Gut gestylter NATO-Strichjunge

„… Das ist die Situation, in der ein gut gestylter NATO-Strichjunge; ich wiederhole das noch mal: ein gut gestylter NATO-Strichjunge Heiko Maas meint, jede Rechtmäßigkeit und das Grundgesetz mit Füßen treten zu müssen.“

So die Worte des Linken-Politikers Dieter Dehm bei einer Rede über den Außenminister Heiko Maas.

In der 6. Minute:

 

 

Anschwärzungen Russlands

 

Der Fall Skripal

 

Das Komplott westlicher Staaten gegenüber Russland ist dermaßen primitiv, dass es schon einer Beleidigung des Intellekts eines Wurmes gleichkommt, sich überhaupt damit zu beschäftigen. Nichtsdestotrotz möchte der Wurm die Kommentare von Jens Berger und Dirk Pohlmann wiedergeben.

Jens Berger: „Auch einen Monat nach der Vergiftung des russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury scheinen die britischen Ermittlungsbehörden kein einziges Indiz gefunden zu haben, mit dem man auf einen möglichen Tatverdächtigen schließen könnte. Erst gestern bestätigte der Leiter des britischen Chemiewaffenlabors in Porton Down noch einmal offiziell, was Leser der NachDenkSeiten dank des ehemaligen britischen Diplomaten Craig Murray schon seit dem 19. März wissen – die Laboranalysen konnten kein Indiz auf eine russische Herkunft des eingesetzten Kampfstoffes liefern. Russland hat derweil die Organisation für das Verbot chemischer Waffen zu einer Sondersitzung einberufen und der Öffentlichkeit 64 offene Fragen zum Fall Skripal präsentiert … die aggressiven diplomatischen Sanktionen, mit denen der Westen in den letzten Wochen gegen Russland vorgeht, stehen auf immer tönerneren Füßen. Doch offenbar kommt die Politik damit durch, da die Medien Vogel Strauß spielen.

 

Boris Johnsons große Lüge

 

„Interviewerin: Sie behaupten, dass das Nervengift – Nowitschok – aus Russland stammt. Wie konnten Sie das so schnell herausfinden? Besitzt Großbritannien Proben davon?

Boris Johnson: Lassen Sie mich dies klarstellen … Wenn ich auf den Beweis der Leute von Porton Down, dem Labor, schaue … dann waren sie sehr bestimmt. Ich fragte den Mann selbst: ‘Sind Sie sicher?’ Und er sagte: ‘Es gibt keinen Zweifel.’ Daher haben wir kaum eine Alternative, als uns für die Aktion zu entscheiden, die wir ausgeführt haben“.

Der britische Außenminister Boris Johnson in einem Interview mit der Deutschen Welle am 20. März

Dieses Zitat von Boris Johnson ist in seiner Qualität durchaus vergleichbar mit den vorsätzlichen Falschaussagen, die der ehemalige US-Außenminister Colin Powell vor etwas mehr als 15 Jahren vor dem UN-Sicherheitsrat bezüglich der angeblichen Massenvernichtungswaffen Iraks vorgetragen hat. Johnson wusste zum Zeitpunkt des Interviews, dass die Experten in Porton Down nicht nur keinen Hinweis auf eine russische Herkunft des analysierten Kampfstoffes finden konnten, sondern sich sogar aktiv dagegen verwahrten, in diesem Sinne durch die britische Regierung zitiert zu werden. Craig Murray schreibt in diesem Zusammenhang von einer Drohkulisse der britischen Regierung, die gegenüber den Forschern in Porton Down aufgebaut wurde. Und dass solche Drohkulissen ernst gemeint sind, ist spätestens seit dem Tod von David Kelly bekannt. Der Porton-Down-Wissenschaftler Kelly starb 2003 auf bis heute ungeklärte Weise, wenige Tage nachdem er das britische „Irak-Dossier“, in dem – wie wir heute wissen nicht vorhandene – irakische Massenvernichtungswaffen als Kriegsgrund präsentiert wurden, gegenüber einem Journalisten als Lüge der Blair-Regierung bezeichnete. Parallelen zu einem vermeintlichen „Russland-Dossier“ sind nicht von der Hand zu weisen.

Tony Blair erklärte Irak 2003 auf Basis des gefälschten „Irak-Dossiers“ zusammen mit den USA und einer „Koalition der Willigen“ den Krieg. Theresa May erklärte Russland auf Basis der von Boris Johnson erlogenen russischen Herkunft des Kampfstoffes aus Salisbury zwar nicht den Krieg – die mittlerweile 151 von Großbritannien und einer „Koalition der Willfährigen“ (darunter auch Deutschland) ausgewiesenen russischen Diplomaten und die massive Eskalation der Spannungen zwischen dem Westen und Russland sind in dieser Form bislang jedoch ebenfalls einmalig. Nachdem nun klar ist, dass Boris Johnson beim einzigen und damit entscheidenden Indiz, mit dem diese diplomatische Konfrontation begründet wurde, vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat, wäre es eigentlich an der Zeit, seinen Rücktritt zu fordern.

 

Heiko Maas zeigt sich solidarisch

 

Das Gleiche gilt – wenn auch in etwas abgeschwächter Form – für den deutschen Außenminister Heiko Maas. Maas hatte die Äußerungen von Johnson 1:1 ungeprüft übernommen und als Position des Auswärtigen Amtes und damit der Bundesregierung dargestellt, um die Ausweisung russischer Diplomaten aus Deutschland als „Akt der Solidarität“ mit Großbritannien zu begründen:

„Die Ermittlungsergebnisse der britischen Regierung zeigen, dass eine russische Verantwortung in hohem Maße wahrscheinlich ist und es keine andere plausible Erklärung gibt.“

Das Auswärtige Amt hat sich in dieser brisanten Frage also voll und ganz auf die Erklärung der Briten verlassen. Doch wenn man Johnsons Aussagen, die zu diesem Zeitpunkt bereits als vorsätzliche Falschaussagen unter Verdacht standen, einmal herauslässt, bleibt keine „plausible Erklärung“, sondern nur noch eine wüste Verschwörungstheorie ohne ein einziges Indiz stehen. Kann es sein, dass unser neuer Außenminister auf Basis einer wüsten Verschwörungstheorie Diplomaten eines befreundeten Staates ausweist? Man muss ja nicht gleich von einem „NATO-Strichjungen“ sprechen; aber eine wie auch immer geartete Befähigung für dieses wichtige Amt scheint Heiko Maas sicherlich nicht in den Genen zu liegen.

 

Fragen über Fragen

 

Abseits von Johnsons Lügen, Maas’ Verschwörungstheorien und der wieder einmal wie gleichgeschaltet wirkenden unkritischen Berichterstattung der großen Medien haben sich auch einen Monat nach dem Giftanschlag leider nur sehr wenig belastbare neue Informationen ergeben. Ermittlungen der Polizei wollen nun herausgefunden haben, dass der Giftanschlag nicht im Einkaufszentrum von Salisbury, sondern direkt vor der Haustür von Sergej Skripal stattgefunden haben soll. Das erstaunt zumindest den Laien, da die Skripals nach dem Verlassen des Hauses mindestens zwei Stunden in einem Pub und einem Restaurant verbracht hatten, bevor man sie bewusstlos auf einer Bank im Einkaufszentrum auffand. Ist es denkbar, dass ein derart hoch toxisches Nervengift bei beiden Opfern zwei Stunden gar keine Symptome auslöst und dann zeitgleich zu einem komatösen Schock führt? Aber wie schon angedeutet: Solche sehr technischen Fragen sollen lieber Experten beantworten. Als Journalist lässt sich hier bestenfalls spekulieren.

Spekulation ist bislang auch alles aus dem Umfeld der beiden Opfer. Womit hat beispielsweise Sergej Skripal überhaupt sein Geld verdient? War er erwerbslos? Wer war sein Arbeitgeber? Hatte er berufliche oder private Verbindungen zu Christopher Steele und Orbis, wie es der angesehene Telegraph kurz nach dem Anschlag vermeldete? Die NachDenkSeiten berichteten darüber, aber mir ist nicht bekannt, dass diese durchaus interessante Querverbindung seitdem noch einmal aufgegriffen wurde. Dabei könnten Antworten auf die Frage nach dem beruflichen Umfeld von Sergej Skripal durchaus zu Indizien führen, die in diesem unübersichtlichen Fall auch zu neuen Spuren und neuen Verdächtigen führen könnten. Aber das will die britische Regierung offenbar nicht, bietet die aggressive Gangart gegen Russland doch eine ganz hervorragende Ablenkung für Mays miserable Performance bei den Brexit-Verhandlungen und der Debatte um den nationalen Gesundheitsdienst NHS, bei der die Tories sich einmal mehr grandios blamieren.

Geradezu beängstigend ist jedoch, dass Mays „Koalition der Willfährigen“ dieses Ablenkungsmanöver mitmacht. Auch das deutsche Vorgehen hat ja nichts mit „Solidarität“ zu tun. Alleine die Vorstellung, dass Merkel oder Maas May und Johnson auch nur ein Wort glauben, beleidigt den Intellekt. Nein, Deutschlands aggressives Vorgehen ist nicht „solidarisch“, sondern im Zusammenhang einer größeren Spannungspolitik zu sehen, die wir auf den NachDenkSeiten schon seit Jahren thematisieren und kritisieren.

Dazu gehört auch, dass die russischen Argumente überhaupt nicht wiedergegeben werden und alles, was nicht ins Bild passt, gnadenlos totgeschwiegen wird. Um diese Mauer des Schweigens zu brechen, hat sich Russland entschieden, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu einer Sondersitzung einzuberufen und dort unter anderem 13 offene Fragen zu diskutieren, die man der OPCW vorab präsentiert hat. Diese Fragen reihen sich in einen ganzen Katalog ein. Parallel dazu hat man der britischen Regierung weitere 14 offene Fragen und der französischen Regierung, die offenbar ohne erkennbaren Grund in die Ermittlungen einbezogen wurde, ebenfalls 10 offene Fragen gestellt. Den Fragenreigen schließt eine Liste mit 27 offenen Fragen an die britischen Ermittlungsbehörden, die unser Kollege M.W. dankenswerterweise auch ins Deutsche übertragen hat …“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43283

Dirk Pohlmann: „Vier Ereignisse der letzten Tage sind ein Lackmustest für die deutsche Politik: Der Fall Skripal, das Massaker der Israelis an palästinensischen Demonstranten in Gaza, sowie der Angriff der Israelis auf Syrien und dort stationierte iranische Truppen als „Antwort“ auf den jüngsten angeblichen Giftgasangriff Assads in der Ghouta.

Die Führungsnationen der NATO, USA und Großbritannien, sowie Israel und Saudi-Arabien suchen Anlässe für einen Krieg mit dem Iran. Das sehen nicht nur die üblichen Verdächtigen so. Die Stimmen, die vor Krieg warnen, mehren sich. So hat zum Beispiel jüngst der realpolitisch geprägte Harvard-Wissenschaftler Stephen M. Walt besorgt über den kommenden Krieg gegen Iran geschrieben, in einem Beitrag für das renommierte Foreign Policy Journal.

Obwohl immer mehr Fachleute Kriegsvorbereitungen diagnostizieren, werden Sie wegen der Atlantikbrückenfraktion in den deutschen McMedien nichts davon erfahren. Bis es zu spät ist.

Obwohl die Aktionen der psychologischen Kriegsführung, die Kriegsvorbereitungen und die Dämonisierung Russlands immer dreister werden.

Der Fall Skripal hat sich mittlerweile zur einer Groteske entwickelt, die aus einem Monty Python Film stammen könnte. Vielleicht war es ja doch kein langsam wirkender, aber blitzschnell tötender Nervenkampfstoff, von dem sich niemand erholen kann, weil es keine Gegenmittel gibt, von dem aber Julia und Sergej Skripal genesen sind? Vielleicht war es wirklich „Die Lachsschaumspeise“ aus Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“?

Die Einheitsfront der Großbritannien-Unterstützer bröckelt, denn die Regierung der Brexit-beschädigten Premierministerin Theresa May und ihres rüpelhaften Außenministers Boris Johnson hat es mit der Arroganz der Macht und dem Glauben an die unbegrenzte Dummheit der Bevölkerung übertrieben.

Selbst in den McMedien gibt es bei diesem Fall Absetzbewegungen von der vorgegebenen Linie. Sie lautet: Der Russe im allgemeinen und Putin im besonderen stecken eindeutig hinter dem Giftanschlag. Man versucht jetzt vorbeugend auch die Gegenposition zu besetzten, also einerseits den Russen die Schuld zu geben, aber andererseits auch gesagt zu haben, dass sie unschuldig sein könnten. Je nachdem, was herauskommt, hat man so auf jeden Fall recht gehabt. Aber diplomatisches Personal wird trotzdem ausgewiesen.

Aus Solidarität mit dem NATO-Partner, mit einer britischen Regierung, die ein sehr kreatives Verhältnis zur Wahrheit bewiesen hat. Man könnte auch sagen, sie lügt bereits, wenn sie zuhört.

Ich schreibe absichtlich „vorgegebene Linie“, weil die Berichterstattung in den NATO-Staaten nach dem angeblichen Nowitschok-Angriff innerhalb von Minuten gleichlautend einsetzte. Wer das für Zufall hält, glaubt auch an Massungsvernichtungsmittel als wahren Grund für den Krieg im Irak 2003.

Oder an die offizielle Version des Abschusses von MH17, nämlich dass es eindeutig der Russe im allgemeinen und Putin und seine ukrainischen Unterstützer im besonderen waren, die das Massaker an den Passagieren zu verantworten haben. Die Flugdatenschreiber der Maschine wurden unter Federführung des britischen Geheimdienstes analysiert. Bei einem malaysischen Flugzeug, das überwiegend mit Holländern besetzt war und von einem amerikanischen Hersteller gebaut wurde? Und warum wurde Malaysia, dessen Fluggesellschaft betroffen war, entgegen allen Gepflogenheiten monatelang von der Unfall-Untersuchung ausgeschlossen? Warum schleppen sich Ermittlungen endlos hin, ganz im Gegensatz zu den massiven, sofortigen Schuldzuweisungen?

Wer das alles für Zufall hält, glaubt auch an die offizielle Version des Litwinenko-Mordes, nämlich dass hinter dem Mord der Russe im allgemeinen und Putin im besonderen steckt, nebst zwei FSB-Agenten.

Um sich ein Bild davon zu machen, wie extrem merkwürdig dieser Fall in Wirklichkeit beschaffen ist und wie unglaublich dreist die britische Untersuchung zu dem Fall inszeniert und durchgeführt wurde, klicken sie bitte die Links unter diesem Artikel an, vor allem die Webseite von Jay Epstein.

Sie erfahren dort, dass Litwinenko vom gleichen MI6-Agenten angeworben wurde, der später auch Skripal anwarb und mit dem ehemaligen MI6-Agenten und Autoren der Trump-Schmutzakte eng zusammengearbeitet hat, dass Litwinenko kein echter Geheimagent war und vom MI6 trotz seiner wiederholten Avancen nicht beschäftigt wurde, sondern offenbar wegen Geldmangels in Geschäfte mit Nuklearmaterial verwickelt war – genau wie der höchst dubiose italienische Geheimagent Scaramella, den Litwinenko am selben Tag wie die angeblich russischen Täter traf, aber vor ihnen. Dass Litwinenko ursprünglich Scaramella für seine Vergiftung verantwortlich machte. Dass seine angebliche Beschuldigung Putins kurz vor seinem Tod von einer anderen Person frei erfunden wurde. Dass seine Poloniumvergiftung erst am Tag seines Todes diagnostiziert wurde – man hätte ihn durchaus behandeln können. Dass Polonium mitnichten nur in Russland in speziellen Atomkraftwerken hergestellt wurde; ein Physiker hat mir sogar berichtet, wie er in Deutschland seine Arbeitgeber vor der Gefahr durch Polonium warnte, das als eine Art Reinigungsmittel in der Elektronikproduktion verwendet wurde. Dass Litwinenko mit tschetschenischen Rebellen so eng verbunden war, dass er unmittelbar vor seinem Tod zum Islam konvertierte – und vieles mehr, was ganz andere mögliche Täter als Putin und Russland ins Blickfeld rückt. Und von all dem haben die McMedien Leser, Zuschauer und Zuhörer noch nie etwas gehört.

Weil die gleichen Medien mit ihren „Faktencheckern“, die Sie tagtäglich vor Fake-News warnen, ihre Arbeit als Rechercheure und Reporter nicht erledigen.

Stattdessen erfahren sie in den McMedien immer aufs Neue von angeblichen Giftgasattacken des Assad-Regimes. Auf die Zivilbevölkerung, vorzugsweise auf Kinder. Dazu gibt es immer Bildmaterial in Hülle und Fülle, fast immer von den „Weisshelmen“ bereitgestellt, die mit Al Kaida zusammenarbeiten. Von westlicher Seite wird Assad vor „roten Linien“ gewarnt. Falls er wieder Giftgas einsetzen sollte, müsse man aus humanitären Gründen militärisch eingreifen. Sagen Theresa May, Emmanuel Macron, Donald Trump und Benjamin Netanyahu.

Und jedes mal versucht dann - angeblich - Assad unmittelbar bevorstehende militärische Siege durch eine militärisch vollkommen sinnlose Attacke mit Giftgas auf Zivilisten zunichte zu machen. Um Bombenangriffe oder einen kompletten Angriffskrieg auf sich zu ziehen? Wer glaubt so etwas, obwohl es fast so wenig glaubwürdig ist wie die Skripal-Story?

Der jüngste israelische Luftangriff von Montag auf einen syrischen Flugplatz, auf dem auch iranische Truppen stationiert sind (legal, sie sind auf Anforderung der syrischen Regierung im Land) wurde von Israel mit dem - angeblichen - jüngsten Giftgasangriff in Syrien auf syrische Zivilisten begründet. Und von Donald Trump gutgeheißen. So funktioniert das.

Das ist der wahre Grund für die immer neuen Giftgasmeldungen im Zusammenhang mit Russland. Sie sind nicht der Grund für die Militäraktionen, sie sind Anlässe, einiges spricht dafür, dass es sich um inszenierte Anlässe handelt. Ein Sprecher des russischen Generalstabes hatte vor einigen Wochen angekündigt, dass es Informationen gäbe, dass syrische Rebellen einen Giftgasangriff unter falscher Flagge vorbereiteten, als Anlass für Militäraktionen gegen Assad.

Die US-Webseite „Veterans Today“ hat am Montag nach Anfrage bei den syrischen Streitkräften Fotos von Giftgas aus Deutschland, britischen C-Waffen und US-Laborausrüstung erhalten und veröffentlicht, die in den gerade rückeroberten Gebieten sichergestellt wurden! Sie dürfen gespannt sein, ob sie diese Fotos in den deutschen McMedien sehen werden.

Es ging und geht um kriegsvorbereitende Dämonisierung.

Es passt ins Bild, dass Trumps UN-Botschafterin Niki Haley vor wenigen Tagen wörtlich vor den Vereinten Nationen sagte: „Russland wird niemals unser Freund sein“ und „Wir werden ihnen ein paar runterhauen, wenn wir es für nötig halten“.

Die chinesische Antwort auf diese amerikanischen Unverschämtheiten in der „Global Times“ zum Fall Skripal ist von seltener Schärfe und Klarheit: „Diese Taten sind nichts anderes als eine Form westlichen Mobbings, die weltweit Frieden und Recht gefährden. — Es schreit zum Himmel, wie die USA und Europa Russland behandeln. Ihre Maßnahmen beweisen eine Leichtfertigkeit und Rücksichtslosigkeit, die immer deutlicher die Methoden westlicher Herrschaft kennzeichnen. Sie bewirken nur noch eines, nämlich die internationalen Beziehungen zu vergiften. Dies ist der richtige Zeitpunkt für nicht-westliche Staaten, sich zu vereinigen und ihren Zusammenhalt zu stärken. Es muss ihnen gelingen, Unabhängigkeit jenseits westlicher Einflüsse zu erreichen, die Ketten monopolisierter Verlautbarungen und im voraus festgelegter Schuldzuweisungen abzuschütteln sowie zu lernen, sich wieder auf ihr eigenes Urteilsvermögen zu verlassen.“

Ein Ratschlag, der auch in Deutschland Gehör finden könnte. Aber es sieht nicht danach aus. Der neue Außenminister übt sich angesichts der Kriegsgefahr in Ergebenheitsadressen und vorauseilendem Gehorsam. Gegenüber Großbritannien, den USA – und Israel. Bei seinem Besuch in Israel betonte er seine Entschlossenheit, Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen. Die Times of Israel nannte ihn einen „Anti-Nazi-Kreuzzügler“. So weit so gut.

Aber kurz darauf richtet das israelische Militär ein Massaker unter Demonstranten in Gaza an. 30 Menschen werden erschossen. Die israelischen Streitkräfte veröffentlichen im Internet Warnungen an Araber, in denen Kinder im Visier von Scharfschützen abgebildet werden.

Man kann aus der deutschen Vergangenheit und der Shoa sehr verschiedene Lehren ziehen. Man kann daraus lernen, nie wieder Täter zu sein, wie die Deutschen, oder nie wieder Opfer, wie die Israelis. Aber kann es wirklich richtig sein, wenn Deutschland immer an der Seite jeder israelischen Regierung steht, egal, wie rechtsextrem sie ist, wie brutal ihre Aktionen sind? Große Teile der deutschen Politik und der deutschen Medien handeln so. Sie schweigen angesichts eines Massakers. Sie schweigen angesichts der Kriegsvorbereitungen, auch der israelischen Regierung. Wie der deutsche Außenminister.

Aber was derzeit geplant wird, hat so viel mit rücksichtsloser, verantwortungsloser Machtpolitik zu tun, mit Kriegsvorbereitungen gegen Iran, dass es keine Solidarität mit den Aggressoren geben darf.

Wer sich über Vorgänge in Gaza oder Syrien informieren will, über die Kriegspläne und die Hintergründe des „New Great Game“ sollte sich nicht nur in den westlichen Mainstream-Medien umschauen. Sie sind Teil des Problems. Sinnvoller ist es, US-Zeitschriften zur Außenpolitik zu lesen, israelische Zeitungen, oder z.B. Russia Today als abweichende Quelle zu nutzen. Aber es passt ins Bild der Kriegspropaganda, dass das „Abhören von Feindsendern“ wie RT unter Strafe gestellt wird. Russia Today wird als Propagandasender denunziert. Aber was sind CNN oder BBC oder Deutsche Welle, wenn RT dieses Etikett aufgeklebt wird?

Russia Today wird die Berichterstattung in den USA, der - angeblichen - Heimstatt der vollkommenen Pressefreiheit, durch immer neue Verbote, Behinderungen und das Abschalten ihrer Verbreitungskanäle, z.B. in Washington, unmöglich gemacht. Ähnliche Maßnahmen werden auch in Großbritannien gefordert. RT wird auch in Deutschland diskreditiert. Um die Bevölkerung vor russischer Propaganda zu schützen? Was für ein Demokratieverständnis, was für ein Verständnis von Pressefreiheit steckt hinter diesen Argumenten?

Die Lage ist bedrohlich. Dass Großbritannien unter imperialen Phantomschmerzen leidet, ist ein ernstes Problem. Dass die US-Regierung sich in ein volatiles Sammelbecken von kriegsbegeisterten Wahnsinnigen verwandelt hat, ist lebensgefährlich.

Dass die deutsche Politik und die deutschen Medien zu dieser Entwicklung nibelungentreue Beihilfe leistet, nach dem Motto: „Right or wrong, my Hegemon“, ist nur für Lebensmüde und US-Oligarchen mit Privatjet und Besitz im Südpazifik eine Zukunftsperspektive.

Alle anderen sollten endlich damit beginnen, Widerstand zu leisten. Widerstand gegen Planungen, die zum 3. Weltkrieg führen können.

1989 war nicht das Ende der Geschichte. Und es waren nicht die Guten, die 1989 gewonnen haben.“

https://kenfm.de/tagesdosis-10-4-2018-right-or-wrong-my-hegemon-podcast/

 

Verlotterte EU

 

Es ist eine Wohltat, Roger Köppel in diesem Fall zuzuhören. Über ihn hatte der Wurm bereits in einem früheren Beitrag geschrieben: „Einer, von dem es der Wurm nicht erwartet hätte, ist Roger Köppel. Der auch in Deutschland für seine konservativen und wirtschafts-liberalen Meinungen bekannte Journalist zeigt hier, was guter Journalismus und guter Konservatismus bedeutet. Auch, wenn Daniele Ganser nur am Rande vorkommt und nicht namentlich erwähnt wird: Hut ab!“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/267-mediale-hinrichtung.html

„Ohne Beweise kommt kein Rechtsstaat aus. Ich spreche von dieser Kalten-Krieg-artigen, von diesem Rückfall in den Kalten Krieg zwischen dem Westen und Russland. Ich finde es skandalös und beschämend, meine Damen und Herren, was hier abgeht.

Sie haben das in den Nachrichten mitbekommen: über hundert russische Diplomaten werden ausgewiesen in über 20 Staaten, darunter 14 EU-Mitgliedstaaten.

Und was ist der Grund? Grund ist diese Vergiftungs-Geschichte in Großbritannien um diesen Ex-Spion Skripal und seine Tochter Julia. Die beiden wurden mit einem Nervengift vergiftet, schweben in Lebensgefahr. Und jetzt kommt da ein Staatsoberhaupt nach dem anderen und sagt „Wir wissen zwar nicht, wie es genau war mit den Fakten, es ist aber plausibel, meine Damen und Herren, „plausibel“ ist das Wort, dass der Kreml dahinter steckt.

Meine Damen und Herren, was ist denn das für eine Verlotterung der Sitten und der rechtsstaatlichen Gebräuche in unseren Breitengraden. Ausgerechnet die Europäische Union, dieser scheinheilige Heuchler-Verein, ich kann das nicht anders sagen, dieser scheinheilige Heuchler-Verein, der sich immer wieder hinstellt, auch und gerade gegenüber Russland, um Putin und seinen Kollegen Vorlesungen zu halten über Rechtsstaatlichkeit, über die Notwendigkeit des Rechtsstaats, über solide juristische Verfahren – können Sie sich noch erinnern an den Fall Chodorkowski, als die EU ellenlange Abhandlungen darüber publiziert hat, und natürlich auch die Medien, wie schlimm diese Verfahren in Russland seien, absolut unrechtsstaatlich – und jetzt kommt also die EU selber mit einem Bruch von allen rechtsstaatlichen Gepflogenheiten (Unschulds-Vermutung, Verfahrens-Sicherheit usw.) und sagt „auf Grund bloßer Plausibilitäts-Erwägungen müsse man jetzt diesen zwangssolidarischen Vergeltungsakt gegen Russland machen. Stehen noch nicht einmal richtig dazu, dass es einfach eine politisch motivierte Aktion ist und man versucht das noch zu bemänteln mit Plausibilitäts-Erwägungen.

Meine Damen und Herren in der Europäischen Union, plausibel reicht nicht. In einem Rechtsstaat wollen wir genau wissen, wie es gelaufen ist. Und ich bringe nur ein Beispiel, nur ein kleines Beispiel in dieser ganzen Bericht-Erstattung: zuerst hieß es, dieses Nervengift sei der Tochter des Ex-Spions Skripal bei der Ausreise aus Russland ins Gepäck untergejubelt worden, das war die These 1. Plötzlich hieß es: nein, nein, das war nicht der Grund, es wurde in England, dieses Nervengift, in die Ventilation des Autos des Ex-Spions eingespeist und dort sei dann die Tochter und der Vater mit diesem Gift in Verbindung gekommen und geschädigt worden. Also hier ganz unterschiedliche Theorien, die da kursieren.

Wir haben einfach keine Fakten und man muss hier doch ganz klar feststellen, es steht Rechtsstaaten nicht an, auf der Grundlage von Plausibilitäts-Erwägungen derart weitreichende Maßnahmen zu ergreifen, wie sie die Ausweisung von Diplomaten sind. Das hatten wir zuletzt in diesem Ausmaß, jetzt ist es sogar noch größer, im Kalten Krieg unter Ronald Reagan, als die Sowjetunion wirklich noch ein „Reich des Bösen“ war.

Vorteilhaft wohltuend, muss ich sagen, hebt sich hier die Schweiz ab. Der Bundesrat hat gesagt, für ihn reiche diese Plausibilitäts-Geschichte, dieses Plausibilitäts-Geschwurbel nicht aus, man werde sich hier nicht beteiligen an dieser Aktion; mal sehen, wie lange der Bundesrat die Kraft hat – bei den Russland-Sanktionen machte man ja auch so halbherzig mit. Das wäre fatal, wenn man hier auch wieder nachgibt. Die Neutralität der Schweiz ist wichtig. Mischen wir uns nicht in fremde Händel ein. Je aufgekratzter, je aufgewühlter die Welt ist, ist die Schweiz eine Insel der Vernunft und Neutralität und des respektvollen Umgangs miteinander in einem Ozean des Wahnsinns, der uns umspült …

Und interessant ist natürlich, dass die Medien hier, gestern Schweizer Fernsehen, nichts, kein kritisches Wort zu dieser Aktion, die Vorverurteilung in den Medien in vollem Gang. Auch FAZ, die großen deutschen Zeitungen, all diese Rechtsstaats-Gralshüter, diese scheinheiligen Heuchler, man kann’s nicht anders sagen, gerade Journalisten, die immer auf den Rechtsstaat pochen, hier lässt man das einfach fallen, wenn’s gegen Russland geht.

Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, dass der russische Staat dahinter steckt. Ich sage einfach, dass man hier zuerst einmal sorgfältige Abklärungen machen muss, bevor man als Rechtsstaat in Vorverurteilung bzw. in so eine Aktion einsteigt.“

 

 

Alles Roger!

 

Schein-Oppositioneller

 

Albrecht Müller: „Ein Abgeordneter der Grünen reißt sich die Maske selbst vom Gesicht: Sven Giegold

Es gibt kaum ein politisches Wesen, das eine so ausgedehnte und im Kern verschleiernde Öffentlichkeitsarbeit macht wie der Europa-Abgeordnete der Grünen Sven Giegold. Er baut systematisch ein angenehm kritisches Flair auf. Er verbreitet ständig Nachrichten mit vernünftigem und kritischem Gehalt. Er kommt von Attac und hat schon deshalb ein progressives Image. Und wenn er dann als kritische Instanz gebraucht wird, um die Linie des großen Stroms der Agitation westlicher Ideologie zu bestätigen, dann ist er zur Stelle. So auch heute wieder. – Die NachDenkSeiten widmen ihm diesen besonderen Text, weil er wirklich ein herausragender Agitator ist. Die Camouflage ist bei Giegold perfekt. Deshalb ist allen Empfängern von Giegold-Texten das Studium des hier beschriebenen Vorgangs zu empfehlen.

Zunächst geben wir die E-Mail wieder, die der Leser der NachDenkSeiten, Hans-Ulrich Bünger, vom Herrn Abgeordneten Giegold heute erhalten hat:

„Fall Skripal: EU-Länder sollten sich zu europäischen Werten bekennen statt sich von russischem Geld verführen zu lassen

Eine Mehrheit von EU-Mitgliedstaaten weisen als Reaktion auf den Fall Skripal russische Geheimdienstmitarbeiter im diplomatischen Dienst aus ihren Ländern aus und erklären sich so mit Großbritannien solidarisch.

Zehn Länder nehmen an der europäischen Aktion leider nicht teil: Österreich, Luxemburg, Griechenland, Bulgarien, Malta, Zypern, Slowakei, Slowenien, Belgien und Portugal. Dazu sagt der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Viele EU-Länder, die in der Russlandpolitik ausscheren, stehen unter dem Einfluss von schmutzigem Geld aus Russland. Die Spaltung Europas beruht auf unrühmlichen Einzelinteressen gegenüber Russland. Zypern, Österreich, Bulgarien und Griechenland scheint russisches Schwarzgeld wichtiger zu sein als eine gemeinsame europäische Haltung. Malta, Zypern und Portugal verdienen sich mit Visa-Programmen für russische Bürger eine goldene Nase. Hunderte russische Staatsbürger haben sich einen europäischen Pass samt Bürgerrechten in der EU und damit auch Einfluss in Europa kaufen können. Die österreichische Regierungspartei FPÖ hat mit der Partei von Putin ein Freundschaftsabkommen unterzeichnet. Als Land der nächsten EU-Ratspräsidenschaft wird Österreich seiner europäischen Verantwortung nicht gerecht. Tsipras flirtet seit langem mit Putins Russland in der Hoffnung auf Investition, die der Rest Europas verweigert. Die Slowakei ist hoch abhängig von russischem Gas.

Europa gibt in der Russlandpolitik ein schlechtes Bild ab. Schlagfertig ist Europa auf internationaler Ebene nur, wenn es gemeinsam handelt.

Die zehn Länder sollten sich zu europäischen Werten bekennen, statt sich sich von russischem Geld verführen zu lassen. Die jetzige Spaltung muss ein Weckruf sein, um jede Naivität gegenüber schädlichem politischem Einfluss durch russisches Geld zu beenden. Das gilt auch in Deutschland, etwa bei North Stream II. Klar ist auch: Wir brauchen ein europäisches Gesetz gegen den Verkauf europäischer Bürgerrechte und müssen den Kampf gegen die Geldwäsche intensivieren.”

Sven Giegold, MdEP“

Hier folgt die Antwort von Hans-Ulrich Bünger:

„Sehr geehrter Herr Giegold,

ich bedaure, dass Sie die Skripal-Sanktionen gegen Russland billigen, obwohl gegen Russland keine Beweise vorliegen, und sogar ein Land wie Portugal, in dem ich viele Freunde habe, diffamieren.

Sie setzen damit die Kalte-Kriegs-Politik der Grünen fort. Ich bekomme allmählich Angst, angesichts der permanenten Aggressionen der NATO.“

Ergänzende Kommentierung Albrecht Müller:

1. Herr Giegold beruft sich auf die europäischen Werte und verschleiert ihre permanente Missachtung. Wo waren denn die europäischen Werte, als Frankreich und Großbritannien mit Unterstützung der USA Libyen zerbombten, Tausende von Menschen töteten, zur Flucht trieben und aus Libyen einen unregierbaren Staat machten? Wo waren im konkreten Fall die europäischen Werte, als sich die damalige US-Außenministerin Clinton über die Gefangennahme und Tötung des Staatschefs Gaddafi freute? Ein ekelhaftes Schauspiel war das.

2. Wo sind die Werte des Westens bei all den anderen Kriegen geblieben, die wir in Afghanistan, im Irak auf der Basis von Lügen und in Syrien führen?

3. Wo waren die Werte des Abgeordneten Giegold, als die mächtigen Staaten Europas und vorne dran die Bundesrepublik Deutschland die Staaten des europäischen Südens, namentlich Griechenland, Spanien und Portugal fertig machten und auch rechtmäßig durchgeführte Wahlen missachteten wie im Falle Griechenlands?

4. Wo sind denn die Werte des Westens, wenn in Europa ein großer Teil der jungen Menschen eines Landes gezwungen ist, in einem anderen Land zu arbeiten und damit ihre Heimat aufzugeben? Wenn die Hälfte junger Leute in Griechenland oder ähnlich hohe Anteile in anderen Ländern keine Berufs- und Arbeitsplatz-Chance haben, dann muss einem Abgeordneten des europäischen Parlaments das Wort „europäische Werte“ im Halse stecken bleiben. Das geschieht bei Giegold nicht. Da läuft alles glatt.

5. Herr Giegold kommt dann auf die Abhängigkeit europäischer Staaten von russischem Geld zu sprechen. Er nennt dabei keine Zahlen und keine klaren Sachverhältnisse, er behauptet nur.

6. Und außerdem: Hat er denn mal verglichen, wie sich die Quantität russischer Gelder zu der Quantität britischer und US-amerikanischer Gelder in Europa verhält? Hat er denn schon irgendwann darüber nachgedacht, wie der Einfluss angelsächsischer großer Fonds auf deutsche Unternehmen beschaffen ist und auch auf sonstige europäische Unternehmen? Der Einfluss ist um mehrere Dimensionen größer – schon quantitativ. Von allem anderen abgesehen.

7. Herr Giegold hat der Berufung des Luxemburger Steueroasenministerpräsidenten und Finanzministers Juncker in die bedeutsame Funktion des Kommissionspräsidenten der Europäischen Union zugestimmt. Sind ihm da keine Bedenken wegen finanzieller Abhängigkeiten gekommen? Glaubt er wirklich, dass er und seine Kollegen im europäischen Parlament und in der Brüsseler Administration frei sind für eine wirklich wirksame Bekämpfung von Steueroasen?

Dieser Europa-Abgeordnete sollte sich zurückhalten und schweigen. Und NachDenkSeiten-Leser sollten bitte auf diese Art der Meinungsbildung, die mit Giegolds Namen verbunden ist, aufmerksam machen. Ich wiederhole: Hier hat Einer systematisch sein Image als angeblich kritischer Begleiter des Geschehens aufgebaut, um dann im gegebenen Fall sein Gewicht in die Waagschale für eine reaktionäre und friedensgefährdende Politik zu werfen.

Man fragt sich angesichts des Auftrittes des Grünen-Abgeordneten Giegold im Vergleich zum CDU-Abgeordneten und Bertelsmann-Lobbyisten Elmar Brok, wer eigentlich der schlimmere Agitator ist. Wegen der Camouflage ist es wahrscheinlich der grüne Abgeordnete Giegold.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43212

 

Dialog statt Eskalation – Für eine vernünftige Russlandpolitik

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms:

„„Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!" lautete ein Appell, der im Dezember 2014 in der „Zeit“ veröffentlicht wurde und der ansonsten von den Staatsmedien weitest gehend verschwiegen bzw. klein geredet wurde.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/187-heilige-allianz.html

Dieser Appell wurde damals von Antje Vollmer und Horst Teltschik initiiert genauso wie der neue. Hier ist der Text:

„Mit großer Sorge beobachten wir den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Russland und dem Westen. Gegenseitige Sanktionen, die Schließungen von Einrichtungen und Dialogforen, die einmal der Verständigung und Kooperation dienten, folgen in immer schnellerem Rhythmus. Wir haben es inzwischen mit einer beunruhigenden Entfremdung zu tun. Das gegenseitige Verhältnis ist bestimmt von gegenseitigen Schuldzuweisungen, Verdächtigung und militärischen Drohgebärden.

Vor diesem Hintergrund wäre es hilfreich, wenn wir uns alle darauf besinnen würden, dass das Ende des Kalten Krieges schon einmal von beiden Seiten proklamiert worden ist. Das Wort vom „Gemeinsamen Haus Europa“ sollte uns noch genauso gegenwärtig sein, wie Putins Rede vor dem Deutschen Bundestag 2001, in der er ein langfristiges und umfassendes Kooperationsangebot machte.

Wir neigen dazu, unseren Teil der Verantwortung für das bisherige Scheitern eines gesamteuropäischen Projektes auszublenden. Die Kernfrage ist, ob der Westen Russland als einen gleichberechtigten Partner in allen globalen Frage anerkennen will oder nicht. Aus unserer Sicht, gibt es zur gleichberechtigten Partnerschaft keine vernünftige Alternative.

Viele Westeuropäer sind heute alarmiert und fürchten Krieg. Viele betrachten Russland als Gefahr. Umgekehrt sieht die Mehrheit der Russen ihr Land zu Unrecht vom Westen an den Pranger gestellt. Sie verstehen nicht, warum dieser Kurs besonders aus Deutschland unterstützt wird, dem Land, das einmal der Hauptmotor der Entspannungspolitik war, die wesentlich zur deutschen Wiedervereinigung und dem damaligen Konzept einer gemeinsamen europäischen Friedensordnung beigetragen hatte. Das Versprechen vom Ende des Kalten Krieges aus der Charta von Paris (1990) wurde nie eingelöst. Stattdessen wird mit dem Beschwören einer russischen Bedrohung eine neue Aufrüstungsoffensive in Gang gesetzt.

Die Spirale aus Maßnahmen und Gegenmaßnahmen löst sich zunehmend von den realen Gründen und Anlässen.

Anders als nach dem Ende des Kalten Krieges gedacht, ist die Weltlage heute geprägt von Unordnung und Unvorhersehbarkeiten. Ein Zusammenbruch der westlich-russischen Beziehungen und der Abbruch fast aller Gesprächsforen drohen auch noch den Rest an globaler Stabilität zu gefährden.

Die Erinnerung an zwei Weltkriege mit Millionen von Toten verblasst. Die rhetorische Eskalation und die Produktion von Feindbildern in Politik und Medien bleibt nicht ohne Wirkung.

Worauf es jetzt in erster Linie ankommt, ist die Überwindung der Sprachlosigkeit. Über alle Konflikte und Streitpunkte mit Russland muss offen geredet werden, ohne Vorbedingungen, Vorverurteilungen und Drohungen. Wir sollten eine Politik entwickeln, die sich ausschließlich am internationalen Recht und an der gemeinsamen Verantwortung für das Schicksal der gesamten Menschheit ausrichtet. Deutschland und die Europäische Union sollten dazu die Initiative ergreifen. Die Idee einer gesamteuropäischen Partnerschaft ist zwar nicht neu, aber wartet auf Verwirklichung. Das ist das richtige und große außenpolitische Thema dieser Legislaturperiode. Wer das nicht sehen will, ist blind für die Gefahr eines dritten und letzten Weltkrieges.

Günter Verheugen, Edmund Stoiber, Horst Telschik, Antje Vollmer, Helmut Schäfer“

http://www.antje-vollmer.de/russlandpolitik.htm

Nachtrag: Aus einem Interview zum Aufruf mit Antje Vollmer:

„„Wir sehen eine ständige Aufrüstung – militärisch und mit Worten“, sagt Antje Vollmer im Interview mit den NachDenkSeiten. Die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages warnt eindringlich vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts mit Russland und kritisiert mit deutlichen Worten Politik, Medien, aber auch ihre eigene Partei. Wer sich als Pazifistin und Befürworterin einer Entspannungspolitik innerhalb der Grünen-Partei stark mache, komme einem „Alien von einem fernen Stern“ gleich. Ein Interview von Marcus Klöckner über die Entspannungspolitik der alten Bundesrepublik und die Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik durch die „Nachwende-Eliten“.

Wer mit Antje Vollmer redet, merkt schnell: Der Grünen-Politikerin geht es nicht um falschen Alarmismus. Vollmer ist eine erfahrene Politikerin. Sie war von 1994 bis 2005 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und saß immer wieder als Abgeordnete der Grünen im Parlament. Doch was die promovierte Theologin seit einigen Jahren beobachtet, bereitet ihr große Sorgen. Die Stützpfeiler der Entspannungspolitik, die von Politikern der alten Bundesrepublik verankert wurden, um einen Krieg mit Russland zu vermeiden, wurden eingerissen – von den Nachwende-Eliten. Vollmer ist es ein Anliegen, dass endlich eine offene Diskussion über den Wert der Entspannungspolitik, wie sie unter anderem Willy Brandt geprägt hat, und die Konsequenzen einer neuen deutschen Außenpolitik, die auf einen harten Kurs setzt, geführt wird.

Dem folgenden Interview sind zwei Aufrufe vorangegangen, an denen sich Vollmer und andere bekannte Persönlichkeiten des Landes beteiligt haben. Im Dezember 2014 initiierte unter anderem Vollmer einen Aufruf, den mehr als „60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien“ unterzeichneten. Tenor: „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ Der Aufruf verhallte.

Dann, am 12. April dieses Jahres, richtet sich Vollmer wieder an die Öffentlichkeit. Zusammen mit Günter Verheugen (SPD), Edmund Stoiber (CSU), Horst Teltschik (CDU) und Helmut Schäfer (FDP) warnen die Politiker parteiübergreifend eindringlich vor der Gefahr „eines dritten und letzten Weltkrieges“. Doch den Appell, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte, griffen Medien nicht weiter auf.

Stehen wir vor einem Dritten Weltkrieg, Frau Vollmer?

Wir stehen vor einer extrem zugespitzten Situation zwischen dem Westen und Russland. In dieser Situation können kleinere Ereignisse oder Fehlinterpretationen von Ereignissen zu einer weiteren Eskalation führen, die dann – und das ist die große Gefahr – keiner mehr kontrollieren kann. Ich bin der Ansicht, dass eine falsche Bedrohungsanalyse genauso gefährlich sein kann wie eine echte Bedrohung.

Wie zeigt sich diese zugespitzte Situation?

Wir sehen auf beiden Seiten, dass es zu einem Aufbau von Feindbildern kommt. Es gibt eine oft hysterische Mobilisierung in den Medien. Real wird eine ständige Aufrüstung geplant und durchgezogen – militärisch und mit Worten. Bei diesem Gemisch ist es so, dass auch kleinere Anlässe oder Konfrontationen nicht mehr kalkulierbar verlaufen können – zumal die meisten früheren Gesprächsforen nicht mehr aktiv sind.

Sie sind eine erfahrene Politikerin. Wie erklären Sie sich, dass wir es überhaupt mit einer derart zugespitzten Situation zu tun haben? Hier muss es doch im Vorfeld fatale Weichenstellungen gegeben haben. Der Konflikt mit Russland ist nicht über Nacht entstanden.

Meine These ist, dass es um die Jahrtausendwende, spätestens aber im Jahr 2005, eine grundsätzliche Veränderung der deutschen Außenpolitik gegeben hat.

Was meinen Sie damit?

Aus den Ereignissen der Revolutionen von 1989 und dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden die falschen Schlüsse gezogen. Der Westen fühlte sich als Sieger der Geschichte und träumte von weiteren Regime Changes weltweit. Die Verdienste der Entspannungspolitik wurden geleugnet. Der erhebliche Beitrag der Sowjetunion zu dem Wunder, dass diese Veränderungen in Europa weitgehend gewaltfrei verliefen, wurde allmählich vergessen.

Sie haben sich nun bereits zum zweiten Mal mit bekannten Persönlichkeiten in einem Aufruf in Sachen Russland an die Öffentlichkeit gewandt.

Ja, es gab bereits 2014 einen Aufruf aus Anlass der Ukraine-Krise. Damals haben über 60 prominente Persönlichkeiten unterschrieben. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals eine solche Liste gegeben hat: Ein ehemaliger Bundespräsident, ein ehemaliger Bundeskanzler, diverse Ministerpräsidenten, Bundesminister – alle aus den unterschiedlichsten Parteien – aber auch bekannte Personen aus Kunst, Kultur, Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften, Agrarorganisationen. Damals haben wir eindringlich davor gewarnt, die Kriegsgefahr in Europa nur als Phänomen aus der Vergangenheit zu betrachten.

Wie war die Reaktion?

Viele haben über unseren Aufruf müde gelächelt – die Medien erfanden das Etikett der Russland-Versteher. ARD und ZDF haben gar nicht berichtet. Die Süddeutsche Zeitung hat – wie heute übrigens auch – gleich abgelehnt, den Aufruf abzudrucken oder auch nur als Nachrichtenfaktum zur Kenntnis zu nehmen. Sie war zwar als erste informiert, hat die eigentliche Pointe aber offenbar nicht begriffen.

Dieser Aufruf hatte also aus Ihrer Sicht neben seiner eigentlichen Botschaft auch noch eine andere, ziemlich weiterreichende Bedeutung? Worum ging es?

Es war eine kollektive öffentliche Warnung von Vertretern der alten Bundesrepublik und ihrer Zivilgesellschaft davor, die Grundkoordinaten der deutschen Außenpolitik, die einmal parteiübergreifend von Willy Brandt bis zu Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher Geltung gehabt hatten, leichtfertig zu verändern. Wir sahen, dass die Grundpfeiler dieser alten Außenpolitik Stück für Stück eingerissen wurden, die einmal darauf ausgelegt war, eine stabile Sicherheitsarchitektur in der Mitte Europas anzustreben und mögliche Konflikte zwischen Ost und West zu deeskalieren.

Dieser Aufruf von damals war also ein Aufstand der alten Bundesrepublik gegen die Elite der Nachwendezeit und ihre neue Agenda in der Außenpolitik – eine Außenpolitik, die sich zwar „menschenrechtsgestützt“ nennt und hohe Werte propagiert, aber mit ziemlich aggressiven Methoden daherkommt: mit Sanktionen, Regime-Change-Versuchen, doppelten Standards in der Frage von Völkerrechtsverletzungen etc. Wir erhofften uns also eine offene Debatte über die Frage, ob und warum sich die Grundkoordinaten der deutschen Außenpolitik geändert haben und ob das gut ist für das Land.

Eine Diskussion, die noch immer aussteht?

Absolut. Wir müssen uns die Frage stellen: Was heißt es für Deutschland, aber auch für die Europäische Union, was heißt es für unsere europäische Zukunft, wenn die Nachwende-Eliten weiter jene neue Außen- und Sicherheitspolitik verfolgen, die wir gerade beobachten können? Nach mehr als zwanzig Jahren muss die Frage nach dem Nutzen und den Ergebnissen dieser Politik erlaubt sein. Welche Erfolge hat diese neokonservative Politik eigentlich aufzuweisen?

Wenn man sich anschaut, wie diese Politik durchgesetzt wird, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die, wie Sie sie nennen, „Nachwende-Eliten“ ziemlich gut positioniert sind.

Das sind sie. Sie haben die Meinungsführerschaft in der Politik, in den Medien, aber auch in fast allen Thinktanks.

Die offene Diskussion in den Medien scheinen sie aber zu scheuen.

Sie werden ja auch selten in Frage gestellt. Da ist es leicht, sich der Debatte zu verweigern. Sie stehen fast nie vor der Notwendigkeit, Rechenschaft darüber abzulegen, was ihr Politikkonzept in der real existierenden Welt an Erfolgen und Misserfolgen aufzuweisen hat.

Wie war das denn jetzt bei dem zweiten Versuch? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Wir haben natürlich aus den ersten Erfahrungen gelernt. Wir wussten im Vorfeld, dass es kein Interesse der Medien gibt, die Grundsatzdebatte zu führen. Daher haben wir gedacht, wenn wir es schon nicht schaffen, über einen Aufruf die Diskussion entstehen zu lassen, dann könnten wir versuchen, einen Artikel zu veröffentlichen. Schließlich haben die großen Printmedien alle eine Rubrik für „fremde Federn“, also die Möglichkeit, auch Gastautoren zu Wort kommen zu lassen. Darüber wollten wir in der aufgeheizten Atmosphäre der Skripal-Affäre wenigstens die neue Bundesregierung erreichen.

Sie haben es wieder bei der Süddeutschen Zeitung versucht. Beim Leiter des Ressorts Außenpolitik, also bei Stefan Kornelius.

Das haben wir. Aber die Antwort war für uns, sagen wir: befremdlich.

Was wurde gesagt?

Die Veröffentlichung des Artikels wurde abgelehnt, weil wir fünf Autoren waren. Das sei zu viel.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat den Artikel (hinter einer Bezahlschranke) dann aber einige Tage später doch abgedruckt. Gerade mit Herrn Teltschik, dem früheren Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, hatten Sie jemanden dabei, der exzellent vernetzt ist. Eigentlich könnte man doch erwarten, dass es, wenn fünf Persönlichkeiten wie Stoiber (CSU), Verheugen (SPD), Teltschik (CDU), Schäfer (FDP) und Sie (Grüne) die Tür zu der Diskussion aufstoßen möchten, es auch funktionieren sollte. Wie erklären Sie sich, dass es Ihnen einfach nicht gelingt, trotz ihrer beiden Vorstöße in die Öffentlichkeit, die Debatte zum Laufen zu bringen?

Ich beobachte einen starken monokulturellen Einheitsdruck aufseiten der politisch Verantwortlichen, insbesondere in Deutschland. Angela Merkel ist übrigens eine Meisterin, wenn es darum geht, eine Einheitsfront zu bilden. Das versteht sie als ihre Aufgabe in der EU, wo sie dann die Rolle der Riegenführerin übernimmt. Sie hat geradezu ein Gen im Bilden von übergroßen Koalitionen. Dahinter steckt viel Angst, dass alle sich einordnen müssen, weil sonst der ganze Laden auseinanderfliegt.

Es gibt also einen enormen Binnendruck, der Dissens sehr schwer macht. Und immer gibt es zur Abschreckung einen Bösewicht, der außen stehen muss: mal Putin oder Orban, mal Tsipras oder Puigdemont. Das gehört zur Machtmethode: innerer Anpassungsdruck bei drohender Ausgrenzung. Bei diesem Vorhaben, die Einheit Europas mit Druck herzustellen, gibt es eine starke mediale Unterstützung. Ich beobachte in der Berichterstattung zum Beispiel eine extreme Feindbildprojektion auf Putin und Russland, die irrationale Züge trägt und weit über die notwendige und berechtigte Kritik hinausgeht.

Woher kommt diese Berichterstattung?

Auf jeden Fall hat sie sehr viel mit Unkenntnis zu tun. Man interessiert sich kaum ernsthaft für Russland. In manchen Medien scheint das Bild vorzuherrschen, das heutige Russland sei die gradlinige Fortsetzung der Sowjetunion, ja geradezu die Fortsetzung des Stalinismus. Stereotype Denkmuster und Vorurteile werden nicht mehr überprüft. Es gibt keinerlei offene Neugier auf das heutige real existierende Russland. Es reicht, wenn man Memorial, Pussy Riot und den Oligarchen Chodorkowski kennt.

Dass es im Kreml immer eine Fraktion gab, die stark nach Westen orientiert war, spielt in dieser Berichterstattung keine Rolle. Erschreckend ist, dass dieses fehlende Wissen über Russland nicht nur in den Medien zu finden ist. Wirkliche Russland-Experten im Auswärtigen Amt sind im Vergleich zu früheren Jahren auch sehr selten geworden.

Sarkastisch angemerkt könnte man sagen: Ein Journalismus und eine Politik, die ein wirkliches Erkenntnisinteresse an Land und Menschen haben und bereit sind, Russland aus unterschiedlichen Perspektiven darzustellen, wären beim Aufbau des Feindbildes eher hinderlich.

Das kann durchaus so sein. Wissen macht das Leben immer schwieriger. Dennoch: Es gibt einen großen Unterschied darin, wie die Menschen hier im Land das Verhältnis zu Russland wahrnehmen und sich wünschen und wie es die Eliten von Politik und Medien einschätzen.

Was meinen Sie?

Ein Beispiel: Vor kurzem gab es dieses Unglück in Sibirien, einen Kaufhausbrand mit vielen Toten – insbesondere mit vielen toten Kindern. Die Berliner Bevölkerung legte in großen Mengen Blumen und Teddybären vor der russischen Botschaft nieder und stellte Kerzen auf. Dieses Bild habe ich nirgendwo in der Berichterstattung gesehen. Als die Medien über das Unglück berichteten, konzentrierten sie sich auf die Schlamperei, die wieder mal typische russische Desorganisation. Sie berichteten, dass Putin sich mit den Trauernden nur in einem exklusiven Rahmen treffe, sich nicht der öffentlichen Kritik stelle. (Überschrift FAZ: Schönreden, verschweigen, vertuschen).

Die große Politik hat an diesem für die Russen sehr schmerzlichen Tag die russischen Diplomaten aus dem Land ausgewiesen – sie war vor allem mit der Strafe für die Skripal-Affäre beschäftigt und damit, dass alle Länder mitmachen mussten. Am Abend dieses Unglückstages gab es in Berlin in der russischen Botschaft ein Gedenkkonzert. Nicht ein einziger aktiver Politiker aus dem Bundestag besuchte die Veranstaltung. Matthias Platzeck und ich waren dort. Sonst niemand.

Waren Journalisten dort?

Nein, ich habe niemanden gesehen, nicht am Zaun und nicht drinnen.

Die Beispiele, die sie angesprochen haben, führen wieder zu der Frage, die wir vorhin kurz diskutiert haben, nämlich, wie es überhaupt zu der zugespitzten Situation kommen konnte.

Ich glaube, die Wurzeln liegen in der Euphorie der Nachwende-Zeit. Politiker und Journalisten verließen und vergaßen ihr Kerngeschäft und ihre Profession und wurden selbst Aktivisten – zum Beispiel, als sie die Umweltsünden bei der Olympiade in Sotchi anprangerten und fast zum Boykott der Spiele aufriefen oder als sie persönlich mitten auf dem Maidan standen und dachten: Es ist wieder so weit! Und diesmal sind wir live dabei!

In einem Interview gegenüber dem Hessischen Rundfunk haben Sie gesagt, dass die Berichterstattung zum Fall Skripal Züge einer vorbereitenden Kriegspropaganda trägt. Das sind harte Worte.

Wenn Journalisten selbst zu Aktivisten werden, haben sie durch die Ausstrahlung ihres Mediums eine zusätzliche Macht über die öffentliche Stimmung. Karl Kraus hat das explizit erforscht in den „Letzten Tagen der Menschheit“, als er die vor 1914 langsam ansteigende Aggressivität in den öffentlichen Medien als Vorbereitung und Gewöhnung an kriegerische Auseinandersetzungen interpretierte.

Wir müssen uns daher dringend die Frage stellen, wie wir wieder zu einem Qualitätsjournalismus kommen, dem es gelingt, sich auch mit der (vermeintlich!) guten Sache nicht gemein zu machen, sondern die Distanz zu wahren, ohne die kein Urteil möglich ist. Wir brauchen wieder Journalisten, die in der Lage sind, ihre eigenen Emotionen zu hinterfragen und sich selbst in ihrer Aktivistenrolle zu bremsen.

Wie sieht es denn mit den großen Polit-Talkshows im Fernsehen aus? Was fällt Ihnen da auf?

Sie sind ein Spiegelbild der Berichterstattung. Es finden sich kaum noch Gäste, die versuchen, die russische Seite kenntnisreich zu erklären oder zu verstehen. Das Etikett „Russland-Versteher“ ist längst ein Grund geworden, nicht hinzuhören. Die Leute, die diese Rolle übernehmen, also bereit sind, öffentlich Russland zu verstehen, können Sie an einer Hand abzählen.

Außerdem müssen sie für diese ungeliebte Rolle echte Dissidenten-Qualitäten haben. Sie stehen ziemlich allein in der Landschaft. Matthias Platzeck wird in der SPD alleingelassen, Frau Krone-Schmalz wird vom Journalismus diffamiert, General Harald Kujat hat wenig Unterstützung von den Militärs. Die Konzernchefs fürchten Sanktionen. Das heißt, wer sich für Mäßigung im Umgang mit Russland einsetzt, wer gar Fehler auf der eigenen Seite, im eigenen Lager, offen anspricht, muss sich warm anziehen.

In Ihrem Aufruf haben Sie geschrieben, dass die Erinnerungen an den Weltkrieg verblassen. Fehlt es Journalisten und Politikern mittlerweile an dem Verständnis, was ein großer Krieg für alle bedeuten würde?

Kriegserfahrungen sind ja Traumata, die man niemandem als Vorzug anrechnen sollte. Aber es stimmt: Beide deutschen Nachkriegsrepubliken und damit auch die Politiker dieser Zeit waren in Ost und West von der Kriegserfahrung traumatisiert oder zumindest geprägt.

Die Funktionsträger der alten Bundesrepublik waren sich sehr bewusst, dass zwischen uns und Russland kein Ozean liegt. Deswegen haben sie immer auf eine Ausgleichspolitik zwischen dem Westen und dem potentiellen Gegner im Osten gesetzt. Wir waren also verwurzelt im Westen, hatten aber das Bewusstsein, dass gerade wir mit dem Osten eine Verständigung suchen mussten. Und dieses Bewusstsein war parteiübergreifend. Es lässt sich finden bei Egon Bahr und Willy Brandt wie bei Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl.

Wie sehen Sie die Positionierung von Heiko Maas gegenüber Russland?

Maas zählt sich definitiv zu den neuen Eliten der Bundesrepublik, die anders denken und handeln als ihre Vorgänger. Es ist besonders traurig zu sehen, dass ausgerechnet ein neuer SPD-Außenminister das entspannungspolitische Konzept seiner eigenen Partei als überholt betrachtet. Wenn ich die Stellungnahme von Maas und seinem Außenamtsstaatsminister Michael Roth lese, dann sagen die Herren nichts anderes, als dass Entspannungspolitik nicht mehr in die heutige Zeit passt.

Maas hat das so formuliert, dass er nicht wegen der Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr, auch nicht wegen der Friedensbewegung in die Politik gegangen sei. Er hat vor Journalisten angekündigt, er würde gegenüber Russland einen viel härteren Kurs fahren als seine Vorgänger Steinmeier und Gabriel. Heiko Maas hat damit der gesamten Entspannungspolitik, deren Erfinder die Sozialdemokraten waren, eine klare Absage erteilt.

Aber seine Neuausrichtung wird scheinbar von der SPD mitgetragen.

Darüber staune ich. Ich frage mich schon die ganze Zeit, wann gibt es bei den Sozialdemokraten eine Rebellion gegen diesen Strategiewechsel und Bruch mit den besten eigenen Traditionen? Der neue Außenminister sucht dabei gern die Nähe zur Bild-Zeitung und zu den „Atlantikern“ in allen außenpolitischen Redaktionen. Auch das ist neu: Früher kam die härteste anti-kommunistische Propaganda immer von der Bild-Zeitung und der Springer-Presse. Heute finden sich Artikel gegen das nicht mehr kommunistische, aber autoritäre Russland regelmäßig in der Zeit, dem Spiegel, der Süddeutschen, der FAZ und selbst in der taz.

Mit dieser Ausrichtung von Politik und Medien dürfte sich für uns als Gesellschaft ein ziemliches Problem geben, wenn es um vielschichtige Analysen geht.

Dieses Problem ist real. Was mir aber Hoffnung gibt, ist: Trotz dieser einheitlichen politisch-medialen Front positioniert sich die Bevölkerung in Umfragen anders. 70 bis 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sagen, dass sie eine Verständigung mit Russland wünschen.

Was zeigt uns das?

Ich lese daraus: Die Entspannungspolitik ist in der Bevölkerung sehr viel stärker verankert als bei den Politikern und Journalisten.

Wie kann man diese verfahrene Situation aufbrechen?

Ich appelliere dringend an die SPD, ihre Entspannungspolitik von früher zu verteidigen – auch gegen den heutigen Außenminister und seinen Staatsminister. Journalisten, Medien, Zivilgesellschaft müssen in eigenem Interesse die Debatte über die veränderten Koordinaten der neuen deutschen Außenpolitik führen. Die Verantwortlichen dieser neuen Konzepte müssen gezwungen werden, zu belegen, wie die versprochenen positiven Resultate ihrer Politik denn aussehen. Was hat die Politik des Regime Change gebracht? Sind wir dem Frieden in Europa und der Welt nähergekommen? Ist die Einheit Europas heute gesicherter, ist seine demokratische Strahlkraft leuchtender als in den 90-er Jahren?

Das ist ein Appell vor allem an Politik und Medien. Aber lassen Sie uns nochmal zu den Bürgern kommen. Wie können diese sich in der Situation verhalten? Was sollten Sie beachten, gerade auch im Hinblick auf die Schieflagen in der Berichterstattung?

Ich stelle fest: Das Netz rebelliert. Im Internet finden sich auch die Zweifel, die eigentlich von Journalisten in den Medien vorgetragen werden sollten. Im Netz findet sich zum Beispiel Widerstand gegen eine propagandistische und einseitige Berichterstattung, wie wir sie im Fall Skripal viele Tage erlebten. Dieser Widerspruch im Netz ist schwer als Kampagne der Rechtspopulisten oder von russischen Hackern zu interpretieren, obwohl auch das versucht wird.

Was wirklich fehlt, ist die Kraft auf der Straße. Um ein Beispiel anzuführen: Als es die jüngsten Angriffe der amerikanischen, britischen und französischen Bomber auf Ziele in Syrien gab, hatten die Grünen ihren Kongress in Berlin zur neuen Standortbestimmung und zum Einläuten der „vierten Phase“ ihrer Parteientwicklung. Frühere Grüne hätte es sofort auf die Straße getrieben: Beendet das Bombardement! Beachtet das Völkerrecht! Aber dieser Kongress tanzte und tagte weiter.

Ist es so schlimm um die Grünen bestellt?

Als Pazifistin und Befürworterin einer modernen Entspannungspolitik sind Sie innerhalb der Grünen heute ein Alien von einem fernen Stern. Dabei war der Glücksfall und das kostbare Wissen von 1989, dass Entspannungspolitik und Bürgerrechtsbewegung endlich zusammen wirksam waren. Das hat zum Erfolg und zu einer gewaltfreien Veränderung der Welt geführt. Ich kenne kein einziges positives Beispiel, dass Sanktionen, die neuerdings auch kühn als „gewaltfrei“ interpretiert werden, gewaltfreie Ergebnisse liefern. Sanktionen gehen immer auf Kosten der Bevölkerung, ruinieren ganze Volkswirtschaften und führen politisch zu einer extremen Entfremdung zwischen den Staaten.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=43655

 

Wieder mal Giftgas in Syrien

 

Wieder mal soll es einen Giftgas-Anschlag in Syrien gegeben haben und wieder wird dieser der syrischen Regierung in die Schuhe geschoben, um den westlichen Staaten einen Vorwand zu liefern, dort militärisch zuschlagen zu können. Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/275-giftgas-in-syrien.html

Kriegs-Ministerin Ursula von der Leyen: „ … wir sehen, wie der Verbündete Assad in Syrien Giftgas einsetzt – Russland ist der Verbündete von Assad – und deshalb ist es für Russland entscheidend, hier mit beizutragen, dass aufgeklärt wird, was dort geschehen ist.“

https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/videos/von-der-leyen-zur-skripal-affaere-100.html

Das ist bloße Rhetorik: weder in der Vergangenheit noch jetzt hatten die westlichen Staaten ein Interesse an irgend welcher „Aufklärung“ in Syrien.

 

Heiko Maas

 

Träger der Hoffnungslosigkeit

 

Sascha Lobo über Heiko Maas und zwei weitere „Hoffnungsträger“: „Drei Politiker im Verein, drei Zukunftshoffnungen im Geleit, aus allen drei Regierungsparteien: Spahn, Maas, Bär. Und alle drei beherrschen die Kunst des Umfallens (über die Eleganz wird man diskutieren müssen). Und zwar ausgerechnet bei der Großbaustelle der kommenden Regierung: der Digitalisierung (Quelle: Volker Kauder).

Im ständigen Konflikt zwischen Grundrechten und Digitalisierung haben sich alle drei als, naja, flexibel herausgestellt. Allerdings bin ich als Kolumnist - ich verorte mich rot-grün, ohne je in einer Partei gewesen zu sein - natürlich zu voreingenommen für eine absolut objektive Kritik. Weshalb ich die drei an etwas anderem messen möchte: an ihrem eigenen Wort. Ja, das ist gemein.

Jens Spahn (CDU) ist die Hoffnung der Konservativen und Erzkonservativen und möchte das auch sein. Okay. Aber ich möchte den beurteilenden Blick auf einen Bereich lenken, der näher an seinem künftigen Job Gesundheitsminister ist: Datenschutz. Jens Spahn hatte zum Thema Datenschutz eine klare, unmissverständliche, geradezu eisenharte Meinung. Im Juli 2014 erklärte er: "Im internationalen Vergleich ist der Datenschutz in Deutschland besonders streng. Das soll auch so bleiben." Internationale Standards gut und schön, das dürfe "aber nicht bedeuten, dass wir unsere hart verteidigten Datenschutzstandards abschwächen". So weit also Jens Spahn 2014.

Januar 2016 fand sich auf einer Digitalkonferenz ein anderer, man könnte sagen: konträrer Datenspahn ein. Dort erklärte der kommende Gesundheitsminister, dass "Datenschutz die Konkurrenzfähigkeit deutscher Firmen" behindere. Datenschutz-Themen müssten ganz anders diskutiert werden, sonst treibe er "europäische Firmen in einen Todeskampf". Bumm. 180-Grad-Kehrtwende in 18 Monaten. Die zweite Äußerung ist medial überliefert, das erste Zitat fand sich lange Zeit unter jens-spahn.de, ist aber betrüblicherweise bei der Renovierung der Seite verschüttgegangen. Zum Glück existiert bei der CDU Borken der Text weiter und gibt Auskunft über den bemerkenswerten Wandel von Jens Spahn.

Heiko Maas

Fast ist es überflüssig, Maas' Umfallen auszuformulieren. Es ist so fest in seinen politischen Lebenslauf eingebrannt wie sein multimisslungenes Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Also nur die harten Fakten:

- im Dezember 2014 twittert Maas, er lehne die Vorratsdatenspeicherung heftig ab

- im Frühjahr 2015 demütigt ihn Demütigungsspezialist Sigmar Gabriel: VDS oder Abflug

- im Sommer 2015 legt Maas einen Gesetzentwurf für die Vorratsdatenspeicherung vor

So weit, so unschön, aber nachvollziehbar. Es kann und soll ja nicht jeder das Rückgrat der FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mitbringen, die in den Neunzigerjahren wegen des Großen Lauschangriffs zurücktrat. Leider aber erklärte Heiko Maas dieses betreute Umfallen im Juni 2015 auf beunruhigende Weise: Er habe zwar "früher anders über das Thema gedacht" (sprich: fünf Monate zuvor). Allerdings habe er sich damals schon gefragt, ob er seine "skeptische Position im Falle eines Terroranschlages wie in Frankreich" hätte halten können.

Hier muss man zum Verständnis ins Detail gehen - natürlich in Maas' eigenes Detail. Im Januar 2015 hatte er zur VDS noch öffentlich erklärt, es sei "fahrlässig, den Leuten weiszumachen, dass Anschläge damit zu verhindern seien". Es gebe die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich, und sie habe die Anschläge nicht verhindert. Fünf Monate zwischen Ablehnung und Befürwortung - mit ein und demselben Argument! Echte Kunst, auf die sogar Jens Spahn mit einem gewissen Neid schauen dürfte.

Dorothee Bär

Heftige Kritik musste die neue Digitalstaatsministerin einstecken. Männer in sozialen Medien warfen ihr "Ahnungslosigkeit" vor - misogynes Getöse, es ist leicht zu recherchieren, dass Bär sehr gut weiß, wovon sie spricht. Ebenso wurde sie für ihr Beispiel kritisiert, man müsse auf Flugtaxis hindenken. Das lässt sich leicht veralbern, Berlin und Flugverkehr führen ja keine von Glück geprägte Beziehung.

Aber es ist richtig gedacht - diesem Land fehlt schmerzlich eine digitale Vision. In einem Autoland, in dem die Öffentlichkeit Dieselmotoren mit größerer Hingabe betrachtet als Hebammen, ist das Beispiel gut. Denn es hängt viel dran, von der Transformation der Autoindustrie über Infrastruktur und Steuerungsintelligenz bis zum Rechtsrahmen. Aber dann hat Bär auf den doofen Datenschutz geschimpft, der sei "wie im 18. Jahrhundert". Soso.

Rückblende 2013: Dorothee Bär nutzt als aufstrebende CSUlerin Netzpolitik zur Profilierung, etwa bei bürgernahen Veranstaltungen zum Thema Datenschutz. Worüber sie anschließend bloggte. Tieftraurigerweise ist auch dieser Artikel von ihrer Seite verschwunden, nur die Überschrift ist noch da. Zum Glück erschien der Artikel zusätzlich im "Bayernkurier", und um auch Bär an ihren eigenen, früheren Worten zu messen: "Beim Thema Datenschutz wurde klar, dass das Ende der Privatsphäre im Internet genauso wenig akzeptiert werden kann wie ein Verzicht auf Anonymität." Bär bezeichnet also heute ihre eigene Haltung von 2013 als "Datenschutz wie im 18. Jahrhundert".

Die Weiterentwicklung der eigenen Haltung ist eine Stärke

Drei bemerkenswerte Fälle der GroKo-Hoffnungsminister - aber hier ist es trotz der merkwürdigen Entwicklung der Haltungen zu digitalen Grundrechten wichtig, zu differenzieren. Um diese Differenzierung würdig vornehmen zu können, möchte ich kurz ignorieren, dass Jens Spahn zweimal Unternehmensbeteiligungen unterhielt, die in seinen politischen Zuständigkeitsbereich fielen (was er leider vergaß mitzuteilen), darunter 25 Prozent einer Lobbyagentur mit dem Schwerpunkt Pharma/Medizin.

Ebenso möchte ich Heiko Maas' Affäre um gesponserte Möbel ignorieren und erst recht, dass Dorothee Bär ihren künftigen Ehemann sowie die Lebensgefährtin ihres Vaters mit Jobs in ihrem Büro versorgte. Denn grundsätzlich muss es legitim sein, seine Haltung zu ändern - und es ist jammerschade, dass hierzulande praktisch keine Fehler- und Wandelkultur besteht. In Deutschland muss man nicht nur recht haben, sondern auch schon immer recht gehabt haben. Das hindert dieses Land, bei der Digitalisierung voranzukommen, die dahinterstehende Überperfektion ist eine Garantie, tolle Digitalprodukte zu schaffen, die Probleme von vor zehn Jahren lösen.

Insofern ist Weiterentwicklung der eigenen Haltung insbesondere bei sich verändernden Umständen eine Stärke und keine Schwäche, auch in der Politik. Allerdings nur, wenn sie nachvollziehbar geschieht, also von plausiblen Argumenten begleitet wird. Ein nicht erklärter, nicht diskutierter oder aberwitzig begründeter Meinungswechsel zerrüttet das politische Vertrauen.

Politik ohne Verlässlichkeit ist quasi wertlos

Die beiden komplett konträren Datenschutz-Haltungen von Jens Spahn und Dorothee Bär sind absolut legitim und beide vernünftig zu begründen. Es gibt sowohl gegen als auch für die Vorratsdatenspeicherung sinnvoll anmutende Argumente, auch wenn mich dieser Satz persönlich schmerzt. Das Problem sind nicht die Haltungen selbst, sondern dass der Meinungswandel entweder nicht, nicht angemessen oder auf enorm unglaubwürdige Weise kommuniziert wurde.

Deshalb offenbart sich hier ein viel größeres Problem: die Glaubwürdigkeit der Politik in Zeiten des Wandels und damit der Substanz der Parteiendemokratie. Wer erst hü sagt und dann ohne aufrichtige Erklärung hott, beschädigt die politische Verlässlichkeit in einer Zeit, in der sich viele Menschen von der Politik verraten fühlen. Dieses Gefühl wird noch verstärkt durch absurde Begründungen wie "das dachte ich schon, als ich noch das Gegenteil behauptet habe". Eigentlich ist es bei der Digitalisierung geboten, die eigenen Perspektiven weiterzuentwickeln, wenn neue digitale Lagen auftreten, und das kommt nicht selten vor. Aber gleichzeitig ist gewählte Politik ohne Verlässlichkeit quasi wertlos, demokratische Wahlen sind auch Versprechungen der Konstanz, der Berechenbarkeit.

Und daraus ergibt sich der Zwang, öffentlich nachvollziehbar abzuwägen zwischen Verlässlichkeit und Weiterentwicklung der Positionen. Wie man das nicht macht, haben Spahn, Maas und Bär beim Thema Daten auf bewundernswerte Weise gezeigt. Jetzt bin ich gespannt auf ihr digitales Oeuvre der nächsten vier Jahre.“

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/jens-spahn-heiko-maas-dorothee-baer-von-der-kunst-elegant-umzufallen-a-1196850.html

 

Von Gabriel über Schulz zu Maas: Der Atlantic Council hat gewonnen

 

Norbert Häring: „Einer der meistgelesenen Beiträge auf diesem Blog (ca. 150.000 Aufrufe) hieß Trojanische Pferde des Kremls: Atlantic Council bläst zur Hatz auf Gabriel …“ Er stammt von November 2016. Ab da lief es nicht mehr gut für Gabriel. Wir wissen nicht, wie der Atlantic Council sein Ziel erreicht hat, aber dass er es erreicht hat, ist klar. SPD geht auf Distanz zu Russland, hieß am 9.4.2018 eine treffende Überschrift im Handelsblatt zur Außenpolitik von Heiko Maas und der ostpolitischen Kehrtwende der SPD. In den eineinhalb Jahren dazwischen ist einiges passiert. Die Schlüsselwörter heißen Nord Stream 2 und Sanktionen

Ich hatte ein Pamphlet des Atlantic Council namens The Kremlin's Trojan Horses ausgegraben und schrieb am 20.11.2016 darüber folgendes:

„Der Atlantic Council, ein eminent wichtiger Lobby- und Politikberatungsverein in Washington hat eine Studie herausgebracht, in der er Politiker verschiedener Parteien, einschließlich Sigmar Gabriel, zu Putins Fünfter Kolonne erklärt und Medien, Geheimdienste und Zivilgesellschaft zur Hatz auf diese auffordert. Martin Schulz hat offenbar mächtige Unterstützer bei seinem erstaunlichen Wunsch nicht nur Außenminister, sondern - statt Gabriel - auch SPD-Kanzlerkandidat zu werden.“

Als prominente Deutsche sind in den Gremien des "Thinktanks" aus Washington Wolfgang Ischinger (Münchener Sicherheitskonferenz) und Thomas Enders (Airbus) vertreten.

Das Cover der Atlantic-Council-Veröffentlichung zierte ein Foto von Gerhard Schröder mit schwarzem Balken über den Augen. Als pro-russische Schlüsselakteure in Deutschland wurden aus dem SPD-Lager zuvorderst aufgeführt, Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder, aus dem CDU-Lager Ronald Pofalla und aus dem Unternehmenslager Wolfgang Büchel und Klaus Mangold. 

Für keinen der Genannten lief es ab da karriere- und PR-mäßig gut. Bahn-Vorstand Pofalla scheiterte im folgenden Frühjahr mit der Ambition, Bahnchef Grube nachzufolgen, aufgrund mangelnden Rückhalts bei CDU und SPD, wie es in der Presse hieß. Linde-Chef Büchele kam nur zwei Wochen später seinem Rauswurf durch Rücktritt zuvor. Vorher hatte er seinen Platz auf der Schwarzen Liste des Atlantic Council gerechtfertigt, indem er in einem Gastkommentar im Handelsblatt am 21.11. unter dem Titel Zeit für Alternativen die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland forderte. Zeitgleich mit der Veröffentlichung der Liste der russischen Einflussagenten, steckte jemand der Presse, dass TUI-Aufsichtsratschef Mangold EU-Kommissar Oettinger im Privatjet zu einem Treffen mit Victor Orban in Budapest mitgenommen hatte. Ein Jahr später kam Mangold  in einem Tagesschau-Bericht zu den Paradise-Leaks auf unangenehme Weise groß heraus. Schröder und er bekamen die beiden längsten Einträge. Bei Mangold war das Vergehen, dass er Geschäfte mit dem russischen Milliardär Berezovsky gemacht hatte, der schon seit 2013 tot war.

Weil es im Lichte dieser Entwicklungen interessant sein könnte, will ich die Aufforderung des Atlantic Council zur Hatz auf die genannten "russischen Einflussagenten" im länglichen Original zitieren:

“The transatlantic community must do more to defend its values and institutions. To that end, Western governments should encourage and fund investigative civil society groups and media that will work to shed light on the Kremlin’s dark networks. European Union member states should consider establishing counter-influence task forces, whose function would be to examine financial and political links between the Kremlin and domestic business and political groups. American and European intelligence agencies should coordinate their investigative efforts through better intelligence sharing.”

Hat ja ganz gut geklappt.

Am schlechtesten erging es dem prominentesten "nützlichen Idioten Russlands", Sigmar Gabriel. Er hatte sich seinen Platz auf der Schwarzen Liste der zur Strecke zu Bringenden verdient, indem er im Mai 2016 einen schrittweisen Abbau der nach der Krim-Annexion verhängten Sanktionen verlangte. In den USA war man not amused. Vizepräsident Joe Biden äußerte sich laut EUObserver (zitiert nach Deutsche Wirtschaftsnachrichten) besorgt. Er gehe davon aus, dass „mindestens fünf EU-Staaten“ bereit seien, die gegen Russland bestehenden Sanktionen zu lockern. Die ukrainische Regierung mache sich deshalb berechtigte Sorgen. Der EUObserver verwies in diesem Zusammenhang auf die neue, weichere Linie der SPD und schrieb, dass die SPD eine Lockerung der Russland-Sanktionen zu ihrem Wahlkampfprogramm für die Bundestagswahlen machen möchte.

Es bildete sich umgehend ein Arbeitskreis Neue Ostpolitik von SPD-Mitgliedern gegen Gabriels zahme Russlandpolitik, der "die Pro-Russland-Connection in der SPD aufarbeiten“ wollte. Im Gegensatz zu Gabriel war Martin Schulz ein verlässlicher Transatlantiker. Im März 2014 war er noch voll auf der Entspannungslinie seines Parteifreunds Gabriel gewesen und wollte das Ukraine-Krim-Problem mit Russland vor allem durch Gespräche lösen, nachzulesen etwa in einem Interview mit profil.at. Ein Jahr später war er schon voll auf Antirussenkurs eingeschwenkt und trommelte für Härte in der Sanktionsfrage und äußerste Wachsamkeit an der Propagandafront: Er sagte der Zeit:

„Wir müssen uns dem Versuch Putins, die EU zu spalten und im Innern der EU Einfluss auszuüben, mit allen Mitteln entgegenstellen. Das geschlossene Auftreten der EU in der Sanktionsfrage ist in der Tat ein großer außenpolitischer Erfolg.“

Bei dieser Linie blieb Schulz. Kurz nach Gabriels Moskau-Reise, aber vor Erscheinen der Atlantic-Council-Studie, fuhr er seinem Parteifreund mit einem Interview mit dem Deutschlandfunk in die Parade, in dem er noch einmal betonte: „Wir müssen hart in unserer Gegenstrategie sein.“

Am 23.11., rund eine Woche nach Veröffentlichung des Atlantic-Council-Papiers, verkündete Schulz via Süddeutsche Zeitung seine Absicht, von Brüssel nach Berlin zu wechseln. Gabriel zierte sich noch eine Weile, zugunsten von Schulz abzutreten. Am 24.1.2017 schließlich machte er über den Stern bekannt, dass er vom Parteivorsitz zurücktrete und Schulz als Kanzlerkandidat vorschlage. Offenbar als Gegenleistung durfte er Außenminister werden.

Es folgte eine der schrägsten Episoden der deutschen Mediengeschichte. Einige Monate lang wurde der langweilige Europapolitiker aus Würselen in den meisten maßgeblichen Medien in regelrechten Begeisterungsstürmen zum charismatischen Retter der SPD verklärt, der Merkel stürzen könne. Das gipfelte im legendären Messias-Cover des Spiegel.

Bei der Bundestagswahl holte der Messias dann 20,5% für seine Partei. Trotz dieses Desasters historischen Ausmaßes wollte er nicht von der Parteispitze abtreten, sondern sie selbst „erneuern“. Doch mit seinem letzten Dienst an der transatlantischen Freundschaft brauchte er sein verbleibendes politisches Kapital und seine Nützlichkeit für die transatlantische Sache auf und musste gehen. Gabriel war in seiner neuen Funktion als Außenminister ein transatlantisches Ärgernis geblieben. So schreib die Welt Ende November 2017 unter der Überschrift Gabriel kritisiert EU-Widerstand gegen Nord Stream 2  resümierend:

„Sigmar Gabriel nutzt als Außenminister jede Chance für einen Kontakt mit Russland. Beim vierten Besuch in diesem Jahr stärkt er den Investoren eines umstrittenen Erdgas-Projekts den Rücken.“

Durch Intrigenspiel kegelte Schulz den transatlantisch-unbotmäßigen Gabriel aus dem Amt des Außenministers. Gabriel schlug mit einer öffentlichen Attacke gegen den aus seiner Sicht wortbrüchigen Schulz zurück und zog diesen mit hinunter ins politische Nirwana.

Mit einer von der Nato finanzierten Broschüre mit dem Titel Democratic Defense Against Disinformation machte der Atlantic Council im Februar 2018 auf gar nicht subtile Weise deutlich, welcher deutsche Politiker das Vertrauen der „transatlantischen Gemeinschaft“ genießt und damit als Außenminister geeignet wäre. Dieser Politiker bekam als einziger ein Portraitfoto und sein NetzDG eine lobende Erwähnung als vorbildhafte Maßnahme im Kommunikationskampf gegen Russland.

Anfang März wurde Heiko Maas schließlich zum neuen Außenminister auserkoren und er enttäuschte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Schon nach wenigen Wochen im Amt war im Handelsblatt treffend zu lesen, dass mit ihm die SPD auf Distanz zu Moskau gehe:

„Schon in seiner Antrittsrede gab er das Signal, dass er aus den Fußstapfen seiner sozialdemokratischen Vorgänger Gabriel und Frank-Walter Steinmeier heraustreten will. Und das ausgerechnet in der für die SPD so heiklen Frage der Russlandpolitik. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern verfolgt Außenminister Maas einen kritischen Kurs gegenüber Russland – und erhält Unterstützung von aufstrebenden Kräften in der SPD.“

Der neue außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, brach ganz in diesem Sinne in Sachen Nord Stream 2 mit der bisherigen Linie der SPD und Gabriels, als er nun verkündete:

„Wegen der politischen Brisanz tun wir gut daran, das Projekt Nord Stream 2 in die EU-Erdgaspolitik einzubinden und uns gerade mit den Osteuropäern abzustimmen.“

Die ostpolitische Wende der SPD scheint geschafft.“

http://norberthaering.de/de/27-german/news/970-gabriel-maas

 

Dieter Dehm und Die Linke

 

Ken Jebsen 2015 im Gespräch mit Diether Dehm:

 

 

Dieter Dehm im Interview mit Philip Eppelsheim von der FAZ:

Herr Dehm, Sie haben Außenminister Heiko Maas als „Nato-Strichjungen“ bezeichnet. Wie stehen Sie zu dieser Äußerung?

Angesichts dessen, dass Heiko Maas jetzt auch von den britischen Wissenschaftlern dahingehend korrigiert worden ist, dass die sagen „Die Beweislage ist keinesfalls klar“, sind seine Vorverurteilung, Russland beziehungsweise Putin seien schuld an dem Mordanschlag, und die Diplomatenausweisung lebensgefährlich für den Frieden. Ich bin jemand, der auch als künstlerischer Autor satirisch tätig ist und war, und es ist in dieser brandgefährlichen Situation notwendig, zu alarmieren und wachzurütteln. Notfalls auch per Tabubruch.

Sie stehen also weiterhin zu Ihrer Wortwahl?

Über die Wortwahl lässt sich streiten. Und ich verstehe auch Kritik daran von Mitstreitern. Man kann das alles auch anders formulieren. Sicher, ich hätte besser Nato-Strichmännchen sagen sollen, damit sich niemand sonst diskriminiert fühlt. Aber eine politdiplomatische, unauffälligere Wortwahl versinkt meist im Mainstreambrei. Das halte ich für genauso unangemessen, wie ich es einst für falsch gehalten hatte, auf Straßenblockaden gegen Atomraketen zu verzichten oder auf anderen zivilen Ungehorsam. Es gibt ja auch sprachliche Formen von zivilem Ungehorsam.

Ihre eigene Parteiführung sieht das anders.

Bernd Riexinger hat gesagt, meine Wortwahl sei unter der Gürtellinie gewesen. Das ist sicherlich zutreffend. Das nenne ich eben sprachlich zivilen Ungehorsam. Es gibt durchaus schärfere Angriffe, die man sich in Parteien und Parlamenten antut. Denken Sie nur an Herbert Wehners „Hodentöter“.

Und Sie meinen, dass sprachlicher ziviler Ungehorsam erlaubt sein soll?

Ja, der ist auch nötig. Er muss erlaubt sein. Es ist aber von der Person und Situation abhängig. Wie ich jetzt bestimmte Persönlichkeiten des Bundestages kenne, dann würden die das nie tun. Und ich würde es ihnen auch nicht raten. Aber ich habe auch schon pro Christian Wulff zu einer drastischen Wortwahl tendiert, weil ich die Hetze gegen ihn damals nicht für rechtsstaatlich hielt. Und nachdem ich vorgestern bei Puigdemont im Gefängnis war, habe ich zugespitzt gefordert: „Keine Auslieferung an Francos Erben!“ So habe ich vorletzte Woche die verbotene Öcalan-Fahne in Hannover hochgehalten, weil ich so etwas für nötig halte, um darauf hinzuweisen, dass die PKK wie in Belgien von der Terrorliste runterkommt. Ich habe in vielen Fragen, wie gestern der renommierte Journalist Albrecht Müller schrieb, gegen die feine englische Art verstoßen, aber in der Sache recht.

Wenn Sie sich meine Rede vom Ostermarsch ganz antun, dann werden Sie die Relation hören. Es gibt eine Pentagon-Studie aus dem Dezember 2017, in der gesagt wird, nicht die Dschihadisten und nicht die IS-Terroristen seien der Hauptfeind der USA, sondern Russland. Und natürlich geht es auch um ökonomische Konzerninteressen. Es geht also auch um eine Propagandaschlacht für das US-Fracking-Gas und gegen das billigere Gas, also gegen den Bau der russischen Pipeline „Northstream II“. Diese schreckliche Pentagon-Studie gibt es. Und dazu Trumps Aufrüstungspläne. Das ist alles keine Verschwörungstheorie. Und dies alles spielt mit dem dritten Weltkrieg. Und dass da jetzt Mitglieder der Bundesregierung, statt zu mäßigen und zu vermitteln, sofort als erste Amtshandlung in dieses NATO-Horn blasen, ist gefährlich. Heiko Maas ist ein Volljurist, der die Unschuldsvermutung kennt und auch als Außenminister und oberster Diplomat zur Umsicht angehalten ist. Aber er hat sich allemal so undiplomatisch verhalten wie ich.

Inwiefern ist sein Verhalten undiplomatisch?

Die Mehrheit unserer Industrie wünscht zumindest einen friedlichen Handel mit Russland. Die Mehrheit unserer Bevölkerung will es. Eigentlich ist es angesagt, dass unsere Regierung die Chance nutzt, zwischen den Blöcken einen Modus Vivendi zu finden und nicht noch weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Sigmar Gabriel hat das, bei aller Kritik, die ich hatte, nicht gemacht. Und wenn ich mich erinnere, was Hans-Dietrich Genscher, den ich ebenfalls kritisiert habe, zum Verhältnis zu Russland nach 1989 gesagt hat, bin ich da glaube ich auf dem richtigen Weg. Die Wortwahl ist ein alarmierendes Wachrütteln in einer Situation, in der ich das Gefühl habe, dass wir, wie in Hermann Brochs Roman von den Schlafwandlern, auf einen Krieg zusteuern. Auch die letzten Kriege wurden mit Lügen begonnen.“

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/heiko-maas-als-nato-strichjunge-diether-dehm-verteidigt-sich-15526233.html

 

Bad Boy Dehm

 

Bernhard Loyen: „Die Linke möchte mal wieder Mitglieder ihrer Partei vorsätzlich missverstehen. Schlimmer noch, Genossen, die klare Formulierungen nicht scheuen, wird unmittelbar gedroht. Die Frankfurter Allgemeine informiert: Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Diether Dehm, gerät nach seiner Verbalattacke auf Außenminister Heiko Maas in der eigenen Partei unter Druck. Der Berliner Bezirkspolitiker Oliver Nöll stellte den Antrag auf ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Parteiausschlusses. Parteichef Bernd Riexinger distanzierte sich von Dehms Äußerungen.

Da jubeln die Erfüllungsgehilfen in den Redaktionsräumen bei Springer & Bertelsmann. Nein, Ecken und Kanten, klare Statements und vor allem Rückgrat sind in dieser Partei schon lange nicht mehr erwünscht. Das weiß vor allem Parteikollege Klaus Lederer. Dieser wird zur Causa Dehm wie folgt zitiert: Berlins Kultursenator Klaus Lederer distanzierte sich bei Twitter von seinem Parteifreund und sprach von „projiziertem Selbstmitleid des in die Tage gekommenen Möchtegern-Gigolos und Möchtegern-Popstars, getarnt als politische Haltung. Gewohnt peinlich im Stil, aber schon deshalb lange nicht mehr ernst zu nehmen.“ Besucht man Lederers Twitter Account, findet man auch ein sog. Retweet, d.h. Lederer unterstützt die inhaltliche Aussage. Formuliert von einem Volontär der Berliner Morgenpost lautet sie: Kein Wunder, dass Ostermärsche sterben. Sie werden seit Jahren von Russlandverstehern & Verschwörungstheoretikern im Friedensaktivistengewand missbraucht. Wir kommen der eigentlichen Sache näher.

Worum geht es also? Ein Mitglied der Partei Die Linke, Diether Dehm, hält auf einer Demonstration beim traditionellen Ostermarsch in Berlin eine knackige 16minütige Rede und findet deutliche Worte zur aktuellen Kampagne gegen Russland. Er klärt auf, über die Diskrepanz militärischer Wehretats von den USA und Russland & China. Sie lauten 900 Milliarden gegenüber 64 bzw. 120 Milliarden. Er erinnert an die tiefe Wunde, die deutsche Soldaten im 2. Weltkrieg in Russland hinterlassen haben. 27 Millionen tote Sowjetbürger. Er erklärt die wahren Gründe, Motivationen und Ziele der aktuellen Russland-Politik eines Großteils diverser Nato-Mitgliedsstaaten. Dann formuliert er seine Definition außenpolitischer Äußerungen, des noch frischen Ministers Maas zu Russland.

Focus online fasst die Antrittsrede von Heiko Maas wie folgt zusammen: Der Fall Skripal brachte das Fass zum Überlaufen. Maas zeichnet hier eine neue Linie. Und der Fall Skripal ist dabei gewiss nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, auch wenn der Einsatz eines chemischen Kampfstoffes von erheblicher Tragweite ist. Der Westen stand vor der Frage, wie viel Provokation er sich von Russland noch bieten lassen wollte, bevor er ein Stopp-Signal setzte. Da war die Annexion der Krim, die Invasion in der Ost-Ukraine, wo angeblich einige russische Soldaten lediglich Urlaub machten. Es gab den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 und das provokante Vorgehen in Syrien und – nicht zu vergessen – die Cyber-Attacken auf die IT-Systeme von Bundesregierung und Bundestag.

Dehm erwiderte diesen Ausführungen und dem Monate langen Russland-Bashing die nun kritisierte Formulierung: Das ist nun die Situation, in der ein gut gestylter Nato-Strichjunge, ich wiederhole das nochmal, ein gut gestylter Nato-Strichjunge Heiko Maas meint, jede Rechtmäßigkeit und das Grundgesetz mit Füßen treten zu müssen.

Voila, da haben wir den Skandal. Was erregt nun bundesweit so viele Gemüter? Nein, nicht die Äußerungen von Herrn Maas zu Russland. Nein, nicht die Bündnistreue unserer Regierung zu der Lachnummer aus England. Nicht das Schweigen unserer Politiker zu jahrzehntelangen Provokationen der USA und anderer Nato-Mitgliedsstaaten gegenüber Russland und den damit verbundenen Friedensgefährdungen. Es ist das Bindestrichwort Nato-Strichjunge. Hätte Dehm Nato-Marionette, -Faktotum, -Laufbursche, -Bückling, oder -Knappe gerufen, hätte es keinerlei Aufschrei gegeben. Wo nun der Bindestrich im Manuskript gesetzt war, ob nach Nato, oder Strich ist völlig nebensächlich. Dehm erwidert seinen Kritikern in einem Interview am gestrigen Tage: Über die Wortwahl lässt sich streiten. Und ich verstehe auch Kritik daran von Mitstreitern. Man kann das alles auch anders formulieren. Sicher, ich hätte besser Nato-Strichmännchen sagen sollen, damit sich niemand sonst diskriminiert fühlt. Aber eine politdiplomatische, unauffälligere Wortwahl versinkt meist im Mainstreambrei. Das halte ich für genauso unangemessen, wie ich es einst für falsch gehalten hatte, auf Straßenblockaden gegen Atomraketen zu verzichten oder auf anderen zivilen Ungehorsam. Es gibt ja auch sprachliche Formen von zivilem Ungehorsam.

Fassen wir zusammen. In keinem der pseudo-echauffierten Leitartikel wurde darauf hingewiesen, dass Dehm unmittelbar nach seiner Formulierung in der gleichen Rede darauf hinwies, am 1. April Carles Puigdemont im Gefängnis aufzusuchen. Gelebte und vor allem praktizierte Solidarität. Zeit online informierte im Anschluss des Besuches: Dehm berichtete, Puigdemont habe Angst vor einer Abschiebung nach Spanien. Er habe gesagt, die spanische Justiz sei ganz anders als die deutsche. Dehm berichtete weiter, er habe Puigdemont angeboten, in seinem Haus in Hessen zu wohnen, wenn er das Land wegen Verdunkelungsgefahr nicht verlassen dürfe. Zumindest dem ZDF war es immerhin einen Kurzbeitrag wert.

Ausser bei Andrej Hunko, erfährt man jedoch davon nichts auf den Seiten der Partei Die Linke. Nicht bei Herrn Riexinger, nicht bei Frau Kipping, Herrn Liebich, Herrn Gysi und sowieso nicht bei Herrn Lederer, der so gerne retweetet. Nein, dieser hat mehr Verständnis für Ostermarsch-Nichtversteher und Russlandhasser. Es gibt Gründe für die aktuellen Wahlergebnisse der Partei Die Linke. Noch duldet sie aufrechte Mitglieder wie Sarah Wagenknecht und Diether Dehm in ihren Reihen. Noch.

Solidarität und Unterstützung gehört daher jenen Menschen, die Solidarität und Friedenspolitik nicht nur predigen, sondern auch praktizieren, die für diese Inhalte leben und kämpfen und gerade stehen, so wie Diether Dehm.“

https://kenfm.de/tagesdosis-5-4-2018-bad-boy-dehm/

 

„Linke“ Liebesdiener der NATO

 

Rainer Rupp: „Angesichts der sich gefährlich zuspitzenden Weltlage und der nicht müde werdenden Hetze der NATO-Politiker und ihrer Hofschranzen in den Mainstream-Medien gegen Russland, hätten die Ostermärsche für den Frieden dieses Jahr viel machtvoller sein müssen. Statt Hundert Tausend hatten sich z.B. in Frankfurt Main laut Polizei knapp 1.500 Demonstranten versammelt, in Kassel etwa Tausend und in Marburg, eine der ehemaligen Hochburgen der Friedensbewegung, waren es nur noch 400. Dennoch freute sich Willi van Ooyen, der Sprecher des Ostermarschbüros: „Es sind viel mehr gekommen als erwartet“. Die Teilnehmerzahlen seien dieses Jahr etwas höher gewesen. Tatsächlich war das Ergebnis ein kläglicher „Erfolg“ auf sehr niedrigem Niveau. Für dieses jämmerliche Versagen der deutschen Friedensbewegung macht Thomas Schwarz in einem aktuellen RT-Deutsch Artikel zu Recht Teile der Partei „Die Linke“ und andere, pseudo-„linke“ Organisationen wie z.B. die „antifa“ verantwortlich.

Tatsächlich hat sich die einst antifaschistische Bewegung in eine virulente und gewalttätige, pro-zionistische und menschenverachtende Organisation gewandelt, die sich unter falscher „linker“ Flagge immer wieder mit Kriegshetze gegen die Palästinenser hervortut, z.B. bei Demos mit Plakaten wie: „Bomben auf (die palästinensische Stadt) Ramallah, das ist die wahre antifa“. Bisher hat die Führung der Partei die Linke sich weder von der antifa noch von der nicht weniger gefährlichen und gewaltbereiten pro-zionistischen „Bak Shalom“ Fraktion in der Partei „Die Linke“ distanziert, um nur zwei von vielen ähnlichen „links“ blinkenden Gruppierungen zu nennen. Diese „Linken“ haben inzwischen zunehmend NATO-Positionen für „humanitäre“ Interventionskriege übernommen und sind zugleich in Frontstellung gegen Russland gegangen. Von diesen „Linken“ wird Pazifismus als „rechts“ diffamiert, und um den Frieden besorgten Menschen wird das Etikett „Querfront“ oder „Verschwörungstheoretiker“ angehängt.

Ohne diese Schützenhilfe von „links“ hätte die Hetzkampagne der großen Medien gegen Friedensdemos niemals diese Wucht entfalten können, so Thomas Schwarz in seiner Analyse. Das Parteiblatt der Linken, „Neues Deutschland“ bezeichnete die Teilnehmer der Mahnwachen für den Frieden als „günstigstenfalls verwirrte, schlimmstenfalls von ihrem Wahn überzeugt“. Die Grüne taz beleidigte die Demo-Teilnehmer pauschal als von Russland verführte „Wirrköpfe“. Der Spiegel verbreitete, beim Friedenswinter würden sich „Putin-Fans, Pazifisten und Verschwörungstheoretiker“ versammeln, der Tagesspiegel sah bei den pazifistischen Demos vor allem „Verschwörungstheoretiker, radikale Linke und Neonazis“.

Ganz vorne in der Reihe der Gegner des Friedenswinters hat sich damals erwartungsgemäß auch der linke Politiker und heutige Berliner Kultursenator Klaus Lederer positioniert: Die Mahnwachen für den Frieden würden „den Boden für Rechtspopulismus, Antisemitismus und Rassismus“ bereiten. Er sehe das alles „mit Gruseln“. So wundert es auch nicht, dass die „Querfront“-Inquisitoren des Berliner Landesverbands der Partei „Die Linke“ den Ostermarschaufruf für Berlin nicht mitunterzeichnet haben. Der Grund war, dass den Berliner „Linken“ unter Führung von Lederer die eindeutigen Aussagen im Text des Aufrufs über NATO und Russland nicht gepasst haben. (http://www.frikoberlin.de/oster/2018/om2018_flyer.pdf) Nachfolgend eine der für die Berliner Lederer-„Linke“ anstößigen Textstellen:

„Steht Russland angriffsbereit an den Grenzen der westlichen Industrieländer? Nein. Erhöht Russland seine Militärausgaben? Nein, es verringert sie sogar. Hat es einen Raketenabwehrschirm aufgebaut? Nein! Aber die NATO steht schon an den Grenzen Russlands und hält dort Manöver ab, hat viermal so viel Soldaten wie Russland, gibt zehnmal so viel für das Militär aus und hat beschlossen, ihre Militärhaushalte noch erheblich zu erhöhen. Wir wissen, dass jede weitere NATO-Waffe Spannungen erhöht und militärische Gegenmaßnahmen auslösen kann. Deshalb wollen wir, dass Bundeswehr und NATO abrüsten. Das ist das einzig richtige Signal für vertrauensbildende Maßnahmen und eine Politik der Entspannung!“

Der Textauszug ist in der Tat starker Tobak, mit dem sich ein „Linker“, der mit der Möglichkeit liebäugelt, bei den nächsten Wahlen im Bund Regierungsverantwortung zu übernehmen, unmöglich identifizieren kann. So ist es denn auch nur folgerichtig, wenn Lederer zu denen in der „Linken“ gehört, die sich am meisten über Diether Dehms zutreffende Beschreibung des neuen deutschen Außenministers Heiko Maas als gut gestylten „Strichjungen der NATO“ aufregen. Nun ist die Empörung unter den linken Ankömmlingen und Karrieristen groß. Man echauffiert sich über Dehms Verstoß gegen die guten Sitten durch seine politisch inkorrekte Wortwahl, anstatt gemäß der friedenspolitischen Beschlusslage der Linkspartei die NATO-Kriegspolitik und das Mittun der CDUCSUSPD-Einheitspartei anzuprangern.

Da sind viele Leser der konservativen FAZ linker als die Berliner Lederer-Linken. Etwa die Hälfte der Kommentare auf Dieter Dehms Interview in der FAZ, in der er sein Strichjungen-Zitat nochmals bekräftigt, stimmt dem Mitglied der Linksfraktion im Bundestag Dehm zu. „Wo Dehm recht hat, hat er recht“, war der Tenor. Nur in einem Punkt wird Dehm auf einen Fehler hingewiesen, als er Bezug nehmend zur britischen Skripal-Novichok-Provokation gegen Russland sagte:

„ ….und dies alles spielt mit dem dritten Weltkrieg. Und dass da jetzt Mitglieder der Bundesregierung, statt zu mäßigen und zu vermitteln, sofort als erste Amtshandlung in dieses NATO-Horn blasen, ist gefährlich. Heiko Maas ist ein Volljurist, der die Unschuldsvermutung kennt und auch als Außenminister und oberster Diplomat zur Umsicht angehalten ist.“

Ein Leser verweist Dehm darauf, dass „Herr Maas kein Volljurist“ sei. Er habe „nur ein Staatsexamen, d.h. eine unvollständige Ausbildung wie viele unserer Politiker. Ansonsten Danke, Herr Dehm – wenn ich auch nicht zu Ihrer Seite neige, freue ich mich dennoch über handfeste, ehrliche Politikerpersönlichkeiten … da fallen mir nicht mehr viele ein.““

https://kenfm.de/tagesdosis-6-4-2018-linke-liebesdiener-der-nato/

Nein, von der Partei Die Linke ist nichts Positives zu erwarten. Die Fortschrittlichen in dieser wie in anderen Parteien sollten eine mehr oder weniger linke Sammlungs-Bewegung organisieren – mit den aktuellen Parteien in ihrem jetzigen Zustand ist kein Staat zu machen.

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm