Das Elend mit der Sozialdemokratie

„Am Mittwochnachmittag bestätigte der brasilianische Senat mit überwältigender Mehrheit die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff. Mit dieser Entscheidung endete die mehr als dreizehnjährige Herrschaft der Arbeiterpartei (PT), die 2003 mit der Präsidentschaft des ehemaligen Gewerkschaftsführers Luiz Inacio Lula da Silva begonnen hatte.

Um Rousseff dauerhaft aus dem Amt zu entfernen, war eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Es stimmten schließlich sogar drei Viertel der Senatoren für ihre Absetzung. 61 Senatoren stimmten für ihre Verurteilung und zwanzig dagegen, Enthaltungen gab es nicht.

Unabhängig davon wurde über einen Antrag abgestimmt, Rousseff für acht Jahre die Bekleidung öffentlicher Ämter oder Arbeitsplätze zu verbieten. Auch dieser Antrag fand eine Mehrheit, allerdings nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit.

Die fadenscheinigen Vorwürfe gegen Rousseff wurden von einer verschworenen Gruppe korrupter, rechter Politiker vorgebracht. Bis vor kurzem waren sie noch enge Verbündete von Rousseff und der PT gewesen.

Der Senat beschuldigte die brasilianische Präsidentin, drei nicht bewilligte ergänzende Ausgabenerlasse ausgestellt und die Zahlungen an die staatliche Banco do Brasil verzögert zu haben, um Haushaltslöcher bei Sozialprogrammen zu stopfen. Befürworter der Amtsenthebung behaupteten, mit beiden Maßnahmen habe Rousseff versucht, im Vorfeld ihrer Wiederwahl 2014 das Ausmaß der Wirtschaftskrise in Brasilien zu verschleiern.

Rousseffs Verteidiger erklärten daraufhin, frühere brasilianische Präsidenten und Gouverneure von Bundesstaaten hätten zu ähnlichen finanzpolitischen Maßnahmen gegriffen. Sie erklärten, der eigentliche Grund für das Amtsenthebungsverfahren sei die Tatsache, dass die Regierung führende Politiker, die in den Korruptionsskandal beim staatlichen Energiekonzern Petrobras verwickelt sind, nicht geschützt habe. In diesem Skandal geht es um Milliarden Dollar an Bestechungsgeldern und Nebeneinnahmen.

Das Amtsenthebungsverfahren wurde im Dezember letzten Jahres von dem damaligen Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, eingeleitet. Unmittelbar davor hatten PT-Abgeordnete diesem ihre Unterstützung verweigert, als der Ethikrat bekanntgemacht hatte, dass Cunha Millionen Dollar Bestechungsgelder auf geheime Schweizer Bankkonten verschoben hatte.

Laut der Gruppe Transparency Brazil laufen Ermittlungsverfahren gegen sechzig Prozent der brasilianischen Abgeordneten, die jetzt für die Amtsenthebung stimmten. Teilweise sind sie bereits wegen Korruption verurteilt worden.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/02/braz-s02.html

Der Putsch, der sich lange andeutete, ist vollzogen. Ob die regierende Arbeiterpartei der Weisheit letzter Schluss war, mag dahin gestellt sein; jene finsteren Mächte, die die Macht in Brasilien übernommen haben, sind, zumindest gesellschaftlich gesehen, alles andere als gut.

Glenn Greenwald im Juni 2016 über die Situation in Brasilien:

„Vor wenigen Wochen wurde die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ihres Amtes enthoben. Nachdem die linke Regierung abgesetzt wurde, setzen sich neoliberale Hardliner durch und agieren vor allem im Interesse der USA und westlicher Finanzinstitutionen. Diese Entwicklungen werden in den europäischen Medien nur sehr spärlich – und wenn, dann meist komplett unkritisch – behandelt. Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald lebt in Rio de Janeiro und gehört mittlerweile zu den kritischsten Beobachtern des Geschehens in Brasilien. Emran Feroz sprach für die NachDenkSeiten exklusiv mit ihm.

Würden Sie die jüngsten Ereignisse in Brasilien als Putsch bezeichnen?

Ich persönlich habe diesen Begriff anfangs nicht benutzt. Da viele Menschen unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen über einen Putsch haben, denke ich, es ist präziser von einem Angriff auf die Demokratie zu sprechen. Für mich ist das wie mit dem Wort „Terrorismus“. Es hat keine wirkliche Bedeutung, sondern ist zu einem politischen Begriff mutiert. Deshalb dachte ich anfangs, es sei eine Ablenkung, das Ganze als Putsch zu bezeichnen. Außerdem machten viele Menschen immer wieder darauf aufmerksam, dass das brasilianische Militär in keinster Weise involviert war und die Präsidentin mit keinerlei Gewalt abgesetzt wurde.

Vor zwei Wochen änderte sich diese Darstellung jedoch. Das aufgezeichnete Gespräch eines Senators, der eine Schlüsselfigur im Amtsenthebungsverfahren von Präsidentin Dilma Rousseff ist, machte deutlich, dass das Militär sehr wohl involviert gewesen ist. So nahmen führende Militärs etwa an Gesprächen teil, in denen es darum ging, wie man sich Rousseffs entledigen könnte. Sowohl das Militär als auch das oberste Gericht des Landes waren sich einig, dass sie mit einer Enthebung Rousseffs zufrieden wären.

Über die Bedeutung des Wortes „Putsch“ kann jeder nachdenken wie er will, nun haben wir jedoch tatsächlich einen. Wir haben all diese Institutionen, die gemeinsam agiert haben, um die demokratisch gewählte Staatsführung zu beseitigen. Deshalb denke ich, dass die Bezeichnung „Putsch“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerechtfertigter und angemessener ist als jemals zuvor.

Michel Temer, der neue Präsident des Landes, wird als extrem neoliberal und korrupt beschrieben. Kurz nachdem er Rousseffs Platz einnahm, hieß es unter anderem auch seitens Wikileaks, Temer sei ein US-Informant gewesen. Wie viel davon ist wahr und was für eine Art von Person ist er?

Um Temer zu verstehen, muss man die Partei verstehen, der er angehört: Die PMDB (zu deutsch Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung). Es gibt weder in den Vereinigten Staaten noch, so meine ich, in Europa eine vergleichbare Partei. Die PMDB lässt sich nicht ideologisch verorten. Man kann nicht wirklich sagen, ob sie links oder rechts ist. De facto agiert sie stets als kooperative Partei. Das bedeutet, dass sie immer versucht, mit der jeweiligen Regierung zusammenzuarbeiten, um nicht in die Opposition zu gehen. Die Partei ist vor allem gut darin, sich selbst zu finanzieren und Gelder für ihre Wahlkreise zu akquirieren. Die Mitglieder der PMDB sind im Grunde genommen schleimige Geschäftsmänner – und genau das ist auch Michel Temer. Er ist schon lange in der brasilianischen Politik aktiv und war auch Teil der Regierung Rousseffs. Temer kandidierte gemeinsam mit ihr als Vizepräsident, um in die Regierung zu gelangen. Natürlich ist er kein Linker, er ist einfach nur anbiedernd.

Vor Kurzem verbot ihm ein Gericht, sich in den nächsten acht Jahren für irgendein Amt aufstellen zu lassen. Demnach ist es ihm nicht einmal gestattet als Präsident zu kandidieren, obwohl er diesen Posten gerade besetzt. Temer ist in mehrere Korruptionsskandale verwickelt, dasselbe gilt für zahlreiche seiner Minister. Seine Präsidentschaft begann vor knapp einem Monat und zwei seiner Minister wurden aufgrund ihrer korrupten Vergangenheit bereits zum Rücktritt gezwungen.

Grundsätzlich sollte die Amtsenthebung Rousseffs vor allem eines bewirken: Man wollte eine Regierung, die von einer linken Partei dominiert wird, durch eine politische Fraktion ersetzen, die niemals eigenständig Wahlen für sich entscheiden könnte. Deshalb wird Michel Temer auch nie wieder kandidieren. Und genau aus diesem Grund macht er auch keinen Hehl daraus, zu sagen, er könne machen, was er wolle. Es ist egal, ob die Bürger es mögen oder nicht. Die ganze Macht der Regierung wird den gewählten politischen Vertretern entzogen und in die Hände der Weltbank, Goldman Sachs, des IWF sowie anderen Akteuren des internationalen Kapitals gelegt. Während diese Akteure ihre neoliberale Politik im Interesse der Reichen und Wohlhabenden durchsetzen, wenden sie sich auch stärker Washington zu.

Temers Kabinett besteht ausschließlich aus weißen Männern. Ist auch das ein Zeichen der Ungleichheit in Brasilien?

Absolut. Um diesen Schritt zu verstehen, muss man mit der Geschichte Brasiliens vertraut sein. Brasilien war schon immer unglaublich vielfältig. Weniger als fünfzig Prozent der Bevölkerung ist weiß, was wiederum bedeutet, dass lediglich um die fünfundzwanzig Prozent weiß und männlich ist. Das Land hatte einst einen umfassenden Sklavenhandel und schaffte diesen erst sehr spät ab, später noch als die Vereinigten Staaten. Klassen- und Rassenunterschiede blieben weiterhin sehr lange bestehen. Doch während der letzten fünfzehn Jahre wurde zum ersten Mal ein Fortschritt sichtbar. Die Arbeiterklasse wurde politisch immens gestärkt. Selbiges galt auch für ethnische Minderheiten und Frauen. Rousseff war die erste Präsidentin des Landes und Millionen von Menschen wurden aus der Armut gehoben.

Jene Menschen, die nun an der Macht sind, wollen vor allem eines ausdrücken: Wir stammen aus der Ära zuvor. Jener Ära, bevor die Dinge sich veränderten und bevor es mehr Gleichheit gab. Und wir wollen Brasilien zurück in jene Zeit bringen, in der reiche, weiße Männer aus kleinen Teilen des Landes alles kontrollierten und im Interesse der Reichen handelten. Das ist der Grund, warum Temers weißes Männerkabinett als ein derart aussagekräftiges Signal wahrgenommen wird.

Brasilien ist nicht nur für Südamerika wichtig, sondern auch weltweit. Dennoch fällt auf, dass die gegenwärtigen Ereignisse im Land in Europa kaum wahrgenommen werden. Was meinen Sie: Warum verhalten sich die Europäer so; allen voran die europäischen Medien und Politiker?

Das ist eine gute Frage. Natürlich ist das Ganze merkwürdig. Brasilien ist das fünftbevölkerungsreichste Land der Welt und hat die siebtgrößte Wirtschaft. Außerdem spielt es innerhalb der BRICS-Staaten eine führende Rolle. Ich denke jedoch, dass es einige Gründe für das Desinteresse gibt. Einerseits ist die Situation in Brasilien sehr, für einige Menschen vielleicht zu kompliziert, um sie aufmerksam zu verfolgen. Geografisch betrachtet sind die Europäer wirklich weit weg von Südamerika, weshalb sie die Komplexität und Umstände vor Ort nicht wirklich verstehen. Ich denke außerdem, dass es sowohl in den USA als auch in Westeuropa gewisse Vorbehalte gegenüber linksgerichteten Regierungen in Südamerika gibt, die seit dem Kalten Krieg aufrechterhalten wurden. Diese latente Abneigung gegenüber linken Regierungen in Südamerika sowie die Bevorzugung von rechtsgerichteten Regierungen ist einfach präsent. Viele Europäer und Amerikaner denken, dass das so schon in Ordnung sein wird. Deshalb gibt es auch keinen Grund, um nun aufmerksam zu werden. Und selbst wenn man aufmerksam wird, meint man, dass die rechten Regierungen eher im eigenen Interesse handeln, was ja im Grunde genommen auch stimmt.

Seit dem Putsch in Brasilien sind Südamerikaner besorgt und glauben nun zum Teil, dass die Vereinigten Staaten den Kontinent zurückerobern möchten. Sind derartige Sorgen berechtigt oder übertrieben?

Seit dem Bestehen der Vereinigten Staaten ist es deren Doktrin, ihre Hemisphäre zu kontrollieren. Dies ist mittlerweile allgemein bekannt. Die Geschichte Südamerikas und vor allem Brasiliens hat immer wieder deutlich gemacht, dass die USA erobern und kontrollieren möchten. Der letzte Putsch in Brasilien fand 1964 statt. Auch damals wurde eine linksgerichtete, demokratisch legitimierte Regierung aus dem Weg geschafft. Die USA haben immer und immer wieder geleugnet, darin verwickelt gewesen zu sein, bis einige Jahre später geheime Dokumente veröffentlicht wurden. Diese machten deutlich, dass Washington beim Putsch eine wichtige Rolle gespielt und die rechten Militaristen, die den Putsch angezettelt hatten, maßgeblich unterstützt hat. Wenn Sie mich jetzt fragen würden, ob es nun irgendeine US-Beteiligung an der gegenwärtigen Situation gibt, würde ich sagen, dass ich dafür keine Belege habe. Genau dasselbe hätte ich aber 1964 auch gesagt. Die USA verdecken immer ihr Handeln und es gibt bestimmte Gründe dafür.

Was ich allerdings sicher weiß, ist die Tatsache, dass die US-amerikanische Regierung in Brasilien eine rechtsgerichtete, neoliberale Regierung gegenüber einer linken Regierung vorzieht, die hauptsächlich den Armen im eigenen Land helfen will. Sie ist viel mehr daran interessiert, eine Regierung an der Macht zu sehen, die sich um das internationale Kapital kümmert. Sie haben bereits erwähnt, dass Temer sich mit der US-Regierung getroffen hat. Am Tag nach der Absetzung Rousseffs traf sich ein führender, brasilianischer Oppositionspolitiker in Washington mit hohen Offiziellen der US-Regierung. Demzufolge pflegt das Weiße Haus mittlerweile ein viel näheres Verhältnis zu den installierten Machthabern Brasiliens als zur gewählten, vom Volk legitimierten Regierung. Ein Blick nach Südamerika, egal, ob nach Argentinien, Venezuela oder Honduras, macht deutlich, dass die USA sich stets auf der Seite der Rechten befindet. Diese trachten immer nach der Macht. Manchmal beschreiten sie demokratische Wege, etwa in Argentinien, manchmal greifen sie jedoch auch auf undemokratische Mittel zurück, wie zum Beispiel in Paraguay oder in Venezuela. In Anbetracht dieser Tatsachen hat man als Brasilianer mehr als genug Gründe, um die Rolle der USA im gegenwärtigen Geschehen skeptisch zu betrachten.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=33772

 

Das Treiben finsterer Mächte

 

Vorspiel

 

Frederico Füllgraf: „Jedoch, nach den spontanen Protesten vom Mai und Juni 2013, servierten die brasilianischen Leitmedien ein verlogenes Einheitsmenu: die Dämonisierung von Lulas Arbeiterpartei und der Regierung Rousseff – so als sei die Korruption ein Fremdwort in der 500jährigen Geschichte des Landes, ja vom ex-Präsidenten mit ergrautem Stoppelbart geradezu „erfunden“ worden.

Zur Erinnerung: Am unvergesslichen 20. Juno 2013 weiteten sich die Proteste auf 438 brasilianische Städte aus. Hunderttausende waren auf den Straßen und schimpften gegen alles mögliche. Damals auch gegen die angeblich zu teuren Stadien, für die im Jahr darauf geplante Fußballweltmeisterschaft …

In der 513 Sitze zählenden Abgeordnetenkammer Brasiliens laufen Ermittlungen gegen 303 Parlamentarier. Im Klartext: gegen nahezu zwei Drittel des Ende 2014 gewählten Unterhauses klagt die Justiz wegen Steuervergehen, Bestechung, Unterschlagung, bis hin zum Mord.

Doch seitdem schüren TV Globo – im Besitz der landesreichsten Familie Marinho, mit 29,0 Milliarden US-Dollar Privatvermögen – und der von ihr 2015 mit der Trophäe „Mann des Jahres“ ausgezeichnete Provinzrichter Sergio Moro das Feuer gegen 5 angeklagte Politiker der Arbeiterpartei, ihren gejagten Führer Lula und die Staatspräsidentin Rousseff …

Wie Dan Steinbock in “Behind Brazil’s ‘Regime Change’ (Consortiumnews.com , 3.4.2016) richtig erkennt, war das Timing der 2014 begonnenen Korruptions-Ermittlungen und der Polizeirazzien politisch zweckdienlich: Sie begannen nicht etwa, als sie, rechtlich gesehen, erforderlich und mit Vollmachten ausgestattet waren, sondern erst, als sich Rousseff politisch verwundbar zeigte.

Jedem Protestmarsch „gegen die Korruption“, gingen 2014 und 2015 Nacht-und-Nebel-Einsätze von Moros Sonderkommandos voraus, der sich gern auf Unternehmen „Mani Puliti“ („Saubere Hände“) und Staatsanwalt Antonio Di Pietro beruft.

Mit der nahezu kriminellen Verbiegung von Di Pietros Devise, „die öffentliche Meinung [müsse] involviert werden“ und deren Umdeutung in „die Straßen mobilisieren!“, ferner mit der selektiven Anschuldigung von Mitgliedern der regierenden Arbeiterpartei (PT) bei gleichzeitiger Schonung korrupter, rechtsliberaler Poltiker, überschritt Moro nicht nur die rote Linie der Richterbefugnisse – allen voran das Gebot der politischen Neutralität -, sondern streute die Saat einer rechtsradikalen Variante des „zivilen Ungehorsams“ aus, die auf die Demontage des nach der Militärdiktatur (1964-1985) leidlich aufgebauten Rechtsstaats, die selektive Bekämpfung des linksdemokratischen Lagers, doch vor allem auf die Kriminalisierung der politischen Parteien schlechthin abzielt.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=34329

 

Hauptspiel

 

Paul Schreyer im Mai 2016: „Was in diesem Monat in Brasilien geschah, wurde dem deutschen Medienpublikum als eine der üblichen politischen Krisen in Südamerika präsentiert. Doch seit den jüngsten Enthüllungen vom Montag dieser Woche kann man die Vorgänge dort, im fünftgrößten Staat der Erde, kaum mehr anders, denn als einen Putsch bezeichnen, ausgeführt von konservativen, zum Teil korrupten Kräften. Doch davon erfuhr man hierzulande nur in kurzen Agenturmeldungen oder aber gar nicht – wie etwa bei Spiegel Online, ARD und ZDF.

Dass der Machtwechsel, der sich Mitte des Monats in Brasilien ereignete, kein normaler politischer Prozess, sondern tatsächlich ein reaktionärer Putsch war, belegt ein in dieser Woche veröffentlichtes Protokoll eines im März heimlich aufgenommenen Gesprächs zwischen Romero Jucá, seit Mai Planungsminister der neuen konservativen Übergangsregierung, und einem Manager des Ölkonzerns Petrobras. Das vertrauliche Gespräch fand statt, bevor die gewählte Präsidentin des Landes, Dilma Rousseff, durch ein fragwürdiges juristisches Verfahren Mitte Mai vorläufig entmachtet wurde.

Das nun veröffentlichte Protokoll hat es in sich: Laut Jucá wurde der Machtwechsel vorbereitet, indem die Gegner der Präsidentin sich hinter den Kulissen der Unterstützung von Armeegenerälen und obersten Richtern versicherten. So wollten die Verschwörer garantieren, dass Militär und Gerichte den geplanten Sturz auch akzeptieren und unterstützen. Jucá wörtlich im März zu dem Ölmanager: „Ich habe mit den Generälen und kommandierenden Militärs gesprochen. Von ihrer Seite aus gibt es kein Problem, sie sagten, dass sie es absichern werden.“ Beim Obersten Gerichtshof gebe es „nur eine kleine Anzahl“ von Richtern, die beim Sturz der Präsidentin nicht mit im Boot seien.

Ein Hauptmotiv für den Putsch enthüllte Jucá, einer der engsten Vertrauten des derzeitigen Machthabers und vorherigen Vizepräsidenten Michel Temer, ebenfalls im Gespräch: Präsidentin Rousseff müsse aus dem Amt verschwinden, sonst könne die von ihr veranlasste Strafverfolgung vieler korrupter Politiker nicht gestoppt werden. Dieses, so wörtlich, „Ausbluten“ müsse schnellstens aufhören. Rousseffs Gegner werfen bekanntlich ihrerseits der Präsidentin Korruption vor, was aber nicht bewiesen wurde.

Das Gesprächsprotokoll erschien in Auszügen zuerst am Montag dieser Woche in einer der größten Tageszeitungen Brasiliens, Folha de São Paulo. Ebenfalls am Montag veröffentlichte der in Brasilien lebende Investigativjournalist und Snowden-Vertraute Glenn Greenwald eine ausführliche Einschätzung. In diesem Artikel regte Greenwald an, dass die Medien nun rasch überlegen müssten, ob man angesichts der vorliegenden Enthüllungen nicht klar von einem „Coup“, einem „Putsch“, sprechen müsse: „Diese Intrige sieht aus wie ein Coup, klingt wie ein Coup und riecht auch wie einer: die Kooperation des Militärs und der mächtigsten Institutionen zu sichern, um einen demokratisch gewählten Führer abzusetzen, aus Eigeninteresse, korrupten und gesetzlosen Motiven, um dann eine Oligarchen-Agenda durchzusetzen, welche die Bevölkerung verachtet.“ Auf diese ersten Artikel folgte am Dienstag die New York Times mit einem Bericht, in dem es hieß, dass das Protokoll einen „Plot“, also übersetzt: eine Intrige oder Verschwörung „nahelege“.

Was machten nun die deutschen Medien daraus? Bislang bemerkenswert wenig. Zurückhaltend sprach etwa das Handelsblatt von einem „Fehlstart für die neue Regierung“, während die Süddeutsche Zeitung blass titelte: „Minister in Brasilien tritt elf Tage nach Ernennung ab“. „Die politische Krise in Brasilien geht weiter“, so das Blatt. Ähnlich farblos und unauffällig klang es am Dienstag auch in der FAZ. Die genannten Berichte basierten erkennbar auf knappen Agenturmeldungen – keine eigenständigen Analysen, Kommentare oder Einordnungen durch einen Redakteur, geschweige denn Leitartikel aus der Chefredaktion. Eine Ausnahme bildete Zeit Online, wo am Dienstag ein längerer Bericht eines Korrespondenten des Blattes aus Rio de Janeiro erschien. Der sprach zwar auch von einem „Komplott“, lobte die Drahtzieher aber zugleich, „echte Politik“ zu machen, vermeintlich auch „aus der Überzeugung heraus, dass die notleidende Wirtschaft des Landes gerettet werden muss.“

Spiegel Online hingegen blieb völlig sprachlos, ebenso ARD und ZDF. In keiner der Abendausgaben von Tagesschau, Tagesthemen, Heute oder Heute-Journal wurde Anfang der Woche über die Enthüllung berichtet, dass in der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt offenbar gerade ein Putsch stattgefunden hatte. Das ist noch keine „Lügenpresse“, denn schweigen ist etwas anderes als lügen, aber es kommt schon dem nahe, was manche mittlerweile in ironischer Ableitung „Lückenpresse“ nennen – ein Weglassen, das bei so gravierenden Ereignissen einer Erklärung bedarf.

Fakt ist: was die Wirtschaftspolitik angeht, verfolgen die Putschisten in Brasilien eine aggressive neoliberale Agenda, welche die Financial Times als „ultimative Investoren-Wunschliste“ bezeichnete, wie man sie aus Europa und insbesondere Deutschland zur Genüge kennt: Ausgabenkürzungen, Privatisierungen, Renten-„Reform“ etc. Mit demokratischen Wahlen sind solche Ziele immer schwerer umzusetzen. Selbst CNN kommentierte zum amtierenden Machthaber Michel Temer jüngst sarkastisch: „Die Wall Street mag ihn. Die meisten Brasilianer nicht.“ Ähnlich hier in Deutschland. Der Stern titelte (einen Tag, bevor die Putsch-Enthüllungen bekannt wurden): „Wende in Brasilien? Deutsche Unternehmen sehen Silberstreif“ ...

Schocktherapie? Das klingt nach Schock-Strategie. Radikale Wirtschaftsreformen in Begleitung von undemokratischen Regierungen sind in Südamerika gut bekannt. Gerade die Bürger Brasiliens wissen um die Gefährdung der Demokratie. Von 1964 bis 1985 herrschte dort die Militärdiktatur, von Beginn an unterstützt durch die USA, deren Rolle beim derzeitigen Machtwechsel noch unklar ist. Bekannt wurde bislang, dass ein Vertrauter Temers im April dieses Jahres in die USA reiste und dort führende amerikanische Außenpolitiker traf. Temer selbst hat laut Wikileaks-Dokumenten über viele Jahre hinter den Kulissen die US-Botschaft mit Interna zur brasilianischen Politik versorgt.

In jedem Fall ist die geopolitische Dimension eines Regime-Wechsels in Brasilien kaum zu unterschätzen. Unter der Regierung von Lula da Silva seit 2003 und Dilma Rousseff seit 2011 (beide waren seinerzeit aktiv im Widerstand gegen die Militärdiktatur) stellt das Land einen wesentlichen Baustein der BRICS-Kooperation dar, welche die USA als Herausforderung, wenn nicht Bedrohung ihrer Vorherrschaft ansehen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=33561

 

Nachspiel

 

Bill Van Auken im September 2016: „Temer hat bereits die ersten Schritte seines reaktionären Programms vorgestellt. Dazu gehören drastische Kürzungen im Sozialrentensystem, das Einfrieren der Ausgaben für das Gesundheitswesen, für das Bildungswesen und andere wichtige soziale Dienstleistungen für die nächsten 20 Jahre, die Aushöhlung der Arbeitsgesetzgebung, die generelle Privatisierung der Staatsunternehmen und der Infrastruktur. Es werden Vorschläge erarbeitet, um zum ersten Mal zu erlauben, dass ausländische Unternehmen brasilianisches Land kaufen und dass große ausländischen Ölmultis die riesigen unterseeischen Erdölfelder vor der südöstlichen Küste des Landes direkt ausbeuten dürfen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/06/bras-s06.html

 

Das Treiben der USA

 

„Die Entdeckung reicher Erdölvorkommen auf der Kontinentalplatte rund 200 Kilometer vor der Küste der Staaten Rio de Janeiro, Paraná, Sao Paulo, Santa Catarina und Espíritu Santo auf einer Fläche von 6.000 bis 8.000 Quadratkilometer und in einer Tiefe von 2.500 und mehr Metern unter einer Salzschicht von 700 bis 2.000 Meter Dicke (Pre-Salt) wurde 2007 durch Präsident Lula publik gemacht. (Vorkommen Tupí, Bem-Te-Vi, Carioca und Jupiter). Allein die Fundstelle Carioca, die von der Petrobras untersucht wird, kann bis zu 33 Milliarden Fass Rohöl ergeben, womit sie nach Angaben der brasilianischen Erdölagentur die drittgrößte der Welt wäre.

Mit der Entdeckung dieser Off-Shore-Vorkommen erhöhte die Petrobras ihre Produktion auf eine Million Fass, was 58 Prozent des internen Konsums abdeckte.

Petrobras ist nach Meinung von Experten technologisch in der Lage, Explorationen im Ozean in großer Tiefe vorzunehmen. Das Unternehmen hat sich mit seiner Technologie einen der ersten Plätze in der Welt erobert. Mit dem Erwerb von Erdölvorkommen in Peru, Argentinien, Kolumbien, Uruguay und in Afrika (Angola, Guinea Bissau u.a.) zählt es zu den größten der Welt. Lula erklärte deshalb auch, dass Brasilien in 20-30 Jahren die größte Energienation der Welt sein werde. Seit 2002 bis 2008 stiegen die Aktien der Petrobras an der New Yorker Börse um 912 Prozent.

Mit der Entdeckung von Pre-Salt eröffnete sich den herrschenden Eliten Brasiliens die Möglichkeit, geostrategische Ziele zu realisieren, die sie ohne reale energetische Basis vorher nicht hatten.

Diese Pre-Salt-Vorkommen wurden entdeckt, als die kapitalistische Welt sich in einer schweren Krise befand. Für Analysten war das der Anlass, über die Auswirkungen der Entdeckung auf Brasilien nachzudenken. National orientierte Politiker sahen sich in ihren Auffassungen bestätigt. Für Brasilien, abhängig vom internationalen Kapital, eröffnete sich die Chance, eigenständiger zu wachsen und sich unabhängiger zu machen.

Dem brasilianischen Kapitalismus eröffnete sich die Möglichkeit, große Gewinne aus Exporten zu erzielen, aber gleichzeitig diese zur Ausweitung der produktiven Basis einzusetzen. Die PT-Regierung jedoch sah sich sofort mit Forderungen der Opposition konfrontiert, die Liberalisierung des Erdölmarktes durchzusetzen. Die Öffentlichkeit reagierte mit der Bewegung "O petroleo é nosso!" (Das Erdöl ist unser!). So stellten sich diese Entwicklungsfragen während der zweiten Präsidentschaft Lulas (2007 – 2011) dar.

Und Brasilien geriet unter Druck. Außenminister Celso Amorim erhielt im Juli 2008 einen Anruf seiner Kollegin Condoleezza Rice, die ihn informierte, dass die USA ihre 4. Flotte des Südkommandos reaktivieren werde. Der Versuch der US-Außenministerin, Brasilien zu "beruhigen", ließ allerdings in den Regierungskreisen Brasiliens die Alarmglocken schrillen. Sowohl Präsident Lula wie auch Celso Amorim verstanden, dass das Erscheinen dieser IV. Flotte eine Demonstration der militärischen Stärke der USA sein sollte, da sie als verlängerter Arm der amerikanischen Erdölunternehmen Exxon und Chevron betrachtet wird. Präsident Lula und seine damalige Energieberaterin Dilma Rousseff standen vor der Entscheidung, die Energiesouveränität Brasiliens zu sichern oder wie der mexikanische Präsident, der die staatliche Erdölgesellschaft Pemex unter dem Motto "Modernisierung" privatisierte, zu kapitulieren.

Für die Regierung Präsident Lulas ergab sich nach Meinung von Experten eine Debatte über die Zukunft der Beziehungen USA-Brasilien: Wird sie sich in Form einer Unterordnung, einer zwischenimperialistischen Kooperation oder in einer Konfrontation vollziehen? Vieles würde, so die Aussage, vom Verhalten unterschiedlicher Kapitalfraktionen abhängen, ob es ein Zusammengehen mit den USA, z.B. in Sachen Biotreibstoffe, der stärkeren Kontrolle der sozialen Bewegungen und der militärischen Zusammenarbeit in Haiti geben oder Brasilien einen eigenen Weg der Stärkung der Integration im Rahmen des Mercosur und der Unasur und der Unterstützung und Zusammenarbeit mit den BRICS für eine multipolare Welt einschlagen würde. Den Regierenden in Brasília war klar, dass die herrschenden Kreise der USA sich den Zugang zu Wasserreserven, zur Biodiversität und auch zu Erdölressourcen sichern wollen.

Die Regierung Lula entschied sich für den Weg der Sicherung der nationalen Interessen.“

https://amerika21.de/analyse/157559/geopolitik-putsch-brasilien

„Doch war dem im Mai (2013) nicht ein Besuch von US-Außenminister Joe Biden vorausgegangen, der Rousseff nach Obamas erstem Bittgang von 2011 ein zweites Mal um Zugang der amerikanischen Ölkonzerne zu den gigantischen, brasilianischen Unterwasser-Vorsalz-Reserven von Petrobras gebettelt hatte, doch mit leeren Händen nach Washington zurückkehrte? …

Im September 2013 platzte hiernach eine diplomatische Bombe.

Mit der Wiedergabe von Geheimunterlagen der US-Regierung, dokumentierte Julian Assanges Wikileaks, dass der Geheimdienst NSA „29 Ziele“ in der Regierung Dilma Rousseff seit 2011 telefonisch ausspionierte – nicht nur die Leitungen ihrer engsten Mitarbeiter, sondern das persönliche Handy der Präsidentin, ihren Regierungsjet und die Apparate einschlägiger Direktoren des staatlichen Ölkonzerns Petrobras.

Noch im gleichen Monat trat Rousseff vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen, in New York, und erhob Anklage gegen das freche Spionage-Unternehmen. Sie ließ einen längst bestätigten Staatsbesuch in Washington platzen, womit die diplomatischen Beziehungen zu den USA für ein Jahr lang auf Eis liegen sollten …

Im März nun die Enthüllung: In den 1990er Jahren erscheint Moros Name als oft geladener Gast des International Visitor Leadership Program (IVLP) des U.S. State Department. Als Produkt des Kalten Krieges, gelang dem IVLP die Finanzierung von ca. 200.000 sogenannten “internationalen Führungspersönlichkeiten”.

Mit diesen Kursen wurden Kontakte zu US-Institutionen von Polizei und Justiz und der Geheimdienste geknüpft, die den internationalen Kampf gegen Devisenschmuggel, Geldwäsche und Drogenhandel mit dem US-”Krieg gegen den Terror” vereinen und kontrollieren wollten.

Jeder Zweifel über Moros beruflichen Werdegang und politische Motivationen – insbesondere die Aufstellung sogenannter “Taskforces” (Polizei + Staatsanwälte) und deren im Irak-Krieg und Guantánamo erprobten Verhörmethoden nach dem Vorbild von FBI und CIA – klärt sich daher beim Einlesen des im März 2016 von Wikileaks veröffentlichten, authentischen Memorandums der US-Botschaft in Brasilien, über eine vom 4. bis 9. Oktober 2009 vom State Department in Rio de Janeiro abgehaltenen Regionalkonferenz mit dem Titel „Illegale Finanzverbrechen: Cable: 09BRASILIA1282_a – WikiLeaks“.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=34329

„Letzte Ereignisse scheinen zu bestätigen, dass die USA dabei sind, ihren Einfluss in Lateinamerika zurück zu gewinnen (Putsch gegen Mel Zelaya in Honduras 2009, und gegen Fernando Lugo in Paraguay 2012, Schritte zur Normalisierung der Beziehungen mit Kuba, Destabilisierung Venezuelas, schließlich Wahlsieg des Neoliberalen Macri in Argentinien). Aktuelle Einschätzungen politischer Kommentatoren befürchten deshalb die Wiederkehr neoliberaler Politik, die sich als Neo-Monroe-Doktrin darstellt und in der Praxis die Durchsetzung des mexikanischen Modells der völligen Unterordnung zu realisieren sucht. Vieles hängt deshalb davon ab, wie sich die aktuellen Auseinandersetzungen in Brasilien entwickeln und wie sich die Beziehungen Brasiliens zu den USA gestalten werden.“

https://amerika21.de/analyse/157559/geopolitik-putsch-brasilien

 

Das Treiben der Arbeiterpartei

 

Was mensch auch immer von den finsteren Mächten halten mag, die zum Sturz der brasilianischen Regierung führten – das eigentliche Problem liegt in der Arbeiterpartei.

Miguel Andrade fasst im April 2016 die Situation folgendermaßen zusammen:

„Außer den unverbesserlichen Rechten waren fast alle Kommentatoren in der brasilianischen Presse wie auch in den großen internationalen Zeitungen der Meinung, die Argumente für eine Amtsenthebung seien zumindest fragwürdig, da die Haushaltsmanipulationen, die den Vorwürfen zugrunde liegen, in der brasilianischen Politik weit verbreitet sind. Mindestens 16 amtierende Gouverneure von Bundesstaaten wie auch zwei Vorgänger der Präsidentin haben sie angewandt.

Obendrein flossen die Gelder in gesetzlich vorgesehene Vorhaben. Der wirkliche Grund für die Absetzung von Rousseff liegt in ihren einstelligen Zustimmungswerten, dem katastrophalen Zustand der Wirtschaft, der Schwäche der de facto Minderheitsregierung, die nicht in der Lage ist, den Haushalt zu sanieren und die drastischen Sparmaßnahmen durchzusetzen, die der Markt verlangt. Das Amtsenthebungsverfahren wurde mit der „Misstrauens“-Abstimmung in parlamentarischen Systemen verglichen, für die es im Präsidialsystem Brasiliens keine Rechtsgrundlage gibt. Die Washington Post stellte die Frage, ob das Verfahren nicht als „sanfter Putsch“ bezeichnet werden könnte …

Dass die PT nicht in der Lage war, diesem reaktionären Bündnis mit der Kampagne „Es wird keinen Putsch geben“ in den Wochen vor der Abstimmung wirksam entgegenzutreten, ist ein Armutszeugnis für die Partei und ihre Politik. Der eigennützige Vergleich mit dem Putsch von 1964, mit dem die bürgerlich-reformistische Regierung von Präsident João Goulart gestürzt wurde, hat nicht für eine breite Mobilisierung ausgereicht; vor allem deshalb nicht, weil die PT bewiesen hat, dass sie bereit ist, Sparprogramme im Sinne des Internationalen Währungsfonds durchzusetzen und weil sie ständig neue Opfer von der Arbeiterklasse verlangt.

Während die großen rechten Demonstrationen der letzten Monate vor allem Unterstützung im Kleinbürgertum und die fast einmütige Unterstützung der oberen Schicht des Kleinbürgertums erfahren haben, haben viel kleinere Gegendemonstrationen eine schwindende Zahl des nach links neigenden Kleinbürgertums angezogen, sowie viele ehemals im Exil lebende aus der Zeit der Diktatur, die von dem ganzen Prozess angewidert sind. Aber besonders auffällig ist, dass die Arbeiterklasse nicht vertreten war, die sich immer mehr von der PT abwendet. Der Grund sind die jüngsten Sparprogramme der PT, die massenhafte Zerstörung von Arbeitsplätzen, der umfassende Angriff auf Arbeiterrechte und Renten und die langjährige Allianz mit denselben reaktionären Kräften, die jetzt ihre Absetzung betreiben. Nachdem die Anklagen das spezielle Amtsenthebungskomitee des Abgeordnetenhauses passiert hatten, unterstrich Rousseff in einer Rede am letzten Dienstag diese Positionen noch einmal und erklärte, eine Temer-Regierung „habe nicht die Legitimation, um Opfer von diesem Land zu verlangen“.

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/19/rous-a19.html

 

Soziale Wohltaten bei guter Wirtschaftslage

 

„Für die Anhänger der sich verteidigenden Präsidentin sieht es ungefähr so aus: Seit ihr politischer Ziehvater Lula da Silva 2003 Präsident wurde und seit er ihr 2011 dieses Amt als gewählter Nachfolgerin übergab, ist Brasilien von einem problemgeschüttelten Schwellenland zu einer Weltmacht aufgestiegen, die spektakuläre Fortschritte in Sachen sozialer Gerechtigkeit gemacht hat. Rousseff war schon unter Lula für die technische Umsetzung der vielen Sozialprogramme zuständig – technokratische Massenprogramme, bei denen Sozialhilfe an Familien mit Kindern verteilt wurde, Stromanschlüsse in Armutsgebiete verlegt wurden, Sozialwohnungen aus dem Boden gestampft wurden. Je nach Berechnung haben 20 bis 40 Millionen Brasilianer es unter Lula da Silva und Dilma Rousseff aus der Armut in den bescheidenen Wohlstand der unteren Mittelschicht geschafft.

Die Art und das Tempo des Fortschritts erzürnten die konservativen Kräfte des Landes – die traditionellen Eliten und die angestammten Mittelschichten, die ihren Status bedroht sahen. Es war nun schwieriger und teurer, eine Hausangestellte zu beschäftigen, weil diese neue Ansprüche hatte. In Shoppingzentren, an Flughäfen und in Restaurants begegnete man nun diesen aufsteigenden Schichten, den emergentes, was vielen wohlhabenden Brasilianern gegen den Strich ging.

Lula da Silva hatte in seiner Amtszeit viel Glück, weil die Wirtschaft des Landes außergewöhnlich rund lief: Er konnte den sozialen Frieden wahren, indem er den Armen wie auch den Reichen Zugeständnisse machte. Dilma Rousseff hatte Pech: In ihre Amtszeit fielen die schwersten Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, sodass sie zu harten Entscheidungen gezwungen war. Sie entschied sich überwiegend für die Beibehaltung der Sozialhilfen – und brachte Unternehmer, Reiche, Anhänger der oberen Mittelschichten gegen sich auf.“

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/brasilien-dilma-rousseff-absetzung-senat-anhoerung?cid=8580189#cid-8580077

 

„Legitimation, um Opfer von diesem Land zu verlangen“

 

„Die aktuelle Krise, die die schlimmste seit der Großen Depression der 1930er Jahre ist, hat für die brasilianischen Arbeiter verheerende Auswirkungen. 2015 wurden über eine Million Arbeitsplätze zerstört, davon zahlreiche in der Autoindustrie und damit verbundenen Branchen. Millionen Hochschulabgänger finden keine Arbeit. Eine Inflationsrate von zehn Prozent hat die Realeinkommen sinken lassen. Die Ausgaben der privaten Haushalte sind im letzten Jahr um vier Prozent zurückgegangen, was die wirtschaftliche Depression verschärft hat.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/03/11/lula-m11.html

„Die Ursache dieses politischen Zusammenbruchs ist die tiefste Wirtschaftskrise in Brasilien seit der Großen Depression der 1930er Jahre. Im letzten Jahr ist die Wirtschaft um 3,8 Prozent geschrumpft und in diesem Jahr droht ein mindestens genauso starker Abschwung. Die offizielle Arbeitslosenquote ist auf 9,5 Prozent gestiegen. Allein 2015 wurden 1,8 Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Ab Juni werden etwa zwei Millionen brasilianische Arbeitslose keine Arbeitslosenunterstützung mehr bekommen. Und zum ersten Mal in fast einem Vierteljahrhundert sinken die Reallöhne, während die soziale Ungleichheit steigt.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/02/pers-a02.html

„In den letzten zwölf Jahren war die PT die wichtigste Partei des brasilianischen Kapitalismus. Sie benutzte einen kleinen Teil der Einnahmen aus dem Rohstoffboom und dem massiven Kapitalfluss aus dem Ausland, um minimale Sozialprogramme zu finanzieren und den Klassenkampf zu dämpfen. Brasilien gehört zu den Ländern mit der weltweit größten sozialen Ungleichheit.

Angesichts der veränderten wirtschaftlichen Bedingungen breitet sich in herrschenden Kreisen die Überzeugung aus, dass diese Programme und andere soziale Rechte und Leistungen für die Arbeiterklasse zusammengestrichen werden müssen. Die PT-Regierung selbst hat ein „Finanzanpassungsprogramm“ aufgesetzt, das zahlreiche Sozialkürzungen beinhaltet, sowie eine Rentenreform. Diese wurden jedoch von ihren rechten Gegnern blockiert, um Rousseff zum Rücktritt zu zwingen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/03/15/lula-m15.html

„Es gibt mittlerweile fast 12 Millionen Arbeitslose, die Reallöhne sinken und die Armut sowie die soziale Ungleichheit nehmen erneut zu.

Nach ihrer Präsidentschaftswahlkampagne 2014 stieg die Wut über Rousseff in der Arbeiterklasse stetig an. Während ihres Wahlkampfs versprach sie, die Arbeitsplätze zu sichern und die Bedingungen für die Arbeiter zu verbessern. Als sie wiedergewählt war, setzte sie genau das Programm von „Haushaltsanpassungen“ durch, das sie bis dahin angeblich abgelehnt hatte. Unter Temer wird es jetzt beschleunigt umgesetzt.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/06/bras-s06.html

Rousseffs Zustimmungswerte sind auf unter zehn Prozent gesunken. Auch breite Teile der Arbeiterklasse sind angesichts von Massenentlassungen und sinkenden Löhnen von der bürgerlichen Politik der PT angewidert. Mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie der Central Única dos Trabalhadores (CUT) konnte sich die PT als Vertreter „der Bevölkerung“ darstellen und gleichzeitig ihre Politik an die Profitinteressen des brasilianischen und internationalen Kapitals und die Vorgaben des IWF anpassen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/02/pers-a02.html

„Teile der herrschenden Klasse, auch auf der Rechten, sind der Meinung, der beste Weg die Wettbewerbsfähigkeit des brasilianischen Kapitalismus durch die Senkung der Arbeitskosten zu steigern, bestehe darin, Lula zurückzubringen und alle Kämpfe der Arbeiterklasse mit Hilfe der Gewerkschaftsbürokratie zu unterdrücken. Diese Option wird von keinem Geringeren als Delfim Netto, dem ehemaligen Finanzminister der Militärdiktatur der 1960er Jahre unterstützt. Netto hatte damals ähnliche Methoden mit Waffengewalt durchgesetzt und beansprucht für sich bis heute, das brasilianische „Wirtschaftswunder“ geschaffen zu haben.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/02/pers-a02.html

„Das Hauptargument, mit dem die PT-Regierung die Amtsenthebung abwehren wollte, richtete sich nicht an die Arbeiter, sondern an die brasilianische Bourgeoisie. Rousseff zufolge hätte eine Regierung Temer nach der Amtsenthebung nicht die „Legitimität“, die umfassenden „Opfer“ einzufordern, die von den Börsen und der Wirtschaft verlangt werden. Die PT sei dazu besser in der Lage, weil sie mit ihren Partnern in den Gewerkschaften und verschiedenen institutionalisierten „sozialen Bewegungen“ soziale Unruhen besser unter Kontrolle halten könne.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/22/pers-a22.html

 

Züchte Raben und sie werden dir die Augen aushacken

 

„Die 13-jährige Herrschaft der Arbeiterpartei hat die Rechten regelrecht herangezüchtet und sie mit Regierungsposten und Schmiergeldern für ihre politische Unterstützung belohnt. Gleichzeitig haben die Korruption und die pro-kapitalistische Politik der PT-Regierung die Basis untergraben, die diese Partei einst in der brasilianischen Arbeiterklasse besaß.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/05/13/trum-m13.html

„Die Abstimmung vom Sonntag hatte den Charakter eines grotesken reaktionären Karnevals voller Heuchelei. Abgeordnete schwenkten Fahnen, riefen Parolen und schossen sogar Feuerwerkskörper ab, als sie ihre Stimme abgaben. 60 Prozent der Abgeordneten im Unterhaus werden einer Straftat beschuldigt, aber die Sprecher wetterten über die Korruption von Rousseff, beriefen sich auf Gott, ihre Kinder und Enkel, und verurteilten, dass in der Schule Sexualkunde gelehrt werde. Sie bejubelten den angeblichen Heroismus der Führer der Junta und der Folterer der Diktatur, die Brasilien nach dem Putsch von 1964 über 20 Jahre regiert hatten.

Doch das ekelhafte Spektakel warf auch kein gutes Licht auf die Führer der PT, gegen die sich der Zorn dieser Abgeordneten richtete. Die reaktionärsten und korruptesten Befürworter der Absetzung Rousseffs waren bis vor kurzem noch Koalitionspartner der Arbeiterpartei, und Lula selbst hatte in der vergangenen Woche noch verzweifelt versucht, ihre Gunst mit politischen Bestechungen und Versprechen zu gewinnen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/22/pers-a22.html

 

Diskreditierung aller Parteien und Institutionen

 

Brasilien ist von jeher ein korruptes Land. In den letzten Jahren ist das eher schlimmer geworden. Auf dem internationalen Korruptions-Index steht Brasilien aktuell auf Platz 76:

http://www.laenderdaten.de/indizes/cpi.aspx

„Die PT ist eine korrupte kapitalistische Partei. Sie trägt letzten Endes die Verantwortung für den „Putsch“, den sie nun lautstark verurteilt. Dessen hauptsächliche Opfer werden nicht Rousseff und die anderen Politiker, sondern die breite Masse der brasilianischen Arbeiter und Unterdrückten sein.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/05/17/pers-m17.html

„Die Ermittlungen haben nicht nur die systemische Korruption der PT entlarvt, sondern die verheerende Verkommenheit des ganzen bürgerlichen Parteienspektrums in Brasilien. Alle Parteien sind mit allen prominenten Politikern verbandelt, die Rousseffs Absetzung fordern.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/02/pers-a02.html

„In allen Schichten der Bevölkerung ist die Abscheu gegenüber dem gesamten Politikbetrieb gewachsen. Der Grund dafür sind die fortlaufenden Enthüllungen im Korruptionsskandal „Autowäsche“ (Lava Jato), bei dem es um Milliarden Dollar an Schmiergeldern bei dem halbstaatlichen Energieriesen Petrobras geht. Es hat zwar so gut wie jede politische Partei ihre Hände dabei im Spiel, der Skandal hat sich jedoch unter der Präsidentschaft von Rousseff entwickelt, die den Vorsitz des Konzerns innehatte, sowie unter ihrem Vorgänger, dem ehemaligen Führer der Metallarbeitergewerkschaft, Luiz Inacio Lula da Silva, der im Zusammenhang mit diesem Bestechungsskandal selber wegen Behinderung der Justiz angeklagt wurde.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/06/bras-s06.html

„Neueste Umfragen zeigen, dass die Zustimmungsrate für Rousseff bei etwa zehn Prozent liegt und die Zustimmung für ihre Amtsenthebung bei 60 Prozent. Allerdings ist Temers Popularität noch niedriger, und eine ähnlich große Mehrheit fordert auch seine Absetzung.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/05/13/trum-m13.html

„Die wirtschaftliche und politische Krise hat alle großen Parteien und politischen Institutionen in Brasilien völlig diskreditiert, während die Regierung immer stärker auf eine umfassende Verfassungskrise zusteuert, bei der die Exekutive, die Legislative und die Justiz sich gegenseitig ihre Befugnisse streitig machen.

General Eduardo Villas Bôas, Kommandeur der brasilianischen Armee, erklärte am Freitag in einer bedenklichen Rede vor der militärischen Führung von Amazonia in Manaus, er finde es „bedauernswert, dass in einem demokratischen Land wie Brasilien die Menschen nur im Militär die Möglichkeit einer Lösung für die Krise sehen“.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/03/22/bras-m22.html

 

Einbindung linker Kräfte

 

„Von entscheidender Bedeutung für die brasilianische Arbeiterklasse ist die Verarbeitung der bitteren Lehren aus dem langjährigen Verrat unter dem Banner der PT. Bevor es Syriza gab, die die griechische Arbeiterklasse verriet und die Diktate des europäischen Finanzkapitals durchsetzte, und bevor es Podemos gab, die darauf vorbereitet wird, einen ähnlichen Verrat in Spanien zu verüben, gab es bereits die brasilianische Arbeiterpartei.

Gegründet 1979 inmitten riesiger Streiks in der Industrie und einer wachsenden Studentenbewegung, die die Militärdiktatur in ihren Grundfesten erschütterten, diente die PT dazu, diese stürmischen Klassenkämpfe in die sicheren Bahnen bürgerlicher Politik zurückzulenken. In dem Maße, wie der Parteiapparat und der angegliederte Gewerkschaftsverband CUT wuchsen, orientierten sie sich immer stärker an den Interessen privilegierter Mittelschichten. Der Arbeiterklasse gegenüber wurden sie derweil immer feindlicher.

So wie Syriza und Podemos heute propagierten eine ganze Reihe pseudolinker Organisationen die PT als Alternative zum Aufbau einer revolutionären Partei der brasilianischen Arbeiterklasse auf der Grundlage des sozialistischen Internationalismus. Die PT, argumentierten sie, biete einen neuen, friedlichen brasilianischen Weg zum Sozialismus.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/22/pers-a22.html

„Die Arbeiterpartei stützt sich trotz ihres Namens nicht auf die Arbeiterklasse. Sie ist eine bürgerliche Partei, die sich hauptsächlich auf die obere Mittelschicht stützt; dazu gehören Akademiker, Gewerkschaftsbürokraten und politische sowie staatliche Funktionäre.

Die Partei versuchte, an der Macht zu bleiben, indem sie an ihre ehemaligen politischen Verbündeten appellierte, an korrupte und rechte bürgerliche Politiker, die die Amtsenthebung organisiert hatten. Sie argumentierte, dass sie aufgrund ihrer Verbindungen zu dem der PT angeschlossenen Gewerkschaftsbund CUT und den staatlich unterstützten „sozialen Bewegungen“ besser in der Lage sei, den Klassenkampf unter Kontrolle zu halten, wenn drakonische Sparmaßnahmen verhängt würden.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/06/bras-s06.html

 

Wie geht’s in Brasilien weiter?

 

„Tatsächlich lassen sich demokratische Rechte, Arbeitsplätze, ein angemessener Lebensstandard und gute soziale Bedingungen nur durch die Mobilisierung der Arbeiterklasse in einem politisch unabhängigen Kampf gegen die PT-Regierung und ihre bürgerlichen Gegner auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms verteidigen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/04/02/pers-a02.html

„Da die Arbeiterpartei völlig diskreditiert ist, widmen sich alle diese Gruppen der Aufgabe, entsprechend dem Vorbild „linker“ bürgerlicher Parteien wie Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien, eine neue politische Falle für die Arbeiterklasse aufzubauen.

Trotz ihrer Bemühungen steht eine explosive Entwicklung des Klassenkampfs auf der Tagesordnung. In der Konfrontation, die sich jetzt entwickelt, kämpft das Finanzkapital nicht nur in Brasilien gegen die Arbeiterklasse, sondern in ganz Lateinamerika. Als größte Wirtschaftsmacht der Region mit umfangreichen Investitions- und Handelsbeziehungen zu allen benachbarten Staaten wird sich die Politik, die in Brasilien gemacht wird, sehr rasch über die Staatsgrenzen hinaus auswirken. Sie wird überall auf dem Kontinent den anhaltenden Rechtsruck und die Angriffe auf die Arbeiterklasse verschärfen.

Der Angriff auf die brasilianischen Arbeiter betrifft den gesamten Kontinent und ist gleichzeitig ein globaler Angriff. Um erfolgreich dagegen zu kämpfen, ist die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse in ganz Lateinamerika und international notwendig.“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/06/bras-s06.html

Es ist davon auszugehen, dass, wenn es diese Mobilisierung tatsächlich geben sollte, nicht friedlich ablaufen wird. Wie es auch immer mit Brasilien in naher Zukunft weiter geht – gut wird es nicht sein.

 

Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten

 

Am Beispiel der brasilianischen Arbeiterpartei lässt sich das Wesen der Sozialdemokratie (und anderer als „links“ geltenden Parteien, Gewerkschaften, Organisationen und Medien) zeigen: Sinn und Zweck ist es, eine für das herrschende System gefährliche Masse von Menschen unter Kontrolle zu bringen.

Einmal unter Kontrolle gebracht, dürfen sich diese Menschen halbwegs „kritisch“ äußern, werden etwas an der Machtausübung beteiligt, bekommen etwas vom Kuchen ab.

Aber nur einen kleinen Teil vom Kuchen. „Reformen“ werden gemacht, aber nie das System generell in Frage gestellt.

Vor allem bei Sachen, die wichtig sind, werden sie ins Boot geholt, damit sie ihre Anhänger von etwas überzeugen, das eigentlich gegen deren Interessen ist und nicht auf die Idee kommen, dagegen zu rebellieren. In der Sprache von Dilma Rousseff heisst das „Legitimation, um Opfer von diesem Land zu verlangen“ – nur dann, wenn massive Einschränkungen für die Arbeiter von der Arbeiter-Partei durchgesetzt werden, werden sich deren Proteste in Grenzen halten.

Hier ein paar „Höhepunkte“ der deutschen Sozialdemokratie:

- 1914: Zustimmung für den 1. Weltkrieg (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/109-platz-an-der-sonne.html )

- 1918/19: blutige Niederschlagung des von ihr Jahrzehnte lang propagierten Arbeiter-Aufstandes

- 1972: Berufsverbote im Öffentlichen Dienst durch den „Radikalen-Erlass“ (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/48-weniger-demokratie-wagen.html )

- 1999: Bombardierung Jugoslawiens mit deutscher Beteiligung (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/88-bruch-des-voelkerrechts.html )

-2003: Agenda 2010 (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/176-personifizierter-drecksack.html )

Aus diesem Jahr hat sich der Wurm unter anderem über die französischen Sozialdemokraten geäußert wg. massiven Abbaus der Arbeitnehmer-Rechte (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/227-allons-enfants-de-la-patrie.html) und über die britischen Sozialdemokraten wg. Beteiligung am Irak-Krieg von 2003 (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/234-massen-moerder.html).

Wer noch an das Gute in der Sozialdemokratie glaubt, sollte dies bleiben lassen. Es mag gute Gründe geben, Sozialdemokraten für gut zu finden oder sie zu wählen. Etwa dann, wenn linke oder rechte Spinner noch schlimmer sind.

Mensch sollte sich aber über den wahren Charakter der Sozialdemokratie und anderer als „fortschrittlich“ geltender Kräfte im Klaren sein.

 

 

Dada

 

von Friedensreich Feuersalamander

 

Der Vogel Wiedehopf

 

Das ist der Vogel Wiedehopf,

er ist ein kleiner, armer Tropf.

Denn er fällt, voran der Kopf,

hinein in einen Suppentopf.

 

Dort zappelt er, dort wackelt er.

Und will aus dem Suppentopf

heraus so sehr.

 

Nach drei Sekunden – 1, 2, 3

Ist der Vogel wieder frei.

Denn der kleine Wiedehopf flog einfach aus dem Suppentopf.

 

(„böse Schlussvariante“:

Nach gut drei Stunden – 1, 2, 3

Ist der Vogelspuk vorbei.

Der arme Vogel, ohje joh mai,

wurde zum Vogelsuppenbrei)

 

 

 

 

 

Es gibt Dadaisten, welche schon von Weitem zeigen, wer hier wohnt.

 

 

 

Jene Dadaisten, die im Schloss von Allemagne en Provence wohnen, sind offensichtlich Freunde von kleinen und großen Katzen.