Justiz-Mord

Mensch stelle sich mal folgende Situation vor: 2 aus arabischen Ländern eingewanderte Moslems stehen in den USA vor Gericht und sind eines terroristischen Anschlags angeklagt. Zwar haben beide Alibis, aber die stammen ausschließlich von arabischen Menschen. Einer von den beiden wird im Verlauf des Prozesses gefragt, was er denn so von den USA und ihrer Politik halte. Ausführlich erklärt dieser, dass er von den USA und deren Politik ausgesprochen wenig halte.

Der Prozess ist offensichtlich alles andere als fair und die beiden Angeklagten sollen zum Tode verurteilt werden, obwohl sie nichts mit dem Attentat zu tun hatten. Es gibt Massen-Proteste in arabischen Ländern, aber auch in den USA selbst. Hauptsächlich von dort lebenden Muslimen, aber auch von solchen Nicht-Muslimen, die an das Gesetz glauben.

Wie wird die Reaktion darauf in Justiz, Politik und Bevölkerung der USA wohl ausfallen? Mit großer Wahrscheinlichkeit ein „jetzt erst recht“: die „Islamisten“ sollen getötet werden!

So ähnlich kann mensch sich die Situation in den USA in den 1920ern vorstellen.

Vor 90 Jahren wurden die aus Italien eingewanderten Anarchisten, Atheisten und Kriegsdienst-Verweigerer Ferdinando „Nicola“ Sacco und Bartolomeo Vanzetti hingerichtet.

 

Der Prozess

 

Die Zitate aus diesem Kapitel stammen, wenn nicht anders angegeben, aus dem Buch „Fremde Feinde – Der Fall Sacco & Vanzetti“ von Helmut Ortner.

 

Kein Vertrauen in Justiz

 

„In einem ersten Flugblatt der Komiteemitglieder, das als Überschrift den Titel An alle Menschen guten Willens trug und in italienischer Sprache abgefaßt war, hieß es:

Zwei unserer guten Freunde und Kameraden sind in eine jener tragischen Verschwörungen der Justiz verwickelt, in der Unschuld in Schuld umgemünzt wird und die Ehrlichkeit eine Maske ist, unter der die gemeinsten Schurken daherkommen.

In einem Land, in dem subversive Ideen mit ähnlicher Wut verfolgt werden wie Ketzer ehemals durch die Inquisition, sind Anarchisten vogelfrei. Wir sind davon überzeugt, daß der Versuch unternommen wird, durch den Prozeß gegen Sacco und Vanzetti alle nicht-konformen Elemente und ihre von den Normen abweichenden Gedanken zu treffen.

Ein Schuldspruch würde besagen, daß jene, die Freiheit lieben, gemeine Verbrecher sind und daß ihre Ideen sich nicht mit den Grundrechten in Einklang bringen lassen.

Uns steht eine ernste, eine schreckliche Bewährungsprobe bevor.“

 

Bartolomeo Vanzetti: „Warum ich nicht mehr auf die Justiz vertraue?

Jeder, der willens ist, im Abschaum der Gesellschaft zu suchen, wird dort eine Unzahl meineidiger Zeugen finden; es sind solche, die so etwas tun, um ihre Karriere zu fördern. Die Geschworenen sind im allgemeinen verantwortungslose, kretinöse und fanatische arme Leute, ganz zu schweigen von Rassenhaß usw..“

 

Freies Land

 

„Es blieb Katzmanns Strategie vorbehalten, Sacco nun seinerseits auf jene Fährte zu locken, die ihn in den Augen der Geschworenen zur absoluten Unperson machte. Er bot Sacco die Möglichkeit an zu erklären, was er gemeint habe, als er sagte, er liebe ein freies Land. Sacco, nicht gewarnt von seinen Anwälten, hielt einen endlosen Vortrag, der ihn Kopf und Kragen kosten sollte (Auszüge):

Als ich noch in Italien war, ein Junge, da war ich Republikaner. Ich dachte immer, als Republikaner hätte ich bessere Chancen, mich zu bilden, zu entwickeln, eines Tages eine Familie zu gründen, die eigenen Kinder zu erziehen. So dachte ich. Aber als ich dann in dieses Land kam, sah ich, daß es nicht so war, wie ich gemeint hatte, daß alles ganz anders war.

Ich habe in Italien nie so schwer arbeiten müssen wie in diesem Land. Und ich war dort auch frei. Arbeiten mußte ich vielleicht zu denselben Bedingungen, aber nicht hart, an die sieben oder acht Stunden am Tag bei besserem Essen. Ich meine das wirklich. Natürlich gibt es auch hier gutes Essen, weil es ein größeres Land ist. Wer Geld hat, kann sich gutes Essen kaufen, aber nicht der Arbeiter, und in Italien hat der Arbeiter mehr Möglichkeiten, Gemüse zu essen.

Ich kam also in dieses Land. Ich arbeitete hier hart, und das über 13 Jahre. Aber ich konnte mir für meine Familie doch nicht das leisten, was ich mir vorgestellt hatte. Ich konnte nichts auf die Bank bringen. Ich hätte meine Kinder nicht auf gute Schulen schicken können und all das.

Man hat mir erklärt, hier habe jeder das Recht zu sagen, was er denke, es drucken zu lassen, es zu schreiben, es in einer Rede zu verkünden. Aber ich hatte mich getäuscht. Ich erlebte, wie gute Leute, intelligente, für Jahre ins Gefängnis kamen, im Gefängnis starben. Und nehmen Sie nur Debs, einen der bedeutendsten Männer in diesem Land. Er ist im Gefängnis, nur weil er ein Sozialist ist. Er wollte bessere Lebensbedingungen für die Arbeiterklasse durchsetzen, aber man steckte ihn ins Gefängnis. Warum? Wegen der kapitalistischen Klasse. Sie kennen sich aus. Sie sind dagegen, weil sie nicht wollen, daß auch unsere Kinder auf das Harvard College gehen. Denn dann hätten sie keine Chance mehr … wenn die Arbeiter gebildet wären. Sie wollen die Arbeiter immer unten halten.

Gut, manchmal geben die Rockefellers und Morgans fünfzig … ich meine fünfzigtausend Dollar für das Harvard College. Sie geben eine Million für eine andere Schule. Jeden Tag heißt es: Dieser Rockefeller ist ein großer Mann, der beste Mann im Land. Ich aber frage: Wer geht nach Harvard? Was haben die Arbeiter von dem Geld, das Rockefeller für Harvard stiftet? Sie haben keine Chance, je ihre Kinder nach Harvard zu schicken, denn Leute, die zwanzig Dollar in der Woche verdienen oder dreißig Dollar in der Woche oder meinetwegen auch achtzig Dollar und die fünf Kinder haben, die können kein Kind nach Harvard schicken, wenn sie sich satt essen wollen. Ich will, daß Menschen leben, wie es Menschen zukommt. Ich will, daß Menschen alles bekommen, was die Natur ihnen bietet.

Deswegen haben sich meine Vorstellungen geändert. Deswegen bin ich für Leute, die arbeiten und arbeiten, die sich entwickeln und keine Kriege mehr machen. Wir wollen nicht schießen. Wir wollen nicht andere junge Leute umbringen. Die Mütter haben gelitten und sich abgemüht, damit aus diesen jungen Leuten etwas werde. Die Mütter sollen dann aber auch was davon haben, daß ihre Kinder aufgewachsen sind. Warum sie zum Nutzen der Rockefellers und Morgans in den Krieg schicken? Warum? Was ist Krieg? Krieg ist nicht, wenn man, wie Abraham Lincoln, für ein freies Land, für bessere Bildung, für die Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß kämpft, weil man weiß: Schwarze Menschen sind wie andere Menschen auch … In unserem Fall ging es um einen Krieg der Millionäre. Nicht um einen Krieg für die Zivilisation. Das war ein Krieg, damit wieder jemand eine Million Dollar verdient.

Wir haben ein Recht, einen anderen Menschen zu töten? Ich habe für Iren gearbeitet. Ich habe für Deutsche und für Franzosen gearbeitet. Ich habe für Leute, die aus noch anderen Völkern stammen, gearbeitet. Ich mag sie so, wie ich meine Frau mag und mein Volk. Warum sollte ich sie töten? Was haben sie mir denn getan? Nichts. Und deswegen glaube ich auch nicht an Krieg. Ich würde am liebsten all die Kanonen zerstören. Ich kann nur sagen, die Regierung soll uns Bildung geben. Ich erinnere mich, daß es in Italien einmal einen Mann gegeben hat vor sechzig Jahren, der sagte: Schluß mit den Regierungen. Wenn all das Übel ein Ende haben soll, wenn es keine Verbrechen mehr geben soll, muß man der sozialistischen Literatur, der Bildung des Volkes und der Emanzipation eine Chance geben. Deswegen müssen die Regierungen abgeschafft werden. Deswegen bin ich für den Sozialismus. Deswegen mag ich auch Menschen, die Bildung wollen, eine Wohnung, in der es sich anständig leben läßt. Das ist alles.

Sacco stellte sich den Geschworenen genau in dem Licht dar, in dem Thayer und Katzmann ihn dargestellt wissen wollten. Deshalb hatte Thayer ihn auch nicht unterbrochen.

Sacco hatte es gewagt, an den heiligsten Begriffen zu rütteln: Ein Radikaler und Fahnenflüchtiger hatte in mangelhaftem Englisch gesagt, er könne in Italien besser leben.“

 

Zweifel und Protest

 

„Der angesehene Publizist und Rechtsgelehrte Felix Frankfurter, damals Professor für Verwaltungsrecht in Harvard, faßte seine Analyse der Entscheidungen Thayers später in einem kleinen Buch mit dem Titel The Case Sacco and Vanzetti zusammen:

Ich spreche hier als jemand, der eine beträchtliche Erfahrung im Strafrechtswesen hat, dessen spezielle Aufgabe es eine Zeitlang gewesen ist, Berufungsverfahren für die Regierung zu prüfen, und dessen wissenschaftliche Tätigkeit nunmehr darin besteht, eine große Anzahl von Gerichtsprotokollen und die auf ihnen beruhenden Urteile und Standpunkte zu untersuchen.

Ich stelle mit tiefem Bedauern, aber ohne die geringste Furcht vor Widerlegung fest, daß, jedenfalls in neuerer Zeit, Richter Thayers Entscheidung beispiellos dasteht in bezug auf die Diskrepanz zwischen dem, was die Akten aussagen, und dem, was die Entscheidung zum Ausdruck bringt. Sein 25.000 Worte umfassendes Dokument kann genaugenommen nicht anders bezeichnet werden denn als ein Sammelsurium von gefälschten Zitaten, Verdrehungen, Unterschlagungen und Verstümmelungen. Ein unvoreingenommener Beobachter könnte daraus unmöglich die Wahrheit über die neuen Beweise erfahren, die dem Richter als Grundlage für eine Wiederaufnahme des Prozesses vorgelegt wurden. Die Entscheidung ist buchstäblich mit nachweisbaren Fehlern durchsetzt und von einem Geist erfüllt, der einer juristischen Darstellung fremd ist.

Auch andere Intellektuelle meldeten sich zu Wort. John Dos Passos, einer der bekanntesten Schriftsteller Amerikas, lieferte eine 126 Seiten umfassende Verteidigungsschrift mit dem Titel Angesichts des elektrischen Stuhls, die vom Verteidigungskomitee für fünfzig Cent verkauft wurde und in der er sich vor allem über den unfairen Prozeß, die Rolle des Justizministeriums und die Behinderung der Verteidigung ereiferte. Nicht nur Dos Passos' Schrift fand breites Interesse. Fast alle größeren Zeitungen des Landes, nicht nur linke, sondern auch bürgerliche und liberale, berichteten nach Thayers Beschluß über den Fall. Dies war sicher auch das Verdienst von Anwalt Thompson, der sich stets um die Unterstützung durch bürgerliche Kreise bemüht hatte. Kundgebungen und Demonstrationen waren nicht mehr allein die Sache der Arbeiterorganisationen (selbst die Kommunistische Partei Amerikas, die heftige Auseinandersetzungen mit den Anarchisten um den „richtigen Weg der Revolution“ führte, hatte mittlerweile ein Sacco and Vanzetti Emergency Committee gegründet), sondern Tausender amerikanischer Bürger, die über das Vorgehen der Justizbehörden erzürnt waren.

Protest zugunsten von Sacco und Vanzetti regte sich nicht nur in Amerika. In fast allen europäischen Metropolen fanden Versammlungen und Demonstrationen statt; namhafte Literaten, Schauspieler, Gewerkschafter und Politiker, darunter auch der damalige Präsident des deutschen Reichstages, setzten sich für die beiden Männer ein, deren Fall sich nun tragisch zuzuspitzen begann.“

 

Proteste weltweit

 

Aus „Wikipedia“: „In den USA konnten zur Zeit des Prozesses und der Berufungen – bis auf wenige Ausnahmen – nur Einwanderer sowie anarchistische und einige linke Gruppierungen für Proteste mobilisiert werden, wobei etwa die Kommunisten kein Interesse an einer Beteiligung zeigten. Als bekannt wurde, dass weder das vorliegende Geständnis Madeiros‘ noch der Verdacht auf heimliche Absprachen mit dem Justizministerium eine juristische Neubewertung des Falles nach sich zog, wurden zusehends auch konservative Intellektuelle des ganzen Landes auf den Fall aufmerksam: In einem aufsehenerregenden Artikel im Magazin The Atlantic Monthly (März 1927) kritisierte der Jurist Felix Frankfurter die Entscheidungen von Richter Thayer scharf. Die Frage, ob Sacco und Vanzetti sterben sollten, wurde in amerikanischen Zeitungen und der Öffentlichkeit kontrovers debattiert.

Nachdem das Todesurteil verkündet worden war, stieß die nun besonders auf Amerikaner zugeschnittene Kampagne des Defense Committee bei allen Bevölkerungsschichten und Glaubensgruppen auf große Resonanz: Katholiken, Quäker, Presbyterianer, Atheisten, Wissenschaftler, Schriftsteller und viele andere begannen sich für die Verurteilten einzusetzen. Diese breite Mobilisierung ist vor allem dem Journalisten Gardner Jackson zuzuschreiben, der sich mit großem persönlichem Einsatz für das Defense Committee engagierte. Auch die Kommunistische Partei begann nun, den Fall für sich zu instrumentalisieren: Von der gesammelten annähernd halben Million sollen nur 6000 Dollar an das Defense Committee übergeben worden sein.

Außerhalb der USA kam es schon früher zu öffentlichen Protestkundgebungen. Die größten Demonstrationen fanden in Frankreich und Italien statt, wo zehntausende Menschen teilnahmen. Die friedlich verlaufenden Kundgebungen wurden von Gewaltakten überschattet: In Paris explodierte eine Bombe vor der amerikanischen Botschaft. In Lissabon konnte eine weitere Bombe vor der Explosion entdeckt und beseitigt werden.

In den Städten Basel, Zürich und Genf protestierte die Arbeiterbewegung gegen das Urteil. In Basel fand am 10. August 1927, dem ursprünglichen Hinrichtungstermin von Sacco und Vanzetti, eine Demonstration auf dem Barfüsserplatz statt. Mit über 12.000 Teilnehmern ist sie bis heute eine der größten in der Geschichte der Stadt. Am selben Abend zerstörte eine Bombe ein Tramhäuschen auf dem Barfüsserplatz. Ein Tramführer starb, es gab zahlreiche Verletzte.

Die Internationale Rote Hilfe, die Mitte der 20er Jahre in vielen Staaten Ableger hatte, koordinierte weltweit die Proteste mit ihren Mitgliedsorganisationen. In Deutschland forderte Kurt Tucholsky – publiziert in der Weltbühne vom 19. April 1927 – den US-Botschafter auf, zumindest eine zügige Begnadigung der beiden Gewerkschafter zu erwirken …

Die Meldung über den Tod von Sacco und Vanzetti wurde von Menschen auf der ganzen Welt mit Wut und Trauer zur Kenntnis genommen. Am Union Square in New York waren nach einem Bericht der New York World fünfzehntausend Menschen versammelt, die nach der Todesnachricht schrien, weinten und ohnmächtig wurden.

Außerhalb der USA entlud sich die Wut über die Hinrichtung und auf Amerika in teilweise wilden Protesten. In Genf zogen geschätzte fünftausend Demonstranten durch die Straßen. Wie auch in anderen Städten kam es dabei zu Aggressionen gegen amerikanische Einrichtungen, Geschäfte, Autos und Kinos, die amerikanische Filme spielten. In Paris musste die US-amerikanische Botschaft mit Panzern geschützt werden. Am Vorabend der Hinrichtung riefen allein in Berlin 40 kommunistische, sozialistische, gewerkschaftliche, anarchistische, pazifistische und humanistische Organisationen zu Demonstrationen in 24 Stadtbezirken auf. Tausende beteiligten sich, darunter ganze Betriebsbelegschaften. Am Tag nach der Hinrichtung fanden deutschlandweit Trauerkundgebungen statt, die teilweise zu den größten der letzten Jahre gehörten. In den meisten Zechen des Ruhrgebietes fanden Belegschaftsversammlungen statt. In Berlin folgten etwa 150.000 Menschen dem Aufruf der KPD zu einer der größten Demonstrationen der Weimarer Republik. Der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann hielt im Berliner Lustgarten die Rede Gegen den Mord an Sacco und Vanzetti, die am 25. August 1927 in der Parteizeitung Die Rote Fahne abgedruckt wurde. Auch in anderen deutschen Städten wurde demonstriert, etwa in Stuttgart mit einem rund zweistündigen Fackelzug. Bei Ausschreitungen am Rande der Demonstrationen, so in Hamburg, kam es in Deutschland zu insgesamt sechs Todesfällen. Auch in England, Skandinavien, Portugal, Mexiko, Argentinien, Australien und Südafrika kam es zu Streiks und wilden Demonstrationen.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Sacco_und_Vanzetti

In jener Zeit wäre noch keiner auf die Idee gekommen, dass die USA anderen Ländern einmal Vorhaltungen wg. „Menschenrechten“ machen würden.

 

 

Kein Erbarmen!

 

Helmut Ortner: „Aber bei allem öffentlichen Protest: Tatsache war, daß die meisten Amerikaner in Sacco und Vanzetti Verbrecher sahen und ungeduldig darauf warteten, daß diese Männer endlich hingerichtet wurden. Eine Begnadigung wäre ihnen wie eine Kapitulation erschienen, wie eine strategische Niederlage im Kampf um die Verteidigung der bestehenden Ordnung. Sie brauchten zwei Opfer, um ihre tiefsitzenden Ängste gegenüber jenen, die diese Ordnung anprangerten, bestätigt zu sehen. Sacco und Vanzetti waren zwei ideale Opfer.“

Kein Zweifel: trotz aller in- und ausländischer Proteste herrschte in den USA zum größten Teil eine Pogrom-Stimmung gegen diese Italiener, Anarchisten, Atheisten und Kriegsdienst-Verweigerer, die gegen alles waren, was dem „anständigen“ US-Amerikaner heilig war. Weg damit!

Der Wurm hatte am Anfang den Vergleich zu heute gebracht mit den vor Gericht stehenden „Islamisten“. So scharf dürfte heute bei einem ähnlich gelagerten Fall die Reaktion innerhalb der USA ausfallen, wie sie es damals war.

Jenen, die jetzt mit dem Finger auf die USA zeigen, möchte der Wurm schreiben, dass „hier“ sehr einfach unbequeme Menschen weggesperrt werden können (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/117-diebstahl-ungeheuren-ausmasses.html ) und die Massen jederzeit gegen ziemlich jeden aufgehetzt werden können.

Gerne erinnert der Wurm an jene Zeilen, die er anlässlich der Vernichtung von Akif Pirincci schrieb: „Es ist gerade mal ein paar Wochen her, als der Wurm in http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/189-ein-gutmensch-ist-ein-schlechter-mensch.html Folgendes schrieb:

„Der Gesinnungs-Terror der Gutmenschen erstreckt sich natürlich auch in ihren Moral-Vorstellungen. Wehe, wenn da einer ausschert! Da reicht es nicht, wenn derjenige, der sich daneben benommen hat, seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Nein, es wird gefordert, dass seine Existenz vernichtet wird – und sie wird vernichtet. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/44-alles-in-allem-ein-durchschnittsleben.html

Auch, wenn ein Mensch gegen kein einziges Gesetz der Welt verstoßen hat, kann es ihm passieren, dass er sich im Lande kaum noch blicken lassen kann, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/58-respekt-vor-edathy.html

Es reicht auch schon aus, ein konservatives Weltbild zu haben. Da wird von den Gutmenschen nur darauf gewartet, dass der entsprechende Mensch sich angreifbar macht. Irgend etwas lässt sich dann schon konstruieren. Da schützt selbst die Position eines hochrangigen Bischofs nicht. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/40-flug-lug-und-betrug.html

Die Meute der Gutmenschen stört auch schon, wenn sie sich in ihrem Tagesablauf gestört fühlt. In den passen Gewerkschaften, die ihre Arbeit machen und sich für ihre Mitglieder einsetzen, natürlich nicht hinein. Nur dank des starken Rückhalts seiner Gewerkschafts-Mitglieder konnte sich Klaus Weselsky der gegen ihn laufenden Hetze behaupten, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/119-niedere-beweggruende.html “.

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/192-die-vernichtung-des-akif-pirincci.html

Ganz zu schweigen vom Aufbau internationaler Feindbilder wie „Putin“ (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/106-falsche-flagge.html ), „Erdogan“ (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/217-darf-satire-alles.html ), „Assad“ (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/275-giftgas-in-syrien.html ),  Kim Jong Un (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/141-feuerwerk.html ) oder „den faulen Griechen“ (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/175-die-siechen-griechen.html ).

 

Rehabilitation – 50 Jahre später

 

Aus „Wikipedia“: „Im Juli 1977 – fünfzig Jahre nach der Hinrichtung – gab Michael S. Dukakis, Politiker der Demokratischen Partei und zu der Zeit Gouverneur von Massachusetts, eine Ehrenerklärung für Sacco und Vanzetti und deren Familien ab.

„Heute ist der Nicola-Sacco- und Bartolomeo-Vanzetti-Gedächtnistag. Die Atmosphäre ihres Verfahrens und ihrer Revisionen war durchdrungen von Vorurteilen gegen Ausländer und Feindlichkeit gegenüber unorthodoxen politischen Ansichten. Das Verhalten von vielen der Offiziellen in diesem Fall wirft einen ernstlichen Zweifel auf ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit, die Verfolgung und das Verfahren fair und unvoreingenommen durchzuführen. Schlichter Anstand und Mitgefühl, wie auch Respekt vor der Wahrheit und eine fortwährende Verpflichtung zu den höchsten Idealen unserer Nation, erfordern, dass das Schicksal von Sacco und Vanzetti von allen im Gedenken bewahrt wird, die Toleranz, Gerechtigkeit und menschliches Verständnis wertschätzen.““

https://de.wikipedia.org/wiki/Sacco_und_Vanzetti

 

Klassen-Justiz und Justiz-Morde

 

Der Fall Sacco und Vanzetti ist auf keinen Fall einmalig in der Geschichte der USA bei der Niederschlagung der Arbeiter-Bewegung. Der Wurm hat sich mal zwei spektakuläre frühere Justiz-Morde rausgepickt.

 

Haymarket Riot

 

Aus „Wikipedia“: „Am 1. Mai 1886 begann in Chicago (Illinois, Vereinigte Staaten) ein mehrtägiger, von den Gewerkschaften organisierter Streik, um eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden durchzusetzen. Die mit diesem und den darauf folgenden Tagen verbundenen Ereignisse werden als Haymarket Riot, Haymarket Affair und Haymarket Massacre bezeichnet und begründeten die Tradition der internationalen Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften, den 1. Mai zum Kampftag der Arbeiterklasse zu erklären.

Im Oktober 1884 rief die Federation of Organized Trades and Labor Unions of the United States and Canada (heutiger Nachfolger American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations) zu einem landesweiten Streik für den 1. Mai 1886 auf. Ziel war die Arbeitszeitbegrenzung durch Einführung des Achtstundentages. Am 1. Mai streikten in den Vereinigten Staaten nach verschiedenen Schätzungen insgesamt zwischen 300.000 und 500.000 Menschen. Der größte Streik fand in Chicago statt und umfasste rund 90.000 Teilnehmer. Die Situation war angespannt, die Miliz wurde in Bereitschaft versetzt und z. B. die Chicago Mail rief dazu auf, ein Exempel an den zentralen Personen des Protestes, August Spies und Albert Parsons, zu statuieren, falls es zu Problemen kommen sollte.

Am Abend des 1. Mai 1886 fand eine Arbeiterversammlung auf dem Haymarket in Chicago statt, deren Redner der Chefredakteur und Herausgeber der anarchistischen Arbeiter-Zeitung, August Spies, war. Neben dem Streik für den Achtstundentag war einer der Gründe der Versammlung, dass die Gewerkschaft drei Wochen zuvor ihren ersten großen Sieg in Chicago verbuchen konnte: In einer Fabrik für landwirtschaftliche Geräte hatte sich die Mehrheit der Arbeiter gegen die Betriebsleitung solidarisch erklärt und wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Fabrik mit Streik gedroht. Für einen 12-Stunden-Arbeitstag wurden im Durchschnitt 3 US-Dollar gezahlt (Zeitwert: Für 3 US$ bekam man im Jahr 1886 in einem Restaurant ein mageres Abendessen). Die Folge waren Massenaussperrungen. Die dadurch 800 bis 1000 freien Stellen sollten nun mit neuen Einwanderern, die in solchen Fällen vor der Fabrikpforte Schlange standen, aufgefüllt werden. Infolge der Kampagne der Arbeiter-Zeitung meldeten sich jedoch nur 300 neue Arbeiter, was als erster großer Sieg der Gewerkschaft gewertet werden kann. Nach der Haymarket-Versammlung folgte ein mehrtägiger Streik in Chicago.

Als am 3. Mai die Polizei einschritt, um eine Versammlung von Streikenden nahe dem Erntemaschinen-Betrieb McCormick aufzulösen, wurden sechs Arbeiter erschossen und einige weitere verletzt. In der folgenden Nacht versammelte sich eine Menge von mehreren tausend Streikenden und marschierte zum Haymarket Square. Wiederum versuchte die Polizei, auch unter dem Eindruck der gewalttätigen Auseinandersetzungen zuvor, die Versammlung aufzulösen. Der Protestmarsch wurde aber fortgesetzt und verlief friedlich. Auch der Bürgermeister der Stadt, Carter Harrison Sr., ging, nachdem er die Lage überprüft hatte, früh nach Hause.

Die Lage eskalierte am nächsten Tag, dem 4. Mai, als jemand eine Bombe in die Menge warf, die sich wieder am Haymarket-Square versammelt hatte. Zwölf Menschen, darunter der Polizist Mathias J. Degan, starben noch am Ort des Geschehens. Sechs weitere Polizisten erlagen später ihren Verletzungen. Die Polizei eröffnete daraufhin das Feuer und tötete und verletzte eine unbekannte Zahl von Protestierenden. Da einige der Redner dieses Tages Anarchisten gewesen waren, ging man davon aus, dass ein Anarchist die Bombe geworfen hatte. Ein Beweis für eine solche Verbindung konnte allerdings nicht erbracht werden. Bis heute ist unklar, wer die Bombe geworfen hat.

Obgleich niemand überhaupt den Bombenwerfer erkannt hatte, wurden acht Männer, die den Streik mitorganisiert hatten, angeklagt und für schuldig befunden. Es gab keine Beweise für eine Verbindung der Angeklagten zu dem Bombenanschlag. Vielmehr argumentierte der Richter Joseph Gary, dass der Bombenwerfer auf Grund der Ideen der Männer gehandelt habe und diese damit ebenso schuldig seien, als hätten sie selbst den Anschlag verübt. August Spies, Albert Parsons, George Engel und Adolph Fischer wurden erhängt. Louis Lingg beging in seiner Zelle Selbstmord mit einer geschmuggelten Stange Dynamit, durch die er sich selbst enthauptete (eine Quelle spricht von einer Revolverpatrone, die, zwischen die Zähne geklemmt, mit einer Kerze zur Explosion gebracht wurde). Oscar Neebe wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Todesurteile gegen Michael Schwab und Samuel Fielden wurden von Gouverneur Richard James Oglesby nach dem Gnadenrecht in lebenslange Haft umgewandelt.

Die Verurteilungen führten zu einem Aufschrei in internationalen Arbeiterkreisen und zu Protesten rund um die Welt. Zu den Unterstützern des Protestes gehörten unter anderem George Bernard Shaw, William Morris und Peter Kropotkin. 25.000 Menschen nahmen in Chicago an der Beerdigung der Hingerichteten teil.

August Spies wird weiterhin mit den Worten zitiert:

„Die Zeit wird kommen, wo unser Schweigen stärker ist, als die Stimmen, die Sie heute erdrosseln.“

und mit den Worten, die er während der Arbeiterversammlung auf Haymarket am Abend des 1. Mai 1886 in Chicago mehrfach sagte:

„Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!“

Am 26. Juni 1893 erließ der Gouverneur von Illinois, John Peter Altgeld, einen Gnadenerlass für Samuel Fielden, Oscar Neebe und Michael Schwab, die dadurch freikamen. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass alle Angeklagten unschuldig gewesen seien. Der Grund für den Bombenwurf sei die mangelnde Aufklärung und Verfolgung von zwei Tötungen durch die Detektei Pinkerton. In der Bevölkerung war diese Entscheidung unpopulär und trug zum Ende von Altgelds politischer Karriere bei …

Die Haymarket-Affäre führte in den Vereinigten Staaten zu einem Niedergang der Knights of Labor. Sie führte auch zu einer Säuberung der Lehrinstitutionen von Sozialisten – vermuteten und wirklichen, christlichen und marxistischen.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Haymarket_Riot

Zu den „Knights of Labor“: „Die Knights of Labor (deutsch: Ritter der Arbeit) war eine der bedeutendsten amerikanischen Arbeiterorganisationen des 19. Jahrhunderts.

Als eine Art geheime Bruderschaft, The Noble and Holy Order of the Knights of Labor genannt, wurde die Knights of Labor von sieben Mitgliedern des Schneiderhandwerks 1869 in Philadelphia, USA gegründet. Zwischen 1878 und 1881 wurde sie schrittweise für Menschen aller produzierenden Berufe geöffnet, nur Fabrikarbeiter sowie Geschäftsinhaber, Banker, Rechtsanwälte, Spekulanten, Börsenhändler und Schnapshändler blieben ausgeschlossen. Dadurch und durch den Verzicht auf frühere Geheimhaltungsrituale wuchsen die Größe und der Einfluss der Organisation von 1878 rapide an. In ihrer erfolgreichsten Zeit um 1886 herum zählte sie schätzungsweise 700.000 Mitglieder.

Die Knights of Labor waren der erste Versuch, eine für alle offene Gewerkschaft in den USA zu etablieren. Nach Richtungskämpfen, Missmanagement und erfolglosen Streiks verlor die Gewerkschaft nach 1886 viele ihrer Mitglieder, versank zum Ende des 19. Jahrhunderts in die Bedeutungslosigkeit und wurde schließlich aufgelöst …

Als es im März 1886 zu einem erneuten Streik gegen eine der Eisenbahngesellschaften von Jay Gould (Missouri Pacific Strike) kam, führten gewalttätige Auseinandersetzungen und Sachbeschädigungen zum Einsatz der Armee. Darauf hatte Gould nur gewartet, um seine Ankündigung wahr machen und die Gewerkschaft zerschlagen zu können. Gould setzte erfolgreich Streikbrecher und Detektive gegen die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter ein. Die anfängliche Zustimmung in der Bevölkerung zum Streik schlug spätestens nach Einsatz von Gewalt in Ablehnung um. Auch unter den Mitgliedern der Gewerkschaft selbst schlug die Stimmung um. Nach Abbruch des erfolglosen Streiks, den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem Haymarket im selben Jahr in Chicago, in deren Folge eine Bombe in die Menge geworfen wurde, kam es, obwohl die Knights of Labor daran nicht beteiligt waren, zu einer Desillusionierung ihrer Mitglieder, einschließlich des Managements.

Aber letztendlich kam alles zusammen: Kritik an den autokratischen Strukturen, Missmanagement, erfolglose Streiks, Flügelkämpfe, das mangelnde Vertrauen in eine nationale Gewerkschaftsorganisation sowie die Gründung einer rivalisierenden Gewerkschaft, der American Federation of Labor, führten schließlich zu massenhaften Austritten. 1890 zählten die Knights of Labor bereits weniger als 100.000 Mitglieder.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Knights_of_Labor

 

Joe Hill

 

Aus „Wikipedia“: „Joe Hill (* 7. Oktober 1879 in Gävle in Schweden als Joel Emmanuel Hägglund; † 19. November 1915 in Salt Lake City), auch bekannt unter dem Namen Joseph Hillström, war ein US-amerikanischer Wanderarbeiter (Hobo), Arbeiterführer, Gewerkschaftsaktivist, Sänger und Liedermacher. Er spielte Banjo, Gitarre, Klavier und Akkordeon. Aus seiner Feder stammen zahlreiche populäre englisch-sprachige Folksongs, die u. a. im Little Red Songbook der IWW veröffentlicht wurden. Seine Liedtexte zeichnen sich durch Humor und Ironie aus. Nach seiner Hinrichtung wurde er zur Legende und seinerseits zum Gegenstand zahlreicher Songs …

1910 reiste er nach Fresno, Kalifornien, wo die IWW einen erbitterten Kampf um Rede- und Versammlungsfreiheit führte (free speech fight); 1911 nahm Hill in Baja mit einer kleinen Guerilla-Truppe, die Ricardo Flores Magón in Los Angeles zusammengestellt hatte, an der Mexikanischen Revolution teil. Bei der Southern-Pacific-Gesellschaft half er, seinen ersten Streik mit zu organisieren, und entdeckte sein Rednertalent und die Fähigkeit, rebellische Worte in Melodien zu kleiden. 1912 tauchte er in British Columbia auf, wo er Lieder für die streikenden Bahnarbeiter der Canadian Northern Railway schrieb.

Schließlich kam Joe Hill nach Bingham im Mormonenstaat Utah. Hier organisierte er die Arbeiter der Baugesellschaft von Utah in einer größeren Einheitsgewerkschaft, die eine neue Lohnskala, kürzere Arbeitszeiten und besseres Essen erkämpfen konnte.

Durch unglückliche Umstände und, wie sich im Nachhinein ergab, auch durch schlampige Ermittlungsverfahren wurde Joe Hill am 10. Januar 1914 in Salt Lake City des Mordes an dem Lebensmittelhändler John Morisson und dessen Sohn Arling angeklagt und trotz mangelhafter Beweise verurteilt.

Der Fall wurde zu einem der größten Justizskandale der USA. Vor Gericht wurde wichtiges Beweismaterial zurückgehalten, stattdessen aber der Brief eines kalifornischen Polizeichefs verlesen, der Hill einst widerrechtlich verhaftet hatte, weil er Hafenarbeiter für die IWW anzuwerben versuchte:

„Mir gelangte zur Kenntnis, dass Sie einen Joseph Hillstrom wegen Mordes verhaftet haben. Sie haben den richtigen Mann. Er ist gewiss ein unerwünschter Bürger. Er ist so etwas wie ein Musiker und ein Songschreiber für das IWW-Liederbuch.“

Sowohl der schwedische Konsul als auch US-Präsident Woodrow Wilson versuchten, ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu setzen. Die IWW startete eine vehemente Kampagne. Doch der oberste Gerichtshof von Utah bestätigte den Schuldspruch. Während dieser Zeit dichtete Joe Hill im Gefängnis, und seine Lieder wurden überregional bekannt. Freunde legten Hill nahe, ein Gnadengesuch einzureichen, dem mit hoher Wahrscheinlichkeit stattgegeben worden wäre. Hills Antwort hierauf: „Nicht Gnade will ich, sondern Gerechtigkeit. Und wird mir diese nicht zuteil, gehe ich lieber unter, als dass ich um Gnade bitte“ …

Seine letzten Worte, bevor er am 19. November 1915 im Gefängnishof von Salt Lake City an der Mauer von mehreren Gewehrschüssen tödlich getroffen wurde, waren: „Trauert nicht, organisiert euch!“ (Don’t mourn – organize!).“

https://de.wikipedia.org/wiki/Joe_Hill

 

Gemachte Stimmung und Taten

 

Aus „Wikipedia“: „Mit Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 gerieten die USA in eine wirtschaftliche Depression. Die Zahl der Arbeitslosen nahm stark zu, die Preise stiegen kontinuierlich. Neben Streiks war eine erhöhte Kriminalitätsrate die Folge der desaströsen Wirtschaftslage. Zudem erschreckte die erfolgreiche kommunistische Revolution in Russland die zu der Zeit regierende politische Führung der USA. Denn auch in den Vereinigten Staaten gewannen linke Kräfte nun an Präsenz: Im September 1919 kam es nach Abspaltungen von der Sozialistischen Partei zur Gründung der Communist Party sowie der Communist Labor Party. Daneben gab es noch verschiedene Gruppierungen von Anarchisten und anderen aus dem Spektrum der revolutionären Linken, mit jeweils unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen. Die Regierungspropaganda machte nun die politische Linke pauschal für die schlechte Lage des Landes verantwortlich und bezeichnete sie undifferenziert als verbrecherische „Bolschewiken“, die alles daran setzen würden, eine kommunistische Revolution in den USA herbeizuführen. Die geschürte „Rote Angst“ (Red Scare) wurde durch eine Vielzahl von Bombenattentaten genährt, die Anarchisten zugeordnet wurden. So explodierten am 2. Juni 1919 acht Bomben in verschiedenen Städten des Landes. Dazu fanden sich Flugblätter mit Drohungen von „anarchistischen Kämpfern“ gegen die „Kapitalistenklasse“.

Die Angst vor „Bolschewiken“ ging mit der Angst vor Einwanderern einher. Letztere machten laut Propaganda neunzig Prozent aller Radikalen im Land aus. Der Generalstaatsanwalt Alexander Mitchell Palmer, dessen Haus bei einem der Anschläge beschädigt wurde, ließ daraufhin ab November 1919 brutale Razzien in Einrichtungen und Organisationen von und für Ausländer durchführen. Die breite Öffentlichkeit begrüßte diese sogenannten Palmer Raids, die darauf abzielten, „zum Radikalismus neigende Individuen“ aufzuspüren und des Landes zu verweisen. Unter Hinweis auf die drohende Gefahr für das Land wurden dabei geltende Gesetze missachtet oder zum Nachteil der betroffenen Einwanderer geändert. Zudem berichteten Zeugen und Reporter von schweren Übergriffen auf die – meist schuldlos – Verhafteten.

Die Spur der anarchistischen Flugblätter führte die ermittelnden Agenten in eine Druckerei in Brooklyn. Zwei der Angestellten wurden im Februar 1920 verhaftet. Einer von ihnen, der Setzer Andrea Salsedo, stürzte am Morgen des 3. Mai aus dem 14. Stockwerk eines New Yorker Polizeigebäudes. Er war bis dahin zwei Monate lang ohne Haftbefehl festgehalten und verhört worden. Gerüchte um Folterungen machten in anarchistischen Organisationen die Runde. Die Umstände des tödlichen Sturzes konnten nie vollständig geklärt werden. Dieser Vorfall löste bei anarchistischen Gruppen große Betroffenheit und Angst vor weiteren Razzien aus.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Sacco_und_Vanzetti

Viele Unternehmen taten alles, damit sich ihre Arbeiter nicht organisierten. Dazu gehörten neben Streikbrechern bezahlte Privat-Armeen, die teilweise sehr brutal agierten:

„Die Pinkertons wurden auch selbst des Terrorismus und Vigilantismus beschuldigt, wenn sie sich von Fabrikbesitzern zur Bekämpfung von Gewerkschaftern und Streikenden anheuern ließen, sie gelten als erste Vertreter der Union Busting-Branche. Ihre Werkschutzeinheiten übertrafen dabei oft die Stärke der regulären Armee. So rekrutierten sie bei den Eisenbahnstreiks von 1877 eigens für die Demoralisierung der Streikenden Streikbrecher. Beim Homestead-Streik 1892 kam es zu einer Schießerei zwischen Streikenden und ca. 300 Agenten der Pinkertons, die der Fabrikant angeheuert hatte. Dabei kamen auf beiden Seiten mehrere Menschen ums Leben.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Pinkerton_(Detektei)

Neben der brutalen Niederschlagung von Versammlungen und Streiks mit zahlreichen Toten, gab es zur Abschreckung „Selbstmorde“ im „polizeilichen Gewahrsam“ wie den von Andrea Salsedo und die erwähnten Justiz-Morde.

Mit dem gewünschten Erfolg.

Mensch stelle sich vor, er wäre in den jeweiligen Zeiten ein Teil der herrschenden Schicht in den USA gewesen und hätte die Möglichkeit gehabt, frei über Politik, Verwaltung, Justiz, Polizei und Medien zu verfügen. Mit der Aufgabe, die Arbeiter-Bewegung zu zerschlagen oder zumindest massiv zu stören.

Was hätte mensch getan? Unter anderem Folgendes:

1. Die jeweiligen Arbeiter-Führer auf die eine oder andere Art und Weise „ausgeschaltet“.

2. Eigene Leute eingeschleust mit dem Ziel, Uneinigkeit, Missmanagement und Flügelkämpfe zu veranlassen oder als „Agents Provocateur“ (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/212-agent-provocateur.html ) zu gewalttätigen Aktionen aufzustacheln.

3. Selbst zu Gewalt wie Bomben-Anschlägen gegriffen und behauptet, dass es die bösen Arbeiter gewesen seien.

4. Rivalisierende Arbeiter-Bewegungen gegründet, die „moderat“ sind und den ernsthaften Organisationen die Mitglieder wegnehmen.

5. Die Medien das eigene Loblied singen lassen: Kapitalismus ausschließlich gut, jegliche Verbesserung für die Arbeitnehmer ist schlecht für die Unternehmen und gefährdet Arbeitsplätze …

6. Entsprechende Gesetze erlassen, die Justiz bei Gefahr das Recht beugen lassen, die Polizei und gekaufte „Sicherheits-Kräfte“ Versammlungen und Streiks niederknüppeln lassen.

Mission erfüllt.

Wer sich fragt, warum es in den USA im Gegensatz zu Europa eine dermaßen schwache Arbeiterschaft gab und gibt, wird jetzt die Gründe dafür kennen.

 

Gegen den Mord an Sacco und Vanzetti

 

Aber auch in Europa ging es heiss her. Hier die schon weiter oben erwähnte Rede von Ernst Thälmann aus dem Jahr 1927:

„Wir demonstrieren heute gegen die Ermordung Saccos und Vanzettis durch die weiße Blutjustiz der amerikanischen Bourgeoisie. Diese Demonstration richtet sich gleichzeitig gegen das blutbesudelte kapitalistische System, das der wirklich Schuldige des Mordes an Sacco und Vanzetti ist. Die Abschlachtung Saccos und Vanzettis ist kein Einzelfall, sondern in allen kapitalistischen Ländern wütet die Klassenjustiz gegen die Kämpfer des revolutionären Proletariats. Wir alle denken noch an die viehische Ermordung von Rosa und Karl, von Jogiches und Levine, von Sylt und vielen anderen, die dem weißen Terror des deutschen Kapitalismus zum Opfer gefallen sind. Dieser Terror wütet nach wie vor in der gesamten kapitalistischen Welt, in Ungarn, Polen, Italien, Bulgarien, in Rumänien, Litauen, in Österreich und auch in Deutschland.

Justizmord und heimtückische Abschlachtung von Proletariern sind in allen kapitalistischen Ländern an der Tagesordnung. Gleichzeitig werden Tausende von Kämpfern für das Proletariat hinter Kerkermauern gequält und oft zu Tode gefoltert. Hunderte von Arbeitern schmachten in Deutschland in den Gefängnissen, die nichts anderes begangen haben, als daß sie die Interessen der Unterdrückten und Ausgebeuteten verteidigt haben.

Millionen von Arbeitern sind zum Protest gegen die geplante Ermordung von Sacco und Vanzetti auf die Straße gegangen. Aber die amerikanische Bourgeoisie fühlte sich noch stark genug, um vor der Ermordung nicht zurückzuschrecken. Freilich, der Kampf des Weltproletariats gegen das brutale Verbrechen der amerikanischen Bourgeoisie war nicht einheitlich. Die sozialdemokratischen Parteien, die II. Internationale und die Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale haben von Anfang an diesen Kampf sabotiert. Was in ihren Kräften stand, haben sie getan, um die Arbeiterschaft in ihrer Protestaktion zu schwächen und zu hindern. Am schamlosesten hat sich die deutsche Sozialdemokratische Partei benommen. Der Vorwärts übertraf sogar einen Teil der kapitalistischen Presse, indem er die Abschlachtung Saccos und Vanzettis mit den Erschießungen konterrevolutionärer Banditen in der Sowjetunion gleichstellte.

In Deutschland hat die Klassenjustiz unter der Bürgerblockregierung einen verschärften Kurs eingeschlagen. Vor kurzem hat die Niedner-Justiz in Stuttgart eine Anzahl Arbeiter zu 45 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie es gewagt hatten, die württembergische Arbeiterschaft zum Kampfe gegen den Faschismus zu organisieren. Derselbe Niedner hat gegen die Zentrale der KPD einen Prozeß eingeleitet, der im Oktober stattfinden soll.

Während ein Teil der Bourgeoisie und die sozialdemokratischen Führer einen Abscheu gegen die Ermordung von Sacco und Vanzetti heucheln, sind sie gleichzeitig in vielen Städten mit den brutalsten Mitteln gegen die demonstrierenden Arbeiter vorgegangen. In Paris und in Genf, in London und in Amsterdam, in Leipzig und in Halle wurden Arbeiter niedergeknüppelt und erschlagen, weil sie es wagten, nicht nur gegen die amerikanische Verbrecherjustiz, sondern gegen die Klassenjustiz im eignen Lande aufzumarschieren. In Deutschland waren es gerade sozialdemokratische Polizeipräsidenten, die sich bei dieser Niederknüppelung der Arbeiter durch schamlose Anbiederung an die kapitalistische Gesellschaft ausgezeichnet haben.

Mit uns schwören heute Millionen Arbeiter in der ganzen Welt Rache für Sacco und Vanzetti! Das Mittel dazu besteht in der Organisierung des verstärkten Kampfes gegen die weiße Justiz im eigenen Lande, in der Verstärkung des Kampfes für die Befreiung aller proletarischen politischen Gefangenen, in Deutschland insbesondere in der Zusammenfassung aller Kräfte zum Sturz der reaktionären Bürgerblockregierung.“

https://www.marxists.org/deutsch/referenz/thaelmann/1927/08/saccvanz.htm

 

Boston

 

In seinem historischen Roman „Boston – Die Geschichte von Sacco und Vanzettis Sterben und der Zivilisation die sie umbrachte“ aus dem Jahr 1928 beschreibt Upton Sinclair alles, was mensch zum Thema wissen muss.

Er beschreibt das Leben und oftmals auch das Elend der einfachen Arbeiter wie vor allem das der höheren Klassen und deren Interessen.

Diese fühlen sich als etwas Besseres, da sie sich zwar auf zweifelhafte Ahnen berufen, dafür aber seit Langem in Boston sind und dort bestimmen, was passiert. Für diejenigen, die von außerhalb in diesen Kreis kommen, ist es schwierig bis unmöglich, als gleichwertig anerkannt zu werden.

So schildert Upton Sinclair einen juristischen Fall, in dem zuerst die etablierten Wirtschafts-Kreise einen reichen „Emporkömmling“ zuerst wirtschaftlich ruinieren und dann bei der juristischen Aufarbeitung jegliches Recht gebrochen und der Ruin des Geschädigten bestätigt wird – schließlich stecken ja alle unter einer Decke. Und die, die es nicht tun, sind von den Herrschenden abhängig oder bewundern diese.

Recht ist für diese Gruppe so lange gut und schön, wie es ihnen nicht schadet. In dem Moment, wo es ernst wird, wird das Recht skrupellos gebeugt.

Schein und Sein dieser elitären Gruppe wird ausführlich dargestellt. Auch, wie sie sich als Menschenfreunde feiern lassen.

Diejenigen, denen diese „Menschenfreundlichkeit“ zugute kommen soll, sind da aber ganz anderer Ansicht. Mit den Brosamen können sie meist wenig bis nichts anfangen und die Menschenfreunde sorgen für oft katastrophale Zustände bei der Arbeit und für sehr schlechte Löhne, die kaum zum Leben reichen. Und zu brutalen Aktionen bei Versammlungen oder Streiks seitens der Arbeiter greifen lassen, wobei es mitunter zu Todesfällen kommt.

Die Korruption in Politik, Wirtschaft und Justiz, die in großem Stil betrieben wird, beschreibt Upton Sinclair sehr anschaulich genauso wie die bewiesenen Fälle von Aktionen unter „Falscher Flagge“, bei denen Sprengungen radikalen Arbeitern untergeschoben werden sollten oder fingierte Kriminal-Fälle.

Allerdings beschreibt er auch einen besonderen Teil der Etablierten. Upton Sinclair in seiner Einleitung: „Jene, die die glorreiche Geschichte dieser Stadt prägten, waren niemals deren Herrscher, sondern gehörten immer der „rettenden Minderheit“ an – jener auch heute noch existenten und aktiven Minderheit“.

Also Idealisten, die an Humanität, Fairness, Recht und Gesetz glauben und sich dafür einsetzen.

Christoph Schröder: „Es lässt sich einiges einwenden gegen Upton Sinclairs Mammutroman, der tatsächlich nur wenige Monate nach der Hinrichtung von Sacco und Vanzetti veröffentlicht worden ist: Es ist dem Buch anzumerken, dass es atemlos und in höchster Empörung geschrieben wurde. Es ist voll von Wiederholungen, Redundanzen und aufwendig beschriebenen Nebenfiguren, die im weiteren Verlauf der Handlung keine Rolle mehr spielen werden. Sinclair hat aufwendig recherchiert; er hat Prozessakten gewälzt, mehrere Verteidiger der beiden Angeklagten interviewt und sogar Bartolomeo Vanzetti im Gefängnis besucht. All das, das ist zu spüren, musste in diesen Roman hinein; nichts durfte weggelassen oder verkürzt werden.

Und trotzdem entwickelt das Buch in der Beschreibung des Verlaufs der sieben Jahre, die es bis zur endgültigen Verurteilung und Hinrichtung der beiden Delinquenten braucht, einen immer stärkeren Sog. Das liegt zum einen daran, dass die komplexen gesellschaftlich und politisch bestimmten Interessenskonflikte der Beteiligten geschickt gegeneinander gestellt und zu einem anschaulichen Zeitbild verarbeitet werden. In der wachsenden Zahl der Unterstützer der beiden Angeklagten sind die Haltungen breit gestreut: Gemäßigte Sozialisten bekämpfen Kommunisten; Anarchisten lehnen jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Organen schlichtweg ab. Von Vanzetti hört man früh den Ausspruch, dass lieber er unschuldig sterben wollen würde als der wahre Täter, weil auch der nur ein Opfer ausbeuterischer Verhältnisse sei. Und unter den früh eingewanderten irischen Arbeitern herrscht Misstrauen gegenüber den Neueinwanderern aus Italien. Die wirtschaftliche Lage spitzt sich zu; die Preise steigen, die Löhne sinken.

Und während Richter Thayer und der sinistre Staatsanwalt Fred Katzmann einen Zeugen nach dem anderen aus dem Hut zaubern und die Zeugen der Verteidigung ignorieren, wird parallel dazu ein echtes Verbrechen unter den Teppich gekehrt: Cornelias Schwiegersöhne, die vor Jahren einen Fabrikanten um dessen florierenden Besitz gebracht haben, waschen sich mit juristischen Winkelzügen und unter dem Beifall der Stadtgesellschaft von aller Schuld rein …

Wie aber steht es nun um die Aktualität und Lesbarkeit eines Romans wie "Boston" in der Gegenwart? Noch einmal: Die literarischen Schwächen sind offensichtlich. "Boston" ist ein Zwitter zwischen Dokumentation und Fiktion. Man muss einen politischen Roman wie diesen nach besonderen Maßstäben beurteilen. Die Fiktion steht in der Pflicht, den Haltungen ihrer Figuren gerecht zu werden. Sie muss ästhetische Konsistenz innerhalb ihrer eigenen Welt herstellen. Daran gemessen, ist "Boston" ein Buch, das seine eigenen Ansprüche einlöst. Und wenn man in diesen Tagen einen Blick in Richtung Machtzentrum der USA wirft und mitverfolgt, auf welche Weise sich politische Eliten abgrenzen gegen juristische Anfechtungen und Mauern aus Vorurteilen errichten gegen vermeintliche Bedrohungen von außen – dann könnte man auf die Idee kommen, dass Upton Sinclairs "Boston" vielleicht noch immer eine recht gegenwärtige Lektüre ist.“

http://www.deutschlandfunk.de/upton-sinclar-boston-attacken-auf-das-system.700.de.html?dram:article_id=391791

 

Film und Musik

 

Ein Thema, das die Welt wie kaum ein anderes bewegt hat. Ein Thema, das wie kaum ein anderes einen der wichtigsten Konflikte der Menschheits-Geschichte zeigt. Da muss es doch einen großen Film dazu geben.

Kennt der Leser solch einen Film? Wenn ja – wie ist dieser in Erinnerung?

Der Wurm möchte Upton Sinclair in „Boston“ zitieren. Das Buch erschien 1928:

„Bart zog es vor, über Proudhons „Frieden und Krieg“ zu sprechen - das Werk, das er gerade übersetzte. Proudhon entsprach seinen Vorstellungen eines bedeutenden Mannes. Sie diskutierten über die Formel: „Besitz ist Diebstahl“, und Bart zeigte einen Brief an den „Vanguard“ Verlag, an den er das Manuskript seiner Übersetzung schicken wollte.

Des weiteren arbeitete er noch intensiver an seinem Roman „Opfer der Ereignisse“, der in Wahrheit eine kurze Erzählung war: Die Geschichte eines eingewanderten Arbeiters und seiner Erlebnisse in Amerika; doch leider erklärte sich keine Zeitschrift bereit, Derartiges zu veröffentlichen! Bart war der Meinung, wenn man eine Kopie nach Rußland schickte, könne man den Roman möglicherweise dort veröffentlichen - oder einen Spielfilm daraus machen. In Amerika waren sie selbstverständlich nur an Filmen über Reiche interessiert - oder an solchen, die den Reichtum priesen. Bart hatte in seine Geschichte eine Passage über Film eingefügt, die er allerdings nur seinen Freunden vorlas.

Ein seltsamer Umstand: In neun oder zehn Wochen sollte er unter großem, öffentlichen Aufruhr sterben. Die Mächtigen der Filmindustrie würden inzwischen eine Versammlung abhalten, um zu beschließen, daß der Name Vanzettis niemals auf der Leinwand erwähnt und alle Photos, die man während des Prozesses gemacht hatte, unverzüglich vernichtet werden sollten. Sie, die Propagandachefs des Kapitalismus, wußten, wer ihre Feinde waren. Bartolomeo Vanzetti sagte zu den Unterdrückern seines Ruhmes:

„Ich ging hinaus und machte mich in der Hoffnung ich würde dort Johnny treffen, von dem ich wußte, daß er Filme leidenschaftlich gern mochte, auf den Weg zum Theater. An diesem Abend zeigten sie das Fragment einer dieser Romanzen, die die Wahrheit verdrehen und die Realitäten verzerren, die Geschichte verfälschen, morbide Emotionen, Vorurteile, Verwirrungen und Terror herausfordern, kultivieren und beschönigen. Eines dieser romantischen Märchen, die absichtlich und gekonnt die Herzen, und - was viel schlimmer ist -, auch den Geist der Menschen verführen: Die Darsteller dieser krankhaften Melodramen gehören immer zwei verschiedenen Menschen-Typen an, von denen der eine sehr gut und der andere sehr schlecht ist. Die Guten - das sind die, die immer alles richtig machen, immer nur Gutes tun und am Ende stets als Sieger hervorgehen. Die Bösen - das sind die, die immer Schlechtes tun, niemals recht haben und schließlich den Preis dafür zahlen. Das ist das Leben im umgekehrten Sinne!

Während ich mir derartiges überlegte, erreichte ich das Filmtheater. Wie immer, war es überfüllt. Die einfachen Leute, die nur vom Gefühl beherrscht sind, wenig Verstand und noch weniger Wissen besitzen, zeigen an solchen Geschichten ein leidenschaftliches Interesse und lassen sich keine einzige Szene entgehen. Sie entwickeln für die unwirklichen Darsteller der unrealistisch Guten eine wilde und undurchdachte Zuneigung; deren Lieben und deren Haß, deren Risikos und Triumphe sie miterleben; gegen die unwirklichen Darsteller der unrealistisch Bösen bauen sie jedoch glühende Haßgefühle und Ablehnung auf. Sie verlieren den Kopf, lassen sich gehen, weinen; stöhnen, lachen, hoffen und änstigen sich und, das Kreuz ihrer Schande und Ehrlosigkeit vergessend, verlassen sie das Filmtheater noch dümmer, als sie es zuvor bereits waren.““

Tatsächlich gibt es einen Film. Aber keinen US-amerikanischen, sondern italienisch-französischen aus dem Jahre 1971. Hier im italienischen Original mit spanischen Untertiteln. Auch der, der keine der beiden Sprachen kann, wird dem Film größtenteils folgen können:

 

 

Aus „Wikipedia“: „Sacco und Vanzetti (Originaltitel: Sacco e Vanzetti) ist ein unter der Regie von Giuliano Montaldo für das Kino gedrehter italienisch-französischer Spielfilm aus dem Jahr 1971, der den Genres Polit-, Doku- und Justizdrama zugeordnet wird. In Form und Stil griff Montaldo, der auch maßgeblich am Drehbuch beteiligt war, auf Elemente des italienischen Neorealismus zurück …

Die Handlung des Films orientiert sich eng an den Prozessakten und den recherchierten historischen Ereignissen“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sacco_und_Vanzetti_(Film)

Alles gut und schön – letztendlich aber ein Film für diejenigen, die es eh schon wissen. Exakt derselbe Fehler, den es auch im Film „Der junge Karl Marx“ (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/272-ziemlich-beste-freunde.html ) zu sehen gab: es wird nicht gezeigt, worum es überhaupt geht.

Warum organisieren, warum wehren sich Arbeiter, warum werden sie vielleicht sogar gewalttätig? Wo sind die Bilder von Ausbeutung, Unterdrückung, Gewalt gegenüber Arbeitern?

Kein Film für die breiten Massen, auch nicht für diejenigen, die mit Sympathie dem Thema gegenüber stehen. Diejenigen, die den Film gesehen haben, werden ihn wahrscheinlich bald wieder vergessen haben.

Immerhin hat für diesen Film Ennio Morricone die Musik geschrieben, zu der Joan Baez gesungen hat.

“The Ballad of Sacco and Vanzetti”:

 

 

“Here's to you”:

 

 

„Wikipedia” schreibt „Das Lied entwickelte sich in den 1970er Jahren zu einer Hymne der Menschenrechtsbewegung.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Here%E2%80%99s_to_You

Dem würde der Wurm nicht zustimmen, vor allem deshalb, weil das Lied dafür viel zu fröhlich ist und die meisten Menschen es eher als „Ohrwurm“ wahrnehmen. Mensch spiele dieses Lied mal anderen Menschen vor und frage diese, was sie dabei empfinden.

Wenn Nana Mouskouri, Daliah Lavi oder Mireille Matthieu (!) dieses Lied singen, denkt das Publikum wohl kaum an einen Justiz-Mord, an Menschenrechte oder gar an Revolution.

Hier Mireille Matthieu: https://www.youtube.com/watch?v=gYzitEwkeYE

Immerhin ist Agnetha Fältskog (die später mit der Gute-Laune-Band „Abba“ Welt-Karriere machen sollte) so ehrlich, dass sie aus dem Lied jeglichen politischen Bezug raus lässt: „Geh‘ mit Gott“ https://www.youtube.com/watch?v=f4iEDbjnjMc

 

Franz-Josef Degenhardt hat die glaubwürdigste Version abgeliefert (auch, wenn mensch hinterher die Ohren weh tun):

 

 

Proteste heute

 

Was mensch auch immer davon halten mag – zu den Zeiten von Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti gab es noch eine zahlreiche Arbeiter-Bewegung, die sich für ihre Interessen eingesetzt und teilweise dafür ihr Leben gelassen hat.

Heute sehen die Arbeiter (zumindest in den westlichen Ländern) mehr oder weniger tatenlos zu, wie ihnen mehr und mehr Rechte gekürzt werden, die materielle Basis wegbricht und das Gemeinwohl verkommt. Kaum einer kennt seine eigene Geschichte (also die der Arbeiterschaft) auch nur in Ansätzen. Mensch frage nur einmal, warum der internationale Tag der Arbeit am 1. Mai gefeiert wird. Mensch frage nach denjenigen, die sich heldenhaft für sie einsetzten. Wie etwa August Spies, Joe Hill oder Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti.

In der Gegenwart sind die Schwachen der Gesellschaft verraten von ihren eigenen Parteien (siehe unter anderem http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/242-das-elend-mit-der-sozialdemokratie.html ), verraten von den eigenen Gewerkschaften (siehe unter anderem http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/280-leiharbeit.html ), verraten von so ziemlich allem, was sich als „links“ bezeichnet (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/251-zeitenwende.html ).

Wer seine eigene Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

Im Sinne von „Fortschritt“ und sozialer Errungenschaften ist heutzutage weder von Arbeitern noch „Linken“ auch nur irgend etwas zu erhoffen.

Der Wurm erwartet Positives ausschließlich aus einer einzigen Schicht. Um Upton Sinclair und sich selbst zu zitieren:

„„Jene, die die glorreiche Geschichte dieser Stadt prägten, waren niemals deren Herrscher, sondern gehörten immer der „rettenden Minderheit“ an – jener auch heute noch existenten und aktiven Minderheit“.

Also Idealisten, die an Humanität, Fairness, Recht und Gesetz glauben und sich dafür einsetzen.“

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Dada

 

Unsere kleine Polizei-Station

 

Wir befinden uns im Jahre 2017 unserer Zeitrechnung. Ganz Deutschland ist von Verbrechern besetzt … Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Hütern des Gesetzes bewohnte Polizei-Station hört nicht auf, dem Verbrechen Widerstand zu leisten.

Und so ist halt noch vieles in Ordnung in der Region. Denn für Ruhe, Ordnung und Gerechtigkeit sorgt der Polizeiposten Rüppurr.

Kleine und große Spitzbuben, mehr oder weniger Leichtgläubige, Verrückte und Alkoholisierte, mehr oder weniger wilde Tiere treiben hier ihr Unwesen. Der Polizeioberkommissar und Chronist Karl Sauter hält diese Vorkommnisse fest im Buch „Tatort Rüppurr – Karl Sauters Notizen aus dem Polizei-Alltag“ aus dem Jahr 2005, jeweils monatlich im lokalen „Rieberger Bläddle“ und „Monatsspiegel“ und im Internet:

http://www.polizei.rueppurr.de/index.php?action=berichte

http://www.polizei.rueppurr.de/index.php?action=cms&id=1

Von Zeit zu Zeit möchte der Wurm eine dieser Geschichten zitieren. Diesmal geht es um folgenden Fall:

 

Selber schuld

 

In den Abendstunden des 30.04.17 führte PK Stumpf vom Polizeiposten Rüppurr eine Spätstreife mit Fahrrädern durch, denn gerne wird die Nacht zum 1. Mai von Jugendlichen für allerlei Unfug genutzt.

Und so stand er mit seinem Streifenpartner gegen 19:30 Uhr auf der Neckarstraße unterhalb der Weiherfeldbrücke, als ihnen zwei Personen auf einem Fahrrad entgegen kamen. Früher war es ja so, dass man, wenn ein Polizist in Sicht kam, als Sozius sofort vom Fahrrad „gespritzt“ ist, aber heutzutage scheint da gar kein Unrechtsbewusstsein mehr vorhanden zu sein.

So kam natürlich was kommen musste. Die beiden Jugendlichen wurden einer Kontrolle unterzogen. Dabei wurden beim 15 Jahre alten Fahrer neben verschiedenen Spraydosen auch zwei Päckchen mit Marihuana festgestellt. Die Spraydosen, so sagte er, wären für ein Schulprojekt. Nun, diese Aussage ist mehr oder weniger glaubhaft, strafbar ist es jedenfalls nicht, Spraydosen mit sich herumzutragen. Anders verhält es sich jedenfalls mit dem Marihuana, denn für dessen Besitz hat sich der junge Mann zu verantworten.

Seine Eltern werden von unserem Jugendsachbearbeiter PHK Schweikle schriftlich über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt werden und der Jugendliche erhält später bei einem Termin auf unserer Dienststelle die Gelegenheit, sich zum Sachverhalt zu äußern. Dies erwähne ich deshalb, um andere Jugendliche daran zu erinnern, dass bei Ermittlungen der Polizei die Eltern oder Erziehungsberechtigten in jedem Fall informiert werden.

 

Das Leben geht weiter: Ob Freispruch oder Zuchthaus – und auf die Guillotin' hat unser Herr Polizeioberkommissar Karl Sauter eh niemanden geschickt.

Es ist eine liebe Zeit – trotz der Vorkommnisse, menschlich halt. Und darum kommt es immer wieder zu diesen Szenen – beim Polizeiposten Rüppurr.

 

 

 

Dadaisten hatten im Herzogs-Palast von Urbino die Möglichkeit, ihre Vorstellungen von heldenhaften Kämpfen darzustellen.