Außenminister Heiko Maas: „Es gibt auch nichts zu beschönigen. Wir alle, die Bundesregierung, die Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft, wir haben die Lage falsch eingeschätzt. Die Geschwindigkeit, mit der sich die afghanischen Sicherheitskräfte vor den Taliban zurückgezogen haben und kapituliert haben, haben weder wir noch unsere Partner, auch nicht unsere Experten so vorausgesehen.“
Mensch sehe sich die Seher-Kommentare vom heute journal vom 16.08.2021 an:
https://www.youtube.com/watch?v=WUs0FrrOwQc
„Die menschlichen und sozialen Kosten des Krieges in Afghanistan sind katastrophal. Nach offiziellen Angaben, die zweifellos stark untertrieben sind, wurden während des Krieges 164.436 Afghanen getötet, zusammen mit 2.448 US-Soldaten, 3.846 US-Militärangehörigen und 1.144 Soldaten aus anderen Nato-Ländern. Hunderttausende von Afghanen und Zehntausende von Nato-Angehörigen wurden verwundet. Die finanziellen Kosten allein für die Vereinigten Staaten werden auf 2 Billionen Dollar geschätzt, die durch Schulden finanziert werden, die weitere 6,5 Billionen Dollar allein an Zinszahlungen kosten werden.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/08/16/per1-a16.html
Die Lage in Afghanistan
Breit verwurzelt in der Bevölkerung
Rainer Rupp, Michael Lüders und andere über die breite Verwurzelung der Taliban in der Bevölkerung:
„Den Taliban scheint es gelungen zu sein, sich von der rein ethnischen Organisation aus religiös-fanatisierten, paschtunischen Gotteskriegern von vor 25 Jahren, die von saudi-arabischen Wahhabis und dem pakistanischen Geheimdienst Interservice Intelligence (ISI) unterstützt und finanziert wurden, zu einer multiethnischen, nationalen Befreiungsbewegung mit inklusivem Charakter zu wandeln. Andernfalls wäre der Machtwechsel nicht so schnell und gewaltlos möglich gewesen.
Die Tatsache, dass die schiitische Regierung in Iran, die mit den alten Taliban wegen derer vielen Massaker an der schiitischen Minderheit in Zentralafghanistan auf bitterbösem Kriegsfuß gestanden hatte, nun die neuen Taliban bereits vor dem offiziellen Machtwechsel in Kabul offiziell unterstützt hat, lässt den Schluss zu, dass sich in der neuen Taliban-Führung eine moderate und inklusive Richtung durchgesetzt hat. In die gleiche Richtung deuten auch die positiven Einschätzungen der Resultate der intensiven Gespräche, die eine hochrangige Taliban-Delegation in Russland und China geführt hat, wobei es über eine enge Zusammenarbeit beim Wiederaufbau Afghanistans unter einer Regierung der nationalen Einheit unter Führung der Taliban ging.“
https://www.youtube.com/watch?v=xqWveOoSLXM
„Aber was die Taliban den USA voraus gehabt hätten, sei die tiefe Verwurzelung in der eigenen Bevölkerung und im paschtunischen Bevölkerungsteil. Diese sei auch zum Teil auf die brutale Bombardierung durch die USA zurückzuführen.
Beim US-Einsatz in Afghanistan habe es sich von Anfang an um geopolitische Interessen gehandelt: „Aus humanitären Erwägungen findet niemals eine militärische Intervention statt“, so Lüders. Es sollte eine Neuordnung der Region erzielt werden. Schon der Angriff als Vergeltung auf Afghanistan sei sehr umstritten gewesen — die Mehrzahl der Attentäter beim Anschlag auf das World Trade Center etwa sei aus Saudi-Arabien gekommen.
Afghanistan sei lediglich das Land gewesen, in dem Terrorchef Osama bin Laden zwischenzeitlich Unterschlupf gefunden hatte. „Man wollte einen Fuß in Zentralasien haben, um damit Russland und China ein bisschen Paroli zu bieten“, vermutet Michael Lüders.
Das habe am Ende dazu geführt, so Lüders, dass dieses „Besatzungsregime“ der NATO nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Die Situation sei wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen — die USA und ihre Verbündeten, darunter Deutschland, stünden vor den Scherben ihrer eigenen Politik.“
„Es ist eine Zeitenwende für Afghanistan- und für die westliche Welt. Die radikal islamistischen Taliban haben nur kurz nach Abzug der von den USA geführten internationalen Truppen die Macht im Land übernommen und das sogenannte "Islamische Emirat Afghanistan" ausgerufen.
Bewaffnete Kämpfer kontrollieren die Straßen. Es herrschen chaotische Zustände am Flughafen, Menschen versuchen verzweifelt, das Land noch zu verlassen. Angehörige westlicher Botschaften und Organisationen sowie afghanische Helfer werden ausgeflogen. Es ist ein schmachvoller Abzug der Internationalen Gemeinschaft, die eigentlich Frieden und Demokratie in das Land bringen wollte.
Unsere Gäste bei "Auf den Punkt": Jessica Berlin (Politische Analystin), Ahmad Wali Achakzai (DW), Michael Lüders (Nahost-Experte)“
https://www.youtube.com/watch?v=-UwOEbcLfVo
Korruption bei Kollaborateuren
Bill van Auken: „Es ist überdeutlich geworden, dass die Masse der afghanischen Bevölkerung zu dem Schluss gekommen ist, dass das Afghanistan, das ihnen von der Besatzung hinterlassen wurde, nicht „ihr Land“ ist. Dazu gehören auch die Soldaten und Polizisten, die unbezahlt, ohne Essen und ohne Versorgung blieben, weil Politiker und ihre Befehlshaber ihre Gehälter und Vorräte stahlen.
Nach 20 Jahren Besatzung und trotz der Aufwendung von weit über einer Billion Dollar ist Afghanistan verarmt, unterentwickelt und von extremer sozialer Ungleichheit zerrissen. Mindestens 70 Prozent der Bevölkerung leben von einem Dollar oder weniger pro Tag, während einige hundert Familien, die mit der Regierung in Verbindung stehen, durch veruntreute Hilfsgelder und lukrative Militäraufträge unermesslich reich geworden sind. Drei Viertel der Bevölkerung leben auf dem Land und können von der Landwirtschaft, die größtenteils der Eigenversorgung dient, kaum leben. Der Hass dieser enteigneten Massen auf die Verbrechen der US-geführten Besatzung und auf die Millionäre und westlichen Marionetten in Kabul verschaffte den Taliban eine nicht versiegende Quelle junger Rekruten – ganz gleich, wie viele von ihnen vom US-Militär und seinen Verbündeten getötet wurden.
Das gestürzte Regime in Kabul wurde von korrupten Exilpolitikern geführt, die mehr als einen Pass in der Tasche tragen und von denen einige weder Paschtu noch Dari, die beiden Hauptsprachen des Landes, sprechen können. Präsident Aschraf Ghani, der mittlerweile außer Landes geflohen ist und sich Medienberichten zufolge in der usbekischen Hauptstadt Taschkent aufhält, verdankte seine Position gefälschten Wahlen, an denen nur ein Bruchteil der Bevölkerung teilnahm, sowie der Unterstützung aus Washington.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/08/16/pers-a16.html
Rainer Rupp: „Wer sind die „Schutzbedürftigen“, für deren großzügige Aufnahme und schnelle Evakuierung aus Afghanistan sich unsere Politiker und vor allem die grün-angehauchten Medien aktuell vehement einsetzen? Sind alle angeblichen „Schutzbedürftigen“ tatsächlich schutzbedürftig? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kriegsverbrecher, Gewalttäter und brutale Kinderschänder darunter befinden? …
Probleme in den Dörfern begannen erst richtig, nachdem US-Spezialeinheiten in den Jahren 2011-2012 begannen, systematisch afghanische lokale Polizeimilizen zu bilden und auszubilden, damit diese die von den Taliban eroberten Dörfer halten konnten. Mit dieser Politik aber brachten die Amerikaner in den von ihnen befreiten Dörfern skrupellose Leute in Machtpositionen, die weitaus schlimmer waren als die Taliban. Denn die Taliban hielten sich zumindest strikt an religiöses Recht, während die neuen, von den US-Soldaten installierten Beschützer der Dörfer in der Regel gesetzlose Raubtiere waren.
Dass die bewaffneten afghanischen Milizen in den Dörfern nicht nur die Kinder jagten, sondern auch Wegzölle verlangten und auf vielfältige andere Art und Weise Geld aus der lokalen Bevölkerung pressten, geht aus den Berichten vieler anderer Afghanistan-Kenner hervor. Und das Problem war nicht auf eine Region beschränkt, sondern war flächendeckend vorhanden, auch in der Provinz Kundus, im Norden, wo die Bundeswehr operierte.
Da stellt sich natürlich die Frage, warum die deutschen Soldaten in ihrem Operationsgebiet von all dem nichts gemerkt haben. Aber vielleicht waren in Kundus die lokalen Polizei- und Milizkommandeure alle vorbildliche, afghanische Gentlemen, die unter dem Einfluss der Bundeswehr am deutschen Wesen genesen sind? Oder herrschte womöglich in der Bundeswehr der Drei-Affen-Befehl: „Nichts hören! Nichts sehen! Nichts sagen!“ …
All das ging in der Provinz Kundus vor, nur die Bundeswehrsoldaten und Offiziere, die dort auch Milizen und Polizei ausgebildet haben, haben auf wundersame Weise von alledem nichts mitbekommen. Nicht mitbekommen haben die Deutschen vor Ort anscheinend auch, dass die CIA gemeinsam mit für Sondereinsätze ausgebildeten US-Soldaten nach dem Vorbild der Operation Phönix in Vietnam ein „Phönix 2.0“ für Afghanistan aufgelegt hatten.
Im Rahmen der Operation Phönix waren während des Vietnam-Krieges in Südvietnam zwischen 50.000 bis 100.000 Menschen auf unterschiedliche Weise zu Hause, auf der Straße, bei der Arbeit oder im Restaurant von CIA-geführten und ausgebildeten Todeskommandos ermordet worden. Ihr einziges „Vergehen“ war, mutmaßliche Sympathisanten von Kommunisten gewesen zu sein. Dieses Phönix-Programm, das nach dem Ende des Vietnam-Krieges von der CIA in Form von Todesschwadronen in Lateinamerika fortgeführt wurde, wurde 2017 von Mike Pompeo, damals CIA-Chef und später US-Außenminister unter Präsident Trump in Afghanistan wieder aufgelegt.
Am 22. Oktober 2017 berichtete die New York Times unter Berufung auf zwei hochrangige amerikanische Beamte über diese neue Verschärfung des Konflikts in Afghanistan:
„Die C.I.A. weitet ihre verdeckten Operationen in Afghanistan aus und entsendet kleine Teams von sehr erfahrenen Agenten und Söldnern sowie afghanischen Streitkräften, um Taliban-Kämpfer im ganzen Land zu jagen und zu töten.“
Bei den afghanischen Streitkräften handelte es sich um Kommandosoldaten, die für Mordaufträge speziell ausgebildet wurden, und deren Aufgabe es u.a. war, mit den oben erwähnten Kommandanten der lokalen Miliz- und Polizeieinheiten in den Dörfern zusammenarbeiteten. Diese sollten für die CIA-Killerkommandos angebliche „Taliban-Sympathisanten“ identifizieren. Aber nicht selten handelte es sich dabei bei den so Identifizierten um Dorfälteste oder Autoritätspersonen, die den lokalen Miliz- und Polizeikommandanten bei ihren verbrecherischen Unternehmungen ein Hindernis waren, und auf diese Weise bequem aus dem Weg geräumt werden konnten.
Man braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass auch diese, offiziell anti-Aufstand-Politik genannte US-Mordoperationen in den afghanischen Dörfern mehr Feinde als Freunde machte.
Vielleicht versteht man jetzt auch besser, warum es den Taliban gelungen ist, nach dem US-Abzug in 13 Tagen das ganze Land von dieser Pest zu befreien. Und vielleicht wäre es auch angebracht, dass in Deutschland die „Refugees Welcome“ Fraktion etwas vorsichtiger ist mit ihren weit geöffneten Armen und genauer hinschaut, wer da alles zu uns kommen will. Denn es sind gerade die Mörder, Kinderschänder und Räuber aus den afghanischen, bewaffneten Miliz-, Polizei- und Kommandoeinheiten, die von den Taliban gesucht werden und deshalb im Westen als besonders „schutzbedürftig“ gelten.
Auf Grund ihres Wissens, ihrer Verbindungen, ihrer Mobilität und ihres Auftretens waren und sind diese Verbrecher in einer viel besseren Lage als die normalen Hilfskräfte der westlichen Botschaften und Streitkräfte, um sich am Flughafen in Kabul bis zu den Flugzeugen durchzuschlagen und mit entsprechenden Ausweisen eine sorgenfreie Reise ins deutsche Sozialsystem anzutreten.“
https://apolut.net/schutzbeduerftige-kinderschaender-und-moerder-von-rainer-rupp/
Hass auf Besatzungs-Mächte
Patrick Martin: „In Wirklichkeit belegt die Verschwendung von 2 Billionen Dollar während des 20-jährigen Kriegs nur für die „dauerhafte“ Entschlossenheit der amerikanischen herrschenden Klasse, die Welt mit militärischer Gewalt zu erobern. In den letzten Tagen wurde endlos über die Korruption im afghanischen Regime berichtet – jetzt, wo es zusammengebrochen ist. Aber weit weniger wird über die noch korrupteren amerikanischen Subunternehmen und beteiligten Firmen geredet, für die der Krieg eine Bonanza war.
Offiziellen Angaben zufolge sind mehr als 100.000 Afghanen in diesem Krieg getötet worden, was zweifellos eine enorme Unterschätzung darstellt. Die USA führten diesen Krieg mit den Methoden der „Aufstandsbekämpfung“, d. h. mit Terror: Sie haben Hochzeitsgesellschaften und Krankenhäuser bombardiert, Drohnenmorde begangen und Menschen entführt und gefoltert. Zu den brutalsten Gräueltaten zählten der halbstündige Angriff von US-Flugzeugen im Jahr 2015 auf ein Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen in Kundus, bei dem 42 Menschen starben, und die Bombardierung zweier Tanklaster auf Befehl des Bundeswehroberst Georg Klein im September 2009, dem über hundert Menschen, fast alles Zivilisten, zum Opfer fielen.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/08/17/pers-a17.html
Emran Feroz in seinem Buch „Der längste Krieg – 20 Jahre War on Terror”: „Bis heute werden die meisten westlichen Truppen, die in den letzten zwanzig Jahren an der afghanischen Front gekämpft haben, als »die Guten« dargestellt. Egal ob Briten, Amerikaner oder Deutsche, sie waren allesamt am Hindukusch stationiert, um Frieden, Freiheit und Demokratie zu verbreiten. Wer dieses Narrativ hinterfragte, brach ein Tabu. Weder in den Vereinigten Staaten noch in Europa oder Australien wollte man das Handeln der eigenen Soldaten hinterfragen. Die emotionale Nähe zu den Soldaten bestand von Anfang an. Man hielt sie medial und politisch aufrecht, indem Journalisten »embedded« wurden und die Truppen vor Ort während ihrer Missionen begleiteten oder westliche Politiker mitsamt kugelsicherer Westen den Militärlagern der NATO in neokolonialer Manier einen Besuch abstatteten, um abermals einige Floskeln abzulassen und die Soldaten für den Kampf gegen die »Barbaren« einzustimmen. Die Vereinigten Staaten hielten ihre Truppen bei Laune, indem man ihnen bekannte Hollywoodschauspieler oder anderweitiges prominentes Personal zur Unterhaltung schickte. Mithilfe solcher propagandistischen Mittel wurde der westlichen Welt permanent vorgegaukelt, dass in Afghanistan alles in Ordnung sei. Man befinde sich lediglich in einem legitimen Krieg gegen eine der letzten Bastionen der Barbarei.
Im Gegensatz zum Irakkrieg entwickelte sich der Konflikt in Afghanistan zum »good war«, zum »guten Krieg«. Westliche Kriegsverbrechen, die sich hier in den letzten zwei Jahrzehnten ereigneten, wurden permanent heruntergespielt, beiseitegedrängt, ignoriert oder bewusst vertuscht. Jene, die ans Licht kamen, stellte man als »unglückliche Einzelfälle« dar. Es handelte sich bei ihnen um Ausnahmen, die nichts mit dem Rest der Soldaten zu tun hatten. Doch nach zwanzig Jahren Besatzung bröckelt der schöne Schein zunehmend. Viele Afghanen hegen keine Sympathien für die Taliban oder andere militante Bewegungen, doch für ausländische Besatzer haben sie dennoch nicht viel übrig. Ihnen ist bewusst, dass es sich bei ihnen in erster Linie um Menschen handelt, die mit Gewalt in ihr Land eingedrungen sind, um zu morden und zu foltern. Zeitgleich sahen viele westliche Soldaten die Afghanen nicht als Individuen, denen man auf gleicher Augenhöhe begegnen müsse, sondern als Freiwild, das zum Abschuss freigegeben wurde. Im Irak und in Afghanistan betrachteten sich viele westliche Truppen als Kreuzzügler des 21. Jahrhunderts, deren Aufgabe es war, Rache für die Angriffe auf die »westliche Zivilisation« zu üben. Sie jagten Afghanen und Iraker bewusst, um sie zu ermorden, und sie unterschieden nicht zwischen bewaffneten Kämpfern und Zivilisten.
Straffreiheit für NATO-Kriegsverbrecher
Trotz zahlreicher aufgedeckter Kriegsverbrechen halten die meisten westlichen Politiker weiterhin an ihren Soldaten fest. Auch dies geschah oftmals, indem man sich in Kabul oder in Bagdad als Kolonialmacht aufspielte. Ein Beispiel hierfür ist etwa ein bilaterales Sicherheitsabkommen zwischen der NATO und der afghanischen Regierung, welches 2014 abgesegnet wurde. Der damals noch amtierende afghanische Präsident Hamid Karzai verweigerte sich der Unterzeichnung. Da sich Karzai in seinem letzten Amtsjahr befand, wurde klar, dass die Unterzeichnung auf seinen Nachfolger fallen würde. In Washington, London und Berlin reagierte man empört, dass sich jener Mann, den man selbst an die Macht gebracht hatte, nun gegen das Abkommen stellte. De facto handelte es sich hierbei allerdings nicht um einen Vertrag auf Augenhöhe, sondern um einen neokolonialen Pakt, der auf das Leben der Afghanen keinen Wert legte. Unter anderem garantierte das Abkommen, das von Karzais Nachfolger Ashraf Ghani umgehend nach dessen Wahl unterzeichnet wurde, eine bestehende Straffreiheit für NATO-Soldaten in Afghanistan und machte deutlich, dass nächtliche Überfälle sowie Bombardements und Drohnenoperationen den Krieg in Afghanistan weiterhin prägen würden. Konkret bedeutet dies bis heute, dass bekannte Kriegsverbrecher keinerlei Strafen zu befürchten haben, da die afghanische Justiz nicht dazu befugt ist, sie strafrechtlich zu verfolgen. Die Bestrafung ist ausschließlich den amerikanischen Besatzern selbst sowie ihren westlichen Alliierten überlassen – und findet in den meisten Fällen gar nicht statt. Das Abkommen war sogar für den damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein Grund, um nach Kabul zu reisen und Karzai aufzusuchen. Steinmeier versuchte praktisch, Karzai zu einer Unterzeichnung des Abkommens zu drängen, und machte damit auch deutlich, dass die Straffreiheit der NATO-Soldaten nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig sei. Der Spiegel berichtete damals über Steinmeiers Besuch und schrieb von Karzais »anti-amerikanischer Hetze«.
Einige Jahre später meinte Karzai mir gegenüber, dass die Straffreiheit der Soldaten einer der Gründe gewesen sei, warum er die Unterzeichnung des Abkommens verweigert habe. Er war davon überzeugt, dass die meisten Afghanen ihn als einen »zweiten Shah Shuja« betrachten würden. Andere Institutionen wie der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, dessen Aufgabe die juristische Verfolgung von Kriegsverbrechern ist, werden von den Vereinigten Staaten nicht anerkannt, sondern verhöhnt und – wie die Trump-Ära deutlich gemacht hat – sogar bedroht und sanktioniert. Bereits 2016 hieß es in einem Bericht des Gerichtshofes, dass US-Soldaten in Afghanistan »wahrscheinlich« Kriegsverbrechen begangen hätten. Laut den Strafverfolgern existierte eine »vernünftige Basis«, um zu glauben, dass im Laufe des »War on Terror« Gefangene sowohl innerhalb Afghanistans als auch in geheimen CIA-Gefängnissen in Polen, Litauen und Rumänien zwischen 2003 und 2004 gefoltert wurden. Der Bericht hob hervor, dass sowohl physische als auch psychische Folter zum Einsatz kam, unter anderem etwa das berühmt-berüchtigte Waterboarding sowie das Schlagen und Vergewaltigen von Gefangenen. Außerdem kam der Strafgerichtshof zum Schluss, dass es sich bei den beschriebenen Fällen keineswegs um »Einzelfälle« gehandelt habe. Vielmehr wurden die Folterpraktiken gezielt und systematisch angewendet. Die Befehle kamen von höchster Führungsebene.
Doch die Vereinigten Staaten verweigern nicht nur die Kooperation bei der Aufklärung, sie blockieren die Strafverfolgung sogar: Der sogenannte American Service-Members Protection Act, ein im Jahr 2002 erlassenes US-Gesetz, sorgt dafür, dass die Mitglieder der amerikanischen Regierung sowie des Militärs vor einer Strafverfolgung Den Haags geschützt werden. US-Bürger und Alliierte sollten notfalls auch mit Gewalt vor dem Zugriff des Internationalen Gerichtshofs geschützt werden. Seitens der Obama-Administration hieß es damals, dass eine Untersuchung weder angemessen noch berechtigt sei. Dennoch respektiere man selbstverständlich internationales Recht.
Der Ton wurde rauer, als Donald Trump in Washington an die Macht kam. Im September 2018 meinte Trumps damaliger Sicherheitsberater John Bolton, dass der Internationale Strafgerichtshof »bereits tot« sei. Er wetterte gegen die Mitarbeiter des Gerichts und drohte ihnen mit heftigen Sanktionen und einer Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten. Im März 2020 genehmigten die obersten Richter in Den Haag eine Untersuchung von mutmaßlichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Afghanistan. Nach der Ankündigung griff Trumps Außenminister Mike Pompeo die Entscheidung prompt an und bezeichnete sie als »rücksichtslos«. Er kündigte an, dass seine Regierung entsprechende Schritte einleiten werde, um zu verhindern, dass amerikanische Bürger vor Gericht gestellt werden können. Im März 2020 setzte die Trump-Administration wirtschaftliche Sanktionen sowie Einreiseverbote gegen mehrere führende Vertreter des Internationalen Strafgerichtshof durch. Anfang April 2021 wurden diese Schritte von Trumps Nachfolger Joe Biden rückgängig gemacht. Allerdings machte auch die Biden-Administration deutlich, dass sich an der grundlegenden Haltung Washingtons gegenüber Den Haag nichts geändert habe. »Bezüglich der Situation in Afghanistan und Palästina stimmen wir mit dem Internationalen Gerichtshof weiterhin eindringlich nicht überein«, hieß es seitens US-Außenminister Anthony Blinken. Einige Wochen zuvor hatte der Gerichtshof angekündigt, etwaige Menschenrechtsverbrechen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung zu untersuchen. Auch Israel, einer der wichtigsten Verbündeten der USA, erkennt Den Haag nicht an.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=75438
Einigung im Vorfeld
Sarajuddin Rasuly: „Als Afghanistankenner und Politologe war mir bekannt, dass die Taliban kommen werden. Es geht bei den Taliban nicht um Al-Qaida, sondern hier zunächst um die Interessen einer Stammesgesellschaft. Einer Gesellschaft, die in 45 Jahren Kriegsgeschichte ihre Vormachtstellung verloren hat.
Die Taliban sind großteils aus Afghanistan. Auch die Anführer sind Paschtunen. Sie werden vom pakistanischen Geheimdienst geleitet, die ebenfalls Paschtun sprechen.
Im Süden und Südwesten Afghanistans wird Opium angebaut. Damit können sich die Taliban sehr gut finanzieren. Aber diese Finanzierung ist nicht wichtig, nicht erheblich. Wichtig war die Finanzierung der Maschinerie der Taliban durch die Pakistani.
Man darf nicht vergessen: Pakistan gilt immer noch als Verbündeter der Amerikaner. Oder präziser: Ein Verbündeter der westlichen Interessen, der Amerikaner und der Engländer. Gleichzeitig haben die Pakistani als regionale Macht, als Atommacht in der Region ihre ureigenen Interessen.
Pakistan ist für die Amerikaner wichtiger als Afghanistan. Von daher muss der Westen pakistanische Interessen sehr ernst nehmen. Und zu den wichtigen Interessen Pakistans gehört es, Afghanistan unter seine „Fuchtel“ zu bekommen, wie man hier in Österreich sagen würde.
Afghanistan soll keine gegen Pakistan gerichtete Politik betreiben. Es darf hier aus Sicht der Pakistani keine Zusammenarbeit mit Indien oder mit anderen Mächten geben, die gegen Pakistan gerichtet sind. Als Atommacht wollen die Pakistani sich ausweiten. Und sie können hier nur über Afghanistan ihren Einfluss erweitern, nicht etwa über China oder Indien. Das ist der Raum, den Pakistan gebraucht hat. Afghanistan ist ein geopolitisch sehr wichtiges Land. Im früheren Ost-West-Konflikt wurde deshalb immer über Afghanistan gestritten.
Zur aktuellen Lage in Kabul und Afghanistan: Es gab keine viele hunderttausend reguläre Soldaten in der afghanischen Armee, wie in den letzten Tagen vielfach behauptet wurde – nicht einmal 50.000. Der Rest waren alles Verwandte der ehemaligen Kommandanten, der Minister, des Präsidenten, ihre Chauffeure, ihre Bodyguards und ihre Angestellten im Allgemeinen.
Alle waren registriert als Soldaten. Das gesamte Budget für die Armee wurde von den Kommandanten, Ministern und Präsidenten verbraucht. Das ist ein gigantischer Korruptionsfall im Sicherheitsapparat im Namen der Sicherheit. Das betrifft Armee, Staatssicherheitsdienst, paramilitärische Gruppen und Polizei. Da gibt es auch welche, die haben Tausende unter Waffen, die waren alle registriert in der Armee als Armeeteil. Aber sie standen gar nicht im Dienste des Staates. Die Amerikaner und diejenigen, die die Armee usw. ausbilden, haben das natürlich alles gewusst.
Dass der Westen jetzt die Helfer mitnehmen will, basiert auf einer Erfahrung aus der jüngeren Vergangenheit. Als die Deutschen und die Amerikaner zuletzt abgerückt sind, haben die zurückgebliebenen Helfer Probleme gehabt. Als die Taliban ab 2007 etwa wieder aktiv geworden sind, haben sie Leute angegriffen, die für die Amerikaner oder beispielsweise die Deutschen gearbeitet haben.
Da gab es aber einen Unterschied zwischen Leuten, die wirklich für die Amerikaner gearbeitet haben als Dolmetscher oder Bürodienst oder gar Agententätigkeit, und einem einfachen Koch. Das ist ein Unterschied. Heute nun sind die Amerikaner und die Verbündeten der Meinung, alle, die mit ihnen zu tun hatten, würden von den Taliban verfolgt werden. Die heutigen Taliban erklärten offiziell allerdings ständig, es gäbe eine Amnestie für alle.
Die Flüchtlingsströme haben übrigens mit den Taliban weniger zu tun. Der Flüchtlingsstrom hat zwei Gesichter. Das eine ist die tatsächliche Gefahr für die Menschen, die dann das Land verlassen. Oder, dass sie fürchten, selbst wenn es nicht begründet ist, dass sie verfolgt werden würden.
Zum anderen aber sind fünfzig Prozent der Flüchtlinge jene, die einfach die Situation nutzen, in ein Land zu kommen, wo sie für immer in Sicherheit sind, sich wirtschaftlich verbessern können und ihre Kinder Bildung bekommen, also Zukunft haben.
Es sind seit dem letzten Krieg schon Millionen von Afghanen nach Pakistan und in den Iran gekommen. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen alle nach Europa kommen. Dass drei Millionen Afghanen aus Afghanistan kommen sollen, wie es in den Medien neuerdings heißt, das ist Quatsch. Aber es kommt darauf an: Wenn der Iran und Türkei mit der EU im Clinch liegen würden, dann werden die ihre Tore womöglich weit aufmachen.
Griechenland und Türkei sind traditionell Erzfeinde. Es kann heute keine Fliege über das Meer fliegen, ohne dass die Türkei davon weiß. Da kann die Türkei in kürzester Zeit tausende Boote freigeben. Sie machen es dann einfach. Die Taliban wären dann gar nicht der Auslöser. Es geht um die Afghanen und andere, die sich schon längst in der Türkei und im Iran aufhalten. Wenn welche in großer Zahl nach Europa kämen, dann zuerst von hier.
Ich bin für die Zukunft in Afghanistan dennoch zuversichtlich. Die Taliban sind nach Verhandlungen mit den Amerikanern nach Afghanistan zurückgekehrt. Sie haben den Amerikanern das Versprechen abgegeben, dass kein Terror von Afghanistan in die Welt geht oder etwa die amerikanischen Interessen gefährdet werden in der Gegend.
Die Panik geht hier zunächst einmal von der einfachen Bevölkerung aus, die Soldaten oder als Offizielle tätig waren. Das speist sich aus der Erfahrung der letzten Jahre, wo viele vor ihren Augen in die Luft gejagt worden sind. Heute aber kommen die Taliban nach einer bestimmten ausgehandelten Abmachung nach Afghanistan zurück.
Ich bin der Meinung, dass sich diese panische Stimmung wieder beruhigen wird. Denn diese Taliban, die hier wiedergekommen sind, kamen nach einer Abmachung zwischen Pakistan und den USA. Das wurde in Doha/Katar mit den Taliban alles abgehandelt über eineinhalb Jahre hinweg. Die Taliban saßen die ganze Zeit mit am Tisch, mit nur kurzen Unterbrechungen, als Präsident Trump einmal nicht mehr verhandeln wollte nach neuerlichen Anschlägen auf Amerikaner. Aber die Idee der Verhandlungen mit den Taliban war eine Idee von Trump.
Ich telefoniere im Moment jeden Tag mit Leuten in Afghanistan, die zu Hause sitzen und warten. Man hört von ihnen keine panischen Reaktionen oder Angst. Sie sagen: Unter unseren Fenstern gehen Taliban mit langen Haaren und langen Bärten usw. entlang, die laufen da herum. Ich habe Mitglieder meiner Familie gefragt, warum sie nicht zu den Botschaften gehen und fragen, ob sie mitgenommen werden – aber die haben daraufhin gar keine Reaktion gezeigt.
Aber vieles ist heute auch noch nicht geklärt – auch wenn es so ausschaut im Moment, aber der Westen wird Afghanistan nicht so einfach verlassen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas wird seine Konsularabteilung dort behalten. Es ist also nicht so, dass es die Deutsche Botschaft dann einfach nicht mehr gibt. Das war zwar früher schon mal so, dass das Personal für eine Weile vorsichtshalber ins Ausland gebracht wurde. Aber dann kamen sie immer wieder zurück.
Ich habe immer empfohlen, soweit es geht: Macht die Botschaften auf, damit ihr eine Beobachtungsrolle bekommt, was die Taliban dort machen. Wenn ihr das nicht macht, dann werden die Taliban schon zum Trotz und erst recht sehr viel Unsinn machen.
Was in den letzten Tagen passiert ist, habe ich in der Intensität auch nicht erwartet. Dass die Taliban kommen, daran bestand aber kein Zweifel. Aber dass sie in ein paar Tagen ganz Afghanistan in eindrucksvoller Weise einnehmen, das war nicht vorauszusehen.
Die Taliban sind zuerst in Nordafghanistan einmarschiert, in den Provinzen. Dort haben nordafghanische Kommandanten Widerstand geleistet, weil sie der afghanischen Armee vertraut haben, dass sie Unterstützung bekommen werden und Ausrüstungen. Aber im Gegenteil: Der afghanische Präsident Ashraf Ghani hat, als die Taliban dort einmarschiert sind, den Befehl gegeben, dass sich seine Armee zurückziehen soll.
Und als im Norden wieder ein Widerstand formiert werden sollte, hat der General des afghanischen Armeecorps zugesichert, dass es eine Zusammenarbeit geben wird. Die haben zusammengearbeitet bei der Planung. Aber am Abend um 21 Uhr hat er den Befehl von Ashraf Ghani bekommen, diese Gegenwehr nicht zu unterstützen.
Diese wirklich „komische“ Rolle von Ashraf Ghani ist interessant für die Analyse, warum der Präsident seine Armee nicht mehr in den Dienst des Widerstands stellte und einem seiner Militärs nach dem anderen befohlen hat, sich zurückzuziehen.
Meine Erklärung dafür: Die Amerikaner könnten gesagt haben, dass in Doha beschlossen wurde, dass die Taliban kommen, dass der Widerstand also nicht stattfinden darf.
Der Vertreter von Trump in Doha wurde von Biden übernommen. Der afghanischstämmige Amerikaner war zuvor schon Botschafter in Afghanistan, im Irak, war UN-Botschafter und hat auch schon im Pentagon gearbeitet. Dieser Mann hat sogar mit Ashraf Ghani gemeinsam studiert. Das ist eine Elite, die von den Amerikanern in Beirut erzogen worden ist.
Angela Merkel – wer auch immer – sie lügen alle. Die Vertreter waren alle in Doha, die Amerikaner, Russen, Chinesen, Deutsche, Saudi-Araber, Pakistani, Iraner und Türken. Sie wussten um den Vormarsch der Taliban, es war verabredet. Alle Großmächte und regionalen Mächte waren dort. Sie haben das alle gemeinsam entschieden. Anschließend erklären sie alle, einschließlich der Amerikaner, sie hätten damit nichts zu tun, dass die Taliban nach Afghanistan gegangen sind. Aber sie haben dort mit der Führung der Taliban verhandelt.
Das die Taliban in dieser Art und Weise, in dieser rasanten Geschwindigkeit nach Afghanistan gekommen sind ohne Blutvergießen – das ist eine gemeinsame Entscheidung der Weltpolitik. Eine Verabredung. Ein Deal.
Die Amerikaner werden ihren Einfluss in Afghanistan auch nicht aufgeben. In den letzten Jahrzehnten haben die Amerikaner viele Afghanen „produziert“, die pro-amerikanisch sind. Sogar solche, die bei den Taliban involviert sind. Die Taliban vertreten hier im Prinzip zwei Interessen, die der Pakistani und die ihrer paschtunischen Stämme – und das machen sie im Namen des Islam.
Die USA wollten damals den Schah von Persien stürzen, der ist ihnen über den Kopf gewachsen. Viel hat man überlegt, die beste Idee fand man dann, ihn über den Islam zu stürzen – also hat man Khomeini gebracht. Über die Religion kann man ein Regime am besten stürzen, aber auch am besten führen.
Der Talibansprecher Suhail Shaheen hat jetzt Mädchen und Frauen Schulen und Universitäten zugesagt. Sogar in der Regierung sollen sie sitzen und eine Rolle spielen. Aber eben mit Hijab, mit dem Kopftuch usw.
Wir müssen jetzt abwarten. Man kann so eine islamische Bewegung nicht für ewig verdammen. Es kann sein, dass diese islamische Bewegung mit der Zeit reformiert werden kann. Nicht vergessen: Die heutigen Taliban sind ein Kompromiss der internationalen Gemeinschaft, wie es in Doha beschlossen wurde.
Der Westen wird jetzt aus propagandistischen Gründen tausende Leute mitnehmen aus Afghanistan. Warum? Nur, damit sie ihr Image in diesen Ländern nicht verlieren. Es soll klar sein, dass der Westen seine Helfer nicht im Stich lässt. Diesen Eindruck will man nicht hinterlassen.
Und was die möglicherweise vielen hunderttausend Migranten angeht, da kommt es darauf an, wie die EU beispielsweise mit dem Iran und der Türkei zusammenarbeitet. Hier kommt insbesondere der Türkei eine große Bedeutung zu. Die Türken könnten den Zuzug weiterer Afghanen in die EU verhindern und sie haben in den letzten Jahren schon einhunderttausend Afghanen wieder zurückgeschickt.“
https://reitschuster.de/post/die-machtuebernahme-der-taliban-haben-die-usa-eingefaedelt/
Es ging gar nicht um Afghanistan
Patrick Martin: „Am Montagnachmittag hat US-Präsident Joe Biden in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache auf den Zusammenbruch der Marionettenregierung der USA in Afghanistan reagiert.
Die Rede brachte das Ausmaß und die historischen Auswirkungen der Katastrophe zum Ausdruck, die der amerikanische Imperialismus in Afghanistan erlitten hat und die in vielerlei Hinsicht sogar die Niederlage in Vietnam übertrifft. Das war vielleicht die düsterste Rede eines amerikanischen Präsidenten seit einem halben Jahrhundert.
Biden räumte ein, dass der amerikanische Krieg in eine Sackgasse geraten sei. Er wies darauf hin, dass vier US-Präsidenten diesen Krieg bisher geführt hätten, und erklärte, dass er sich weigere, ihn an einen fünften weiterzureichen. Er fragte, wie viele Amerikaner er denn noch zum Sterben nach Afghanistan schicken solle, und zeigte damit, dass er sich sehr wohl bewusst ist, wie unpopulär dieser Krieg ist.
Im Laufe der Rede gab Biden tatsächlich zu, dass der Vorwand, unter denen die Vereinigten Staaten in Afghanistan einmarschierten, eine Lüge war. Trotz der Behauptungen der Bush-Regierung und aller Medien, dass die US-Invasion und Besatzung in erster Linie die Demokratie und das Wohlergehen der afghanischen Bevölkerung im Auge hätten, machte Biden klar, dass dies alles den Vereinigten Staaten völlig egal ist.
„‚Nation-building‘ [das Land als Nation aufzubauen] war nie das Ziel unserer Mission in Afghanistan“, sagte Biden. „Es sollte nie darum gehen, eine einheitliche zentralisierte Demokratie zu schaffen. Unser einziges vitales nationales Interesse in Afghanistan ist auch heute noch das, was es schon immer war: die Abwehr eines terroristischen Angriffs auf die amerikanische Heimat.“
Mit anderen Worten: George W. Bushs Behauptung bei der Invasion Afghanistans, er wolle „ein Volk vor dem Hungertod retten und ein Land von brutaler Unterdrückung befreien“, war eine glatte Lüge.
Wenn jemand Schuld am US-Debakel in Afghanistan habe, fuhr Biden fort, dann sei es das afghanische Volk, das dem US-Militär undankbar sei – nachdem dieses seine Einwohner zwanzig Jahre lang mordete, folterte und bombardierte …
Die bürgerliche Presse hat auf Bidens Rede mit kaum verhohlener Feindschaft reagiert. Die Medienexperten sind besorgt, weil er Wahrheiten, die die Medien selbst lange verheimlicht hatten, unverblümt ausgesprochen hat. Sie haben die Intervention in Afghanistan immer als Mission zur Bekämpfung des Terrorismus, zum Aufbau der Demokratie und zum Schutz der Frauenrechte dargestellt.
Über Frauen, die in Afghanistan, im Irak, in Libyen, in Syrien, im Jemen oder in Somalia von amerikanischen Bomben und Drohnen zerfetzt werden, soll natürlich kein Wort verloren werden. Desgleichen über die brutale Behandlung, die sie bei amerikanischen Verbündeten wie Saudi-Arabien oder den Golfstaaten erfahren.
Was das große Geschrei seit Tagen über das Schicksal der afghanischen Dolmetscher, Botschaftsangestellten und Besatzungs-Kollaborateure betrifft, und über alle, die vor dem Vormarsch der Taliban fliehen, so muss die Frage erlaubt sein: Was ist mit den Zehntausenden, die das afghanische Marionettenregime inhaftiert hatte und die von der CIA oder ihren Handlangern gefoltert wurden? Zum raschen Vormarsch der Taliban trug in den letzten Wochen auch die Öffnung der Kerker in allen Provinzhauptstädten bei. Allein auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram wurden 5.000 Gefangene befreit; weitere 5.000 Gefangene waren es im zentralen Kabuler Gefängnis Pul-e-Charkhi.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/08/17/pers-a17.html
Westliche Hybris
Vera Sandström: „Der widerstandslose Fall Kabuls und Afghanistans an die Taliban ist für westliche Politiker und Ideologen ein schwerer Schock. Es ist eine Art „Blitzsieg“ ganz ohne Krieg für die Taliban. Ganz offensichtlich wollen die Afghanen keinen Krieg mehr (und keine Korruption und Fremdherrschaft) und erwarten von den Taliban eine Befriedung. Und vielleicht haben die Taliban, wie sie behaupten, aus ihren Fehlern Ende der 1990er Jahre gelernt und sind tatsächlich ein bisschen weltlicher geworden, so dass Musik, Sport und Schulbildung für Mädchen für sie keine Tabus mehr sind. Man wird sehen. Für deutsche Soldaten und deren Angehörige, die ihr Leben in Afghanistan riskiert und manche auch verloren haben, ist die Entwicklung der letzten Tage in Afghanistan kaum auszuhalten, weil sie die Sinnlosigkeit des Einsatzes und die Dummheit der politischen Entscheidungsträger dermaßen vor Augen führen, dass man sie nicht mehr davor verschließen kann. Es war im Sinne der „humanitären Mission“ einfach alles umsonst, und es hat ganze 20(!) Jahre gedauert, diese bittere banale Wahrheit in ihrer Unvermeidbarkeit zu erkennen.
Und überhaupt diese Hybris westlicher Politiker nach dem Zerfall des Ostblocks! Für dieselben Leute, die in den 1980er Jahren voller Pessimismus auf Demos das unvermeidbare atomare Ende der Welt beklagten und sich bestenfalls den ewigen Kalten Krieg einer bipolaren Welt vorstellen konnten, schien plötzlich alles möglich: „Wir“ können die Welt nun so gestalten, wie „wir“ es für richtig halten. Natürlich nur zum Guten! Vordergründig machen „wir“ das aus humanitären Gründen und zur eigenen Gefahrenabwehr (Terrorismus!), aber diese Wilden müssen doch trotz ihrer Rückständigkeit erkennen, dass es nur das Beste für sie ist, was „wir“ mit ihnen vorhaben. Denn „wir“ sind die Guten, per unserer eigenen Definition. Parallelen zur rassistisch motivierten Missionierung und Kolonialisierung entlegener Regionen vergangener Jahrhunderte sind unschwer zu erkennen – mit dem Unterschied, dass westliche politische Eliten inzwischen jeden Realitätssinn verloren haben und davon ausgehen, dass man hier kurz und schmerzlos Erfolg haben kann ohne viel Aufwand oder gar Widerstand. Wer universelle Werte vertritt, braucht ja nicht zu relativieren!
Das „wir“ ist deshalb in Anführungszeichen, weil diese „Weltverbesserung durch Krieg“ immer ein Elitenprojekt war, niemals mehrheitsfähig. CSU-Urgestein Gauweiler hatte vor Jahren ohne Zweifel Recht, als er darauf hinwies, dass eine etablierte Partei, die für das Ende der Auslandseinsätze wäre, für eine Kooperation statt Konfrontation mit Russland und für die konsequente Einhaltung des Euro-Stabilitätspaktes und der Ausländergesetze, leicht auf 50% Zustimmung käme – wo doch unsere Parteienlandschaft angeblich so zersplittert sei.
Was also haben wir nur 30 Jahre nach dem Zerfall des Warschauer Paktes statt eines Triumphzugs westlicher Werte bekommen? Nein, es findet in Kabul kein bunter CSD statt. Dafür sind überall, wo man sich eingemischt hat, am Ende völlig kaputte „Staaten“ entstanden, angefangen mit dem Kosovo, über den Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan, bald auch Mali. Failed States, die in der Bevölkerung Hoffnungslosigkeit, kriminelle Strukturen, Flüchtlingsströme und nicht zuletzt Terrorismus produzieren, den man doch vorgab zu bekämpfen. Islamistischer Terrorismus ist inzwischen in Westeuropa so real angekommen und „normal“ geworden, dass man seitens Politik und Medien beschlossen hat, Meldungen darüber zu verharmlosen, zu zensieren und zu verstecken – was wiederum die Werte des Westens von innen noch mehr zersetzt und aushöhlt als der Terrorismus. Denn, ohne dass dies laut ausgesprochen wird, ist jedem denkenden Menschen klar, dass diese Vervielfachung des Terrorismus im Westen eine Reaktion auf unsere Einmischungsversuche in Angelegenheiten sind, die nicht unsere Angelegenheiten sind. Dass also unsere politischen Eliten diesen Mist zu verantworten haben.
Ich gebe zu, ich bin wütend auf diese politischen Idioten und Analphabeten, die die Möglichkeit einer echten Weltverbesserung nach dem Ende des Ostblocks so vermasselt haben. In nur 30 Jahren! Die früher nüchterne und defensive Haltung des Westens, ausgehend davon, dass Zusammenhänge grundsätzlich kompliziert und nicht vorschnell oder gar emotional zu bewerten sind, ist einer „wir haben das Recht und den Auftrag, die Welt zu einem besseren Ort zu machen und wir bewerten nach unseren, da universellen, Normen, was richtig ist“-Ideologie gewichen. Die frühere Erkenntnis einer möglichen gegenseitigen Vernichtung, bei dem jeder einen Teil der Wahrheit für sich beanspruchen könnte ist im heutigen politischen Westen einer Illusion der Unverwundbarkeit gewichen, bei der wir Fehlverhalten anderer nach eigenen Maßstäben bestrafen können, uns selbst aber niemand etwas kann und schon gar nicht darf. Und wenn es dann anders kommt, dann „hätte man das zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht wissen können“.
Das psychologische Hauptproblem dahinter ist ein merkwürdiger absoluter Kontrollanspruch, der typisch geworden ist für westliche Eliten (Politik und Medien). Dabei ist dies eine anmaßende Illusion von Kontrolle, durchaus typisch für eine eurozentristische, „weiße“ Sicht auf die Welt, die „wir“ ja angeblich abgelegt haben. Und an dieser Kontrollillusion können westliche Gesellschaften nur scheitern.
Beispiele für unseriösen Kontrollanspruch und die Schlussfolgerungen daraus:
– Was in fremden Ländern passiert, können wir entscheidend beeinflussen. Und da wir können, sollten wir bereit sein, alles moralisch Gebotene dafür zu tun.
– Die Ausbreitung eines Virus können wir entscheidend beeinflussen. Und da wir können, sollten wir alles moralisch Gebotene dafür tun. Wir sollten es am besten ausrotten, damit wir wieder so unbeschwert leben können wie früher.
– Die Veränderung des Klimas können wir entscheidend beeinflussen. Und da wir können, sollten wir alles moralisch Gebotene dafür tun.
Würden die jeweiligen Prämissen stimmen, wir also wirklich entscheidenden Einfluss auf die jeweiligen Entwicklungen haben, könnte man gesellschaftlich darüber diskutieren und demokratisch entscheiden, ob und mit welchem Aufwand wir Einfluss nehmen. Aber ich denke nicht, dass wir diesen entscheidenden Einfluss überhaupt haben, auch weil wir die komplizierten Zusammenhänge der jeweiligen Entwicklungen nicht ausreichend verstehen können (und wollen). Vielmehr werden schwierige Zusammenhänge banalisiert und die Themen von den Eliten und Entscheidungsträgern für ihre eigenen Interessen gekapert. Und diese eigenen Interessen sind dieselben wie immer, seit es Menschen gibt: Macht, Einfluss, Geld, Status.
In diesem Zusammenhang habe ich die kleine Hoffnung, dass der Sieg der Taliban die allgemeine Inkompetenz und Planlosigkeit von Politik und Medien abseits von Macht, Einfluss, Geld, Status sichtbarer macht (ähnlich wie in der Sowjetunion 1989) und zukünftig für etwas mehr Vernunft westlicher Politik im Umgang mit den Problemen dieser Welt sorgt. Diese Hoffnung ist zwar nur sehr gering, aber dann wäre der 20-jährige Krieg in Afghanistan nicht ganz umsonst gewesen.“
https://reitschuster.de/post/was-der-erfolg-der-taliban-mit-der-corona-politik-gemeinsam-hat/
Talibanistische Elite in Deutschland
Dokumentierte Ratlosigkeit bereits im Jahr 2008: Hubert Seipels Dokumentation „Leben und Sterben für Kabul“:
https://www.youtube.com/watch?v=bYWtaEkBxJg
https://www.youtube.com/watch?v=Xz8cXji_09E
https://www.youtube.com/watch?v=kB45y_aYn1M
https://www.youtube.com/watch?v=2OCrKq0mVJE
https://www.youtube.com/watch?v=3ulo5gMIDmE
Der eigenen Propaganda zum Opfer gefallen
Peter Schwarz: „Mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sind nicht nur das Marionettenregime von Präsident Aschraf Ghani und die afghanische Armee wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, sondern auch das Lügengebäude, auf dem der längste, umfassendste und teuerste Kriegseinsatz der Bundeswehr beruhte.
Zwanzig Jahre lang haben Regierung, Opposition und servile Medien der Öffentlichkeit weisgemacht, die Bundeswehr sei in Afghanistan, um Brunnen zu bohren, Mädchen den Schulbesuch zu ermöglichen und Staatenbildung zu betreiben. Nichts davon war wahr. Der Afghanistankrieg war von Anfang an ein schmutziger Kolonialkrieg mit allem, was dazu gehört: Massaker, Folter, Kriminalität und Korruption.
Bagram war nicht nur die größte amerikanische Luftwaffenbasis im Land, sondern auch ein Gefängnis und Folterzentrum, in dem politische Gefangene aus der ganzen Welt verhört und nach Guantanamo überstellt wurden. Allein in zwei Gefängnissen Kabuls saßen an die 10.000 politische Häftlinge, die die Taliban bei ihrem Einmarsch freiließen.
Fast 165.000 Afghanen wurden nach offiziellen Angaben im Verlauf des Kriegs getötet. Die tatsächliche Zahl dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Tausende Zivilisten starben unter dem Bombenhagel amerikanischer Kampfflugzeuge. Das größte derartige Massaker, dem über 130 Zivilisten und zahlreiche Kinder zum Opfer fielen, ordnete am 4. September 2009 ein Offizier der Bundeswehr, Oberst Georg Klein, bei Kundus an.
Bereits bevor die Bundeswehr in den Norden des Landes einrückte, hatte dort der Verbündete der Westmächte, Abdul Raschid Dostum, 3.000 bis 8.000 gefangene Taliban ermorden lassen. Sie wurden wie Sardinen in Container gepresst, wo sie qualvoll an Sauerstoffmangel, Überhitzung und Durst starben. Wer überlebte, wurde erschossen.
Die Regierungen von Hamid Karzai und Aschraf Ghani, die von den Westmächten installiert, gestützt und mit Milliardensummen finanziert wurden, waren wie ähnliche imperialistische Marionettenregime in Afrika, Lateinamerika und Asien brutal, rücksichtslos und korrupt bis auf die Knochen.
Die Afghanistan Papers – interne Dokumente der US-Regierung, die 2019 bekannt wurden – schätzen, dass 40 Prozent der US-Hilfen von über einer Billion Dollar in die Taschen korrupter Beamter, Offiziere, Warlords und Krimineller flossen. Präsident Ghani hatte laut dem afghanischen Botschafter in Tadschikistan, Mohammad Zahir Aghbar, 169 Millionen Dollar in bar dabei, als er letzte Woche aus dem Land floh.
Das ist der Grund für den jähen Kollaps der afghanischen Regierung und Armee beim Abzug der imperialistischen Truppen. Das angeblich demokratische Regime von Ghani hatte außerhalb der schmalen Mittel- und Oberschicht Kabuls nicht die geringste soziale Unterstützung. Für die überwiegende Mehrheit der afghanischen Bevölkerung bedeuteten sein Regime und die imperialistische Besatzung die Hölle.
Wenn Außenminister Heiko Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel nun einhellig erklären, „wir haben die Lage falsch eingeschätzt“, kann dies nur bedeuten, dass sie der eigenen Propaganda zum Opfer gefallen sind und jeden Bezug zur sozialen Realität verloren haben. Denn am wirklichen Ziel des Kriegs bestand auch in Berlin nie der geringste Zweifel.
Als die USA die Terroranschläge vom 11. September 2001 als Vorwand nutzten, um Afghanistan anzugreifen und das Talibanregime zu stürzen, setzten sie lange vorbereitete Pläne in die Tat um. In Wirklichkeit ging es ihnen darum, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Region von außerordentlicher geostrategischer und energiepolitischer Bedeutung zu beherrschen.
„Indem die USA Afghanistan angreifen, dort ein Marionettenregime installieren und umfangreiche Truppen in die Region verlegen, wollen sie neue politische Verhältnisse schaffen, in deren Rahmen sie ihre Hegemonie ausüben können,“ schrieb die WSWS drei Tage nach Kriegsbeginn in der Erklärung „Weshalb wir gegen den Krieg in Afghanistan sind“.
Der deutsche Imperialismus konnte und wollte da nicht abseitsstehen. Seit der Wiedervereinigung im Jahr 1991 hatten in den führenden politischen und militärischen Kreisen intensive Diskussionen darüber stattgefunden, wie Deutschland wieder eine weltpolitische und militärische Rolle spielen könne, die seinen wirtschaftlichen Interessen entspreche. 1999 hatten die SPD und die Grünen die Bundeswehr in den ersten Kampfeinsatz gegen Jugoslawien geschickt. Nun bot sich die Gelegenheit, in einer der wichtigsten geostrategischen Regionen Fuß zu fassen.
Am 11. Oktober 2001, vier Tage nach Beginn der amerikanischen Kriegshandlungen in Afghanistan, kündigte Kanzler Schröder (SPD) vor dem Bundestag eine grundlegende Neuorientierung der deutschen Außenpolitik an. Die Etappe, in der sich Deutschland nur durch „sekundäre Hilfsleistungen“ an „internationalen Bemühungen zur Sicherung von Freiheit, Gerechtigkeit und Stabilität“ beteiligt habe, sei „unwiederbringlich vorbei“, erklärte er. „Gerade wir Deutschen ... haben nun auch eine Verpflichtung, unserer neuen Verantwortung umfassend gerecht zu werden. Das schließt – und das sage ich ganz unmissverständlich – auch die Beteiligung an militärischen Operationen ausdrücklich ein.“
Einen Monat später beschloss der Bundestag mit überwältigender Mehrheit die Bereitstellung von 3.900 Bundeswehrsoldaten für den Kampf „gegen den internationalen Terrorismus“. Neben den Regierungsparteien SPD und Grüne stimmte auch die damalige Opposition unter Führung von Angela Merkel für den Afghanistaneinsatz.
Neben dem außenpolitischen erfüllte dieser auch einen innenpolitischen Zweck. Deutsche Soldaten sollten sich nach Jahrzehnten der kriegerischen Abstinenz wieder daran gewöhnen, zu töten und zu sterben. Und die Masse der Bevölkerung sollte ihren tief verwurzelten Antimilitarismus überwinden und sich für Kriegseinsätze begeistern.
Seither haben über 150.000 deutsche Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan ihre Feuertaufe erhalten. 59 von ihnen sind gestorben, Tausende wurden verletzt und traumatisiert. Gleichzeitig wurde der Kriegseinsatz zur Brutstätte rechtsextremer Tendenzen. Vor allem im Kommando Spezialkräfte (KSK), das im Geheimen die Drecksarbeit erledigte, nahm dies derart überhand, dass sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer schließlich gezwungen sah, eine von vier Kompanien aufzulösen.
Das Debakel in Afghanistan ist ein schwerer Schlag für den deutschen Militarismus. „Die Bereitschaft der ohnehin pazifistisch veranlagten Deutschen, zur Durchsetzung sicherheitspolitischer Interessen auch militärisch robuste Mittel zu wählen, wird angesichts der Bilder der vergangenen Tage noch weiter abnehmen,“ klagt die rechtslastige Deutschlandausgabe der Neuen Zürcher Zeitung …
Der Militarismus wird von allen im Bundestag vertretenen Parteien unterstützt. Während sie sich im Wahlkampf gegenseitig die Schuld für das Afghanistandebakel zuschieben, prangert nicht eine von ihnen den verbrecherischen Charakter des Krieges an. Das gilt auch für die Linkspartei, die längst ihre Bereitschaft signalisiert hat, Kriegseinsätze der Bundeswehr zu unterstützen, wenn sie von SPD und Grünen auch auf Bundesebene als Koalitionspartner akzeptiert wird.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/08/18/afgh-a18.html
Doch nicht ganz umsonst
Rainer Rupp: „Deutschlands Sicherheit ist in Gefahr. Denn sie wird jetzt nicht mehr am Hindukusch verteidigt. Feige, in einer Nacht- und Nebelaktion hat sich unser großer Bruder USA in Afghanistan vom Acker gemacht. Die Amis können sich mit der Sicherheit sowas leisten. Sie wohnen weit weg und ein ganz großer Teich trennt sie von Afghanistan. Aber was ist mit uns? Mit unserer Sicherheit? Jetzt, wo auch die Bundeswehr nicht mehr Wacht am Hindukusch hält?...
Dabei wäre eine korrekte Antwort auf die Frage, ob das „alles umsonst war“, doch so einfach.
So wurde z.B. eine der wichtigsten Forderungen des Qualitätsnachrichtenmagazins „Der Spiegel“ erfüllt. Der hatte am 19. November 2006 auf seiner Titelseite gefordert:
„Die Deutschen müssen das Töten lernen“.
Und in der Einführung zum Artikel hieß es:
„Ernstfall für die Bundeswehr: Die Taliban rücken vor, fast täglich sterben Soldaten der internationalen Truppen. Fünf Jahre nach dem Einmarsch drohen irakische Verhältnisse. Berlin verweigert sich dem lauter werdenden Ruf nach einem deutschen Kampfeinsatz – wie lange noch?“
Wie wir wissen, konnte sich Berlin den Forderungen der NATO-Komplizen nicht länger widersetzen und die Deutschen haben nicht nur wieder das Töten gelernt, sondern – wie das Beispiel Oberst Klein zeigt – sie haben auch vor einem Massaker an Zivilisten nicht zurückgeschreckt. Naja. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“, heißt es in solchen Fällen.
Aber auch für die deutsche Rüstungswirtschaft war die Afghanistan-Mission (ISAF) nicht umsonst. Laut offizieller Angaben der Bundesregierung auf zwei parlamentarische „Kleine Anfragen“ beliefen sich die „Einsatzbedingten Zusatzausgaben der Bundeswehr für ISAF“ im Zeitraum von 2001 bis 2018 insgesamt auf 9,76 Milliarden Euro. Davon flossen 4,3 Milliarden Euro mehr oder weniger direkt in die Taschen des deutschen Militärisch-Industriellen Komplexes in Form von militärischer Beschaffung von Gerät und Reparaturen und für militärische Anlagen in Afghanistan.
Da haben also etliche Leute gut verdient an der Afghanistan-Mission, weshalb diese stattliche Summe Steuergelder nicht umsonst ausgegeben wurde.
Und da hätten wir natürlich auch noch die unschätzbar wichtigen Erfahrungen, welche die Bundeswehroffiziere endlich mal in einem echten Krieg sammeln konnten und dabei auch die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen aus den anderen Staaten der Nordatlantischen Terrororganisation NATO in Vorbereitung auf den großen Ernstfall verbessert haben. Dafür gab es Orden und Beförderungen und eine Verbesserung des Solds. Also auch hier war die Afghanistan-Mission nicht umsonst.“
https://apolut.net/vom-hindukusch-ins-suedchinesische-meer-von-rainer-rupp/
Es geht weiter
Peter Schwarz: „Die Linke hat zwar im Bundestag immer gegen den Afghanistaneinsatz gestimmt – weil es auf ihre Stimmen nicht ankam und sie die Opposition dagegen auffangen wollte. Aber sie hat keinen Finger gerührt, um Widerstand dagegen zu mobilisieren. Nachdem 2003 weltweit zig Millionen gegen den Irakkrieg protestiert hatten, tat sie alles, um die Anti-Kriegsbewegung abzuwürgen.
Heute verliert sie kein Wort über den verbrecherischen Charakter des Afghanistankriegs. Stattdessen bezeichnet sie ihn als „historisches Fiasko“ und bedauert sein Scheitern. „Mehr Scheitern nach 20 Jahren bewaffneten Großeinsatz der Bundeswehr ist schwer vorstellbar,“ heißt es in einem Aufruf der Linkspartei.
Nun bereitet Die Linke – wie die Grünen vor 23 Jahren – ihren offenen Übergang ins Lager des Militarismus vor. Bereits vor acht Jahren hatte sich der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich an der Arbeitsgruppe beteiligt, die unter dem Titel „Neue Macht. Neue Verantwortung“ eine Großmachtstrategie für den deutschen Imperialismus im 21. Jahrhundert entwarf. Seither hat die Linkspartei immer wieder ihre Bereitschaft signalisiert, zukünftige Kriegseinsätze der Bundeswehr zu unterstützen, falls sie von SPD und Grünen als Koalitionspartner in einer Bundesregierung akzeptiert wird.
Das ist der Hintergrund ihrer Kampagne für die afghanischen Ortskräfte. Grüne und Linkspartei demonstrieren damit der herrschenden Klasse und den derzeitigen Regierungsparteien ihre Bereitschaft, Verantwortung für den deutschen Militarismus zu übernehmen.
In führenden außenpolitischen und militärischen Kreisen werden längst entsprechende Lehren aus dem Afghanistandebakel gezogen. Deutschland, so der Tenor, müsse seine imperialistischen Interessen selbständiger, energischer und unabhängig von den Amerikanern verfolgen und die Aufrüstung, die bereits in den letzten Jahren enorme Ausmaße annahm, weiter beschleunigen.
Eines stehe für ihn fest, sagte Außenminister Heiko Maas dem Spiegel: „Das Ergebnis dieses Prozesses darf nicht sein, dass wir international keine Verantwortung mehr übernehmen. Die Frage ist, wie wir es tun wollen.“ Zuweilen würden „die Entscheidungen der Nato faktisch in Washington getroffen, und die Nato in Brüssel hat kaum die Möglichkeit mitzusprechen“. Deshalb gelte es, „den europäischen Pfeiler in der Nato zu stärken“.
In der Financial Times forderte Bastian Giegerich vom International Institute for Strategic Studies, der seit 2012 auch als Referent im Verteidigungsministerium tätig ist, Deutschland müsse in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine „strategische Denkweise“ entwickeln. „Das ist notwendig und dringend, denn der Aufstieg wiedererstarkender, revisionistischer und repressiver Mächte – China und Russland – bedroht die internationale Ordnung, auf der Deutschlands Sicherheit und Wohlstand in der Nachkriegszeit beruhten.“
Deutschlands strategisches Ziel „sollte es sein, zur Verteidigung der westlichen internationalen Ordnung gegen durchsetzungsfähige, expansionistische und autoritäre Regime beizutragen, und zwar in einer Weise, die seiner politischen und wirtschaftlichen Stellung angemessen ist.“ Diplomatie und geoökonomische Staatskunst würden zu dieser Verteidigung beitragen, „aber die deutsche Militärmacht wird ein unverzichtbarer Bestandteil der europäischen Selbstverteidigung sein“. Deutschland könne es sich „nicht leisten, dass seine politische Klasse diese Realität ignoriert“.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/08/20/reak-a20.html
Rainer Rupp: „Also, insgesamt kann gesagt werden, umsonst war der deutsche Kampfeinsatz in Afghanistan nicht, wenn auch auf Grund des fluchtartigen Rückzugs der NATO-Krieger wegen der Entwicklungen am Hindukusch nun unsere deutsche Sicherheit wieder gefährdet ist. Da diesbezüglich keine neue Afghanistan-Mission zur Heilung dieses gefährlichen Zustandes in Sicht ist, hatte unsere aktuelle Kriegsministerin, die unschlagbare Annegret K-K eine geniale Erleuchtung, die sogar den Geniestreich von Struck in den Schatten stellt:
Die AKK-Losung heißt: Wir vergessen den Hindukusch und kümmern uns nun ums Südchinesische Meer und verteidigen dort an der Seite der Amis unsere deutschen Werte gegen China.
Anlässlich der Verabschiedung der Fregatte „Bayern“ in den Indo-Pazifik letzte Woche sagte die Ministerin:
„Es ist gut, über unsere Werte zu reden, noch besser ist es, konkret etwas dafür zu tun. Heute läuft die Fregatte ‚Bayern‘ in Richtung Indo-Pazifik aus – ein Zeichen für Stabilität, Wohlstand und eine regelbasierte, multilaterale Ordnung.“
„Gemeinsam mit unseren Wertepartnern in der Region zeigt Deutschland mit der Fregatte ‚Bayern‘ Präsenz im Indo-Pazifik und setzt ein Zeichen der Solidarität.“
Na, dann mal viel Spaß!“
https://apolut.net/vom-hindukusch-ins-suedchinesische-meer-von-rainer-rupp/
Schädlich für den Klimaschutz
„Im Juli stellte der Sondergeneralinspekteur für den Wiederaufbau Afghanistans fest, dass das Verteidigungsministerium (der USA) vom Haushaltsjahr 2010 bis 2020 3,74 Milliarden Dollar für Treibstoff für die afghanischen Streitkräfte ausgegeben hat und "plant, bis zum Haushaltsjahr 2025 weitere 1,45 Milliarden Dollar auszugeben".“
Alleine die Milliarden-Ausgaben für den Treibstoff der afghanischen Streitkräfte plus demjenigen der ausländischen Besatzungs-Mächte waren gar nicht gut für das Klima.
Hat schon ein Mensch Beschwerden darob von Klimaschutz-Aktivisten gehört? Welche Interessen diese Sorte von Mensch auch immer haben mag – wenn sie gegen die Treibstoff-Verschwendung in Afghanistan oder überhaupt im militärischen Bereich nicht lautstark protestieren, dann geht es ihnen definitiv nicht um’s Klima.
Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm
Das Böse verlachen
- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -
ICH DREH DURCH !!!
https://www.youtube.com/watch?v=HpH7BewkGuA
Ich habe gehört Man kann mit Bratwurst Leben retten??!
https://www.youtube.com/watch?v=5keNUFUHSXc
GESTÖRTE Polizeigewalt in Berlin gegen Demonstranten
https://www.youtube.com/watch?v=iGMKrTbI8zU
DIE POLIZEI STEHT IM WALDE - FREEDOM PARADE (THE NEW CRAZY)
https://www.bitchute.com/video/VAEnEnxd2gXk/
#allesdichtmachen #niewiederaufmachen #lockdownfürimmer: Roland Düringer
https://www.youtube.com/watch?v=ppUOzse03uM
Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 36 - Urlaub auf Hiddensee
https://www.youtube.com/watch?v=l32kMuj_qSI
Bootcamp Bundestagswahl | Militärischer Drill für widerspenstige Politiker | Strippenzieher
https://www.youtube.com/watch?v=gYe1BS-eJS8
HallMack Aff-Ghanistan
https://www.frei3.de/post/c8077ef9-555b-4b53-8e64-81bae283e675
HallMack STIKO knickt ein
https://www.frei3.de/post/8a7440f2-86db-4605-87aa-593ea6116e48
HallMack Europapark - Bändchen für Impfmuffel
https://www.frei3.de/post/f4232d53-6905-4d5c-9d6a-a0447d5dc7cd