sich geschworen, dass sich beide ‚die Kugel geben würden‘. Sollte dies, aus welchen Gründen auch immer, misslingen so sollte zunächst der eine den anderen und dann sich selbst erschießen.“ (NSU Watch-Protokoll vom 249. Verhandlungstag)

Auch im Fall des Mordanschlages auf zwei Polizisten in Heilbronn 2007 sprang sie der Bundesanwaltschaft zur Seite. Laut Anklage sollen die beiden toten NSU-Mitglieder den Mordanschlag alleine durchgeführt haben, obwohl die Mehrzahl der Indizien und Zeugenaussagen auf andere und mehr Täter verweisen. In ihrer Einlassung vom 9. Dezember 2015 gab Beate Zschäpe der Anklageversion den Segen:

„Am 25.04.2007 ermordeten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Polizistin Michele Kiesewetter und verletzten den Polizisten Martin Arnold schwer (…) Als die beiden einige Tage später in die Wohnung zurückgekehrt waren, berichteten sie davon, dass sie zwei Polizisten ermordet hatten (…) Nachdem ich wieder einen vernünftigen Gedanken fassen konnte, fragte ich nach dem Warum.

Ich erhielt die unfassbare Antwort, dass es ihnen nur um die Pistolen der zwei Polizisten ging. Sie seien mit ihren Pistolen wegen häufiger Ladehemmungen unzufrieden gewesen.“ (s.o.)

Obwohl fast alle Beate Zschäpe für unglaubwürdig halten, werden diese zwei „Einlassungen“ nicht in Zweifel gezogen, während man alles Andere (was 95 Prozent ihrer Erklärung ausmacht) für vorgetäuscht und gelogen hält. Für die Rettung der Anklage wird also selbst die Konsistenz der eigenen Beweiswürdigung über den Haufen geworfen.

Sicherlich wird hier das Urteil gegen Zschäpe eine Antwort auf die Frage geben, was ihre Unterstützungsarbeit der Gegenseite wert ist, ob ihre Beihilfe im Strafmaß berücksichtigt, also „gewürdigt“ wird.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=44580

Wolf Wetzel: „Wenn eines ganz sicher zu diesem Prozess in München gesagt werden kann, dann dieses: Weder die Generalstaatsanwaltschaft noch der Staatsschutzsenat wollen das wissen. Sie leben vom Schweigen des angeblich letzten lebenden Mitgliedes des NSU, Beate Zschäpe.

Was diese Fragen angeht, so hat Beate Zschäpe bis heute geschwiegen, im Sinne der Anklage. Sie hat, und das steht in Gänze im Widerspruch zum Chor der enttäuschten Kommentatoren, ihre Chance genutzt. Beate Zschäpe hat nicht nur mit ihrem Schweigen die Anklage geschützt – was jemand nur macht, wenn sich das Schweigen auszahlt, wenn es „belohnt“ wird …

Um ehrlich zu sein, bin ich von einer etwa zehnjährigen Haftstrafe ausgegangen, womit das Wissen berücksichtigt worden wäre, das Beate Zschäpe gegen zahlreiche Bausteine der Anklage in der Hand haben dürfte. Warum die lebenslange Haftstrafe ohne die von der Staatsanwaltschaft geforderte Sicherungsverwahrung ausgesprochen wurde, kann man möglicherweise aus der Urteilsbegründung herauslesen.

Überraschend ist auch das extrem milde Urteil gegen André Eminger, einem der treuesten „Kameraden“ des NSU. Ob dies auch mit den geschilderten Lücken zusammenhängt, die die Beweissicherung hinterlassen hat, wird man herausfinden müssen.

Beate Zschäpe wird – wenn sie das Urteil nicht anfechtet – noch neun Jahre im Knast bleiben, bevor ihre lebenslange Haft nach fünfzehn Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wie ein Antrag auf Aussetzung der Reststrafe entschieden wird, ist dabei ziemlich offen.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=44894

Wolf Wetzel: „Fangen wir im Gerichtssaal an und verlassen ihn dann alsbald. Auf der Anklagebank saß auch André Eminger. Dem bekennenden „Nationalsozialisten“ warf die Bundesanwaltschaft Beihilfe zu Mord vor und forderte zwölf Jahre Haft. Das Gericht sah dies erst auch so und ordnete 2017 Untersuchungshaft an. Und am Ende dann ganz anders: André Eminger habe zwar dem Trio geholfen, aber gleichzeitig nichts gewusst – vom nationalsozialistischen Untergrund, den er selbst in Wort und Tat propagiert hat.

So sah dann auch das Urteil aus: André Eminger wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt … und konnte nach Urteilsverkündung das Gericht als freier Mann und als Held der Neonaziszene verlassen …

Wenn man die lebenslängliche Strafe gegen Beate Zschäpe nimmt, die drei Jahre gegen Holger Gerlach, weil er die Waffe an den NSU geliefert hat, dann kommt das gefällte Urteil gegen André Eminger einem Freispruch gleich. Dabei wurden nicht einmal „mildernde Umstände“ für dieses Urteil ins Feld geführt. André Eminger hat sich als Neonazi präsentiert, hat sich als Neonazi verhalten und hatte für diesen Prozess nur ein müdes Lächeln übrig. Und ganz am Schluss noch genug Platz für eine Pointe: Er kam als „Schwarzhemd“ in den Gerichtssaal wie einige seiner „Kameraden“ im Zuschauerraum.

Lassen wir nach fünf Jahren Verhandlung Zufall und Panne als Erklärung beiseite. Machen wir ebenso wenig Sympathien für diesen Neonazi aufseiten des Gerichts verantwortlich. Dann spricht für die folgende Hypothese fast alles: Man hat ihn wie einen V-Mann behandelt und ihn nur zum Schein verurteilt. Denn bei Anrechnung der Untersuchungshaft ist André Eminger mit Urteilsverkündung ein „freier Mann“, also ein gefeierter Neonazi … und ein im juristischen „Stahlgewitter“ gestählter Top-V-Mann.

Dass ein V-Mann ganz Neonazi sein kann und darf, haben die über 40 weiteren (bisher enttarnten) V-Leute im NSU-Netzwerk bereits bewiesen. Aber als freigelassene „Quelle“ wäre er das Sahnehäubchen auf diese Art der „Aufklärung“ …

Im Klartext: Die Bundesanwaltschaft und das Gericht haben gemeinsam dafür gesorgt, dass eine Beweisführung unterbleibt, die das „Scheinurteil“ hätte gefährden können. Denn hätte eine solche Beweiswürdigung dazu geführt, dass André Eminger der „vierte Mann“ im NSU ist, dass V-Leute tatrelevant den NSU unterstützt und gedeckt haben, wäre die Anklage Makulatur und der Prozess geplatzt.

Ob André Eminger nur als sprudelnde „Quelle“ genutzt wurde, indem man ihn abhörte, indem man ihn observierte (und so am NSU dran war) oder indem man ihn als „Quelle“ führte, also bezahlte, könnte ja auch einmal durch „Zufall“ geklärt werden.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=45074

 

Politisch-medialer Komplex

 

Es ist kaum auszuhalten, was die Staatsmedien zum NSU-Komplex zu sagen haben: der NSU ist auf zwei bzw. drei Leute beschränkt, welche aus Fremdenfeindlichkeit mehr oder weniger wahllos Morde begangen haben; im Sicherheitsapparat gab es viele Pannen; mit Sicherheit ist nicht alles korrekt vor sich gegangen; nun ist das Urteil gefallen und alle sind mehr oder weniger zufrieden.

Ein hochrangiger Vertreter der Staatsmedien ist Stefan Aust, der sich zum Urteil in einem Interview mit cicero äußert. Das gesamte Interview ist lesenswert, da es recht gut die Meinung des politisch-medialen Komplexes widergibt. Der Wurm möchte vor allem auf folgende Passage des Interviews hinweisen:

„Auch um den Tod der beiden ranken sich Verschwörungstheorien. Sind Sie sicher, dass sich die beiden selber getötet haben?

Ja. Davon kann man wohl ausgehen. Man kann sich natürlich fragen, warum zwei Männer, die zehn Menschen aus nächster Nähe so kaltblütig umgebracht haben sollen, sich selber erschießen, weil sich zwei Polizisten ihrem Wohnmobil nähern. Warum die sich nicht in großer Geste eine finale Schlacht geliefert haben. Mir erscheint das trotzdem schlüssig. Selbstmord ist immer Teil des Konzeptes von Terroristen.“

https://www.cicero.de/innenpolitik/NSU-Prozess-Beate-Zschaepe-Stefan-Aust-Verfassungsschutz-Rechtsstaat

Da ist mensch im Untergrund, verbreitet Furcht und Schrecken, tötet mehrere Menschen, darunter eine Polizistin, ist schwer bewaffnet – und da kommen zwei Polizisten daher um mal zu fragen, was mensch in seinem Wohnmobil so mache. Und dann bringt mensch sich einfach so um? Und Stefan Aust und den übrigen Staatsmedien „erscheint das trotzdem schlüssig“?

Mensch vergleiche den „Selbstmord" der beiden „Terroristen" mit dem Abschnitt „Ende und Anfang" weiter oben und ziehe seine eigenen Schlüsse. 

Wie sehr muss der politisch-mediale Komplex den Bürger für dumm halten und wie sehr diesen verachten, um ihm solch einen Blödsinn erzählen zu können?

Wolf Wetzel: „Das Gefühl, weder gegen diesen neonazistischen Untergrund (und damit meine ich explizit nicht nur den „NSU“) etwas ausrichten zu können noch gegen das Trio aus Geheimdienst („Verfassungsschutz“), Innenministerium und Regierungsparteien ist überwältigend und allgegenwärtig – von Anfang an.

Wer die Machtverhältnisse in diesem Land kennt, die schwache Opposition (im und außerhalb des Parlamentes), der wundert sich nicht. Doch es gibt neben dieser erwartbaren Enttäuschung etwas, was mehr schmerzt als diese Ohnmacht des Zuschauens.

Es geht auch um eine Aggression, die sich gegen jene entlädt, die bei den allerorts geäußerten Zweifeln nicht stehenbleiben wollen. Um eine Form der Denunziation, die man von „dieser“ Seite nicht erwartet hat.

Wenn zum Beispiel der Autor Wolfgang Schorlau in seinem Krimi „Die schützende Hand“ den „einvernehmlichen Selbstmord“ in Eisenach 2011 für den unwahrscheinlichsten Tathergang hält:

„Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der offiziell geschilderte Tathergang des erweiterten Selbstmordes im Wohnmobil wirklich mit all diesen vorgebrachten Ausnahmetatbeständen abgespielt hat, ist also praktisch Null.“ (Denglers Auftrag, kontextwochenzeitung, Ausgabe 347 vom 22.11.2017)

Wenn man zum Beispiel die Anwesenheit des Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme beim Mord in Kassel 2006 nicht als tragisch bis unglücklich abtut und man dem Vater von Halit Yozgat folgt:

„Entweder Andreas Temme hat gesehen, wer die Täter waren, oder er hat sie geführt, oder er selbst hat die Tat begangen.“

Wenn man beim Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn 2007 die zahlreichen Zeugenaussagen ernst nimmt, die von „vier bis sechs“ Tatbeteiligten sprechen, also den Vorwurf erhebt, dass (andere) Täter geschützt werden sollen, unter anderem dadurch, dass man mit den vierzehn Phantombildern nicht gefahndet hat, die mithilfe von Zeugen angefertigt wurden.

Wenn an allen drei aufgeführten Tatorten die Indiziendichte für einen anderen Geschehensablauf plausibel und überprüfbar ist, dann wäre nur eine Aufregung, eine Wut naheliegend: Warum wird dem nicht nachgegangen?

Tatsächlich dreht die Wut, die Aggression in eine andere Richtung ab. Ich möchte dies am Beispiel des Krimis „Die schützende Hand“ nachzeichnen.

Anlässlich der Ausstrahlung der Verfilmung besagten Krimis meldete sich Katharina König-Preuss zu Wort. Sie ist Landtagsabgeordnete für die Partei „DIE LINKE“ und Mitglied im parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum NSU-Komplex in Thüringen. Ihre Warnung vor diesem Film ist alarmierend:

„Abseits einer gefühlt bereits Hunderte Male gehörten, längst widerlegten und nun noch verfilmten Verschwörungstheorie, die auch durch abgekühlte Blaustichromantik nicht aus ihrer Langeweile befreit wird, bleibt eine Erkenntnis: Dieser Film thematisiert ebenso wenig wie der Roman die entscheidenden Fragen rund um den NSU-Komplex.“ (Der Freitag, Ausgabe 44/2017)

Wenig später legte sie noch etwas ganz Wichtiges, ganz Entscheidendes oben drauf: Der Film, in dessem Mittelpunkt die Todesumstände in Eisenach 2011 stehen, lenke vom Wesentlichen ab. Er „relativiert und negiert durch Nicht-Thematisierung den zugrundeliegenden Rassismus.“ (s.o.)

Katharina König-Preuss kann den Film, die an- und durchgespielte Variante eines anderen Geschehensablaufs als Selbstmord für misslungen und für abgegessen halten. Das kann sie machen, auch wenn es nicht im Geringsten nachvollziehbar ist. Wenn es so viele „anerkannte“ Pannen bei der Tatortanalyse und Beweiswürdigung gibt, dann ist es doch nicht des Teufels, die Indizien aneinanderzulegen, die für einen Mord sprechen. Das Buch von Wolfgang Schorlau hat dies getan, mit einem ausgiebigen Dokumentenanteil, der Film hat dies in komprimierter Form gemacht.

Ihr Versuch aber, den Autor, den Film in die Ecke zu stellen, er thematisiere nicht Rassismus, er relativiere gar Rassismus, ist infam.

Es ist unnötig, einzelne Sequenzen im Film anzuführen, die genau dies tun und keinen Zweifel daran lassen, dass rassistische und neonazistische Lebenseinstellungen nicht nur den NSU geprägt haben, sondern auch das Verhalten zahlreicher Beamter. Beamte, die Neonazismus mehr betreut als bekämpft hatten – wie der V-Mann-Führer Andreas Temme zum Beispiel, der seinem Rufnamen „Klein-Adolf“ auch als V-Mann-Führer von Neonazis treu blieb.

Doch neben diesem billigen Motiv, den Film in die Tonne zu treten, ist etwas anderes fast noch wichtiger: Warum stellt sich Katharina König-Preuss mit ganzem Körpereinsatz vor die Tür, die gerade der ehemalige Vize-Präsident des Verfassungsschutzes Klaus-Dieter Fritsche am 18. Oktober 2012 als Zeuge vor dem NSU-Ausschuss in Berlin aufgestoßen hat:

„Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren. Es darf auch nicht so weit kommen, dass jeder Verfassungsfeind und Straftäter am Ende genau weiß, wie Sicherheitsbehörden operativ arbeiten und welche V-Leute und verdeckten Ermittler im Auftrag des Staates eingesetzt sind. Es gilt der Grundsatz ‚Kenntnis nur wenn nötig‘. Das gilt sogar innerhalb der Exekutive. Wenn die Bundesregierung oder eine Landesregierung daher in den von mir genannten Fallkonstellationen entscheidet, dass eine Unterlage nicht oder nur geschwärzt diesem Ausschuss vorgelegt werden kann, dann ist das kein Mangel an Kooperation, sondern entspricht den Vorgaben unserer Verfassung. Das muss in unser aller Interesse sein.“

Dieser Mann, der von 1996 bis 2005 an der Spitze des Verfassungsschutzes stand, sagt damit sehr deutlich, dass es auch andere, staatsimmanente Motive gibt, um die Aufklärung des NSU-Komplexes zu verhindern beziehungsweise zu sabotieren. In diesem Fall geht es um die Rolle der V-Leute von Polizei und Geheimdiensten beim Zustandekommen und Gewährenlassen des NSU!

Katharina König-Preuss weiß, dass es dabei um einen teilverstaatlichten, neonazistischen Untergrund geht. Das ist nicht nur pointiert ausgedrückt, sondern das ganz vorsichtige Fazit, wenn man über 45 (bisher enttarnte) V-Leute im NSU-Netzwerk als Staatsanteil wertet. Was hier Klaus-Dieter Fritsche zum Staatsgeheimnis macht (woran sich alle Parlamentarier bis heute halten), ist der Umstand, dass V-Leute, die schwere Verbrechen möglich machen oder begehen, in eine „Staatshaftung“ genommen werden können.

Ist es also nicht für eine Linke essentiell, herauszufinden, welche aktive, einflussreiche Rolle staatliche Stellen und Politiker spielen? Oder spielt die eigene parteipolitische Rolle dabei eine so herausragende, dominierende Rolle, dass man gerade als rot-rote Regierung in Thüringen das hier angesprochene „Staatsgeheimnis“ in die eigene Staatsraison überführt?

Anders gesagt: Wenn Neonazis gezielt Kleinhändler mit migrantischem Hintergrund ermorden, dann ist das Rassismus. Wenn V-Leute in tatrelevanter Weise darin involviert sind, dann gibt es für die politische Führung dieser V-Leute noch mehr Gründe als Rassismus.

Auch Katharina König-Preuss kennt die jahrzehntelange, blutige Geschichte von Gladio. Wenn sie auch diese auf den „zugrundeliegenden Rassismus“ reduzieren möchte, dann ist das beschämend.

Es gibt also Motive, die eben nicht dieselben sind wie die der NSU-Mitglieder. Staatliche Instanzen, die den NSU so benutzen, wie man das mit den Neonazis gemacht hat, die man in „Gladio“ zusammengefasst hatte.

Kurzum, es geht um das Verständnis, dass es mehr zum NSU-Komplex zu sagen gibt, als dass sich über zehn Jahre ein paar mörderische Nazis, ein paar rassistische Polizeibeamte und ganz viele Serien-Zufälle zusammenfanden.

All das, was eine Suche nach anderen Schlussfolgerungen begründet, was Rassismus in ein Herrschaftsverhältnis einfügt, tut Katharina König-Preuss hingegen als „stumpfe ‚Die-da-oben‘-Tendenzen“ ab.

Ja, in der Tat, es geht auch im NSU-Komplex um die „Die-da-oben-Tendenzen“. Das nannte man in der Linken einst auch Staatsanalyse und Herrschaftskritik. Wer das heute so verächtlich abtut, staucht den Kampf gegen den Rassismus zu einem antirassistischen Bekenntnis zusammen.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=44580

 

Zuschlechterletzt

 

„… Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck. Das ist wichtig genug, es würde aber noch nicht reichen. Denn es geht auch darum, alles in den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann …“

Was ist von so jemand zu halten?

Heuchlerin? Lügnerin?

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm