Hagia Sophia

Die Hagia Sophia, vom 6. bis 15. Jahrhundert größtes Bauwerk der Christenheit, wurde von einem Museum zu einer Moschee umgewandelt, die sie auch schon 5 Jahrhunderte lang war.

Die Umwidmung mag ein Symbol von Islamisierung und Nationalismus sein – aber dennoch sollte mensch die Moschee in Istanbul lassen. Es ist nichts Dramatisches passiert.

 

https://www.youtube.com/watch?v=RRkL5H-J4-Q

 

Geschichte

 

Ihr Name ist von besonderer Bedeutung: Hagia Sophia – Die Heilige Weisheit. Sie erlebte fast die gesamte Geschichte Konstantinopels und wurde zum Symbol des Goldenen Zeitalters von Byzanz und der Stadt Istanbul.

Ihr erster Basilika-Bau mit Holzdach wurde im Jahre 360 fertiggestellt und brannte bereits 404 bei einem Aufstand nieder. Ein Neubau unter Theodosius II. wurde 415 eingeweiht und ging während der Herrschaft Justinians im Nika-Aufstand von 532 erneut in Flammen auf. Ein dritter und letzter Bau der Hagia Sophia wurde gleich im Anschluss veranlasst und eröffnete am 26. Dezember 537.

Bis zum Ende des Byzantinischen Reiches wurde die Hagia Sophia als griechisch-orthodoxe Kathedrale genutzt und war Schauplatz für die wichtigsten Zeremonien des Landes. Während der lateinischen Besetzung von 1204-1261 wurden sonach alle heiligen Reliquien entfernt und das Gotteshaus wurde bis zur osmanischen Eroberung 1453 zur römisch-katholischen Kathedrale.

Die verwendeten Marmorplatten kamen aus den Marmorbrüchen Anatoliens und wurden aus dem gesamten Mittelmeerraum nach Istanbul transportiert. Für den Bau der Kuppel brachte man spezielle Ziegelsteine und Dachpfannen aus Rhodos. Die Säulen stammen aus Griechenland, Kleinasien und Italien. Bis zur Fertigstellung vom Petersdom in Rom war die Hagia Sophia das grösste christliche Gotteshaus der Welt. Im Innenraum bestand sie damals aus Mosaiken mit religiösen Hauptszenen, Heiligendarstellungen und angebrachten Kreuzmotiven.

Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen wurde die erste große Andacht am 3. Juni 1453 als Freitagsgebet mit dem Eroberer Fatih Sultan Mehmet abgehalten. Er stellte einen Fonds bereit, um das Gebäude zu restaurieren und in eine Moschee umzuwandeln. Die Religionsänderung spiegelt sich in der über 500 jährigen osmanisch beeinflussten Innenausstattung sowie am äußerlichen Komplex wieder. Errichtet wurden eine Gebetsnische nach Mekka, vier Minarette, eine Zisterne, eine Medrese und ein Hof. Im Jahre 1934, elf Jahre nach der Republikgründung der Türkei wurde die Hagia Sophia in ein Museum umgebaut. Seit dem 10. Juli 2020 ist der Status des berühmten Bauwerks und Wahrzeichens von Istanbul als Museum aufgehoben und dient nun wieder als Moschee. Sie steht, wie die Blaue Moschee auch, außerhalb der Gebetszeiten weiterhin ihren Besuchern zur Verfügung und ist von nun an ohne Eintritt.

Charakteristisch für das ursprüngliche Gebäude war das Licht, das sich in den weiten Flächen aus Goldmosaik spiegelte. Das heute geheimnisvolle Halbdunkel geht auf das fortschreitende Vermauern von Fenstern und den Verlust der Mosaiken zurück. Der Innenraum und die einzigartige Größe der Kuppel sind die eindrucksvollen Höhepunkte dieses Bauwerks.“

http://istanbul-tourist-information.com/erlebnisse-in-istanbul/museen-in-istanbul/hagia-sophia-die-heilige-weisheit-istanbuls

 

Architektur

 

Nach dem Niederbrennen zweier Vorläuferbauten verfolgte Kaiser Justinian mit dem Bau einer Kuppelbasilika im 6. Jahrhundert n. Chr. ein besonders ambitioniertes baupolitisches Programm. Sie ist dabei nicht nur die letzte der spätantiken Großkirchen, die seit Konstantin dem Großen im Römischen Reich errichtet wurden, sondern gilt in ihrer architektonischen Einzigartigkeit oft als eine Kirche ohne Vorbilder und ohne Nachahmung. Die Kuppel der Hagia Sophia bleibt mit ursprünglich 33 Metern Spannweite bis zum heutigen Tage die größte über nur vier Tragepunkten errichtete Ziegel-Kuppel der Architekturgeschichte. Sie gilt mit der gigantischen Umsetzung und den Proportionen und besonderen Harmonie ihres Innenraums als eines der bedeutendsten Gebäude aller Zeiten. Aufgrund ihres besonderen Baugefüges, und den hier durch Isidor von Milet und Anthemios von Tralleis erstmals verwirklichten neuartigen Idee in der Durchdringung von Zentralraum und longitudinaler Basilika, entstand ein Bauwerk, das die Grenzen der verfügbaren technischen Möglichkeiten der Spätantike auslotete. Sie ist eine der kühnsten Konstruktionen aus Menschenhand und eines der bedeutendsten Bauwerke der letzten 1500 Jahre. Als letztes großes und bei Weitem bedeutendstes Bauwerk der frühbyzantinischen Architektur und Kunst der Spätantike wird sie in ihrer Funktion als zentralem Ort byzantinischer Herrschaftsrepräsentation als eine Verkörperung der byzantinischen Reichsidee gesehen und ist damit eines der wichtigen Schlüsselwerke für das Verständnis des kulturhistorischen Phänomens Byzanz. Sie brachte zugleich ein neues Paradigma des Kirchenbaus hervor, das teils im Gegensatz zu seinen älteren Vorläufern stand und in der Folge einen der Grundpfeiler der christlichen Baukunst bilden sollte, der die Sakralarchitektur in Ost und West nachhaltig beeinflusst hat. Die Hagia Sophia wurde nicht zuletzt als Ausdruck und Demonstration der kaiserlichen Macht Justinians gebaut, indem sich in dem Bauwerk die Einzigartigkeit seines Auftraggebers und die Zurschaustellung seiner herausragenden Stellung manifestierten, bildet es auch den Anspruch, Justinians Gottesgnadentum in der irdischen Herrschaft über die christliche Welt zu zeigen, ab. Die Hagia Sophia war die Kathedrale Konstantinopels, Hauptkirche des Byzantinischen Reiches sowie religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie und ist heute ein Wahrzeichen Istanbuls …

Die beiden Architekten der Hagia Sophia, Isidor von Milet und Anthemios von Tralleis, waren Mathematiker und Ingenieure, die sowohl ein breites theoretisches als auch ein praktisches Wissen besaßen. Beide redigierten ältere Traktate, schrieben jedoch auch eigene Arbeiten. Von imperialer Seite wurden sie mit dem Auftrag der Errichtung der Hagia Sophia vor eine Aufgabe gestellt, für die es bis dahin noch keine adäquaten Erfahrungen gab. Sie mussten daher für die Konzeption und Konstruktion auf bewährte Handbücher mathematischer Prinzipien zurückgreifen, die sie mutmaßlich auch novellierten. Hieraus griffen sie als Basisgeometrie auf das Oktagon zurück, das mit seinen rationalen Seitenzahlen wesentlich im antiken Vermessungswesen und auch für die Errichtung eines so großen Gebäudes geeignet war. Mit der über quadratischem Grundriss stehenden halbhemisphärischen Gewölbekonstruktion sind Aspekte der Berechnung von Strukturen mit irrationalen Zahlen und irrationalen Verhältnissen von Grundfläche und kuppelgekröntem Oberbau Basisprobleme. Für die Planung der Kuppel waren jedoch ausdrückbare Zahlen in der Ausführung sowohl von exakter und vermittelbarer Kalkulation direkt an der Baustelle essentiell.

Dass die Kirche in nur fünf Jahren entstand, spricht für eine äußerst gewissenhafte Bauplanung. Die enorme Geschwindigkeit, mit der sie zwischen 532 und 537 errichtet wurde, macht sie zu einer der erfolgreichsten bautechnischen Meisterleistungen aller Zeiten, insbesondere durch die Tatsache, dass hier einige völlig neue strukturelle Bauelemente verwendet wurden. Die Pendentifs reichten weit über vorherigen Konstruktionen hinaus. Man ging früher davon aus, dass sie hier erstmals eingeführt wurden und gleichzeitig ihre volle Entfaltung erreicht hätten. So übertreffen die vier großen Bögen an den Hauptjochen des Kranzgesimses mit 31 m noch die des Petersdoms im Vatikan um über 6 m, wobei dieser aber ein ganzes Jahrtausend später entstand und ein Vielfaches der Zeit der Vollendung der Hagia Sophia beanspruchte. Auch die Baumeister der großen Sultans-Stiftungen im Osmanischen Reich, die sich die Hagia Sophia zum Vorbild nahmen, schüchterten die bautechnischen Herausforderungen ein. Sie hatten Schwierigkeiten, eine Kuppel in der Dimension der Hagia Sophia zu bauen."

https://de.wikipedia.org/wiki/Hagia_Sophia

 

https://www.youtube.com/watch?v=Oxs7LoK6GWk

 

Christentum und Moschee

 

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sind nicht andere Religionen der Gegner, sondern der Säkularismus.

Thomas Schmid: „Als die Hagia Sophia 1934 Museum wurde, hatte Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., gerade sein Amt als Vatikanbotschafter in der Türkei angetreten. Er soll verärgert gewesen sein und gesagt haben, die Hagia Sophia müsse Moschee bleiben. Lieber eine Moschee als gar keine Kirche.“

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article212339311/Hagia-Sophia-als-Moschee-Das-kann-die-Christenheit-aushalten.html

 

Nationalismus?

 

Thomas Schmid: „Mancherorts ist die Empörung über dessen neuerliche Resakralisierung groß. Putin und die russische orthodoxe Kirche, aber auch die griechischen Orthodoxen sind entsetzt und erleben die neue Zweckbestimmung des wuchtigen Gebäudes als Enteignung.

Während Papst Franziskus, das Oberhaupt der Katholiken, „großen Schmerz“ empfindet angesichts des türkischen Affronts gegenüber den orthodoxen Glaubensverwandten, vermuten weniger religiös inspirierte Zeitgenossen, Erdogan missbrauche die Umwidmung der Hagia Sophia für seinen aggressiven türkischen Nationalismus oder gar als einen Schritt zur Errichtung eines neuen osmanischen Sultanats mit ihm als Sultan.

Noch ist nicht klar zu erkennen, worauf Erdogan hinauswill. Kann sein, dass er von innenpolitischen Malaisen ablenken und den gläubigen Türken ein wenig muslimischen Budenzauber bieten wollte. Kann sein, dass er mehr und anderes will. Auffällig war indes, dass das erste Freitagsgebet in der „Ayasofya Keber“, der größten, unvergleichlichen Moschee, weit weniger prunkend, triumphierend und aggressiv ausfiel, als von vielen befürchtet. Keine Millionen strömten nach Istanbul, kein Heiliger Krieg wurde angekündigt.

Erdogan rezitierte eine Koran-Sure, und es gab die üblichen Ausfälle gegen Nichtmuslime: „Hart gegen die Ungläubigen, doch barmherzig zueinander“. Doch trotz der gewaltigen medialen Begleitung des Ereignisses blieb alles seltsam routiniert, fast matt. Eine Pflichtübung. Auch Erdogan weiß, dass immerhin 30 Prozent der AKP-Anhänger nichts von der Reislamisierung der Hagia Sophia halten und sich nur 40 Prozent aller Türken dafür ausgesprochen haben. Die Mehrheit ist weit davon entfernt, sich eine Theokratie herbeizuwünschen …

Nach dem Ersten Weltkrieg drohte die Türkei zu einem Spielball und zur Beute der Alliierten zu werden. Dem 1920 unterzeichneten (aber nie ratifizierten) Vertrag von Sèvres zufolge sollte das Osmanische Reich einen Großteil seines Territoriums verlieren – nicht nur Syrien, Mesopotamien, sondern auch Armenien, die kurdischen Gebiete und Ostthrakien. Es wäre im Grunde zu einem anatolischen Rumpfstaat geworden. Um den Untergang zu stoppen, setzte Mustafa Kemal auf die Nationswerdung der Türkei. Der Nationalismus sollte und musste das einigende Band werden. Daher das Misstrauen gegenüber dem Islam, der ja auch einen universalistischen Zug hatte. Daher auch das kategorische Nein zu Minderheitenrechten für Armenier, Kurden, Griechen, Juden und Araber. Bis heute.

Mustafa Kemal siegte mit dieser Strategie, und seitdem ist das türkische Nationalbewusstsein im Kern ein nationalistisches. Das hat die Türkei nie wirklich zur Ruhe kommen lassen. Jede Ethnie, die sich regt, wird als unmittelbare Gefahr für den Bestand des Staates wahrgenommen. Doch Atatürk gelang ein großes Kunststück. Obwohl die neugegründete Türkei wirtschaftlich wie militärisch schwach war, setzte er im Vertrag von Lausanne, der den von Sèvres zur Makulatur machte, 1923 die bis heute gültigen Grenzen der Türkei durch. Die alliierten Mächte, die als Sieger des Weltkriegs mit neuer kolonialistischer Begehrlichkeit auf die Region blickten, hatten innerhalb dieser Grenzen kaum noch etwas zu sagen.

Der Vertrag von Lausanne wurde vor 97 Jahren, am 24. Juli 1923, unterzeichnet. Es muss für Erdogan ein großes Geschenk gewesen sein, dass der Jahrestag diesmal auf einen Freitag fiel. Mit seiner Teilnahme am Freitagsgebet in der „Ayasofya“ sendete er zwei Botschaften, die sich keineswegs harmonisch ergänzen. Zum einen bekräftigte er mit dem Bezug auf den Gründungsakt der Türkei die territoriale und nationale Integrität der Türkei: Niemand kann an uns vorbei. Und zweitens gab er einen kleinen Wink, dass der Kemalismus nach 100 Jahren an Gültigkeit verlieren könnte. Erdogan ist dem Staatsgründer in die Parade gefahren und hat den Vorrang des Islams vor der weltlichen Verfassung des Landes zwar nicht proklamiert, wohl aber als Möglichkeit angedeutet.

Einige befürchten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Türkei auch legislativ ein islamischer Staat wird. Zweifel sind angebracht. Der Islam scheint nicht der einzige Kompass des türkischen Staatspräsidenten zu sein. Dieser will vermutlich keineswegs Sultan eines neoottomanischen Reiches werden. Denn er weiß wohl, dass die Reichsidee in der Region wenige Anhänger finden würde und dass im Imperium sogar die Kurden eine Stimme haben müssten. Eher ist Erdogan ein Pantürke – der in seiner Anbetung scharfer weltlicher Macht passgenau in der Tradition Atatürks steht.“

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article212339311/Hagia-Sophia-als-Moschee-Das-kann-die-Christenheit-aushalten.html

 

Pro und Contra

 

Die Türkei hat die Wiedereröffnung der Hagia Sophia als Moschee mit einem traditionellen Freitagsgebet zelebriert. RT sprach mit Befürwortern und Gegnern der Umwandlung. Halil Ertem, Vize-Vorsitzender der "Allianz Deutscher Demokraten", unterstützt das Vorhaben. HDP-Politiker Ziya Pir spricht sich dagegen aus.

 

Pro Umwandlung: Halil Ertem – Vize-Bundesvorsitzender der Partei "Allianz Deutscher Demokraten"

 

Kritik an der Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts der Türkei kam vor allem aus dem Ausland. Wie reagiert die politische Elite in der Türkei?

Die Hagia Sophia ist seit 1453 eine Moschee, welche durch eine politische Entscheidung und unter dem Druck der christlichen Welt und gegen den Willen der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung der Türkei im Jahre 1935 in ein Museum umgewandelt wurde.

Es gibt durchaus unterschiedliche Meinungen bezüglich der neuerlichen Nutzung als Moschee. So wie die Türkei ein Vielvölkerstaat mit unterschiedlichsten Weltanschauungen, Religionen, politischen Ausrichtungen ist, wird jede Entscheidung der Regierung aus der jeweiligen Perspektive unterschiedlich gesehen und bewertet. Zumal die Regierung auf Basis eines unabhängigen Gerichtsurteils lediglich eine Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts umsetzt. Es gibt jene, die sich durch den Druck aus dem Ausland in ihrer Meinung beeinflussen lassen, und jene, die diesen Druck als eine Einmischung in innere Angelegenheiten auslegen und die Entscheidung umso mehr unterstützen.

Sie verbitten sich grundsätzlich ausländische Einmischung in Entscheidungen, die rein innere Angelegenheiten eines souveränen Staates sind. Das Gericht hat abgewogen und sicherlich mitberücksichtigt, dass die Türkei mehrheitlich eine muslimische Gesellschaft ist und Entscheidungen im Bezug auf die Nutzung von Gebäuden in ihren Städten im Sinne der Mehrheiten getroffen werden können, sofern eine Minderheit dadurch nicht eingeschränkt wird. Die Türkei hat eine der höchsten Kirchendichten pro praktizierendem Christen weltweit.

Gibt es in den politischen Kreisen keine Sorge vor einer drohenden Verschlechterung der Beziehungen, sowohl zu den westlichen Regierungen als auch zu Russland?

Die Türkei hat sich seit Längerem entschieden, wie die europäischen Staaten, die USA oder auch Russland, die eigenen Interessen ungeachtet der "verbündeten" Staaten mit gleichgewichteter Rücksichtnahme umzusetzen. Man kann es auch als "Türkiye First" bezeichnen. Die Türkei und Russland werden auch nach der Umwandlung gegenseitig sehr gute Beziehungen pflegen. Es handelt sich um zwei Staaten, die in den letzten Jahren wesentlich größere Herausforderungen gemeinsam gemeistert haben. Es bedeutet nicht, dass es keine Interessenkonflikte zwischen Russland und der Türkei geben kann und wird. Zum Beispiel in Syrien oder Libyen, wo sich beide Staaten mit unterschiedlichen Interessen gegenüberstehen.

Beide Staaten lösen ihre unterschiedlichen Positionen durch intensiven Austausch auf allen Ebenen und auf gleicher Augenhöhe. Das ist auch deshalb so wichtig, weil in Russland viele Muslime beheimatet sind und es mittlerweile eine sehr große russische Community in der Türkei gibt, die sich zu einem sehr beliebten und geschätzten Teil der Gesellschaft entwickelt hat. Ganz im Gegensatz zum Beispiel zu Deutschen und Franzosen, die immer ein Fremdkörper geblieben sind. Russische und alle anderen Touristen in der Türkei dürfen zudem die Hagia-Sophia-Moschee nun kostenlos besuchen. Die Türkei vollzieht die Umwandlung vom Museum zur Moschee äußerst rücksichtsvoll, um die Religionsgemeinschaften eher näher zu bringen als zu spalten. Es ist eine langfristige Lösung, die beide Religionsgemeinschaften zufriedenstellen wird.

Die Entscheidung könnte auch die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland verschärfen. Lohnt sich ein innenpolitischer Erfolg im Tausch gegen eine außenpolitische Isolation?

Die Jahrzehnte andauernden durchwachsenen Beziehungen der Türkei zu Griechenland, ungeachtet welche Parteien in beiden Staaten an der Regierung waren, dürfen nicht einseitig betrachtet werden. Griechenland hat Tausende Moscheen, ohne Rücksicht auf die Beziehungen zur Türkei, in ihrer Nutzung umgewandelt, und die gesamte westliche Welt hat dazu geschwiegen. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland wären selbst dann weiter angespannt, wenn die Türkei die Hagia-Sophia-Moschee zu einer Kirche umwandeln und nach Athen versetzen würde.

Die Situation um die Umwandlung der Hagia Sophia hat auch unter den Muslimen in Deutschland zahlreiche Diskussionen ausgelöst. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass es unter den Gläubigen diesbezüglich zu einer Spaltung kommen könnte?

Hier ist ein kleiner Fehler in Ihrer Fragestellung. Die Diskussion findet nicht unter Muslimen statt, die sich je nach ihrer Glaubensintensivität mit dem Thema beschäftigen. Es findet eine Diskussion zwischen Muslimen auf der einen und Nicht-Muslimen, Atheisten, Christen auf der anderen Seite statt. So, wie sie es in einer "Demokratie" bei jedem Moscheebauprojekt in Deutschland auch tun.

Die Diskussion um die Hagia-Sophia-Moschee in Deutschland ist rein politischer Natur. Es schadet jedoch nicht, wenn sich Menschen zu Themen innig äußern und ihren Standpunkt verteidigen, mit Argumenten zu überzeugen versuchen. Das ist keine Spaltung, keine Gesellschaft sollte in Zukunft "homogen" einer einheitlichen Meinung sein. Auch der Hass und die Hetze gegen Muslime, vor allem in den sozialen Medien, kann in Deutschland ohnehin nicht weiter gesteigert werden, sie ist schon am Gipfel angelangt und wird von Staat und Medien unisono befeuert.

 

Contra Umwandlung: Ziya Pir – Politiker der "Demokratischen Partei der Völker (HDP)

 

Kritik an der Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts der Türkei kam vor allem aus dem Ausland. Wie reagiert die politische Elite in der Türkei?

Die Hagia Sophia wurde 1934 mit einem Dekret zu einem Museum umgewandelt. Dieses Dekret war unterzeichnet vom Gründer der Republik und der Partei CHP. Deshalb war zu erwarten, dass vor allem Kritik von der größten Oppositionspartei CHP kommen sollte, da zum einen die Unterschrift des Gründers der säkularen Republik und damit die Grundprinzipien des Laizismus angetastet werden.

Zum anderen fand das erste Gebet in der Hagia Sophia am 24. Juli statt, dem Tag, an dem der Lausanner Friedensvertrag unterzeichnet wurde. Mit diesem Vertrag wurden auch die Rechte der christlichen Minderheiten in der Republik Türkei festgeschrieben. Die Umwandlung der Hagia Sophia an diesem Datum ist auch eine symbolische Ablehnung der Rechte von Minderheiten. Die Umwandlung ist also nicht nur eine einfache "Nutzungsänderung" eines Gebäudes, sondern birgt sehr viel Symbolik für die Ablehnung der westlichen, säkularen Ausrichtung der modernen Republik.

Es hätten sich alle säkularen Eliten gegen diese Politik stellen müssen, aber außer der kleineren Oppositionspartei HDP sind fast alle stumm geblieben.

Gibt es in den politischen Kreisen Sorgen vor einer drohenden Verschlechterung der Beziehungen, sowohl zu den westlichen Regierungen als auch zu Russland?

In den letzten Jahren hat die Türkei unter der Führung von Erdoğan sehr oft internationale Abkommen und Konventionen gebrochen. Da wäre zum Beispiel die Invasion im Norden Syriens oder Waffenlieferungen an Libyen zu nennen. Der Westen hat dazu immer geschwiegen. Dies hat Erdoğan ermutigt, seine politischen Grenzen immer weiter auszudehnen. Nach innen hat er das Schweigen des Westens als seine eigene Stärke kommuniziert.

Nun ist er an einem Punkt angelangt, wo er keine Angst davor hat, dass sich die Beziehungen zum Westen oder Russland verschlechtern könnten, auch deshalb, weil ihm momentan die Konsolidierung seiner Wählerschaft wichtiger ist. Welche Auswirkungen auch eine eventuelle Verschlechterung der internationalen Beziehungen zur Folge haben sollten, er wird die Verschlechterung auf den Westen und auf deren "Handlanger" im Innern – so nennt er seine Gegner – schieben und so seine Wähler, die seit einiger Zeit nachweislich Alternativen suchen, wieder an sich binden.

Die Entscheidung könnte auch die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland verschärfen. Lohnt sich ein innenpolitischer Erfolg im Tausch gegen eine außenpolitische Isolation?

Erdoğan ist ein Machtmensch, dem es nicht darum geht, wie gut oder schlecht es dem Land und der Bevölkerung geht. Er wägt ab, wann er mehr Zustimmung in der Bevölkerung hat. Eine außenpolitische Isolation kann er ummünzen in eine Unterstützung durch die Bevölkerung.

Die Situation um die Umwandlung der Hagia Sophia hat auch unter den Muslimen in Deutschland zahlreiche Diskussionen ausgelöst. Haben Sie die Befürchtung, dass es unter den Gläubigen diesbezüglich zu einer Spaltung kommen könnte?

Ich glaube, die allermeisten Menschen wissen nicht, welche weitreichenden Folgen die Umwandlung der Hagia Sophia einläutet. Es findet seit Jahren eine langsame Islamisierung der Gesellschaft und der Strukturen im Staat statt. Viele erahnen es, aber sind sich dessen nicht voll bewusst. Den Moslems in Deutschland geht es genauso. Natürlich wird viel gesprochen werden, aber es wird in Deutschland zu keiner ernsthaften Auseinandersetzung über die Umwandlung kommen. Keiner möchte mit der Frage konfrontiert werden: "Bist du denn kein guter Moslem?"“

https://deutsch.rt.com/meinung/104862-pro-und-contra-zur-wiedereroffnung-hagia-sophia/

 

Erstes Freitagsgebet nach der Umwidmung in eine Moschee

 

Grandiose Bilder:

 

https://www.youtube.com/watch?time_continue=2187&v=zrkAMLAoU2g&feature=emb_logo

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm