„Leser lassen sich in drei Teile teilen – die oberflächlichen, die unwissenden und die gelehrten; ich habe meine Feder mit viel Glück dem Genius und dem Vorteil eines jeden angepasst. Der oberflächliche Leser wird wunderbar zum Lachen gereizt werden; das Lachen aber reinigt Brust und Lungen, es ist ein herrliches Mittel gegen die Hypochondrie und die unschuldigste aller urintreibenden Medizinen. Der unwissende Leser (der Unterschied zwischen ihm und dem vorgenannten ist ausserordentlich fein) wird geneigt sein, offenen Mundes zu starren; das hilft wunderbar gegen kranke Augen; es dient dazu, die Lebensgeister aufzurichten und anzufeuern und unterstützt die Schweissbildung wunderbar. Aber der wirklich gelehrte Leser, zu dessen Wohl ich wache, wenn andre schlafen, und schlafe, wenn andre wachen, wird hier des Stoffes genügend finden, um für den Rest seiner Tage seine Spekulationen zu beschäftigen.“
http://gutenberg.spiegel.de/buch/ein-marchen-von-einer-tonne-7224/3
Oft ist es traurig, was sich ein Wurm mit den meisten Menschen und deren Treiben antun muss. Umso erfreulicher ist es, wenn er sich einem Menschen widmen darf, der ihm großen Grund zur Freude bereitet.
In diesem Falle ist es Jonathan Swift, der vor 350 Jahren geboren wurde und aus dessen „Ein Märchen von einer Tonne“ die Eingangsworte stammen.
Jonathan Swift
„Geboren ward Swift am 20. November 1667 in Dublin von englischen Eltern. Nach kümmerlicher, von Hunger und Demütigungen begleiteter Universitätszeit, die ihn verbitterte und seine skeptischen Anlagen nährte, ward er 1688 Sekretär des Staatsmanns Sir William Temple zu Moor Park. Hier lernte er dessen uneheliche Tochter, Esther Johnson kennen und lieben, die unter dem Namen "Stella" einen Platz in Swifts Werken bekommen hat. Swifts Ehrgeiz stand nach einem hohen Kirchenamt.
Als die Whigs, für die er bisher gekämpft hatte, ihm nur eine kleine Pfarre vermittelten, ging er 1710 zu den Tories über, die ihm jedoch auch nur das Dekanat von St. Patrick in Dublin verschafften. Gereizt trat er sein Amt an, und es mag ihm nicht unlieb gewesen sein, dass die Behandlung Irlands durch England ihm die Gelegenheit bot, gleichzeitig für das unglückliche Land einzustehen und sich an der Regierung zu rächen.
In den "Briefen des Tuchhändlers W. B. in Dublin" (1723) protestierte er unter der Maske und im volkstümlichen Stil eines Krämers gegen die Einführung des neuen Kupfergeldes in Irland und erwies sich als außerordentliches demagogisches Talent. Als er in dem vierten Briefe alle Klagepunkte Irlands gegen England zusammenfasste, ward die Aufregung im Lande so ungeheuer, daß die Regierung für den Nachweis des anonymen Verfassers der Briefe 300 Pfund Belohnung aussetzte. Sie musste nachgeben, und Swift ward eine Zeitlang in Irland geradezu angebetet. Er konnte dem Erzbischof Boulter, der ihn der Aufwiegelung des Volkes zieh, ohne Übertreibung antworten: "Ich brauchte bloß meinen Finger zu heben, und Sie würden in Stücke gerissen."“
http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/swift.htm
Das ist so das Wesentliche, was mensch über Jonathan Swift wissen muss. Mehr aus seinem Leben gibt’s unter anderem im Projekt Gutenberg:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/reise-nach-lilliput-4283/1
http://gutenberg.spiegel.de/buch/jonathan-swift-eine-ubersicht-uber-sein-leben-7221/2
Philanthropischer Misanthrop
Aus „Wikipedia“: „Misanthropie beschreibt die Sichtweise einer Person, welche die Menschen hasst oder zumindest deren Nähe ablehnt. Eine solche Person wird Misanthrop („Menschenhasser“, „Menschenfeind“) genannt.
Misanthropie charakterisiert eine Geisteshaltung, keine Handlungsweise. Ein Misanthrop muss weder gewalttätig, aggressiv noch arrogant sein, altruistisches Handeln ist bei ihm nicht ausgeschlossen. Die Misanthropie steht, trotz des etymologischen Anscheins, begrifflich nicht im Gegensatz zum verwandten Begriff der Philanthropie, mit dem im Allgemeinen eher die Handlungsweise als die Einstellung eines Menschen bezeichnet wird. Bei extremen Fällen von Abscheu dem Menschen gegenüber sondert sich der Misanthrop ab und führt ein Einsiedlerdasein. Diese selbst gewählte Isolation ist von pathologischer Menschenscheu zu unterscheiden, bei der trotz des Wunsches danach keine Nähe zur umgebenden menschlichen Gemeinschaft erreicht werden kann.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Misanthropie
Wg. seiner bösartigen Schriften wurde und wird Jonathan Swift oft als Misanthrop beschrieben. Das stimmt voll und ganz, aber auch nur zum Teil.
Denn: mensch wird Mühe haben, einen auch nur ähnlich engagierten Menschen zu finden, der sich dermaßen für seine Mitmenschen eingesetzt hat und deshalb auch heute noch so verehrt wird wie Jonathan Swift.
Wer damit anfängt, die Menschen zu lieben, wird damit enden, dass er sie hasst. Von wenigen Ausnahmen abgesehen.
Diejenigen, die sich selbst lieben, werden das bis zum Ende tun und ungeachtet dessen, was sie sonst sagen, wird ihnen der Rest der Menschheit reichlich egal sein.
Das Wort „bösartig“ ist vom Wurm übrigens keineswegs negativ gemeint – Jonathan Swift druckst nicht herum, sondern bringt klar und deutlich zum Ausdruck, was er will. Auch wenn das die so Geschilderten noch so sehr zur Weissglut bringt.
ad usum Delphini
„Wikipedia“ über „Gullivers Reisen“: „In anschaulicher Erzählweise bringt Swift seine Verbitterung über zeitgenössische Missstände und seine Auffassung von der Relativität der menschlichen Werte zum Ausdruck …
Das Werk ist pure Satire: Viel eher eine Streitschrift als ein frühes unpolitisches Werk der Fantastik, voller Seitenhiebe und Gehässigkeiten …
Als Gegenreaktion – man konnte dieses bekannte Werk nicht einfach „unterdrücken“ – entstanden auch „entschärfte“ Ausgaben, in denen die manchmal derben Episoden und gesellschaftskritischen Passagen ad usum Delphini aufbereitet wurden: es wurde so lange zusammengestrichen und vereinfacht, bis aus der Geschichte ein Kinderbuch für „einfache Gemüter“ geworden war, wie es auch heute noch oft mit netten und lieblichen Illustrationen aufgelegt wird.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Gullivers_Reisen
„Die lateinische Formel ad usum Delphini bedeutet „zum Gebrauch des Dauphins“. Sie ist am französischen Königshof seit dem späten 17. Jahrhundert nachweisbar, möglicherweise aber noch älter, und bezeichnet ursprünglich Bearbeitungen literarischer Werke der klassischen Antike. Diese wurden im Sinne der jeweils herrschenden Moralvorstellungen „entschärft“, da man manche Inhalte für den Unterricht des Kronprinzen (der in Frankreich traditionell den Titel Dauphin trug) als ungeeignet empfand. Der Begriff wurde später auch allgemein für Texte übernommen, die, beispielsweise nach Zensurmaßnahmen, „gereinigt“, das heißt meistens verkürzt erschienen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Ad_usum_Delphini
Tatsächlich ist „Gullivers Reisen“ ein bitterböses Werk so wie die meisten Schriften von Jonathan Swift es auch sind. Um diese besser verstehen und genießen zu können, empfiehlt der Wurm sehr, sich kommentierte Bücher zuzulegen, die mensch erklären, was jeweils gemeint ist.
Während Jonathan Swift im englischsprachigen Raum immerhin als größter Satiriker englischer Zunge bekannt ist, gilt er im deutschen Sprachraum weitest gehend als Schreiber lustiger Kinderbücher. Und beraubt ihn damit seines gesamten Inhalts. Und da er so lustige Kinderbücher schreibt, ist es wohl unerwünscht, richtig Ernsthaftes von ihm und über ihn zu erfahren.
Immerhin gibt es zwei nennenswerte Ausnahmen: Seit 2015 gibt es den vom Schweizer Werner Dessauer gestifteten und jährlich verliehenen „Jonathan Swift – Internationaler Literaturpreis für Satire und Humor“ http://www.jonathan-swift-preis.ch/
Und in der früheren DDR wurde Jonathan Swifts Erbe hochgehalten. Neben größeren Ausgaben vor allem in der Zusammenstellung „Respektlose Schriften“ aus dem Jahr 1979. Wg. Überlänge sind dort „Gullivers Reisen“ und das „Tonnen-Märchen“ nicht aufgeführt, ansonsten aber die Höhepunkte seines Schaffens: 23 Schriften, von denen der Wurm einige zitieren wird.
Wie alle anderen in der DDR gedruckten Bücher, fielen auch die Bücher über Jonathan Swift nach der Macht-Eroberung der westdeutschen Säuberung zum Opfer. Dankenswerterweise hat Peter Sodann in einer groß angelegten Aktion alle Bücher gerettet, die noch zu retten waren. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/288-die-sodann-bibliothek.html und http://www.edwin-grub-media.de/reiseberichte/europa/deutschland/sachsen/peter-sodann-bibliothek.html
Wer mehr von Jonathan Swift lesen möchte, sollte die Gelegenheit wahrnehmen, für ein paar Tage nach Staucha in die „Herberge zum guten Buch“ zu ziehen und sich dort ein paar Bücher aus der Peter-Sodann-Bibliothek auszuleihen.
Ein lohnendes und unvergessliches Erlebnis!
Gullivers Reisen
In einem früheren Beitrag hatte der Wurm bereits aus Jonathan Swifts Hauptwerk zitiert:
„Etwas drastischer ist Jonathan Swift in „Gullivers Reisen“. „Gullivers Reisen“ wurde wg. seiner Bekanntheit und Beliebtheit zum Kinderbuch „degradiert“. Tatsächlich ist es eine bitterböse Satire auf die politischen Zustände der Zeit und den Menschen an sich, mit dem Jonathan Swift hart, aber gerecht umgeht. Als wär’s ein Stück vom Wurm.
In der folgenden Passage befindet sich Gulliver auf der Insel der Houyhnhnms, die vernunftbegabte Pferde sind. „Mein Herr“ ist ein Houyhnhnm. Auf der Insel befinden sich auch wilde Yahoos, vor denen sich alle, auch Gulliver, ekeln. Yahoos sind zumindest vom Äußeren her den Menschen sehr ähnlich. Letztendlich sind die Yahoo das, was unter der dünnen Schicht der menschlichen „Zivilisation“ liegt (wobei Jonathan Swift an dieser Zivilisation aber auch einiges zu kritisieren hat).
„Mein Herr erwähnte noch eine andere Eigenschaft, die seine Diener bei mehreren Yahoos entdeckt hatten und die ihm völlig unerklärlich war. Er sagte, zuweilen komme einen Yahoo die Laune an, sich in einen Winkel zurückzuziehen, sich niederzulegen, zu heulen, zu seufzen und alle, die ihm näher kämen, zurückzustoßen, obwohl er jung und fett sei und es ihm weder an Futter noch an Wasser fehle. Auch die Diener hätten keine Ahnung, was ihn möglicherweise anfechten könnte. Das einzige Gegenmittel, das sie gefunden hätten, bestehe darin, ihn schwere Arbeit verrichten zu lassen, wonach er unfehlbar wieder zu sich komme.
Aus Voreingenommenheit für meine eigene Art schwieg ich dazu, doch konnte ich hier deutlich die wahren Keime der Hypochondrie erkennen, die nur die Faulen, die Schwelger und die Reichen befällt; und wenn man diese Leute zwänge, sich derselben Kur zu unterziehen, so würde ich für die Heilung garantieren.““
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/252-die-sensiblen.html
„Der Roman ist, nach Campanellas Civitas solis und Bacons Nova Atlantis, der Höhepunkt einer im Gegensatz zu religiösen Entwürfen stehenden Gattung, die ohne unmittelbare Wirklichkeitsansprüche Bilder einer idealen Gesellschaft zum Thema hat.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Gullivers_Reisen
„Dem Ganzen ist die Form von Reisebeschreibungen gegeben, da man für Reisen in fremde Länder damals in England viel Interesse hatte. Auch bringt gleich die erste Ausgabe, um die Vorspiegelung tatsächlich unternommener Reisen glaubhaft zu machen, Landkarten, auf denen die beschriebenen Länder, meist in Verbindung mit wirklich vorhandenen, aufgenommen sind.
"Gullivers Reisen", genauer die "Reisen zu verschiedenen weit entlegenen Völkern der Erde von Lemuel Gulliver, erst Wundarzt, dann Kapitän verschiedener Schiffe", erschien 1726. Sie sind wie der Robinson im Ich-Ton erzählt und zeichnen sich durch eine schlichte, klare Sprache und rasch fortschreitende Handlung aus, so dass es noch heute ein Vergnügen ist, dieses Buch zu lesen. Gulliver kommt bekanntlich auf der ersten Reise in das Land Lilliput, dessen daumengroße Bewohner den "Menschenberg" anstaunen.
Trotz dieser Zwerghaftigkeit bilden sie einen Staat, der gerade wie der englische eingerichtet ist. Sie haben ihre Fürsten, ihre Minister, ihr Parlament, ihre politischen Parteien, debattieren und intrigieren ebenso wie die Engländer. Die religiösen Sekten, die Hochkirchler und Puritaner, debattieren und befehden sich ebenso, und man führt Krieg mit Nachbarstaaten wie anderwärts auch. Nur erscheint Gulliver, der gegen die Lilliputaner ein Riese ist, dies ganze Treiben sehr kleinlich und lächerlich. Gulliver hilft dem Kaiser in seinen Kriegen, zieht die gesamte Flotte der Feinde ab einem Seile hinter sich her und kommt zu hohen Ehren.
Doch dann gerät er bei der Kaiserin in Ungnade, als er eine in ihrem Palast ausgebrochene Feuersbrunst in wenigen Minuten durch eine natürliche Verrichtung löscht. Er soll geblendet werden, flieht aber zuvor.
Auf der zweiten Reise wird Gulliver nach Brobdingnag verschlagen. Hier sind die Bewohner Riesen, die nun ebenso verächtlich auf Gulliver herabsehen wie dieser vorher auf die Lilliputaner. Während bei den Zwergen das eitle geistige Treiben, der Ehrgeiz verspottet wurde, fällt bei den Riesen infolge der groben Ungeschlachtheit ihres Körpers die sinnliche Ausschweifung besonders in die Augen. In derbster Weise wird das unmoralische Treiben der Damen und Herren vom Hofe, wie es unter George I. eingerissen war, gegeißelt
Gulliver kann um so mehr Beobachtungen machen, als sich vor ihm, dem Zwerge, niemand geniert und er dadurch in die geheimsten Dinge offenen Einblick erhält. So lässt ihn eine sechzehnjährige Hofdame auf ihrer Brustwarze reiten. In einer Reiseschachtel wird er von Dorf zu Dorf geführt und dem Gelächter der Bewohner ausgesetzt, bis ihn ein Adler raubt und ins Meer fallen lässt. Glücklich wird er von einem Boot aufgenommen.
Auf einer dritten Reise wird sein Schiff von Piraten überfallen, die ihn in einem Boote aussetzen. Er gelangt auf ein Felseneiland, und von dort aus sieht er auf einmal eine in der Luft fliegende Insel, die von Menschen bewohnt ist. Er schwenkt seinen Hut, die Insel fliegt über ihn, und er wird hinaufgehoben. Laputa, so heißt das fliegende Eiland, ist der Aufenthaltsort der Naturwissenschaftler. Diese sind in ihr Studium so vertieft, daß sie ein Mann bisweilen mit einer Fliegenklatsche schlagen muss, damit sie die gewöhnlichsten Dinge nicht vergessen, wie das Essen, welches sie übrigens in Form von geometrischen Körpern aufnehmen. Mit der Schilderung Laputas werden Newton und die von George I. gegründete Royal Academy verhöhnt.
Auf der vierten Reise endlich betritt Gulliver das Land der "weißen Pferde", der "Houyhnhnms", deren verachtete Bediente die Yahoos sind, ein gieriges, hässliches, gemeines Affenvolk. Mit Schrecken erkennt er, daß der Mensch, er selber nur eine wenig höhere Form der Yahoos darstellt, und aus der Unterweisung und dem Beispiel der edlen, vernunftvollen Pferde geht ihm die ganze Gemeinheit, Unvernunft, Gier, Bosheit, Hässlichkeit der Menschennatur auf. Als Gulliver nach England zurückgekehrt ist, denkt er über die Houyhnhnms nach und findet immer mehr, dass diese Pferde die wahre Weisheit besäßen, die Menschen aber in Aussehen und Tun in der Tat hässlichen Affen glichen.“
http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/gullivers_reisen.htm
„Kaum ein Werk der Weltliteratur hat im Bewusstsein der Menschen so tiefe Spuren hinterlassen wie «Gullivers Reisen». Selbst in der Sprache – von «Liliputaner» bis «Yahoo» – hat das Werk des satirischen Großmeisters Niederschlag gefunden. Dass dieser grimmige Generalangriff auf alles Menschliche ausgerechnet in seiner Bearbeitung als Kinderbuch ungebrochene Popularität genießt, ist dabei eine besondere Ironie seiner Wirkungsgeschichte.
Als naiver Gutmensch geht der Schiffsarzt Gulliver auf Reisen, um am Ende seiner phantastischen Abenteuer als desillusionierter Menschenverächter heimzukehren. Allein durch die Verschiebung der Größenverhältnisse im Zwergenland Lilliput und in Brobdingnag, dem Land der Riesen, ist alles menschliche Treiben der Lächerlichkeit preisgegeben. Während er in Lilliput eine ganze Kriegsflotte mit einer Hand übers Meer ziehen kann und sein Appetit eine Hungersnot auszulösen droht, muss er unter den Riesen selbst als Spielzeug in der Hand eines Säuglings um sein Leben fürchten.
Die mit unerschöpflicher Fabulierlust bis ins Detail realistisch und plausibel gestalteten Erlebnisse Gullivers in den fremden Reichen sind gespickt mit Seitenhieben auf Staat und Stände, Kirche und Wissenschaft, Philosophie und Rechtswesen. Auch wenn sich nicht mehr jede Anspielung von selbst erschließt, bleibt die Kritik in ihrem Kern gültig. So liest sich etwa der berühmte Disput um die richtige Technik des Eieraufschlagens, der auf einen aktuellen theologischen Streit gemünzt war, als hochkomische Entlarvung dogmatischer Haarspalterei und ideologischer Verbohrtheit. Letztendlich ist es immer die Gattung Mensch an sich, der Swifts bitterster Spott gilt. Jede Episode wirft neue Schlaglichter auf deren Erbärmlichkeit und Selbstüberschätzung. Was Gulliver noch an Illusionen über sein Geschlecht geblieben ist, verliert er auf der letzten Station seiner Reisen. Im Land der intelligenten Pferde erfährt er, dass die Welt dieser allein der Vernunft gehorchenden Wesen um vieles «humaner» ist als alle Realität des vermeintlich vernünftigen Menschen.“
https://www.randomhouse.de/Buch/Gullivers-Reisen/Jonathan-Swift/Manesse/e224957.rhd
Hier im Projekt Gutenberg: http://gutenberg.spiegel.de/buch/gullivers-reisen-7565/1
Ein Märchen von einer Tonne
Auszüge aus dem Tonnen-Märchen:
Städtische Gesellschaft
„Da sie nun mittlerweile in die Jahre kamen, um sich auch zu zeigen, so zogen sie in die Stadt und verliebten sich in die Damen; vor allem in drei, die um jene Zeit grosses Ansehn genossen; es waren die Frau Herzogin von Geldern, Frau von Hohentiteln und die Gräfin von Stolz. Bei ihrem ersten Auftreten fanden unsre drei Abenteurer einen sehr schlechten Empfang; und da sie mit grossem Scharfsinn gar bald die Gründe errieten, begannen sie sich schnell in den guten Eigenschaften der Städter zu vervollkommnen: sie schrieben und spotteten, reimten und sangen und sprachen und sagten nichts; sie tranken und fochten und hurten; sie schliefen und fluchten und schnupften Tabak; sie gingen bei der Premiere in die neuen Schauspiele, verkehrten in den Schokoladenhäusern, schlugen die Wachen, legten sich einen Wanst zu und holten sich Prügel; sie prellten Droschkenkutscher, machten bei Händlern Schulden und schliefen bei deren Weibern; sie erschlugen Büttel, stiessen Fiedler die Treppen hinunter, assen bei Locket und lungerten bei Will herum; sie sprachen vom Salon und betraten ihn nie; sie speisten mit grossen Herrn, die sie niemals sahen; sie flüsterten von Herzoginnen und hatten kein Wort mit ihnen gewechselt; sie gaben das Gekritzel ihrer Wäscherinnen als Liebesbriefe vornehmer Damen aus; sie kamen stets gerade vom Hofe und wurden dort niemals gesehn; sie gingen sub dio zum Lever, lernten in der einen Gesellschaft eine Liste von Pairs auswendig und sagten sie in einer andern mit grosser Vertraulichkeit her. Vor allem aber verkehrten sie beständig mit jenen Parlamentskommissionen, die im Sitzungssaal schwiegen, aber im Kaffeehaus um so lauter schrien; denn dort tagten sie allnächtlich, um die Politik wiederzukäuen; und sie waren umringt von einem Kreise der Jünger, die auf der Lauer lagen, um ihre Brosamen aufzufangen. Die drei Brüder hatten sich noch vierzig weitere Befähigungen derselben Art beigelegt, die aufzuzählen zu langweilig wäre, und also galten sie in der Stadt als die vollendetsten Kavaliere; doch all das wollte noch nicht genügen, und vorbenannte Damen blieben unbeugsam. Um diese Schwierigkeit zu erklären, muss ich mit des Lesers Urlaub und Geduldung auf einige gewichtige Punkte zu sprechen kommen, die die Autoren jener Zeit nicht zur Genüge aufgeklärt haben.“
Diktat der Mode
„Diese Anschauungen sowohl wie die Bräuche, die sich aus ihnen ergaben, waren also unter den Gebildeten bei Hofe und in der Stadt so allgemein verbreitet, dass unsre drei Brüder und Abenteurer, wie ihre Verhältnisse einmal lagen, in sonderbarer Verlegenheit waren. Denn auf der einen Seite standen die drei Damen, denen sie ihre Huldigungen darbrachten (wir haben sie bereits genannt), an der Spitze der Mode und verabscheuten alles, was nur um Haaresbreite hinter ihr zurückblieb. Auf der andern Seite sprach ihres Vaters Testament sehr deutlich, und die Hauptvorschrift verbot ihnen bei den schwersten Strafen, auch nur einen Faden zu ihren Röcken hinzuzufügen oder von ihnen fortzunehmen, ohne dass das Testament es ausdrücklich anordnete. Nun waren die Röcke, die ihnen ihr Vater hinterlassen hatte, freilich aus sehr gutem Tuch und ausserdem so sauber genäht, dass man hätte schwören können, sie seien aus einem Stück; zugleich aber waren sie sehr einfach und wenig oder gar nicht verziert; und nun traf es sich, dass sie noch keinen Monat lang in der Stadt waren, als grosse Achselbänder aufkamen. Stracks trug jedermann Achselbänder; niemand konnte sich den ›ruelles‹ der Damen nähern, ohne die vorgeschriebenen Achselbänder zu tragen. »Der Bursche da«, schreit einer, »hat keine Seele! Wo ist sein Achselband?« Unsre drei Brüder entdeckten bald durch traurige Erfahrung ihren Mangel, denn auf ihren Spaziergängen widerfuhren ihnen vierzig Demütigungen und Unwürdigkeiten. Wenn sie ins Theater gingen, wies der Pförtner sie in die Zehngroschengalerie. Wenn sie nach einem Boot riefen, sagte der Bootsmann: »Ich bin Obernachenführer.« Wenn sie in die Rose gingen, um eine Flasche zu leeren, rief der Schankwirt: »Freund, wir haben kein Bier.« Wenn sie eine Dame besuchten, trat ihnen ein Lakai an der Tür mit einem: »Bitte, schickt eure Nachricht hinauf!« entgegen. In dieser unglücklichen Lage gingen sie auf der Stelle hin, um ihres Vaters Testament zu Rate zu ziehen; immer wieder lasen sie es durch, doch sie fanden kein Wort von den Achselbändern. Was also sollten sie tun, welchen Ausweg sollten sie finden? Der Gehorsam war nicht zu umgehn, und doch schienen die Achselbänder unbedingt erforderlich. Nach langer Überlegung aber sagte der eine der Brüder, der in Büchern gelehrter war als die beiden andern, er habe ein Mittel gefunden. »Freilich steht hier totidem verbis nichts in dem Testament, was die Achselbänder erwähnt; aber ich wage zu vermuten, dass wir sie implicite doch darin entdecken, nämlich totidem syllabis.« Diese Unterscheidung fand auf der Stelle aller Beifall, und so begannen sie das Testament von neuem zu prüfen. Aber ihr arger Stern hatte es so gefügt, dass sich in dem ganzen Schriftstück die erste Silbe nicht finden liess. In dieser Enttäuschung also fasste sich der, der den ersten Ausweg gefunden hatte, ein Herz und sprach: »O meine Brüder, noch ist Hoffnung; denn obwohl wir sie totidem verbis und totidem syllabis nicht finden können, so wollte ich doch wetten, dass wir sie tertio modo oder totidem literis finden werden.« Auch diese Entdeckung wurde sehr gelobt, worauf sie sich noch einmal an die Untersuchung machten und folgende Buchstaben aus dem Testament herauspickten: A, C, H, S, E, L; aber der Planet, der ihrer Ruhe feindlich war, hatte es nun wunderbarerweise so eingerichtet, dass kein B zu finden war. Das ergab eine gewichtige Schwierigkeit! Doch der scharfsinnige Bruder (dem wir später einen Namen finden werden) bewies, da er nun einmal dabei war, durch sehr gute Gründe, dass das B ein moderner, unrechtmässiger Buchstabe sei, wie er den gelehrten Zeitaltern unbekannt gewesen und in den alten Manuskripten nirgends zu finden wäre. »Freilich steht das Wort Bauer in einigen alten Handschriften mit einem B geschrieben, aber irrtümlich: denn in den besten Manuskripten steht immer Pauer; und also ist es auch ein grosser Irrtum unsrer Sprache, wenn wir Band mit einem B schreiben;« und also wolle er hinfort nur noch Pand schreiben. Damit schwand auch die letzte Schwierigkeit; die Achselbänder waren als de jure paterno nachgewiesen; und unsre drei Herren stelzten so prunkvoll einher wie nur die besten.“
Über Esoteriker und sonstige, die an Unfug glauben
„Die gelehrten Aeolisten behaupten, der erste Ursprung aller Dinge sei der Wind; aus diesem Prinzip sei zu Anfang das ganze Weltall entstanden, und in dies Prinzip müsse es sich schliesslich wieder auflösen; derselbe Hauch, der die Flamme der Natur entfacht und geschürt habe, werde sie eines Tages auch ausblasen …
Demnach lautete ihr nächster Grundsatz, dass der Mensch einen bestimmten Anteil oder Keim des Windes mit zur Welt bringt, den man die quinta essentia nennen kann, weil er aus den andern vier entnommen ist. Diese Quintessenz ist in allen Lagen des Lebens allgemein anwendbar; sie lässt sich zu allen Künsten und Wissenschaften ausarbeiten und durch gewisse Methoden der Erziehung wunderbar verfeinern und erweitern. Und wenn sie ihre Vollkommenheit erreicht hat, sollte sie nicht gierig aufgespeichert, erstickt oder unter dem Scheffel verborgen, sondern der Menschheit freigebig mitgeteilt werden. Aus diesen und andern ebenso schwerwiegenden Gründen behaupten die Aeolisten, dass die Gabe des Rülpsens der edelste Teil eines vernunftbegabten Wesens ist. Um diese Kunst zu pflegen und der Menschheit noch dienstbarer zu machen, wandten sie verschiedene Methoden an. Zu gewissen Jahreszeiten konnte man ihre Priester sehn, wie sie in ungeheurer Anzahl dastanden, die weiten Münder offen gegen den Sturm gerichtet. Zu andern Zeiten konnte man mehrere hundert von ihnen zu einer kreisförmigen Kette verbunden sehn, und jeder hatte seinem Nachbar einen Blasebalg in den Hintern gesteckt; so bliesen sie sich auf, bis sie Gestalt und Umfang einer Tonne hatten, und aus diesem Grunde nannten sie ihre Körper in der Regel ihre Gefässe. Wenn sie dann durch diese und ähnliche Dinge voll genug geworden waren, so brachen sie auf der Stelle auf und entluden zum allgemeinen Nutzen einen reichlichen Anteil ihrer Errungenschaften in die Kiefer ihrer Jünger. Denn wir müssen hier anmerken, dass jede Gelehrsamkeit unter ihnen als aus demselben Prinzip herrührend galt. Erstens wird allgemein behauptet und anerkannt, dass Gelehrsamkeit den Menschen aufbläst, und zweitens bewiesen sie es noch durch folgenden Syllogismus: Worte sind nichts als Wind, und die Gelehrsamkeit besteht aus nichts als Worten; ergo ist Gelehrsamkeit nichts als Wind. Aus diesem Grunde teilten die Gelehrten unter ihnen in den Schulen ihren Schülern ihre ganzen Lehren und Anschauungen nur durch Rülpsen mit, und darin hatten sie es bis zu einer wunderbaren Beredsamkeit von ganz unglaublicher Mannigfaltigkeit gebracht. Das grosse Merkmal aber, durch das ihre grössten Weisen sich am besten unterschieden, war eine gewisse Gesichtsverfassung, die unzweifelhaft verriet, bis zu welchem Grade und in welchem Verhältnis der Geist die inneren Massen erregte. Denn nach einem gewissen Bauchgrimmen erst strömten die Winde und Dünste heraus; und zuvor verursachten sie durch ihren inneren Aufruhr und ihre Erschütterungen ein Erdbeben in der kleinen Welt des Menschen; sie verzerrten den Mund, blähten die Wangen auf und gaben den Augen ein furchtbares Relief. In solchen Lagen galten all ihre Rülpser als heilig; je saurer sie waren, um so besser; und ihre magern Jünger verschlangen sie unter unendlicher Befriedigung. Und um sie noch vollkommener zu machen, wurden, da der Lebenshauch des Menschen in seiner Nase liegt, die auserlesensten, erbaulichsten und belebendsten Rülpser durch diesen Kanal ausgestossen, der ihnen beim Durchgang seine Färbung lieh …
Nun wurden ihre Mysterien und Riten in dieser Weise vollzogen. Es ist den Gelehrten wohlbekannt, dass die Techniker früherer Zeiten ein Mittel kannten, Winde in Fässern und Tonnen zu transportieren und zu konservieren, was auf langen Seereisen von grossem Nutzen war; und dass eine so nützliche Kunst heute völlig verloren gegangen ist, ist sehr zu beklagen, obwohl sie, ich weiss nicht wie, sehr nachlässigerweise von Pancirollus ausgelassen wurden. Es war eine Erfindung, die man Aeolus selber zuschrieb, nach dem diese Sekte sich nannte; und um das Andenken ihres Gründers zu ehren, hat diese Sekte bis auf den heutigen Tag eine grosse Anzahl jener Fässer aufbewahrt, von denen sie in jedem ihrer Tempel eins anbringen; den Deckel schlagen sie heraus; und in dieses Fass steigt an den Tagen der Feste der Priester hinein, und nachdem er sich zuvor mit Hilfe der schon geschilderten Methoden sorgfältig vorbereitet hat, wird von seinem Hintern aus eine geheime Röhre zum Boden des Fasses geführt, die durch einen nach Norden gerichteten Spalt oder eine Ritze die Zufuhr neuer Inspiration ermöglicht. Da kann man dann sehn, wie er auf der Stelle anschwillt und Form und Umfang seines Gefässes annimmt. In dieser Haltung nun entleert er ganze Stürme auf sein Auditorium, je nachdem der Geist von unten ihm den Atem leiht, der ihn, kommend ex adytis et penetralibus, nicht ohne grosse Schmerzen und viel Bauchgrimmen verlässt. Und wenn der Wind hervorbricht, wirkt er auf sein Gesicht, wie er auf die Oberfläche des Meeres wirkt, indem er es erst schwärzt, dann in Falten wirft und schliesslich zu Schaum emporpeitscht. Auf diese Weise gibt der geheiligte Aeolist seine Mundrülpser weiter an seine Jünger, die mit offenem Munde dastehn; manche von ihnen schnappen gierig nach dem geweihten Hauch, und andre summen derweilen das Lob der Winde vor sich hin; und so, sanft von ihrem eigenen Gesumm hin und her getrieben, verkörpern sie den linden Hauch ihrer befriedigten Gottheiten.
Auf Grund dieser Sitte der Priester behaupten einige Autoren, diese Aeolisten seien in der Welt sehr alten Ursprungs. Denn die Feier ihrer Mysterien, die ich soeben geschildert habe, deckt sich offenbar genau mit der gewisser alter Orakel, deren Inspiration gewissen unterirdischen Ausströmungen des Windes entsprangen, die für den Priester mit denselben Schmerzen und für das Volk mit derselben Wirkung verbunden waren. Freilich wurden diese Orakel oft von Priesterinnen geleitet und mitgeteilt, weil man glaubte, ihre Organe seien besser geeignet für die Aufnahme jener Windstösse, denn sie eilten in und durch ein Gefäss von grösserer Fassungskraft und verursachten unterwegs auch noch einen gewissen Kitzel, der aus einer fleischlichen in eine geistige Wollust verwandelt wurde. Und um diese tiefe Vermutung noch zu bekräftigen, macht man ferner geltend, dass die Sitte, weibliche Priester anzustellen, in gewissen besonders verfeinerten Schulen der modernen Aeolisten noch immer besteht, und diese Priesterinnen erhalten, darüber ist man sich einig, ihre Inspiration durch vorbenannten Kanal genau gleich ihren Vorfahrinnen, den Sibyllen."
http://gutenberg.spiegel.de/buch/ein-marchen-von-einer-tonne-7224/1
Eine Abhandlung über die Geschicke von Geistlichen
Zumindest teilweise kann der Leser etwas über Jonathan Swift in der Gestalt des Eugenio erfahren. Die damalige „Schläue“ entspricht dem, wenn heutzutage jemand von sich behauptet, er sei „clever“:
„Es gibt kein Talent, das für den Aufstieg in der Welt so nützlich ist oder die Menschen mehr aus der Reichweite des unbeständigen Glücks hebt, wie jene Eigenschaft, die auch bei der dümmsten Art von Menschen verbreitet ist und in der Umgangssprache Schläue genannt wird; eine Gattung niederer Klugheit, mit deren Hilfe Leute von schwächster Verstandeskraft ohne irgendeine andere Befähigung ganz gelassen durch die Welt gehen, dabei überall eine gute Behandlung erfahren und weder Anstoß erregen noch nehmen. An den Höfen fehlen selten Personen solchen Charakters, denen, wenn sie aus vornehmen Familien stammen, die meisten, ja sogar die höchsten Ämter auf natürliche Weise zufallen, wenn andere Bewerber nicht zusagen; und über solche Beförderungen empfindet niemand Freude oder Kummer. Die Wahrheit dieser Behauptung könnte ich durch zahlreiche Beispiele beweisen, deren ich mich selbst erinnere; denn ich sage nichts über die Gegenwart.
Da aber Regelmäßigkeit und Formen in der Tat von großem Nutzen bei der Führung der Angelegenheiten dieser Welt sind, ist es sehr günstig, daß Personen, die mit dieser Art von Schläue begabt sind, jenen Anteil an der Leitung der Geschäfte erhalten, der ihren Talenten entspricht; keinesfalls aber sollten sie sich in Angelegenheiten mischen, die Verstandeskraft, Bildung, tiefe Einsicht, schnelle Auffassungsgabe, Edelmut, Großzügigkeit, Scharfsinn oder irgendeine andere überragende Fähigkeit des menschlichen Geistes erfordern. Denn diese Art von Schläue ist gewöhnlich von einer starken Gier nach Geld begleitet und wenig Skrupeln in der Wahl der Mittel zu seiner Erlangung. Sie geht einher mit kriecherischer Schmeichelei und Unterwürfigkeit, mit einem gänzlichen Mangel an Gemeinsinn und Prinzipienfestigkeit und mit einem beständig falschen Urteil darüber, wie Gunst und Förderung zu verteilen sind, wenn diese Leute zu Macht und Ansehen gelangen. Sie haben nämlich keinen Maßstab für Verdienst und Tugend bei anderen außer eben den Schlichen, durch die sie selbst aufgestiegen sind, und auch nicht die geringste Absicht, der Öffentlichkeit zu nutzen oder zu schaden, solange das eine oder das andere nicht ihrer eigenen Sicherheit oder ihrem Interesse dienlich sein könnte. Da sie also jede Freundschaft oder Feindschaft ermangeln, beklagen oder bemängeln sie nie die Verhältnisse, und in der Tat haben sie auch nie Grund dazu.
Männer mit hervorragenden Kenntnissen und Fähigkeiten, wie auch Tugenden, steigen tatsächlich manchmal bei Hofe, manchmal im Rechtswesen und manchmal sogar in der Kirche zu hohen Stellungen auf, wie zum Beispiel Lord Bacon, der Graf von Strafford und Erzbischof Laud unter der Regierung König Karls I. und andere in unserer Zeit, die ich nicht nenne. Diese aber, und viele andere unter anderen Fürsten und in anderen Ländern fielen in Ungnade, wurden in die Verbannung geschickt oder erlitten den Tod, allein aus Neid auf ihre Tugenden und ihren überragenden Geist, kraft deren sie in schwierigen Situationen und Notlagen des Staates (da ihnen eine tüchtige Beimischung jener ratsherrlichen Schläue fehlte) ihrem Fürsten und ihrem Land auch außerhalb der üblichen Formen zu dienen suchten.
Man hat dieses unglückliche Schicksal, welches außerordentliche Männer bei der Leitung wichtiger Angelegenheiten allgemein verfolgt, verschiedenen Ursachen zugeschrieben, die hier nicht verzeichnet zu werden brauchen, da eine so offensichtlich ist; wenn nämlich die Bemerkung eines gewissen Schriftstellers zutrifft, wonach bei Auftauchen eines großen Geistes in der Welt sich alle Dummköpfe gegen ihn zusammenschließen. Ist dies aber sein Geschick schon dann, wenn er seine Fähigkeiten nur in seinem Studierzimmer anwendet, ohne mit dem Ehrgeiz und der Habgier anderer in Konflikt zu geraten, was kann er dann erst erwarten, wenn er es wagt, bei Hofe Beförderung zu suchen, als allgemeine Gegnerschaft, wenn er die Leiter erklimmt, und alle Hände in Bereitschaft, ihn hinunterzustürzen, sobald er die Spitze erreicht hat? In diesem Punkt handelt das Schicksal der Natur direkt zuwider. In der Natur sehen wir, daß alles, was voller Leben und Geist ist, ohne Mühe nach oben steigt und nur schwer zu Fall gebracht wird, während schwere Körper nur mit Mühe aufsteigen und entsprechend ihrem Gewicht mit größerer Geschwindigkeit wieder herunterfallen; dagegen sehen wir, daß das Schicksal tagtäglich gerade umgekehrt verfährt.
Dieses Talent der Schläue, wie ich es hier in seinen verschiedenen Begleiterscheinungen und Umständen beschrieben habe, ist niemandem dienstbarer als den Geistlichen, für deren Beförderung nichts so verhängnisvoll ist wie der Ruf, geistreich zu sein, Geschliffenheit in Bildung und Manieren oder jenes Benehmen zu besitzen, welches man sich durch zu häufigen Umgang mit hochgestellten und ausgezeichneten Persönlichkeiten erwirbt; denn diese Eigenschaften halten die Ungebildeten aller Stände für Zeichen von mangelndem Ernst, und das ist das letzte Verbrechen, das die Welt einem Geistlichen vergeben würde. Hinzuzufügen wäre noch eine freimütige Art des Gesprächs in gemischter Gesellschaft und zu häufiges Erscheinen an vielbesuchten Orten, was für die Beförderung der Geistlichen in gleicher Weise schädlich ist.
Ich habe in der Tat erlebt, daß es zu einigen Punkten dieser Beobachtungen vereinzelte Ausnahmen gibt. Ich habe gesehen, wie sich einige der größten Dummköpfe auf Erden bemühten, geistvoll zu erscheinen, und andere mit ebensowenig Recht für kultiviert im Umgang und in der Unterhaltung gelten wollten. Da sie aber nie in der Lage waren, die Welt von ihrem Vergehen zu überzeugen, gelangten sie in ansehnliche Stellungen; denn alle Leute glaubten fest an ihre Schläue, weil sie nicht ganz groß genug waren, um die Welt zu ihrem eigenen Nachteil betrügen zu können. Das aber, muß ich gestehen, ist ein zu gefährlicher Versuch, als daß man sich oft darauf einlassen sollte.
Es gibt die bekannte Geschichte von einem Geistlichen, der von einigen hohen Persönlichkeiten bei Hofe einem Erzbischof zur Beförderung empfohlen wurde. Seine Gnaden sagte, „er hätte gehört, daß der Geistliche Whist und Swobbers zu spielen pflegte. Ein gelegentliches Spiel Whist zum Zeitvertreib sei verzeihlich, aber diese gottlosen Swobbers könne er nicht ausstehen", und Lord Somers hatte Mühe, ihn aufzuklären. Ich frage nun, welche Talente es wohl gewesen sein müssen, mit deren Hilfe jener vornehme Prälat es zu seiner hohen Stellung gebracht hat, und welche Art von Eigenschaften er bei denen erwartete, denen er seine Protektion angedeihen ließ oder die er vielleicht dem Hof für die Leitung entfernter Gemeinden empfahl?
Ich erinnere mich, wie sich einmal zwei Geistliche um eine kleine Schulstelle ins Yorkshire bewarben und ein vornehmer und einflußreicher Herr, der zufällig mehr Verstand besaß als seine Nachbarn, die Stelle zum großen Verdruß der ganzen Gemeinde demjenigen von beiden verschaffte, der größere Gelehrsamkeit und ein vornehmeres Wesen besaß. Der andere ging enttäuscht nach London, wo er zum vollkommensten Muster dieser niederen Schläue wurde, das ich je gekannt habe. Da er außerdem einen ebenso schwerfälligen Verstand besaß, brachten ihn diese Gaben zusammen mit der Kälte seines Gemüts und seinem gravitätischen Wesen sicher durch zahlreiche Schwierigkeiten. Er lebte und starb in hoher Stellung, während sein Mitbewerber zu unbedeutend ist, als daß uns die Fama sagen könnte, was aus ihm wurde.
Diese Art von Schläue, die ich so sehr rühme und aufs wärmste empfehle, hat einen Vorteil, den ich bisher noch nicht erwähnt habe. Sie trägt nämlich denjenigen, der sie besitzt, sicher durch alle Bosheit und Unbeständigkeit der Parteien hindurch, und zwar so weit, daß sein Anspruch auf einen Anteil an dem, was gerade im Gange ist, meist anerkannt wird, ganz gleich, welche Partei gerade die Oberhand hat. Das scheint mir auch höchst vernünftig, denn bei allen großen Veränderungen ist die triumphierende Seite meist so ungestüm, daß sie den Ballast jener braucht, welche die Welt die Gemäßigten nennt und die ich die Schlauen nenne. Die jeweiligen Machthaber können ihnen ohne große Umstände beliebig viel aufladen, sie die schlechtesten und grundlosesten Wege entlangtreiben, ohne daß sie lahm werden oder den Hals brechen, und man kann sich immer darauf verlassen, daß sie nie bockig oder störrisch werden.
An dieser Stelle möchte ich dem Leser eine kurze Beschreibung zweier englischer Geistlicher, ihrer Charaktere und des Fortgangs ihrer Geschicke in der Welt geben, woraus die Macht weltlicher Schläue und die üblen Folgen des Fehlens jener Tugend klar hervortreten werden.
Corusodes, ein Oxforder Student, Sohn eines Bauern, fehlte nie bei Betstunden oder Vorlesungen, auch kam es nicht ein einziges Mal vor, daß er noch nicht im College war, wenn die Abendglocke geläutet hatte. Jeden Tag verbrachte er zehn Stunden in seiner Studierstube, las seine Aufzeichnungen, träumte vor sich hin, schnitt Papier oder stopfte seine Strümpfe, welch letzteres er mit bewundernswertem Geschick vollführte. Auf Kosten anderer konnte er sich mit Bier aus dem College einen mäßigen Rausch antrinken, und bei dieser Gelegenheit war er immer besonders fromm. Seinen Talar trug er fünf Jahre lang, ohne ihn zu beschmutzen oder zu zerreißen. Er warf niemals einen Blick in ein Theaterstück oder ein Gedicht. Er las Vergil und Ramus im selben Tonfall, doch mit sehr unterschiedlichem Verständnis. Er begriff nie einen Witz und hatte nicht die geringste Vorstellung von dem, was Geist ausmacht.
Ein Ausspruch hat ihn bis auf den heutigen Tag berühmt gemacht. Als er einst mit einigen anderen Studenten bei einem Krug Bier saß, brachte einer der Gesellschaft so viele lustige Dinge vor, daß die übrigen großen Spaß daran hatten, nur Corusodes blieb still und ungerührt. Als sie schließlich auseinandergingen, nahm er diesen lustigen Bruder beiseite und sagte zu ihm: „Mein Herr, aus der Tatsache, daß Sie häufig geredet und unsere Freunde oft gelacht haben, entnehme ich, daß Sie viele Witze gerissen haben. Ihnen hingegen wird mein Schweigen aufgefallen sein. Das ist aber so meine Art, ich mache selbst nie einen Witz und lache auch nie über den eines anderen."
So ausgestattet, trat Corusodes in den geistlichen Stand. Durch äußerste Knauserei hatte er von einem sehr armseligen Stipendium 34 Pfund gespart. Damit ging er nach London, wo seine Schwester als Kammermädchen bei einer vornehmen Dame im Dienst war und sich als eine so gute Fürsprecherin erwies, daß er durch ihre Vermittlung zweimal täglich in der Familie die Gebete lesen durfte und dafür 14 Shilling pro Monat erhielt. Er hatte sich nun einen tiefen, kriecherischen und ungeschickten Bückling angewöhnt und die Gabe erworben, sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit plump einzuschmeicheln. Dem Butler pflegte er die Hand zu schütteln, den Pagen unterwies er im Katechismus, und manchmal ließ man ihn am Tische des Verwalters speisen. Kurz gesagt, die ganze Familie schätzte ihn, und die gnädige Frau empfahl ihn einigen anderen vornehmen Häusern als Kaplan, wodurch seine Einkünfte (ohne die Geschenke) bis auf 30 Pfund Sterling jährlich stiegen. Seine Schwester verschaffte ihm von Mylord, der ein Auge auf sie geworfen hatte, einen Schal, und durch Mylords Fürsprache erhielt er ein Predigeramt in der Stadt, das ihm jährlich 60 Pfund Sterling einbrachte. Dort hielt er stets selbst die Predigt, in feierlicher Weise, mit starker Stimme und geistlichem Pathos, wobei der Stoff (soweit man davon sprechen kann) gut der Intelligenz seiner Hörer angepaßt war. Einige Zeit danach hatte Mylord eine Pfründe auf dem Lande zu vergeben, und seine Lordschaft, dem in seiner Liebschaft einige Aussichten gemacht worden waren, gab die Pfründe an Corusodes, der sein Predigeramt und seinen Wohnsitz in der Stadt weiterhin behielt. Hier fand er sich ständig bei allen Wohltätigkeitsveranstaltungen ein, ohne jemals mehr als seine häufigen frommen Ermahnungen beizusteuern. Wenn Frauen der besseren Stände in seiner Gemeinde einmal nicht zur Kirche erschienen, so konnten sie sicher sein, daß er sie am nächsten oder übernächsten Tag besuchte, um sie auszuschelten und bei ihnen zu Mittag zu speisen.
Ständig hielt er vor seiner Haustür eine bestimmte Anzahl von Armen bereit, für die er bei seiner früheren Gönnerin häufig um Almosen bat, wobei er sein Halbkronenstück mit in die Kollekte warf und es wieder herausnahm, wenn er das Geld verteilte. In einem vornehmen Hause setzte er sich nie, ehe er nicht dreimal aufgefordert worden war, und dann auch nur auf eine Ecke des am weitesten entfernten Stuhles. Sein ganzes Gebaren war steif und förmlich, und es hing ihm so an, daß er es selbst auf den höchsten Stufen seiner Laufbahn nicht ablegen konnte.
Sein Gönner hatte inzwischen eine hohe Stellung bei Hofe bekommen, und Corusodes machte ihm seine Aufwartung mit der kriecherischsten Dienstfertigkeit. Als dann die Schwester in schwangerem Zustand in eine private Wohnung abgeschoben worden war, bezeugte Mylord dem Corusodes weiter seine Gunst, verschaffte ihm eine Stelle als Hofkaplan, schließlich auch eine Stadtpfarre und eine kirchliche Würde.
Seine Hilfsgeistlichen entlohnte er pünktlich mit dem niedrigsten Gehalt und teilweise vom Abendmahlsgeld, aber gute Ratschläge gab er ihnen im Überfluß. Er heiratete eine Bürgerswitwe, die ihn lehrte, kleine Summen zu zehn Prozent auszuleihen, und ihn mit Spekulanten an der Börse bekannt machte. Dank der Geschicklichkeit seiner Frau verkaufte er das vakant gewordene Küsteramt seiner Pfarre.
Er hielt sehr kärglich haus, aber die Schuld gab man allein seiner Frau, denn der gute Doktor saß immer über seinen Büchern oder besuchte die Kranken oder verrichtete andere wohltätige und fromme Werke in seiner Gemeinde.
Er behandelte alle Geistlichen, die im Rang unter ihm standen, mit höchst scheinheiligem Stolz, übte hart und ohne Ausnahme Tadel an allen Amtsbrüdern, wenn sie am Anfang ihrer Laufbahn standen oder solange sie noch geringe Stellen innehatten, gegenüber Laien in hoher Stellung oder mit großem Reichtum aber zeigte er große Nachsicht und hatte weder Augen noch Ohren für ihre Fehler. Nie bemerkte er die geringste Korruption bei Hofe, im Parlament oder in Ministerien, sondern legte alle politischen Maßnahmen zum Besten aus; und welche Persönlichkeit oder Partei auch an der Macht war, sie konnte seiner wohlwollendsten Beurteilung sicher sein. Er hatte ständig eine große Anzahl nützlicher Sprüche bereit, um jede Mißwirtschaft zu entschuldigen: Wir sind alle nur Menschen; Erunt vitia donec homines; und Quod supra nos, nil ad nos, und noch viele andere in ähnlichem Sinne.
Mein Essay würde übermäßig lang werden, wollte ich das ganze System seines Verhaltens hier nachzeichnen, seine schreckliche Furcht vor der Papisterei, seine große Mäßigung gegenüber Dissenters aller Glaubensrichtungen, verbunden mit dem Herzenswunsch, es möge durch etwas Nachgiebigkeit auf beiden Seiten eine allgemeine Vereinigung der Protestanten zustande kommen, seine kurzen, vorsichtigen Predigten, wenn er bei Hofe an der Reihe war, die genau der jeweils herrschenden Meinung entsprachen, die Schliche, mit denen es ihm gelang, eine Bischofsmütze zu ergattern, indem er gegen die bischöfliche Verfassung schrieb, und die Beweise, die er von seiner Loyalität dadurch gab, daß er den Mord an einem Herrscher beschönigte oder guthieß, der den Märtyrertod erlitten hatte.
An diesem Punkt verlassen wir ihn in seiner erfolgreichen Karriere, wie er, begabt mit all diesen glänzenden Fähigkeiten, schnell die Stufenleiter geistlicher Würden emporklimmt, deren Gipfel er sehr wahrscheinlich auch erreichen wird - ohne sich einer einzigen Tugend rühmen zu können, mäßig ausgestattet mit den unwichtigsten Dingen der Gelehrsamkeit, völlig ohne Geschmack, Urteilsvermögen oder Geist, in seiner erhabenen Stellung natürlich bemüht, andere nach sieh zu ziehen, deren Fähigkeiten den seinen am meisten gleichen, es sei denn, daß seine eigenen lieben Söhne, Neffen oder andere Verwandte unter den Bewerbern sind oder daß schließlich seine Interessen dem Willen derer weichen müssen, in deren Macht es steht, ihn zurückzusetzen oder ihn weiter zu fördern.
Eugenio ging aus der gleichen Universität hervor, auch etwa zur gleichen Zeit wie Corusodes. In der Schule genoß er den Ruf eines Tausendsassas, und unglücklicherweise hatte er ein Talent für die Poesie, was ihm manchen tadelnden Brief seines Vaters und ernste Ermahnungen von seinem Tutor einbrachte. Er vernachlässigte die Studien im College keineswegs, verwandte aber den meisten Fleiß auf das Studium der antiken Autoren und eine vollkommene Kenntnis der griechischen und lateinischen Sprache. Er konnte es nie dahin bringen, daß man ihn zum Mitglied des College wählte, denn man hielt dem entgegen, daß er Verse geschrieben habe und besonders einige, in denen er auf einen gewissen ehrwürdigen Doktor angespielt hatte, der wegen seiner Dummheit berühmt war; daß er gesehen worden sei, wie er sich vor Damen verbeugt habe, als er ihnen auf der Straße begegnet sei; und man wies ihm nach, daß er einst in einem Privathaus in Gesellschaft eines halben Dutzends Personen beiderlei Geschlechts getanzt hatte.
Er war der jüngere Sohn eines Edelmannes von gutem Herkommen, aber geringem Vermögen. Als sein Vater starb, mußte er nach London gehen, um dort sein Glück zu suchen. Er trat in den geistlichen Stand und wurde Vorleser in einer Pfarrkirche mit einem Gehalt von 20 Pfund pro Jahr. Ein Freund aus Oxford brachte ihn in Wills Kaffeehaus, in dem damals geistvolle Leute verkehrten, wo er sich unglücklicherweise nach kurzer Zeit hervortat. Sein geringes Gehalt zwang ihn, für einen neuen Talar und eine Soutane hohe Schulden zu machen und hin und wieder einen geistreichen oder humoristischen Essay zu schreiben oder eine Predigt für 10 Shilling zu halten, um seinen notwendigsten Unterhalt zu bestreiten. Tausendmal wurde er von seinen dichtenden Freunden großen Herren empfohlen als ein junger Mann von glänzenden Gaben, der Förderung verdiene, und er erhielt tausend Versprechungen. Aber seine Bescheidenheit und ein edler Sinn, der die Sklaverei ständiger Bewerbungen und Aufwartungen verschmähte, brachten ihm immer wieder Enttäuschungen ein, indem sich rührige Dummköpfe dazwischendrängten, die es sich angelegen sein ließen, immer im Blickfeld zu bleiben. Er hatte eine ausgezeichnete Begabung zum Prediger, wenn er nur nicht manchmal ein wenig zu gebildet gesprochen und seiner eigenen Art, zu denken und zu argumentieren, zu sehr vertraut hätte.
Wenn einmal eine Stelle frei war und man ihn dazu gebracht hatte, einem aussichtsreichen Lord aufzuwarten, erhielt er die übliche Antwort, „daß er zu spät gekommen sei, denn die Stelle sei eben am Tag zuvor vergeben worden". Als einziger Trost blieb ihm, daß jedermann sagte, „es wäre jammerschade, daß man für den armen Herrn Eugenio nichts tun könne".
Der Rest seiner Geschichte läßt sich in wenigen Worten erzählen: Der schwachen Hoffnungen und noch schwächeren Bewerbungen überdrüssig, nahm er eine Unterpfarre in Derbyshire mit einem Gehalt von 30 Pfund pro Jahr an, und als er fünfundvierzig war, hatte er das große Glück, durch einen Freund seines Vaters eine Vikarsstelle im ödesten Teil von Lincolnshire mit einem Jahresgehalt von 60 Pfund zu erhalten. Die Gedanken, die Einsamkeit und Enttäuschungen mit sich bringen, ließen ihn dort völlig mutlos werden. Er heiratete eine Bauernwitwe und lebt nun in völliger Vergessenheit und Bedeutungslosigkeit; nur einige seiner Nachbarn haben durch Zufall gehört, daß er in seiner Jugend einmal ein bemerkenswerter Mann war.“
Über ein vorzügliches moralisches Werk des berühmten Mr. Gay
Aus „Wikipedia“ über “The Beggar’s Opera”: „1716 hatte Jonathan Swift in einem Brief an Alexander Pope dafür geworben, ein pastorales Drama im Londoner Newgate-Gefängnis aufführen zu lassen …
Als Gesellschaftssatire, die sowohl höhere als auch niedere Stände ironisierte und gleichermaßen sentimental wie anti-romantisch wirkte, begeisterte sie das Publikum, alarmierte jedoch auch die Zensoren. So ließ der um das Ansehen von Hof und Regierung besorgte Lord Great Chamberlain die nach der beliebtesten Figur benannte Fortsetzung Polly (1729) verbieten. Gays realistischer Blick zeigt sich in der Darstellung damaliger gesellschaftlicher Entwicklungen – Verarmung infolge der Bevölkerungszunahme, Kriminalität, Prostitution, Alkoholismus insbesondere durch den Gin-Konsum – und in amüsanten Anspielungen auf das zeitgenössische Theater …
Mit der Figur des Peachum, die sich an den bekanntesten englischen Verbrecher des 18. Jahrhunderts Jonathan Wild anlehnt, wurde gleichzeitig der britische Premier Robert Walpole karikiert …
Die englischsprachige Alternative zum bombastischen italienischen Singspiel, die zudem – schon im Titel – die von Georg Friedrich Händel dominierte hohe Oper karikierte, wurde unter John Richs Ägide 62 Mal hintereinander aufgeführt. In den nächsten fünf Jahren entstanden 22 daran angelehnte Musikdramen. Der Erfolg der Ballad Opera gegenüber der Opera seria trug maßgeblich zum wirtschaftlichen Niedergang der Royal Academy of Music und von Händel als Opernkomponist bei …
Im Gegensatz zu italienischen Arien musste das Opernpublikum nun keine Sprachbarriere mehr überwinden … Bis zum Ende des Jahrhunderts kam es zu über eintausend Aufführungen, und in der Neuen Welt wurde The Beggar’s Opera zum Vorbild des Musicals …
Die deutsche Übersetzung des Stücks von Elisabeth Hauptmann diente Bertolt Brecht und Kurt Weill 1928 als Grundlage ihrer Dreigroschenoper. Im Oktober 1934 verlagerte Brecht die Handlung seines Dreigroschenromans ins Milieu einer heuchlerischen Geschäftswelt, und in der Neufassung der Oper, an der er zwischen 1946 und 1949 arbeitete, passte Brecht den Stoff an die Situation nach dem Kriegsende an.“
https://de.wikipedia.org/wiki/The_Beggar%E2%80%99s_Opera
Nun aber Jonathan Swift:
“… Ipse per omnes
Ibit personas, et turham reddet in unam.
Da die Schauspieler nun mit der Komödie, welche die „Bettleroper" genannt wird, für diese Saison fast am Ende sind, scheint es nicht unangebracht, ein wenig über dieses Drama nachzudenken, das in seinem Gegenstand und in seiner Art so einzigartig und originell ist und das oftmals eine so angenehme Unterhaltung geboten hat.
Obgleich hier wie auch in London im allgemeinen ein schlechter Geschmack vorherrscht, so gibt es doch eine Art, in der man unfehlbar einer sehr großen Mehrheit Vergnügen bereitet, wenn man sie nur recht zu treffen versteht. Diejenigen, die sie aus Dummheit oder Affektiertheit ablehnen, sind so wenige, daß sie schweigen müssen und gezwungen sind, mit der Masse zu gehen. Ich meine die Art, die wir den Humor nennen, welchem man zugesteht, daß er in seiner höchsten Vollendung dem Witz bei weitem vorzuziehen ist, wenn er nicht gar die nützlichste und angenehmste Gattung davon ist.
Ich stimme Sir William Temple darin zu, daß dieses Wort in unserer englischen Sprache eine eigentümliche Bedeutung hat, aber ich bin nicht seiner Ansicht, daß die Sache selbst der englischen Nation eigentümlich sei, denn an vielen spanischen, italienischen und französischen Werken ließe sich das Gegenteil nachweisen. Insbesondere wird derjenige, welcher einen Sinn für echten Humor hat, hundert Beispiele dafür in jenen Bänden finden, die in Frankreich unter dem Titel „Le Théatre Italien" veröffentlicht wurden, ganz zu schweigen von Rabelais, Cervantes und vielen anderen.
Ich bin nun der Meinung, daß sich die Komödie oder Posse (oder welchen Namen ihr die Kritiker auch zugestehen mögen) mit dem Titel „Die Bettleroper" auf dem Gebiet des Humors ganz besonders auszeichnet und eben deshalb sowohl hier als auch in England einen so großartigen Erfolg gehabt hat.
Was die Poesie, die Beredsamkeit und die Musik betrifft, die angeblich die größte Macht über die Gemüter der Menschen haben, so besitzen sicher sehr wenige den Sinn oder das Urteilsvermögen für die Vorzüge der beiden ersteren, und ob einer darin erfolgreich ist, hängt von dem Urteil jener wenigen Kritiker ab, nach deren Geschmack sich die Masse der Leser richtet, die selbst keinen hat. Man sagt mir, daß es in der Musik ebensowenig gute Kunstrichter gibt und daß unter zehn Opernbesuchern neun nur aus Neugier, Affektiertheit oder der Lebensart wegen dort hingehen.
Ein Sinn für Humor ist aber auf irgendeine Weise direkt mit der Natur des Menschen verknüpft und ganz allgemein auch den Ungebildeten eigen, es sei denn bei Gegenständen, die zu verfeinert und ihrem Verständnis nicht erreichbar sind. Und so wie dieser Sinn für Humor ganz natürlich ist, so ist es auch der Humor selbst; auch ist er keine Gabe, die nur auf Menschen von Geist oder Gelehrsamkeit beschränkt wäre, denn man beobachtet sie manchmal unter gewöhnlichen Dienern und den einfachsten Leuten, wobei ihre Besitzer oft nicht einmal selbst wissen, welcher Begabung sie teilhaftig sind.
Ich weiß sehr wohl, daß dieses schöne Talent von den Kritikern unter der Bezeichnung niederer Humor oder niedere Komödie mit Verachtung behandelt wird; doch ebensowohl weiß ich, daß die Spanier und Italiener, denen man von allen Nationen Europas den meisten Witz zugesteht, sich am meisten darin hervortun und es am meisten schätzen. Durch welche Gemütsanlage, welchen Einfluß der Gestirne oder welche Klimaverhältnisse dieses Talent den Menschen verliehen wird, das ist eine Frage, die die Philosophen erörtern mögen. Es ist der beste Bestandteil in jener Art der Satire, die den größten Nutzen hat und den geringsten Anstoß erregt, welche den Menschen die Torheiten und Laster nicht mit der Peitsche, sondern durch Lachen austreibt und das Merkmal ist, das Horaz über Juvenal erhebt.
Und obwohl einige Dinge zu ernst, feierlich oder heilig sind, um ins Lächerliche gezogen zu werden, so ist das mit ihren Mißbräuchen sicher nicht der Fall, denn es gilt allgemein, daß die Entartungen von Religion, Politik und Rechtswesen passende Themen für diese Art von Satire abgeben können.
Es gibt zwei Ziele, welche man bei der Abfassung von Satiren verfolgen kann. Das eine ist weniger edel als das andere, da es nichts weiter als die private Befriedigung und Belustigung des Verfassers darstellt, allerdings ohne irgendwelche persönliche Bosheit. Das andere entspringt einem Gemeinsinn, welcher Menschen mit Genie und Tugend veranlaßt, die Welt nach Kräften zu verbessern. Und während beide Ziele nicht zu tadeln sind, ist das letztere höchst lobenswert. Hinsichtlich des ersteren frage ich, ob ich nicht das gleiche Recht habe, zu lachen oder das Laster anzuprangern, wie andere Menschen, sich lächerlich zu machen oder lasterhaft zu sein. Werden nicht die Torheiten und Verderbtheiten eines Hofes, einer Regierung oder eines Parlaments, die ich der Lächerlichkeit preisgebe, durch Pensionen, Titel und Macht reichlich belohnt, während ich kein anderes Entgelt erwarte oder ersehne, als mit einigen Freunden in einer Ecke lachen zu können? Wenn aber diejenigen, die daran Anstoß nehmen, glauben, ich sei im Unrecht, dann bin ich gern bereit, mit ihnen die Plätze zu tauschen, sobald es ihnen beliebt.
Wenn ich es mir aber angelegen sein lasse, die Menschheit zu bessern, dann sehe ich das als eine Pflicht an; wenigstens bin ich sicher, daß es gerade im Interesse jener Hofleute und Minister liegt, deren Torheiten oder Laster ich der Lächerlichkeit preisgebe, mich für meine guten Absichten zu belohnen, denn wenn es schon als Zeichen großer Klugheit angesehen wird, die Lacher auf seine Seite zu ziehen, so ist es viel leichter und auch klüger, jene auf seine Seite zu ziehen, die jederzeit Millionen zum Lachen bringen können.
Der Grund, weshalb ich hier Hofleute und Minister erwähne (an die ich stets nur mit tiefster Verehrung denke), ist die vorherrschende Meinung, daß es in der „Bettleroper" einige Anspielungen auf Höflinge und Staatsmänner zu geben scheint, worüber ich durchaus nicht urteilen kann.
Es trifft in der Tat zu, daß Mr. Gay, der Verfasser dieses Stückes, ein etwas sonderbares Schicksal hatte, denn es ergab sich, daß ihm nach vierzehn Jahren der Aufwartung bei Hofe trotz einer großen Zahl echter Verdienste, bescheidener und angenehmer Umgangsformen, hundert Versprechungen und fünfhundert Freunden die Beförderung versagt blieb, und dies aus einem sehr gewichtigen Grunde: Er stand unter dem Verdacht, eine Schmähschrift oder Satire gegen einen hohen Minister verfaßt zu haben. Gewiß, der hohe Minister wurde anschaulich davon überzeugt, daß Mr. Gay nicht der Verfasser war, und er bekannte sich auch öffentlich zu dieser Überzeugung, aber da Mr. Gay nun einmal unter dem Verdacht gestanden hatte, schien es nur gerecht, daß er auch die Strafe dafür erhalten sollte, denn in unserer höchst anständigen Zeit darf man die Tugenden eines Premierministers ebensowenig anzweifeln wie die Keuschheit von Cäsars Gemahlin.
Man muß einräumen, daß die „Bettleroper" nicht das erste Werk von Mr. Gay ist, in dem er sich hinsichtlich der Höflinge uhd Staatsmänner fehlerhaft verhalten hat. Denn abgesehen von seinen anderen Werken, hat man ihn selbst in seinen Fabeln, die vor noch nicht zwei Jahren erschienen und dem Herzog von Cumberland gewidmet sind, wofür man dem Verfasser eine Belohnung versprach, allzu großer Kühnheit gegenüber den Höflingen bezichtigt. Und obgleich er höchstwahrscheinlich nur die Höflinge früherer Zeiten meinte, handelte er unvorsichtig, indem er nicht bedachte, daß die Bosheit gewisser Leute seine Äußerungen zum Nachteil lebender Personen und gegenwärtiger Angelegenheiten auslegen könnte.
Aber damit genug über Mr. Gay als Politiker; fernerhin werde ich ihn nur noch als Verfasser der „Bettleroper" betrachten. Hier hat er mit einer völlig neuen Art von Humor Laster aller Schattierungen in das hellste und zugleich abstoßendste Licht gerückt, und damit sowohl der Religion als auch der Moral einen hervorragenden Dienst erwiesen. Dies kann man aus dem beispiellosen Erfolg sehen, den er errungen hat. Menschen aller Stände, Parteien und Bekenntnisse strömen entweder hin, um seine Oper zu sehen, oder lesen sie mit Entzücken in ihren Studierzimmern. Selbst Staatsminister, die er angeblich am meisten beleidigt hat (neben jenen, die von den Schauspielern selbst dargestellt werden), erscheinen im Bewußtsein ihrer eigenen Unschuld häufig im Theater, um die Welt zu überzeugen, wie ungerechtfertigt die Parallelen sind, die aus Bosheit, Neid und Unzufriedenheit mit der Regierung gezogen werden.
Man hat mir versichert, daß sich mehrere würdige Geistliche dieser Stadt heimlich eine Aufführung der „Bettleroper" angesehen haben und daß sich die lästernden Stutzer im Parkett damit amüsierten, jene Herren herauszufinden und ihre Namen unter den Zuschauern zu verbreiten.
Ich will damit keineswegs einen Geistlichen rechtfertigen, der sich öffentlich in seinem Talar im Theater sehen lassen würde, womöglich inmitten einer jener liederlichen Scharen stehend, um solche Komödien oder profanen Tragödien anzuschauen, wie sie oft gezeigt werden. Außerdem weiß ich sehr wohl, daß Personen ihres Amtes verpflichtet sind, auch den Schein des Übels zu meiden und keinerlei Ärgernis zu erregen. Wenn aber die Lordkanzler, die über des Königs Gewissen wachen, wenn die Richter des Landes, deren Titel „Ehrwürden" ist, wenn Damen, die durch die Vorschriften ihres Geschlechts zu höchstem Anstand verpflichtet sind, ungerügt im Theater erscheinen, dann ist mir unverständlich, warum man einen jungen Geistlichen, der sich aus Wißbegierde ein harmloses und moralisches Theaterstück in unauffälliger Verkleidung ansieht, so heftig verurteilt. Ebensowenig billige ich die Schärfe eines hohen Prälaten, der erklärte, „er hoffe, es sei keiner von seinen Geistlichen dagewesen". Ich höre es gern, daß es gegen diese verehrungswürdige Körperschaft, die in unserer Stadt ihre Heimstätte hat, keine gewichtigeren Vorwürfe gibt, und ich wünschte, es bliebe so. Es täte mir aber sehr leid, wenn einer von ihnen sich dazu hergeben würde, einem englischen Hofkaplan nachzueifern, der gegen die „Bettleroper" predigte, welche wahrscheinlich mehr Gutes stiften wird als tausend Predigten eines so törichten, so unverständigen und so käuflichen Geistlichen.
In diesem trefflichen Werk des Mr. Gay sind alle Charaktere lebenswahr; keiner von ihnen verläßt die Grenzen der Natur und kaum einmal des alltäglichen Lebens. Das Stück enthüllt das ganze System jenes Gemeinwesens oder jenes imperium in imperio des Unrechts, das unter uns besteht und vor dem weder unser Leben noch unser Eigentum sicher ist, sei es auf der Straße, in öffentlichen Versammlungen oder selbst in unseren eigenen Häusern. Es zeigt das elende Leben und das unabänderliche Schicksal jener Verworfenen, wie billig sie ihr Leben und ihre Seele verkaufen, wie sie von ihren Huren, ihren Kumpanen und den Hehlern und Käufern ihres Diebesguts und ihrer geraubten Beute verraten werden. Gleichzeitig enthält diese Komödie eine Satire, die, einmal davon abgesehen, ob sie die Gegenwart berührt, doch vielleicht in künftigen Zeiten von Nutzen sein mag. Ich meine die Stelle, wo der Autor Gelegenheit nimmt, die gewöhnlichen Straßenräuber, und ihre Methoden, sich gegenseitig zu verraten, zugrunde zu richten und an den Galgen zu bringen, mit den verschiedenen Methoden der Politiker in Zeiten des Verfalls zu vergleichen.
Mit vollem Recht stellt die Komödie ferner jene unnatürliche Vorliebe für italienische Musik in unserem Lande bloß, die zu unserem nördlichen Klima und der Eigenart unseres Volkes überhaupt nicht paßt und die italienische Verweichlichung und italienischen Unsinn bei uns verbreitet. Ein alter Herr erzählte mir, daß er vor vielen Jahren, als sich die Ausübung eines unnatürlichen Lasters in London verbreitete und viele deswegen bestraft wurden, der festen Überzeugung war, daß dem bald italienische Opern und Sänger folgen würden und daß wir dann nichts weiter brauchten als Messerstechereien und Giftmorde, um zu perfekten Italienern zu werden.
Im ganzen geht mein Urteil dahin, daß nichts als sklavische Parteiergebenheit, affektierte Originalitätshascherei, beklagenswerte Dummheit, irriger Religionseifer oder ausgesuchte Heuchelei den geringsten Einwand ausklügeln könnten gegen dieses vorzügliche moralische Werk des berühmten Mr. Gay.“
Ein kurzer Überblick über die Lage Irlands
Anselm Schröder im Nachwort zu „Respektlose Schriften“:
„Die Insel wurde von London aus regiert und durch eine Serie von Restriktionen sowohl an der Entfaltung eines eigenen Handels als auch am Aufbau von Manufakturen planmäßig gehindert. Unbeschreibliche Armut trieb die einheimische Bevölkerung zur Auswanderung, und selbst die angloirischen Mittelschichten gerieten an den Rand des Ruins. Es ist nicht von ungefähr, daß der Mann, der als erster und nahezu einziger die englische bürgerlich-aristokratische Gesellschaft bereits in ihrer progressiven Phase scharf attackierte und schließlich in Grund und Boden verdammte, in Irland geboren wurde und in Dublin so gut zu Hause war wie in London. Swifts Spätwerk einschließlich des „Gulliver" entspringt aus dem erlebten Kontrast von selbstgerechtem Herrschaftsanspruch auf der einen und entwürdigendem Elend auf der anderen Seite …
Zur vollen Entfaltung seines Genius bedurfte es aber einer ernsteren Herausforderung zum Eingreifen in das aktuelle Geschehen. Die neue Aufgabe, die sich ihm stellte, war der verfrühte, aber beispielgebende Kampf für Irlands Befreiung vom englischen Joch. Swift war keineswegs von Anbeginn ein irischer Patriot. Seine Sympathien galten zunächst den protestantischen Mittelschichten englischer Abstammung, die von der systematischen Auspowerung durch das Rabenmutterland mit betroffen wurden und im Verband des englischen Volkes eine entrechtete Minderheit darstellten. Aber allmählich wurde er zum Sprecher und Streiter für die Gesamtheit aller Unterdrückten in Irland und damit zum Vorkämpfer nationaler Befreiung überhaupt. Die Serie der irischen Traktate vom Boykottaufruf im „Vorschlag zur alleinigen Verwendung irischer Eizeugnisse" (A Proposal for the Universal Use of Irish Manufacture, 1720) über die „Tuchhändlerbriefe" (The Drapier's Letters, 1724) bis zum „Bescheidenen Vorschlag" (A Modest Proposal, 1729) legt davon beredtes Zeugnis ab.
Die erste anonyme Flugschrift, die angesichts des widersinnigen und chaotischen Zustands der irischen Volkswirtschaft - wenig Ackerbau, viel Viehzucht, aber gedrosselter Wollexport und seit 1699 Verbot der Ausfuhr von Wollfabrikat - zur Belebung der einheimischen Manufaktur den Verzicht auf das Tragen englischer Importstoffe empfiehlt, hatte zur Folge, daß die von London dirigierte Justiz gegen den Drucker einschritt. Allein bezeichnenderweise gelang es nicht, eine Dubliner Jury zu dessen Verurteilung zu bewegen - deutliches Zeichen für ein noch unterschwelliges Beifallsecho.
Es dauerte nicht lange, da gab es englischerseits eine neue Provokation. Mitte 1722 erhielt der Metallwarenfabrikant William Wood auf dem Umweg über eine Mätresse Georgs I. das Privileg zur Prägung und Ausgabe von Scheidemünzen für den Umlauf in Irland im Werte von 108.000 Pfund, und zwar ohne daß eine einzige irische Instanz beteiligt worden wäre. Da es sich hier um eine Währungsmanipulation von einiger Tragweite handelte, reagierten beide Häuser des irischen Parlaments mit Protesten. In der richtigen Erwägung, daß diese doch nur ignoriert werden würden, gab Swift Anfang 1724 das Signal zum Volkswiderstand. Er hatte den günstigen Ansatzpunkt sofort entdeckt: Geld ging alle an, vom Gutsherrn bis zum Bettler. Unter dem geschickt gewählten Pseudonym „M. B., Tuchhändler" publizierte er eine Folge von Offenen Briefen mit dem Tenor der Annahmeverweigerung des von Wood geprägten Geldes.
Man muß diese Briefe als auf breite Resonanz gerichtete systematische Agitation verstehen: Die Unordnung hat Methode, die Wiederholungen dienen dem Einhämmern der Punkte, auf die es dem „Tuchhändler" ankommt, scheinbare Weitschweifigkeit und mangelnde rhetorische Disziplin sind bewußt gehandhabte Kunstmittel, wobei freilich die Trennlinie zu echter spontaner Reaktion nicht immer scharf zu ziehen ist. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die (nicht ganz stichhaltige) These, die Münzen bestünden aus schlechtem Material und besäßen daher nur einen Bruchteil ihres nominellen Wertes. Alsbald jedoch dringt er zum Kern der Sache vor, indem er den Fall Wood zum Schulbeispiel für Willkür und Bevormundung erhebt und daraus die Forderung des irischen Volkes auf Selbstbestimmung ableitet. Aus der Warnung vor dem Schwindler Wood wird ein patriotischer Appell, nicht länger in Kleinmut zu verharren, sondern die eigenen Rechte als freies Volk wahrzunehmen.
Der bloße Versuch der Mobilisierung einer potentiell starken gesellschaftlichen Kraft war in den Augen der Londoner Regierung Anstiftung zum Aufruhr. Der Ernst der Lage gab dem Premierminister Walpole Anlaß, den Staatssekretär Lord Carteret nach Dublin zu beordern, um Ordnung zu schaffen. Jedoch die Verhaftung des Druckers endete (abermals) mit dessen Freispruch durch die Dubliner Geschworenen, und die Aussetzung einer Belohnung auf Ergreifung des „Tuchhändlers" (den jedermann kannte) blieb wirkungslos. Die Opposition gegen Woods Münze hatte solche Ausmaße angenommen, daß schließlich Carteret selbst, der übrigens mit Swift auf gutem Fuße stand, für die Annullierung des leidigen Prägeprivilegs plädierte. Es wurde Mitte 1725 zurückgezogen - ohne Nachteil allerdings für die an der Schiebung Beteiligten.“
Schriften zur Lage in Irland im Projekt Gutenberg: http://gutenberg.spiegel.de/buch/irland-7132/1
Nun aber Jonathan Swift:
„Wie mir versichert wird, bedient man sich seit einiger Zeit, um sich bei gewissen Leuten beliebt zu machen, der Methode, auf Erkundigungen nach der Pachtsumme von Ländereien, nach der Tüchtigkeit der Pächter, nach der Lage von Handel und Manufaktur in unserem Königreich und nach dem Eintreffen der Pachtzahlungen zu erwidern, daß in der jeweiligen Gegend alles in Blüte stehe und daß Pachteinnahmen und Bodenertrag mit jedem Tag stiegen. Und wenn ein Gutsherr einmal zufällig ein wenig aufrichtiger in seinen Darlegungen ist, wird er nicht nur als übelgesinnt angesehen, sondern auch mit Sicherheit gleich von einem Dutzend Leuten umringt, die ihm widersprechen. Ich denke, es ist kein Geheimnis, weshalb diese Fragen so verbindlich gestellt und so entgegenkommend beantwortet werden. Da ich mich aber hinsichtlich der Angelegenheiten unseres Königreichs sehr bemühe, meine Empörung zu unterdrücken, die nun wirklich keinerlei persönlichem Interesse entspringt - denn mir gehört auf der ganzen Insel nicht ein einziges Fleckchen Boden -, will ich nur nach allgemein bekannten und nie widerlegten Regeln die echten Ursachen aufzählen, durch die ein Land zur Blüte und zu Reichtum gelangt, und dann untersuchen, welche Wirkungen sich aus diesen Ursachen im Königreich Irland ergeben.
Die erste Ursache für das Gedeihen eines Königreichs ist die Fruchtbarkeit des Bodens, damit die Erfordernisse und Annehmlichkeiten des Lebens nicht nur in genügender Menge für die Einwohner, sondern auch noch zur Ausfuhr in andere Länder erzeugt werden können.
Die zweite ist der Fleiß des Volkes bei der Verarbeitung all seiner einheimischen Erzeugnisse bis zur letzten Fertigungsstufe.
Die dritte ist der Vorteil sicherer Häfen und Ladeplätze, um die eigenen Waren so weitgehend verarbeitet auszuführen und fremde Waren so wenig verarbeitet einzuführen, wie es das Wesen gegenseitigen Handels nur zuläßt.
Die vierte ist die, daß die Einwohner ihre Waren soviel wie möglich in Schiffen aus ihrem eigenen Holz aus- und einführen, die in ihrem eigenen Land gebaut sind.
Die fünfte ist das Recht des freien Handels mit allen fremden Ländern, die ihnen Einlaß gewähren, ausgenommen jene, die mit ihrem Fürsten oder Staat im Kriege liegen.
Die sechste besteht darin, daß sie nur durch Gesetze regiert werden, die mit ihrer eigenen Zustimmung erlassen worden sind, denn sonst sind sie kein freies Volk. Und daher sind alle Bitten um Gerechtigkeit oder Gesuche um Gunstbezeigungen oder Beförderungen, die an ein anderes Land gerichtet werden, ebenso viele bittere Armutszeugnisse.
Die siebente liegt in der Verbesserung des Bodens, in der Förderung der Landwirtschaft und in dem damit verbundenen Anwachsen der Bevölkerung, ohne die jedes Land, sei es von der Natur noch so sehr gesegnet, arm bleiben muß.
Die achte liegt darin, daß die Fürsten oder die obersten Regierungsbeamten der Zivilverwaltung im Lande residieren.
Die neunte ist der Zustrom von Ausländern, die das Land zu Bildungszwecken, aus Neugier, zum Vergnügen oder zur Teilnahme an allgemeinen Handelsmärkten besuchen.
Die zehnte besteht darin, daß alle Ehrenämter, einträglichen Stellen oder Vertrauensstellungen nur an Einheimische vergeben werden, zumindest mit nur sehr wenigen Ausnahmen, wenn nämlich Fremde lange im Lande gewohnt haben und man von ihnen annehmen kann, daß sie seine Interessen verstehen und diese als ihre eigenen ansehen.
Die elfte ist darin zu finden, daß die Pachtsummen für Ländereien und die Einkünfte aus Ämtern in dem Lande ausgegeben werden, das sie aufgebracht hat, und nicht in einem fremden; das erstere wird sicherlich da der Fall sein, wo die Liebe zum Heimatland vorherrscht.
Die zwölfte liegt darin, daß die Staatseinnahmen alle im Lande ausgegeben und verwendet werden, es sei denn anläßlich eines Krieges im Ausland.
Die dreizehnte besteht darin, daß niemand das Volk zwingt, irgendwelches Geld anzunehmen, das nicht nach dem gewöhnlichen Verfahren aller zivilisierten Nationen im Lande selbst in einer staatlichen Münze geprägt worden ist, es sei denn, seine eigenen Interessen oder seine Bequemlichkeit veranlassen es zur Annahme.
Die vierzehnte liegt in dem Streben der Bevölkerung eines Landes, nur ihre eigenen Erzeugnisse zu tragen und so wenig verlockende Luxusartikel an Kleidung, Einrichtungsgegenständen, Speise oder Trank einzuführen, wie es sich nur irgend mit der Behaglichkeit ihres Lebens verträgt.
Es gibt noch viele andere Ursachen für das Gedeihen einer Nation, auf die ich mich im Augenblick nicht besinnen kann. Aber ich kann nach langer Überlegung nicht einsehen, woher unser Wohlstand kommen sollte, wenn nicht wenigstens einige von diesen zu unserem Vorteil wirken; ich ließe mich daher gern eines Besseren belehren. Inzwischen will ich hier einmal untersuchen, welchen Anteil Irland an diesen Ursachen oder ihren Auswirkungen und Folgen hat.
Ich habe nicht die Absicht zu jammern, sondern einfach Tatsachen zu berichten. Die Angelegenheit ist von nicht geringer Bedeutung, denn es steht fest, daß ein Mann, der fern von jeder Hilfe in einem einsamen Haus wohnt nicht klug daran tut, wenn er sich bemüht, in der Nachbarschaft als reich zu gelten, weil jene, die um des Goldes willen kommen, immer noch lieber Zinn und Kupfer mitgehen lassen, als daß sie mit leeren Händen abziehen; und nach dem allgemeinen Brauch der Welt stellen die, die den größten Reichtum besitzen, den geringsten Prunk zur Schau. Das überlassen sie anderen, die sonst nichts haben, was sie ausweist, wenn sie sich auf der Börse zeigen.
Was die erste Ursache für den Reichtum einer Nation angeht, die Fruchtbarkeit des Bodens wie auch die Milde des Klimas, so haben wir keinen Anlaß zur Klage; denn wenn auch die Menge an unfruchtbarem Land in unserem Königreich, wenn man Sumpf, Felsen und kahles Gebirge zusammenrechnet, im Verhältnis zu England doppelt so groß ist, so sind doch die einheimischen Erzeugnisse, mit denen beide Königreiche handeln, in ihrer Güte annähernd gleichwertig und könnten bei der gleichen Förderung auch gleich gut verarbeitet werden. Davon ausnehmen muß ich die Bergwerke und Mineralien; bei einigen davon aber lassen wir es nur an Fleiß und Geschicklichkeit fehlen.
Bei der zweiten, nämlich dem Fleiß des Volkes, haben wir unser Unglück nicht völlig unserer eigenen Schuld, sondern unzähligen Behinderungen zu verdanken.
Der Vorteil von Häfen und Ladeplätzen, mit denen die Natur uns so freigebig ausgestattet hat, nützt uns nicht mehr, als eine schöne Aussicht einem Manne nützt, der in einem Kerker eingeschlossen ist.
Was die Schiffahrt mit eigenen Fahrzeugen betrifft, so fehlt sie unserem Königreich so vollständig, daß man kaum sagen kann, von all dem ausgezeichneten Holz, das innerhalb der letzten fünfzig oder sechzig Jahre geschlagen worden ist, habe die Nation den Vorteil auch nur eines einzigen Wohnhauses von Wert oder den eines einzigen Schiffes für ihren Handel gehabt.
Irland ist, soweit ich je in der alten oder neuen Geschichte gehört oder gelesen habe, das einzige Königreich, dem man die Freiheit verweigerte, seine einheimischen Waren und Erzeugnisse auszuführen, wohin es ihm beliebte, es sei denn in Länder, die mit seinem Fürsten oder Staat im Kriege lagen; dieses Recht aber wird uns in den wichtigsten Handelszweigen mit der Überlegenheit nackter Gewalt entzogen; hinzu kommt die Navigationsakte, der wir nie zugestimmt haben und die uns aufgezwungen und rigoros durchgesetzt wurde; hinzu kommen ferner tausend andere beispiellose Umstände, die ebenso drückend sind, wie es gehässig wäre, sie zu erwähnen. Doch um zu den anderen Punkten zu kommen: Es ist nur zu bekannt, daß wir gezwungen sind, einer Reihe von Gesetzen zu gehorchen, denen wir nie zugestimmt haben. Das ist ein Zustand, den ich nicht bei seinem wahren, unbestrittenen Namen nennen darf aus Furcht vor dem Geist des Lord Oberrichters Whitshed mit seinem Libertas et natale solum, das als Devise auf seiner Kutsche geschrieben stand, als sie am Tor des Gerichtshofes wartete, während er seinen Eid brach, um beides zu verraten. So befinden wir uns in der Lage von Patienten, die von Ärzten, die ihre Konstitution und die Art ihrer Krankheit nicht kennen, aus der Ferne Arzneien gesandt bekommen; und so sind wir gezwungen, fünfhundert Prozent für die Klärung unserer Eigentumsrechte zu zahlen. In all diesen Dingen haben wir gleichfalls die Ehre, uns von der ganzen Menschheit zu unterscheiden.
Was die Verbesserung des Bodens angeht, so machen die wenigen Leute, die das oder auch eine Aufforstung versuchen, aus Habgier oder Mangel an Geschick die Dinge in der Regel nur noch schlimmer, als sie schon vorher waren; sie haben weder mit Bäumen noch mit Hecken Erfolg; und dadurch, daß sie auf den Einfall kommen, nach Art der Skythen zur Viehzucht überzugehen, entvölkern sie mit jedem Tag das Land. Wir sind so weit davon entfernt, einen König zu haben, der bei uns residiert, daß selbst der Vizekönig im allgemeinen vier Fünftel seiner Amtszeit außer Landes ist.
Keinerlei Fremde aus anderen Ländern nehmen das unsere in ihren Reiseplan auf, denn das einzige, was sie hier erwarten können, ist der Anblick von Szenen des Elends und der Verödung.
Wer das Unglück hat, hier geboren zu sein, hat am wenigsten Anspruch auf irgendein wichtiges Amt; es wird ihm nur selten verliehen, es sei denn aus politischen Erwägungen.
Ein Drittel des Pachtaufkommens aus Irland wird in England ausgegeben; zusammen mit den Einnahmen aus den Ämtern, den Pensionen, den Appellationen an englische Gerichte, den Vergnügungs- oder Erholungsreisen, der Ausbildung an den Rechtsschulen in London und den beiden Universitäten, den beliebigen Geldüberweisungen, dem Sold aller höheren Armeeoffiziere und anderen Nebenposten macht das gewöhnlich die volle Hälfte der Einkünfte des ganzen Königreichs aus, alles reiner Profit für England.
Man versagt uns das Recht, Gold, Silber oder selbst Kupfer zu prägen. Auf der Insel Man prägen die Einwohner ihr eigenes Silber; jeder kleine Fürst und Vasall des Kaisers kann nach Belieben Geld prägen. Und auch in diesem Punkt, wie in den meisten bereits erwähnten, bilden wir eine Ausnahme gegenüber allen anderen Staaten oder Monarchien, die die Welt je gesehen hat.
Was den letzten oder vierzehnten Punkt angeht, so tragen wir besondere Sorge, ihm im ganzen Lauf unseres Lebens direkt zuwiderzuhandeln. Beide Geschlechter, vor allem aber die Frauen, verschmähen und verabscheuen es, irgendwelche unserer eigenen Erzeugnisse zu tragen, selbst solche, die besser gearbeitet sind als in anderen Ländern, besonders eine Art karierten Seidenstoffs, durch den die Weber eine Art goldenen Faden ziehen müssen, damit er als indischer ausgegeben werden kann. Selbst Bier und Kartoffeln werden ebenso wie Getreide in großen Mengen aus England importiert, und unser Außenhandel geht kaum über die Einfuhr französischer Weine hinaus, für die wir, wie ich höre, bares Geld zahlen.
Wenn nun all das zutrifft - und ich könnte leicht noch mehr dazu anführen -, dann möchte ich gern wissen, auf welche mysteriöse Weise wir ein reiches und blühendes Volk werden ohne Freiheit, ohne Handel, ohne Manufakturen, ohne Einwohner, ohne Geld oder das Prägerecht, ohne Gewerbefleiß, Arbeitskräfte oder Verbesserung des Bodens und bei einem jährlichen Abfluß von mehr als der Hälfte der Pachten und Einkünfte des ganzen Königreichs, für die wir nicht einen einzigen Farthing zurückerhalten. Und als Ausgleich für all das kaum etwas, das der Rede wert wäre, außer dem Leinen des Nordens, einem Handelszweig, der von Zufällen abhängig, korrupt und gefährdet ist, und ein wenig Butter aus Cork. Sollten wir blühen, so müßte das gegen jedes Gesetz der Natur und Vernunft geschehen wie bei dem Dornstrauch von Glastonbury, der mitten im Winter Blüten treibt.
Mögen doch die ehrenwerten Bevollmächtigten, die aus England kommen, unser ganzes Königreich bereisen und das Antlitz der Natur betrachten oder die Gesichter der Eingeborenen, die Verbesserung des Bodens, die zahlreichen blühenden Anpflanzungen, die prächtigen Wälder, die vielen dichtgedrängten Landsitze, die geräumigen Bauernhäuser und Scheunen, die Städte und Dörfer, in denen jedermann fleißig schafft und durch alle möglichen Erzeugnisse zu Wohlstand gelangt, die Läden voller meisterhaft verarbeiteter Waren, in denen sich die Kunden drängen, die gute Nahrung, Kleidung und Wohnung des Volkes, die ungeheure Zahl von Schiffen in unseren Häfen und Docks und die Schiffbauer in unseren Seehäfen. Die Straßen wimmeln von Fuhrwerken, die mit kostbaren Waren beladen sind, und prunkvolle Kutschen fahren beständig auf und ab.
Mit welchem Neid und welcher Bewunderung würden diese Herren von einer so angenehmen Reise zurückkehren? Welche herrlichen Berichte würden sie wohl erstatten, wenn sie nach England zurückführen?
Aber mir ist das Herz zu schwer, um diese Reise noch weiter fortzusetzen, denn es ist offenkundig, daß jeder Fremde, der eine solche Reise unternähme, eher meinte, er reise in Lappland oder Island als in einem von der Natur mit der Fruchtbarkeit des Bodens und Milde des Klimas so begünstigten Lande wie dem unseren. Die elende Kleidung, Nahrung und Wohnung des Volkes. Die allgemeine Verödung in den meisten Teilen des Königreichs. Die alten Sitze des hohen und niederen Adels ganz verfallen, und keine neuen an deren Stelle. Die Familien der Pächter, die hohe Pachten zahlen und in Schmutz und Unflat von Buttermilch und Kartoffeln leben, ohne Schuhe oder Strümpfe an den Füßen und ohne ein Haus als Unterkunft, das auch nur so bequem wäre wie ein englischer Schweinestall. Das alles mag freilich einen englischen Betrachter wenig berühren, denn er kommt ja nur auf kurze Zeit, um die Sprache zu erlernen, und kehrt dann in sein eigenes Land zurück, wo er unseren ganzen Reichtum vorfindet, der dorthin abfließt.
Nostra miseria magnus es.
Es wird kein einziges Argument zum Nachweis des Reichtums Irlands angeführt, das nicht ein logischer Beweis seiner Armut wäre. Die erhöhten Pachteinnahmen bei uns werden aus dem Blut, dem Lebensmark, der Bekleidung und Behausung der Pächter herausgepreßt, die schlechter leben als die Bettler in England. Der niedrige Zinsfuß, in allen anderen Ländern ein Zeichen des Wohlstands, ist bei uns ein Beweis für das Elend, denn es gibt keinen Handel, für den jemand Kredit brauchen könnte. Daher allein kommt der hohe Bodenpreis, denn die Sparer haben keine andere Möglichkeit, ihr Geld anzulegen. Daher die hohen Lebensmittelpreise, denn die Pächter können es sich nicht leisten, so übertrieben hohe Pachtsätze für das Land zu zahlen (das sie nehmen müssen, wenn sie nicht betteln gehen wollen), ohne die Preise für Vieh und Getreide zu erhöhen, auch wenn sie selbst von Häcksel leben sollten. Daher die wachsende Zahl von Gebäuden in unserer Stadt, denn die Handwerker haben nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig zu beschäftigen, und die Hälfte von ihnen wird unweigerlich ruiniert. Daher die täglich wachsende Zahl von Bankiers, die in einem handeltreibenden Land ein notwendiges Übel sein mögen, in unserem aber höchst verderblich wirken; sie haben zu ihrem privaten Vorteil all unser Silber und ein Drittel unseres Goldes ins Ausland verschoben, so daß innerhalb der letzten drei Jahre der Bargeldumlauf der Nation, der sich auf etwa 500.000 Pfund belief, auf jetzt weniger als 200.000 zurückgegangen ist und sich mit jedem Tag weiter verringern muß, solange nicht auch wir das Prägerecht erhalten gleich dem bedeutenden Königreich, der Insel Man, und dem armseligsten Fürsten im Deutschen Kaiserreich - wie bereits oben bemerkt.
Ich habe manchmal gedacht, daß die widersinnige Behauptung, das Königreich werde reich, wohl hauptsächlich auf jene ehrenwerten Herren, die Bankiers, zurückgeht, die außer einigen Zollbeamten, Zugvögeln, blutsaugerisch raffgierigen Gutsbesitzern und einigen anderen, die ungenannt bleiben sollen, die einzigen Leute bei uns sind, die zu Wohlstand gelangen. Und ich habe mir oft gewünscht, daß ein Gesetz erlassen würde, jedes Jahr ein halbes Dutzend Bankiers aufzuhängen, um dem weiteren Verderben Irlands dadurch wenigstens einen kurzen Aufschub zu verschaffen.
„Ihr seid müßig, müßig seid ihr", entgegnete Pharao den Israeliten, als sie sich bei Seiner Majestät beklagten, daß sie gezwungen wären, Ziegel ohne Stroh zu machen.
England genießt jeden einzelnen der Vorteile, die eine Nation reich machen, wie ich sie oben aufgezählt habe; und obendrein bezieht es in jedem Jahr noch eine gute Million ohne Mühe oder Risiko und ohne daß wir unsererseits auch nur einen Farthing Gegenwert erhalten. Wie lange wir aber diese Zahlung werden fortsetzen können, das soll meine Sorge nicht sein. Eins freilich weiß ich: Wenn die Henne verhungert ist, gibt es keine goldenen Eier mehr.
Ich finde es ein wenig unfair, und andere werden es vielleicht eine ausgemachte Niedertracht nennen, daß englische Gäste bei ihrer Rückkehr verbreiten, wir schwelgten in Reichtum und Luxus, nur weil es vielleicht ein Dutzend Familien in unserer Stadt gibt, die imstande sind, ihre englischen Freunde bei Tisch großzügig zu bewirten.
Und doch muß ich gestehen, daß ich ein Armenhaus kenne, in dem das ganze Wirtschaftspersonal reich wurde, während die Armen, für die es erbaut worden war, aus Mangel an Nahrung und Kleidung fast starben.
Um zum Schluß zu kommen: Wenn Irland ein reiches und blühendes Königreich ist, so müssen sein Reichtum und sein Wohlergehen gewissen Ursachen zu verdanken sein, die der ganzen Menschheit noch verborgen sind; und ebenso unsichtbar sind auch die Wirkungen. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn Ausländer solche widersinnigen Behauptungen äußern; aber ein Eingeborener und Bewohner dieses Königreichs, der das gleiche Urteil fällt, muß entweder unwissend bis zum Stumpfsinn sein, oder er ist ein Mensch, der wider alle Gebote der Ehre, des Gewissens und der Wahrheit den Leuten nach dem Munde redet.“
Bescheidener Vorschlag, wie man verhüten kann, daß die Kinder armer Leute in Irland ihren Eltern oder dem Lande zur Last fallen, und wie sie der Allgemeinheit nutzbar gemacht werden können
Sollten sich Autisten unter den Lesern befinden: Der folgende Text ist nicht ernst gemeint. Worauf Jonathan Swift hinaus will, wird am Schluss des Textes ersichtlich:
„Es ist ein trauriger Anblick für diejenigen, die durch unsere große Stadt gehen oder über Land reisen, wenn sie sehen, wie die Straßen, die Wege und die Eingänge zu den Hütten von Bettlerinnen wimmeln, die, umgeben von drei, vier oder sechs völlig zerlumpten Kindern, jeden Passanten um ein Almosen angehen. Statt ehrlich ihr Brot verdienen zu können, sind diese Mütter gezwungen, sich den ganzen Tag herumzutreiben, um den Lebensunterhalt für ihre hilflosen Kinder zu erbetteln. Die Kinder werden, wie sie heranwachsen, entweder aus Mangel an Arbeit zu Dieben, oder sie verlassen ihr liebes Heimatland, um in Spanien für den Prätendenten zu kämpfen oder sich nach Barbados zu verkaufen.
Ich glaube, man ist sich allerseits darüber einig, daß diese horrende Zahl von Kindern - im Arm, auf dem Rücken oder an den Fersen ihrer Mütter und häufig auch ihrer Väter - für das Königreich in seinem gegenwärtigen bedauerlichen Zustand eine zusätzliche Belastung darstellt. Wer daher ein annehmbares, billiges und bequemes Verfahren ausfindig machen könnte, um diese Kinder zu wahrhaft nützlichen Gliedern des Staates zu machen, erwürbe sich ein so großes Verdienst um die Öffentlichkeit, daß man ihm als einem Retter der Nation ein Standbild setzen würde.
Aber mein Vorhaben beschränkt sich keineswegs darauf, nur für die Kinder gewerbsmäßiger Bettler Vorsorge zu treffen. Es reicht viel weiter und soll sämtliche Kinder einer bestimmten Altersstufe einbeziehen, die von Eltern geboren sind, die sie praktisch ebensowenig ernähren können wie jene, die auf den Straßen Anspruch auf unsere Mildtätigkeit erheben.
Nachdem ich selbst viele Jahre lang über dieses wichtige Thema nachgedacht und die verschiedenen Vorschläge anderer Plänemacher reiflich erwogen habe, stelle ich immer wieder fest, daß sie sich gröblich verkalkulieren. Es trifft zu, daß ein frisch geworfenes Kind ein Sonnenjahr lang mit Muttermilch und nur geringer Zusatzkost ernährt werden kann, die im Höchstfall den Betrag von 2 Shilling nicht überschreitet. Diese Summe oder den Gegenwert in Brosamen kann sich die Mutter sicherlich durch ihr gesetzlich genehmigtes Gewerbe des Bettelns beschaffen; und sobald die Kinder ein Jahr alt geworden sind, gedenke ich entsprechende Vorsorge zu treffen, daß sie, anstatt ihren Eltern oder der Gemeinde zur Last zu fallen oder für den Rest ihres Lebens Mangel an Nahrung und Kleidung zu leiden, im Gegenteil zur Ernährung und teilweise auch zur Bekleidung vieler Tausender beitragen sollen.
Mein Plan hat noch einen weiteren großen Vorteil; er wird nämlich den Abtreibungen ein Ende machen sowie der bei uns leider nur zu häufig geübten abscheulichen Praxis, daß Frauen ihre unehelichen Kinder ermorden; wobei die armen unschuldigen Kleinen vermutlich weniger aus Furcht vor der Schande als vielmehr vor den Kosten geopfert werden; ein Umstand, der selbst fühllose Unmenschen zu Tränen des Mitleids rühren müßte.
Die Zahl der Seelen in unserem Königreich wird gewöhnlich auf anderthalb Millionen geschätzt. Darunter dürften nach meiner Berechnung etwa zweihunderttausend Paare sein, bei denen die Frauen gebärfähig sind. Von dieser Zahl ziehe ich dreißigtausend Paare ab, die ihre Kinder selbst zu erhalten vermögen, obwohl ich fürchte, es werden bei der gegenwärtigen Notlage des Königreichs nicht so viele sein; aber angenommen, das stimme, so bleiben noch hundertundsiebzigtausend, die Nachkommenschaft hervorbringen. Weiterhin ziehe ich fünfzigtausend für die Frauen ab, die eine Fehlgeburt haben oder deren Kinder durch Unfall oder Krankheit im ersten Lebensjahr sterben. Es verbleibt dann nur noch ein jährliches Aufkommen von hundertundzwanzigtausend Kindern armer Eltern. Die Frage ist also, wie diese Zahl aufgezogen und untergebracht werden soll, was, wie ich bereits gesagt habe, mit all den bisher vorgeschlagenen Methoden beim gegenwärtigen Stand der Dinge völlig unmöglich ist; denn wir können sie weder im Handwerk noch in der Landwirtschaft beschäftigen; weder bauen wir Häuser (ich meine auf den Dörfern), noch bestellen wir den Acker. Bis zum Alter von sechs Jahren können sie nur sehr selten ihren Lebensunterhalt durch Stehlen bestreiten, außer wenn sie einschlägig begabt sind. Ich gebe zwar zu, daß sie die Anfangsgründe viel früher erlernen; man kann sie aber während dieser Zeit eigentlich nur als Volontäre betrachten, wie mir ein maßgeblicher Herr aus der Grafschaft Cavan mitgeteilt hat, der mir beteuerte, ihm seien nicht mehr als ein oder zwei Fälle unter sechs Jahren bekannt, und das in einem Landesteil, der für früh entwickelte Meisterschaft in jener Kunst weithin berühmt sei.
Unsere Kaufleute versichern mir, daß ein Junge oder ein Mädchen vor Vollendung des zwölften Lebensjahrs keine marktfähige Ware ist; und selbst wenn sie in dieses Alter kommen, bringen sie an der Börse nicht mehr als 3 Pfund oder höchstens 3 Pfund und eine halbe Krone ein, was weder den Eltern noch dem Königreich etwas abwirft, da die Kosten für Nahrung und Lumpen mindestens viermal so hoch gewesen sind.
Ich werde deshalb jetzt bescheidentlich meine eigenen Gedanken darlegen, gegen die es, wie ich hoffe, keinerlei Einwände geben wird.
Von einem sehr sachverständigen Amerikaner meiner Bekanntschaft in London ist mir versichert worden, daß ein junges, gesundes, gutgenährtes Kind im Alter von einem Jahr eine äußerst wohlschmeckende, nahrhafte und bekömmliche Speise sei, gleichviel, ob geschmort, gebraten, gebacken oder gekocht und ich zweifle nicht, daß es in gleicher Weise zu Frikassee oder Ragout taugt.
Deshalb stelle ich es in aller Bescheidenheit der Öffentlichkeit anheim zu erwägen, daß von den bereits aufgerechneten einhundertundzwanzigtausend Kindern zwanzigtausend für die Zucht zurückbehalten werden sollten; davon braucht nur ein Viertel männlichen Geschlechts zu sein, was mehr ist, als wir bei Schafen, schwarzen Rindern oder Schweinen dafür vorsehen. Mein Grund ist der, daß viele Kinder selten Früchte einer Ehe sind, eine Formalität, die von unseren Wilden nicht weiter beachtet wird, und daher reicht ein Männchen auf vier Weibchen aus. Die übrigen hunderttausend können, wenn sie ein Jahr alt sind, vornehmen und reichen Leuten im ganzen Königreich zum Kauf angeboten werden, wobei man die Mutter stets dazu anhalten sollte, sie im letzten Monat reichlich zu stillen, um sie fleischig und fett für eine gute Tafel zu machen. Ein Kind reicht für zwei Gerichte zur Bewirtung lieber Gäste, und wenn die Familie allein speist, so ergibt ein Vorder- bis Hinterviertel ein annehmbares Gericht; mit etwas Pfeffer oder Salz gewürzt, wird es gekocht noch am vierten Tag sehr gut schmecken, besonders im Winter.
Ich habe ausgerechnet, daß ein neugeborenes Kind im Durchschnitt zwölf Pfund wiegt und im Laufe eines Sonnenjahres bei leidlicher Fütterung bis auf achtundzwanzig Pfund zunimmt.
Ich gebe zu, daß diese Speise etwas teuer wird, und eben deshalb ist sie für Grundbesitzer besonders geeignet; denn da sie bereits die meisten Eltern verschlungen haben, steht ihnen gewiß auch das erste Anrecht auf die Kinder zu.
Kinderfleisch wird es das ganze Jahr über zu kaufen geben, reichlicher aber im März und kurz vorher und nachher, denn von einem ernsthaften Schriftsteller, einem hervorragenden französischen Arzt, hören wir, daß Fisch eine fruchtbarkeitssteigernde Kost ist und daher in römisch-katholischen Ländern etwa neun Monate nach der Fastenzeit mehr Kinder geboren werden als zu jeder anderen Jahreszeit. Daher werden schätzungsweise ein Jahr nach der Fastenzeit die Märkte noch mehr überschwemmt sein als gewöhnlich, weil in unserem Königreich papistische Kinder im Verhältnis von mindestens drei zu eins überwiegen, und deswegen wird mein Vorschlag den weiteren Vorteil mit sich bringen, daß die Zahl der Papisten unter uns verringert wird.
Ich hatte bereits die Kosten für die Aufzucht eines Bettlerkindes (zu welcher Kategorie ich alle Häusler, Arbeiter und vier Fünftel der Pächter rechne) einschließlich seiner Lumpen auf etwa 2 Shilling im Jahr berechnet; und ich glaube, kein feiner Mann würde sich sträuben, für ein gutes, fettes Kind 10 Shilling pro Stück zu zahlen, das, wie ich bereits gesagt habe, vier Mahlzeiten von ausgezeichnetem, nahrhaftem Fleisch ergibt, wenn er nur mit einem besonders guten Freund oder der eigenen Familie zu Tisch sitzt. So wird der Landjunker lernen, ein guter Grundherr zu sein, und sich bei seinen Pächtern beliebt machen; die Mutter wird 8 Shilling Reinverdienst haben und arbeitsfähig bleiben, bis sie das nächste Kind hervorbringt.
Wer sparsamer ist (wie es, das muß ich zugeben, die Zeit erfordert), kann die Haut abziehen; kunstvoll gegerbt, wird sie vortreffliche Handschuhe für die Damen und Sommerstiefel für feine Herren liefern.
Was unsere Stadt Dublin angeht, so könnten zu diesem Zweck in den am bequemsten gelegenen Stadtteilen Schlachthäuser eingerichtet werden; an Metzgern dürfte es aller Voraussicht nach nicht fehlen, obwohl ich eher anrate, die Kinder lebend zu kaufen und sie noch warm nach dem Schlachten zuzubereiten, wie wir es mit Spanferkeln machen.
Eine hochangesehene Persönlichkeit, ein wahrer Freund seines Landes, dessen Tugenden ich überaus schätze, hatte kürzlich die Liebenswürdigkeit, bei einem Gespräch über diese Angelegenheit noch eine Verbesserung zu meinem Plan vorzuschlagen. Er sagte, daß viele vornehme Herren unseres Königreichs in letzter Zeit ihren Rotwildbestand ausgerottet hätten; deshalb glaube er, daß der Mangel an Wildbret gut durch die Leiber junger Burschen und Mädchen, nicht über vierzehn und nicht unter zwölf Jahren ausgeglichen werden könnte, zumal eine so große Zahl beiderlei Geschlechts in jedem Bezirk nahe daran sei, aus Mangel an Arbeit und Stellungen zu verhungern; und diese könnten von ihren Eltern - falls sie noch leben - oder sonst von ihren nächsten Verwandten veräußert werden. Indes bei aller gebührenden Hochachtung gegenüber einem so ausgezeichneten Freund und so verdienten Patrioten kann ich seinen Gedanken nicht ganz beipflichten; denn was die Männchen angeht, so hat mir mein amerikanischer Bekannter aus häufiger Erfahrung versichert, daß ihr Fleisch wie das unserer Schuljungen infolge vieler körperlicher Bewegung im allgemeinen zäh und mager und ihr Geschmack unangenehm sei, und sie zu mästen, würde die Kosten nicht lohnen. Was ferner die Weibchen angeht, so wäre es, wie ich mir ergebenst zu bemerken gestatte, ein Verlust für die Öffentlichkeit, weil sie bald selbst Nachkommenschaft hervorbringen würden. Außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, daß einige bedenkliche Leute geneigt sein könnten, ein solches Verfahren (wenn auch sehr zu Unrecht) zu kritisieren, weil es ein wenig an Grausamkeit grenze, was für mich, wie ich gestehe, stets der stärkste Einwand gegen jeglichen Plan gewesen ist, so gut er auch gemeint sein mochte.
Um aber meinen Freund zu rechtfertigen: er räumte ein, dieser Ausweg sei ihm von dem berühmten Psalmanazar gezeigt worden, einem Eingeborenen der Insel Formosa, der vor mehr als zwanzig Jahren von dort nach London kam und meinem Freund gesprächsweise mitteilte, daß in seiner Heimat, wenn es sich zutrage, daß irgendein junger Mensch hingerichtet werde, der Henker den Körper als vorzüglichen Leckerbissen an Leute von Stand verkaufe; zu seiner Zeit sei der Leib eines drallen Mädchens von fünfzehn Jahren, das wegen eines Versuchs, den Kaiser zu vergiften, gekreuzigt worden sei, vom Galgen weg in Stücken für vierhundert Kronen an den Premierminister Seiner kaiserlichen Majestät und andere hohe Mandarine des Hofs verkauft worden. Ich kann auch nicht leugnen, daß unser Königreich keinen Schaden erlitte, wenn man mehrere feiste junge Mädchen in unserer Stadt der gleichen Verwendung zuführte, die, ohne einen einzigen Heller Vermögen zu besitzen, sich ohne Tragesänfte nicht aus dem Haus rühren können und im Theater und in Gesellschaften in ausländischem Putz erscheinen, den sie niemals bezahlen.
Einige verzagte Gemüter sind in großer Sorge wegen der großen Zahl armer Leute, die bejahrt, krank oder verkrüppelt sind, und man hat mich oft gebeten, mir Gedanken darüber zu machen, was sich wohl tun ließe, um das Land von einer so drückenden Last zu befreien. Mir bereitet aber diese Sache nicht den geringsten Kummer, denn man weiß ja sehr gut, daß diese Leute jeden Tag durch Kälte und Hunger und Schmutz und Ungeziefer so schnell sterben und verderben, wie man es billigerweise nur erwarten kann. Und auch die jüngeren Arbeiter befinden sich jetzt in einer fast ebenso hoffnungsvollen Lage. Sie können keine Arbeit bekommen und sind daher infolge Unterernährung derart geschwächt, daß sie, wenn sie zufällig einmal zu einfacher Arbeit eingestellt werden, nicht mehr die Kraft haben, sie auszuführen; und so werden das Land und sie selbst glücklich vor künftigen Übeln bewahrt. Ich bin zu lange abgeschweift und werde deshalb auf mein Thema zurückkommen. Ich glaube, die Vorteile des Vorschlags, den ich gemacht habe, sind offensichtlich und zahlreich wie auch von größter Wichtigkeit.
Erstens würde sich nämlich, wie ich bereits bemerkt habe, die Zahl der Papisten, von denen jedes Jahr mehr bei uns herumwimmeln, beträchtlich verringern. Sie sind es in unserer Nation ja hauptsächlich, die Nachkommenschaft hervorbringen, und zudem sind sie unsere gefährlichsten Feinde, die eigens zu dem Zweck im Lande bleiben, das Königreich dem Prätendenten auszuliefern; sie hoffen dabei, aus der Abwesenheit so vieler guter Protestanten Vorteil zu ziehen, die sich entschlossen, lieber ihr Land zu verlassen als daheim zu bleiben und gegen ihr Gewissen den Zehnten an einen götzendienerischen bischöflichen Kuraten zu zahlen.
Zweitens werden die ärmeren Pächter etwas von Wert zu eigen haben, das durch Gesetz pfändbar gemacht werden und dazu beitragen kann, dem Grundherrn seine Pacht zu zahlen; denn ihr Getreide und ihr Vieh sind schon beschlagnahmt, und Geld bekommen sie nie zu sehen.
Drittens: Da der Unterhalt von hunderttausend Kindern im Alter von zwei Jahren und darüber auf nicht weniger als 10 Shilling pro Stück und Jahr angesetzt werden kann, wird das Nationalvermögen auf diese Weise um jährlich 50.000 Pfund erhöht. Dazu kommt noch der Vorteil, daß für die Tafeln aller vermögenden und mit verfeinertem Geschmack begabten Herren ein neues Gericht eingeführt wird. Und das Geld, wird nur unter uns selbst umlaufen, da die Ware ein vollkommen einheimisches Gewächs und Erzeugnis ist.
Viertens werden diejenigen, die ständig Nachkommenschaft hervorbringen, neben dem Verdienst von jährlich 8 Shilling kurant durch den Verkauf ihrer Kinder noch von der Last befreit, sie nach dem ersten Jahr weiter zu unterhalten.
Fünftens würde diese Speise auch den Wirtshäusern beträchtlichen Zuspruch bringen, denn die Weinstubenbesitzer werden sich gewiß mit Bedacht nach den besten Rezepten umtun, um sie in höchster Vollendung zuzubereiten, und infolgedessen werden in ihren Lokalen all die feinen Herren verkehren, die mit Recht darauf stolz sind, Feinschmecker zu sein; und ein geschickter Koch, der es versteht, seinen Gästen etwas zu bieten, wird es auch fertigbringen, die Speisen so teuer zu machen, wie sie nur wünschen.
Sechstens würde der Plan ein starkes Motiv zur Eheschließung schaffen, die ja von allen klugen Nationen durch Belohnungen gefördert oder durch Gesetze und Strafen erzwungen worden ist. Es würde die Liebe und Sorgfalt der Mütter ihren Kindern gegenüber erhöhen, wenn sie wüßten, daß die Zukunft der armen Kleinen gesichert ist, und zwar in gewisser Weise durch die Öffentlichkeit, wobei die Eltern jährlich statt der Ausgaben noch einen Profit haben. Wir würden unter den verheirateten Frauen bald einen ehrlichen Wettbewerb darum erleben, welche von ihnen das fetteste Kind auf den Markt bringen könnte; die Männer würden ihren Frauen während der Schwangerschaft ebenso liebevoll begegnen wie jetzt ihren trächtigen Stuten, Kühen oder ihren Säuen, wenn sie dicht vor dem Ferkeln stehen; und aus Furcht vor einer Fehlgeburt würden sie sie auch nicht mit Schlägen oder Tritten traktieren (wie das nur zu häufig vorkommt).
Man könnte noch viele andere Vorteile aufzählen: zum Beispiel die Vermehrung unseres Exports von Rindfleisch in Fässern um einige tausend Stück; die verstärkte Erzeugung von Schweinefleisch und die Verbesserung in der Kunst, guten Speck herzustellen, der bei uns so sehr fehlt, weil die Ferkel meistens abgeschlachtet werden; Ferkelbraten erscheint zu häufig auf unserer Tafel und ist in Geschmack oder Würze mit einem gutgewachsenen, fetten einjährigen Kind überhaupt nicht zu vergleichen, das sich, im Ganzen gebraten, bei einem Fest des Oberbürgermeisters oder irgendeinem anderen öffentlichen Festessen sehr gut ausnehmen wird. Aber da ich mich der Kürze befleißige, lasse ich dieses und viele andere Beispiele aus.
Nehmen wir an, daß eintausend Familien in unserer Stadt ständige Verbraucher von Kinderfleisch wären, neben anderen, die es sich bei Lustbarkeiten, vor allem bei Hochzeiten und Taufen, leisten würden, so würde nach meiner Berechnung Dublin jährlich etwa zwanzigtausend Stück abnehmen und das übrige Königreich (wo sie wahrscheinlich etwas billiger verkauft würden) die verbleibenden achtzigtausend.
Ich kann mir nicht denken, daß gegen diesen Vorschlag irgendein Einwand erhoben werden könnte, es sei denn, man machte geltend, die Bevölkerungszahl im Königreich werde dadurch stark verringert. Das gebe ich offen zu, ja, es war einer der Hauptgründe, weshalb ich ihn der Öffentlichkeit unterbreitete. Ich bitte den Leser zu beachten, daß mein Rezept einzig und allein für das Königreich Irland berechnet ist und für kein anderes Land, das es je auf Erden gab, gibt oder mutmaßlich geben kann. Deshalb rede mir keiner von anderen Auswegen: Unsere im Ausland lebenden Grundbesitzer mit 5 Shilling pro Pfund zu besteuern; weder Kleider noch Haushaltsstolff zu benutzen, die nicht bei uns erzeugt und verarbeitet sind; ausnahmslos alle Stoffe und Artikel zu verpönen, die ausländischen Luxus fördern; unseren Frauen die kostspieligen Laster der Hoffart, der Eitelkeit, der Faulheit und des Kartenspiels auszutreiben; eine Neigung zu Sparsamkeit, Klugheit und Mäßigung zu wecken; zu lernen, unser Vaterland zu lieben, worin wir uns sogar von Lappländern und den Einwohnern von Topinambu unterscheiden; unsere Feindseligkeiten und unseren Parteigeist aufzugeben und nicht länger wie die Juden zu handeln, die sich selbst in dem Augenblick noch gegenseitig umbrachten, als ihre Stadt erobert wurde; uns ein wenig in acht zu nehmen, nicht Land und Gewissen umsonst zu verkaufen; den Grundbesitzern beizubringen, ihren Pächtern gegenüber wenigstens eine Spur von Erbarmen zu zeigen; oder schließlich den Geist der Ehrlichkeit, des Fleißes und der Sachkenntnis unseren Ladenbesitzern einzuflößen, die sich, wenn man jetzt einen Beschluß fassen könnte, nur noch unsere einheimischen Waren zu kaufen, sofort verbünden würden, um uns im Preis, im Maß und in der Güte zu betrügen und zu übervorteilen, wie man sie auch bisher trotz wiederholter eindringlicher Appelle nie dazu hat bewegen können, auch nur ein ehrliches Anerbieten zu anständigem Geschäftsgebaren zu machen.
Deshalb wiederhole ich: Es rede mir keiner von diesen und dergleichen Auswegen, ehe er nicht wenigstens einen Schimmer von Hoffnung hat, daß wirklich einmal eine herzhafte und aufrichtige Anstrengung gemacht wird, sie in die Tat umzusetzen.
Was mich selbst anbelangt, der ich mich jahrelang abgemüht habe, aussichtslose, müßige und utopische Ideen zu verbreiten, um schließlich völlig an jedem Erfolg zu verzweifeln, so bin ich nun zum Glück auf diesen Vorschlag verfallen, der völlig neu ist und gleichermaßen etwas Gediegenes und Reales hat; er verursacht keine Kosten und wenig Mühe, liegt ganz in unserer eigenen Macht und bringt uns auch nicht in Gefahr, England zu verärgern. Denn diese Art Ware eignet sich nicht für den Export, da das Fleisch von zu zarter Beschaffenheit ist, um sich in Salz lange zu halten, wenn ich auch vielleicht ein Land nennen könnte, das mit Freuden unsere ganze Nation auch ohne Salz aufessen würde.
Immerhin bestehe ich nicht so hartnäckig auf meiner eigenen Auffassung, daß ich einen etwaigen Vorschlag kluger Männer ablehnen würde, der sich als ebenso harmlos, billig, leicht durchführbar und wirksam erweist. Indes bevor etwas von dieser Art meinem Plan entgegengehalten und ein besserer unterbreitet wird, bitte ich den oder die Urheber, sich gefälligst zwei Punkte reiflich zu überlegen. Erstens, wie wollen sie beim jetzigen Stand der Dinge Nahrung und Kleidung für einhunderttausend unnütze Mäuler und Rücken finden? Und zweitens gibt es im ganzen Königreich eine runde Million Lebewesen in Menschengestalt, deren gesamte Unterhaltsmittel, miteinander verschmolzen, ein Debet von zwei Millionen Pfund Sterling ergeben würden; wobei wir zu den gewerbsmäßigen Bettlern die große Masse von Pächtern, Häuslern und Arbeitern mit ihren Weibern und Kindern hinzurechnen, die effektiv Bettler sind. Ich bitte jene Politiker, denen mein Vorschlag nicht gefällt und die vielleicht so kühn sind, eine Entgegnung zu versuchen, zuerst einmal die Eltern dieser Menschen zu fragen, ob sie nicht heute dächten, es wäre ein großes Glück gewesen, wenn man sie im Alter von einem Jahr in der von mir beschriebenen Weise als Nahrungsmittel verkauft hätte, so daß ihnen ein Dasein immerwährenden Elends erspart geblieben wäre, wie sie es seither durchgemacht haben infolge der Unterdrückung durch die Grundbesitzer, infolge der Unmöglichkeit, ohne Geld oder Verkaufserlöse ihre Pacht zu zahlen, mangels alltäglicher Lebensmittel, ohne Haus oder Kleider, um sich vor den Unbilden des Wetters zu schützen, und mit der unvermeidlichen Aussicht, ihren Nachkommen auf ewig das gleiche oder noch größeres Elend zu vererben.
Ich erkläre mit reinem Gewissen, daß ich nicht das geringste persönliche Interesse verfolge, wenn ich mich bemühe, dieses notwendige Werk voranzutreiben, denn mir liegt einzig die Wohlfahrt meines Landes am Herzen - durch Förderung unseres Handels, Versorgung der Kinder, Unterstützung der Armen und Gewährung einigen Vergnügens für die Reichen. Ich habe keine Kinder, durch die ich auch nur einen Pfennig zu verdienen beabsichtigen könnte; mein Jüngstes ist neun Jahre alt und meine Frau über das Kinderkriegen hinaus.“
Ein ernsthafter und brauchbarer Plan zur Schaffung eines Hospitals für Unheilbare, von allgemeinem Nutzen für alle Untertanen Seiner Majestät
„Nichts trägt mehr zum guten Ruf einzelner Personen oder zur Ehre einer ganzen Nation bei als die Errichtung und Stiftung geeigneter Gebäude zur Aufnahme jener, die von verschiedenen Leiden geplagt sind. Die Kranken und Unglücklichen werden dadurch von dem Elend fehlenden Beistands befreit, und andere werden dadurch von dem Elend ihres Anblicks befreit.
Es steht fest, daß der Sinn des englischen Volkes sehr stark auf öffentliche Wohltätigkeit gerichtet ist, und zwar in so hohem Maße, daß man fast in allen Teilen dieser großen und reichen Stadt und auch in vielen der angrenzenden Gemeinden eine Vielzahl von Hospitälern findet, die sowohl durch großzügige Spenden privater Familien als auch durch die Freigebigkeit der öffentlichen Hand unterhalten werden: einige für Seeleute, die ihre Kräfte im Dienst ihres Vaterlandes erschöpften, andere für gebrechliche Kriegsinvaliden, einige für den Unterhalt verarmter Kaufleute und andere für ihre Witwen und Waisen, einige zum Dienst an denen, die unter langwierigen Krankheiten dahinsiechen, und andere für jene, die den Verstand verloren haben.
Bei näherer Betrachtung stelle ich aber fest, daß eine Art der Wohltätigkeit fast völlig außer acht gelassen wird, die mir jedoch von so wichtiger Natur zu sein scheint, daß sie gegenwärtig notwendiger ist und mehr zur Bequemlichkeit, zur Ruhe und zum Glück des ganzen Königreichs beitragen würde als nur irgendeine andere: Ich meine ein Krankenhaus für Unheilbare.
Ich muß zwar zugeben, daß solch eine Einrichtung eine sehr hohe und fortlaufende Ausgabe darstellen würde. Indessen hege ich nicht den geringsten Zweifel, daß es mir gelingen wird, die Welt wirksam davon zu überzeugen, daß mein vorliegender Plan für solch ein Hospital sehr gut durchführbar ist und jedem, dem das Wohl seines Landes und seiner Mitmenschen wirklich am Herzen liegt, als äußerst wünschenswert erscheinen muß.
Man kann beobachten, daß nicht nur die Körper der Menschen von einer unendlichen Vielzahl von Krankheiten befallen werden, die sich der Macht der Medizin entziehen und sich oft als unheilbar erweisen, sondern auch ihr Geist, der von einer gleichen Vielzahl angegriffen wird, die keine Geschicklichkeit, keine Gewalt, keine Medizin ändern oder bessern kann. Und ich meine, daß wir aus Rücksicht auf den öffentlichen Frieden und Nutzen wie auch auf die Seelenruhe vieler frommer und wertvoller Familien dieser Art von Unheilbaren hauptsächlich unsere Aufmerksamkeit und unsere Wohltätigkeit zuwenden sollten.
Die Notwendigkeit eines Hospitals für solche Unheilbaren wird wohl allgemein eingesehen werden, wenn man bedenkt, welche Zahl von absolut Unheilbaren jeder Beruf, Rang und Stand fortgesetzt hervorbringt, die gegenwärtig nichts als einen nationalen Mißstand darstellen und von denen wir das Königreich auf keine andere Weise so wirksam befreien können.
Man denke zum Beispiel nur einmal ernsthaft daran, welche Mengen von unheilbaren Narren, unheilbaren Spitzbuben, unheilbaren Xanthippen, unheilbaren Schreiberlingen (außer mir selbst), unheilbaren Gecken, unheilbaren Ungläubigen, unheilbaren Lügnern, unheilbaren Huren es überall dort gibt, wo Menschen zusammenkommen, ganz zu schweigen von den unheilbar Eitlen, unheilbar Neidischen, unheilbar Stolzen, unheilbar Affektierten, unheilbar Frechen und zehntausend anderen Unheilbaren, die ich zwangsläufig mit Schweigen übergehen muß, damit sich dieser Essay nicht zu einem ganzen Band auswächst. Und ohne Zweifel wird jeder Unvoreingenommene meiner Ansicht zustimmen, daß die Öffentlichkeit schon aus christlicher Nächstenliebe soweit wie möglich von dieser lästigen und unerträglichen Vielfalt von Unheilbaren befreit werden sollte.
Erstens, was die Kategorie der unheilbaren Narren angeht, so dürfen wir wohl mit Recht erwarten, daß solch ein Hospital mit einer beträchtlichen Anzahl von Leuten beliefert würde, die aus unseren Universitäten hervorgegangen sind und gegenwärtig in verschiedenen Berufen unter den ehrwürdigen Titeln von Ärzten, Juristen und Geistlichen in der Welt auftreten. Da aber jene alten Seminare seit einigen Jahren fast nur noch als Pflanzschulen für diese Art von Unheilbaren angesehen werden, sollte es höchst lobenswert sein, für sie eine gewisse Vorsorge zu treffen, denn es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie zwangsläufig nur einen sehr dürftigen Lebensunterhalt erwerben könnten, wenn sie sich auf ihre eigenen Leistungen in ihren Berufen verlassen müßten.
Ich möchte hier ungern in den Verdacht geraten, ich wolle irgendeinen Stand herabsetzen, und glaube, geringe Einnahmen aus irgendeinem Beruf in den Künsten oder Wissenschaften seien stets ein sicheres Zeichen für einen ebenso geringen Grad des Könnens; denn ich neige, offen gestanden, ein wenig zur entgegengesetzten Meinung. Oft habe ich nämlich beobachtet, daß denjenigen, die bei Gericht, am Puls des Kranken oder auf der Kanzel das geringste Wissen oder den wenigsten Verstand aufzuweisen haben, im allgemeinen der größte Anteil an den Beförderungen und dem Gewinn zufällt. Dafür ließen sich viele Beispiele anführen, aber die Öffentlichkeit scheint in dieser Hinsicht keines Beweises zu bedürfen.
In der gleichen Kategorie dürfen wir fernerhin eine absurd große Zahl reicher alter Witwen erwarten, deren starke und begehrliche Gelüste in ihnen ausgefallene Leidenschaften für Männer entfachen, die sich in Alter und Aussehen beträchtlich von ihnen unterscheiden. Mit einem guten Wittum erkaufen sie sich Verachtung und Abneigung, und da sie von Alter, körperlichen Gebrechen und vermutlich auch schlechter Laune geplagt werden, sind sie gezwungen, solche Männer mit Geld in ihre Arme zu locken, deren Vermögen in einem ebenso schlechten Zustand ist wie ihr Charakter.
Außer diesen würde unsere Kollektion unheilbarer Narren eine unglaubliche Bereicherung von jeder der folgenden Gruppen erfahren:
Von jungen verschwenderischen Erben, die gerade alt genug sind, um sich von Jockeis, Pferdenarren, Spielern, Zuhältern, Gaunern, Kurtisanen und dergleichen ehrenwerten Taschendieben ausnehmen zu lassen.
Von Geizkragen, die halb verhungern, um die Verschwendungssucht ihrer Erben befriedigen zu können, und die sich vor aller Welt ihres Vermögens unwürdig erweisen durch die erbärmliche und lächerliche Art, in der sie es genießen. Von streitsüchtigen Leuten aller Stände, die Vergnügen daran haben, den größten Teil ihres Vermögens mit Prozessen zu verschwenden, um dadurch andere Leute an den Bettelstab zu bringen.
Von jenen, die auf Beteuerungen der Freundschaft vertrauen, ohne sie erprobt zu haben, oder die sich auf die Treue einer Geliebten verlassen.
Von jungen ungebildeten Landjunkern, die ins Ausland reisen, um von dort Unzucht, Dünkel, Arroganz, Eitelkeit und Geckenhaftigkeit einzuführen, obwohl diese Artikel bei uns anscheinend schon im Überfluß vorhanden sind.
Von jungen Geistlichen, die durch Heirat eine Familie gründen wollen, ehe sie die notwendigen Mittel zu deren Unterhaltung erlangt haben.
Von jenen, die beträchtliche Besitzungen in verschiedenen Ländern haben und doch so unheilbar dumm sind, ihre ganzen Einkünfte in diesem Land auszugeben.
Diese und viele andere Gruppen, die hier erwähnt werden könnten, würden uns eine ständige Möglichkeit bieten, der Öffentlichkeit Erleichterung zu verschaffen, wenn wir ein Hospital zur Unterbringung solcher Unheilbaren hätten, denen es gegenwärtig entweder durch die allzu große Zuneigung naher Verwandter oder die Trägheit der Behörden noch gestattet ist, frei umherzugehen und an den belebtesten Orten dieser Stadt zu erscheinen, als ob sie tatsächlich vernunftbegabte Wesen wären.
Ich hätte fast vergessen, darauf hinzuweisen, daß in dieser Gruppe eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß sich viele Geistliche als gut geeignet erweisen, in das Hospital aufgenommen zu werden und dort als Hauspfarrer zu dienen, womit dann unnötige Ausgaben für Gehälter entfielen.
Nach diesen Narren kommen in der Reihenfolge jene, die man passend in der weitläufigen Kategorie der unheilbaren Spitzbuben zusammenfassen kann, von denen uns die verschiedenen Rechtsschulen ständig mehr als genug liefern würden.
Ich glaube allerdings, daß von dieser Art Unheilbarer jährlich nur eine begrenzte Anzahl aufzunehmen wäre; und wir sollten uns weder durch die Rücksicht auf die Ruhe oder das Wohlergehen der Nation noch durch irgendeinen anderen wohltätigen oder gemeinnützigen Grund dazu verleiten lassen, diese Zahl zu überschreiten. Denn wenn wir in eine solche Einrichtung alle jene aufnähmen, die in dem Ruf stehen, unheilbar mit diesem Übel behaftet zu sein, und wenn es der Gesellschaft möglich wäre, ausreichenden Platz für ihre Aufnahme zu schaffen, dann hätte ich nicht den geringsten Zweifel, daß alle unsere Rechtsschulen, die jetzt so überfüllt sind, in kurzer Zeit ihrer Insassen ledig wären und dem Rechtswesen, jenem einträglichen Handwerk, Leute zur Ausübung fehlten.
Ich zittere bei dem Gedanken an die Scharen von Rechtsbeiständen, Anwälten, Winkeladvokaten, Notaren, Wucherern, Lohnschreibern, Taschendieben, Pfandleihern, Gefängniswärtern und Friedensrichtern, die stündlich in solch ein Hospital getrieben würden, und welche Aufregung das auch in vielen vornehmen und reichen Familien hervorrufen könnte.
Welch unerwartete Not könnte es für viele Leute von Vermögen und Rang bedeuten, sich so plötzlich ihrer reichen Verwalter beraubt zu sehen, in die sie viele Jahre lang das äußerste Vertrauen gesetzt haben, wenn sie diese nun unwiderruflich in einer solchen Kollektion von Unheilbaren untergebracht fänden.
Wie viele Waisen könnten dann damit rechnen, daß man ihre Vormünder ins Hospital abführt; und wie viele gierige Testamentsvollstrecker hätten dann Grund, über mangelnde Gelegenheit zu Raubzügen zu jammern.
Hätte nicht die Börse Ursache, den Verlust ihrer Spekulanten und Makler zu beklagen, ebenso wie der Wohltätigkeitsverein die Einlieferung vieler seiner Direktoren?
Würde nicht Westminster Hall, ebenso wie alle Spielhöllen dieser großen Stadt, vollständig entvölkert werden, und würden nicht die Fachleute an all diesen Orten in ihren Berufen völlig überflüssig werden, da sie jeder weiteren Möglichkeit zur Unehrlichkeit beraubt wären?
Kurz gesagt, ein solches Vorhaben könnte das ganze Königreich in Verwirrung und Unordnung stürzen und wir würden feststellen, daß sämtliche Einnahmen des Landes schwerlich ausreichen würden, um eine so große Zahl von Unheilbaren auf diese Weise zu unterhalten, wie zur Aufnahme in unser Hospital berechtigt schienen.
Denn wenn wir nur bedenken, wie unser Land von öffentlichen wie privaten Kartentischen und Spielhäusern wimmelt und wie auch jedes dieser Häuser, ebenso wie die obengenannte Westminster Hall, von Spitzbuben wimmelt, die auf Gewinn ausgehen, oder von Narren, die etwas zu verlieren haben, dann werden wir bald davon überzeugt sein, wie notwendig eine Beschränkung der Zahl der Unheilbaren ist, die zu diesen Gruppen gehören, denn sonst wäre diese Einrichtung nicht in der Lage, außer ihnen noch irgendwelche anderen aufzunehmen.
Wenn jedoch durch diesen meinen Plan die Nation von zwanzig- oder dreißigtausend solcher Unheilbarer befreit werden kann, dann sollte er, so glaube ich, als recht vorteilhaft angesehen werden und der öffentlichen Aufmerksamkeit würdig erscheinen.
Die nächste Art, für die ich gern Vorkehrungen treffen würde und die sich seit vielen Generationen als unerträgliche Plage und Last für das brave englische Volk erwiesen hat, umfaßt jene, die am besten unter der Bezeichnung unheilbarer Xanthippen Aufnahme finden könnten.
Ich gebe zu, daß dies eine Veranlagung von so schrecklicher Natur ist, daß nur wenige Frauen sich zu dem Eingeständnis bereit finden, daß sie in irgendeiner Weise dazu neigen. Und doch soll es kaum einen Pfarrer, Lehrling, Ratsherrn, Landjunker oder Ehegatten geben, der nicht feierlich gerade das Gegenteil versichern würde.
Ich wünschte in der Tat, daß man den Ausdruck Xanthippe gegen ein etwas sanfteres Wort mit gleicher Bedeutung austauschte, denn ich bin davon überzeugt, daß allein schon diese Bezeichnung für weibliche Ohren ebenso anstößig ist, wie die Auswirkungen dieser unheilbaren Krankheit für die männlichen Ohren sind; und das ist tatsächlich unsagbar.
Die Tatsache, daß es schon immer üblich gewesen ist, dieselbe Handlung mit verschiedenen Bezeichnungen zu beehren, nur um nicht Anstoß zu erregen, kann jeder leicht feststellen. Zum Beispiel: Wie viele Juristen, Rechtsbeistände, Anwälte, Sheriffvertreter, ränkevolle Kammerzofen und Geldverwalter machen sich ständig der Erpressung, Bestechung, Unterdrückung und vieler anderer gewinnbringender Spitzbübereien schuldig, um die Börsen jener Leute zu erleichtern, mit denen sie in irgendeiner Weise zu tun haben! Und trotzdem werden alle diese unterschiedlichen Hilfsmittel zur Erlangung eines Vermögens im allgemeinen unter weniger anstößigen Namen wie Gebühren, Sporteln, Trinkgelder, Geschenke, Erkenntlichkeiten, und dergleichen geführt, obgleich man sie von Rechts wegen als Räuberei bezeichnen und folglich mit dem Galgen belohnen sollte.
Ja, wie viele ehrenwerte Herren ließen sich aufzählen, die ganz offen aus der Ungerechtigkeit ein Geschäft machen; die das Recht dazu bringen, die Augen zuzudrücken, wenn Macht oder Gewinn seinen Weg kreuzen, und die es verstehen, durch die Laster, den Hader und die Torheit der Menschen reich zu werden; die aber, statt (wie sie es verdienten) durch hart klingende Namen wie Spitzbuben, Diebe und Unterdrücker des Volkes gebrandmarkt zu werden, nur den distinguierten Titel Friedensrichter tragen, in welchem Ausdruck nach allgemeiner Ansicht all die vielen anderen Bezeichnungen enthalten sind.
Doch zurück zum Thema. Als ich mich anschickte, diesen Plan der Öffentlichkeit zum Gebrauch und zur Prüfung zu unterbreiten, hatte ich zunächst die Absicht, einen ganzen Bezirk in dieser Stadt zu überprüfen, um meine Berechnung der Zahl der unheilbaren Xanthippen vollständiger und genauer zu machen. Aber ich fand es unmöglich, meine Untersuchung über mehr als eine Straße auszudehnen.
Zuerst wandte ich mich an einen reichen Bürger in Cornhill, der Ratsherr für seinen Bezirk war. Ich machte ihm gegenüber die Bemerkung, wenn er eine unheilbare Xanthippe in der Nachbarschaft wüßte, hätte ich einige Hoffnung, sie in einer Weise versorgen zu können, die sie daran hindern würde, weiterhin Ärger zu machen. Er verwies mich hocherfreut an seinen nebenan wohnenden Freund, flüsterte mir dann jedoch zu, daß er mich mit viel weniger Mühe und, mit größerer Freude aus seiner eigenen Familie beliefern könnte und bat um das Vorzugsrecht.
Sein Freund nebenan gab bereitwillig zu, daß die Eigenschaften seiner Frau nicht falsch geschildert worden waren und daß er gern einen Beitrag zur Förderung eines so nützlichen Vorhabens leisten würde. Indessen erklärte er nachdrücklieh, daß es wenig Zweck habe, die Nachbarschaft nur von einer Frau zu befreien, wenn Unmengen anderer zurückblieben, die ebenso unerträglich seien.
Aus diesem Umstand schloß ich, daß die Zahl solcher Unheilbaren in London, Westminster und Southwark sehr beträchtlich sein würde und daß für ein solches Hospital, wie ich es empfehle, durchaus eine großzügige Unterstützung zu erwarten sei.
Außerdem würde sich die Zahl dieser weiblichen Unheilbaren wahrscheinlich sehr stark erhöhen durch zusätzliche Mengen von alten Jungfern, die dessen überdrüssig sind, daß sie ihre Übellaunigkeit ein halbes Leben lang verbergen mußten, und nun darauf brennen, ihr in der zweiten Hälfte freien Lauf zu lassen. Denn man kann beobachten, daß alte Jungfern ebenso wie Weine mit geringem Körper mit den Jahren meist nicht angenehmer, sondern unerträglich scharf, sauer und ungenießbar werden.
In dieser Kategorie können wir auch die Einlieferung zahlreicher alter Junggesellen erwarten, besonders solcher, die über Besitz, aber nur sehr mäßigen Verstand verfügen. Ein reicher alter Junggeselle wird nämlich, da er ständig von Schmeichlern, Vettern, armen Verwandten und Erbschleichern umschwärmt wird, die sich um ihrer eigenen Ziele willen seiner Boshaftigkeit und seinen Launen unterwerfen, unmerklich von dieser krankhaften Zanksucht befallen, die sich meist als unheilbar erweist und ihn seinen Freunden unleidlich und seinen Feinden eine Zielscheibe des Spotts werden läßt.
Was die unheilbaren Schreiberlinge angeht (zu deren Gilde ich zu gehören die Ehre habe), so sind sie wahrscheinlich gar nicht zu zählen; folglich wird es vollkommen unmöglich sein, auch nur ein Zehntel ihrer Zunft unterzubringen. Da diese Gruppe von Unheilbaren jedoch gewöhnlich mehr von Armut geplagt ist als irgendeine andere, wird ihre Aufnahme in diese Stiftung eine doppelte Wohltat bedeuten: eine Wohltat für die Welt, für die sie eine Landplage und eine Last darstellen, und eine Wohltat für sie selbst, da sie von Mangel, Verachtung, Fußtritten und vielen anderen Widrigkeiten dieser Art befreit werden, denen sie ständig ausgesetzt sind.
Sogar Grub Street hätte dann Grund zur Freude, wenn sie es erleben könnte, wie so viele ihrer halbverhungerten Lohnarbeiter reich versorgt wären, und das ganze Volk dieser mageren Unheilbaren würde wohl vor Freude jauchzen, daß es aus den Dachstuben und von der Tyrannei der Drucker, Verleger und Buchhändler befreit würde.
Welch ein Sammelsurium von Balladenschreibern, Odenverfassern, Übersetzern, Possendrechslern, Opernschmierern, Biographen, Pamphletisten und Journalisten würde sich in das Hospital drängen; geradezu wie die wilden Tiere, die vor der Sintflut in die Arche Noahs flohen! Welch allgemeine Zufriedenheit würde solch Anblick bei allen auslösen, außer bei den Pastetenbäckern, Krämern, Kerzenmachern und Tabakhändlern, denen allein die Schreibereien dieser Unheilharen etwas einbrachten!
Oft habe ich mit Bestürzung beobachtet, welche Vielzahl von unheilbaren Gecken man zu jeder Tageszeit zwischen St. James und Limehouse antreffen kann. Sie sind ebenso zahlreich wie Pfaffen aus Wales und ebenso verachtenswert. Wie alle Kaffeehäuser, Theater, Promenaden und privaten Gesellschaften von ihnen wimmeln, wie sie unaufhörlich ihre Liebschaften und jede Art unsinniger Vergnügungen betreiben, wie eifrig sie das Gehabe von Affen nachzuahmen scheinen, so wie die Affen sich bemühen, die Bewegungen der Menschen zu imitieren! Aus derartigen Beobachtungen kam ich zu dem Schluß, daß man der Nation einen hervorragenden Dienst erweisen würde, wenn man den größten Teil dieser Unheilbaren einsperrte, die sämtlich lebende Karikaturen der Menschennatur sind. Und ich bin davon überzeugt, daß ich mit dieser Meinung durchaus nicht allein dastehe.
Was die unheilbaren Ungläubigen und Lügner anbetrifft, so werde ich sie unter der gleichen Rubrik einordnen; ich würde sie auch gern in die gleiche Abteilung des Hospitals einweisen, denn es besteht zwischen ihnen eine viel größere Ähnlichkeit, als allgemein angenommen wird.
Gefallen sie sich nicht in gleicher Weise darin, der Öffentlichkeit Unwahrheiten vorzuspiegeln, und scheinen sie nicht gleichermaßen begierig, für klüger und wichtiger gehalten zu werden als andere Leute? Geben sie nicht beide Darstellungen, deren Unrichtigkeit sie kennen, und stellen nicht beide zuversichtlich Behauptungen auf, von denen sie wissen, daß sie in höchstem Maße Widerspruch erregen müssen?
Die Parallele ließe sich mit Leichtigkeit weiter fortsetzen, wenn die geplante Kürze dieses Essays das zulassen würde. Indessen kann ich nicht umhin, noch anzumerken, von welch riesigen Mengen unheilbarer Lügner die Länder Seiner Majestät überlaufen sind, wieviel Ärger und Nachteil sie der Öffentlichkeit bringen, welch unvorstellbaren Schaden sie Privatpersonen zufügen und wie notwendig solch ein Hospital ist, um das Land von dem Fluch so vieler Unheilbarer zu befreien.
Dieses Leiden tritt in fast ebenso vielen Formen auf, wie es Personen gibt, die davon befallen sind, und in jedem dieser Fälle ist die Medizin machtlos.
Einige lügen zu ihrem Vorteil, wie zum Beispiel Fischhändler, Schmeichler, Kuppler, Rechtsanwälte, Mitgiftjäger und Wahrsager, und andere lügen zu ihrem Vergnügen, wie zum Beispiel Jungfern, Ehefrauen, Witwen und alle anderen, die am Teetisch zusammenkommen.
Einige lügen aus Eitelkeit, wie zum Beispiel Dichter, Maler, Schauspieler, Stutzer, Offiziere und alle jene, die häufig bei großen Empfängen zu finden sind; und andere lügen aus Bosheit, wie zum Beispiel alte Jungfern usw.
Einige lügen, weil es so üblich ist, wie zum Beispiel Liebhaber, Gecken, Lakaien, Matrosen, Handwerker, Kaufleute und Kammerzofen; und andere lügen aus Gefälligkeit oder Notwendigkeit, wie zum Beispiel Höflinge, Kaplane usw. Kurzum, es wäre endlos, wollte man sie alle aufzählen, aber dieser kurze Abriß mag genügen, um uns eine kleine, unvollständige Vorstellung von ihrer Anzahl zu geben.
Was die übrigen Unheilbaren angeht, so darf man wohl mit Recht annehmen, daß sie mindestens den gleichen Anteil ausmachen wie die bereits erwähnten. Hinsichtlich der unheilbaren Huren in diesem Land muß ich jedoch besonders vermerken, daß diejenigen von ihnen, die öffentlich sind und es als ihren Beruf ausüben, schon besondere Hospitäler zur Verfügung hätten, wenn wir nur Richter ohne Leidenschaften und Beamte ohne ein unheilbares Verlangen nach Bestechungsgeldern finden könnten. Diejenigen aber, die privat sind und es zu ihrem Vergnügen betreiben, möchte ich aus zwei Gründen nicht dabei stören:
Erstens, weil es möglicherweise viele vornehme, reiche, zufriedene und ahnungslose Ehegatten kränken könnte, wenn man sie über ihre eigene Schmach und die unverzeihliche Treulosigkeit ihrer Frauen aufklärt; und zweitens, weil es stets unmöglich sein wird, eine Frau daran zu hindern, sich irgendeiner Art von Fehltritt schuldig zu machen, sobald sie fest entschlossen ist, ihn zu wagen.
Nach all diesen Bemerkungen muß jeder vernünftige Mann unweigerlich davon überzeugt sein, daß ein Hospital zur Unterbringung dieser verschiedenen Arten von Unheilbaren für das ganze Land von größtem Nutzen sein würde. Ich glaube daher, daß nun nichts weiter nötig ist, als der Öffentlichkeit zu beweisen, daß solch ein Plan gut auszuführen ist. Dazu gehört erstens eine sichere Methode zur Beschaffung einer jährlichen Einnahme, die zumindest ausreicht, um das Experiment zu starten (welches der übliche Weg zur Gründung von Hospitälern ist), und zweitens die begründete Aussicht, daß ein solches Hospital durch ständige Zuwendungen unterstützt würde. Das würde uns in nur wenigen Jahren die Möglichkeit geben, die Zahl der Unheilbaren auf das Zehnfache derjenigen zu erhöhen, mit der wir billigerweise den ersten Versuch wagen können.
Berechnung
der täglichen und jährlichen Ausgaben eines für Unheilbare zu errichtenden Hospitals
Unheilbare Narren gibt es fast unendlich viele. Ich würde jedoch zunächst nur zwanzigtausend zulassen. Wenn man dann die Unterhaltskosten pro Person so niedrig wie möglich, nämlich auf nur einen Shilling täglich berechnet, belaufen sich die täglichen Ausgaben für diese Gruppe auf 1.000 Pfund pro Tag
Unheilbare Spitzbuben sind womöglich noch zahlreicher, und es gehören auch Ausländer dazu, insbesondere Iren. Ich würde ihre Zahl aber auf etwa dreißigtausend beschränken; das wären 1.500 Pfund pro Tag
Unheilbare Xanthippen kämen in Mengen aus fast allen Familien im Lande. Tatsächlich dürfen wir, wenn dieses Hospital einen wirklichen Nutzen bringen soll, selbst am Anfang nicht weniger als dreißigtausend aufnehmen, einschließlich der Damen von Billingsgate und vom Leadenhall-Markt. Das macht 1.500 Pfund pro Tag
Die unheilbaren Schreiberlinge sind zweifellos eine sehr beträchtliche Gesellschaft, und von dieser Kategorie würde ich wenigstens vierzigtausend zulassen, weil anzunehmen ist, daß diese Unheilbaren am meisten einen täglichen Lebensunterhalt entbehren. Und wenn wir nicht die berechtigte Hoffnung hegen könnten, daß viele aus dieser Gruppe richtiger unter die unheilbaren Narren aufgenommen werden, würde ich mich energisch dafür einsetzen, dieser Zahl noch zehn- oder zwanzigtausend hinzuzufügen. Aber ihre genehmigte Zahl ergibt einen Betrag von 2.000 Pfund pro Tag
Unheilbare Gecken sind sehr zahlreich, und wenn man bedenkt, welche Mengen jährlich aus Frankreich und Italien eingeführt werden, dann können wir nicht weniger als zehntausend zulassen; das wären 500 Pfund pro Tag
Unheilbare Ungläubige (wie sie sich zu nennen belieben) sollten in einer Zahl von zehntausend in das Hospital aufgenommen werden. Falls es jedoch zufällig einmal Mode werden sollte, gläubig zu sein, dann wird wahrscheinlich der größte Teil von ihnen nach ganz kurzer Zeit als vollständig geheilt aus dem Hospital entlassen werden. Die Ausgaben für sie wären 500 Pfund pro Tag
Unheilbare Lügner sind in allen Teilen des Königreiches unendlich viel vorhanden. Wenn man dabei die Bürgerfrauen, Krämer, Lehrlinge, Zeitungsschreiber, alten Jungfern und Schmeichler in Betracht zieht, dann kann man unmöglich weniger als dreißigtausend zulassen, was sich belaufen würde auf 1.500 Pfund pro Tag
Unheilbar neidische Leute gibt es in der ganzen Nation in riesigen Mengen. Es steht auch kaum zu erwarten, daß sich ihre Zahl verringern wird, solange einige besondere Personen zur öffentlichen Belohnung für ihre überragenden Fähigkeiten mit Ruhm und Ehre überhäuft werden, während andere, die nach ihrer eigenen Meinung ebenso vortrefflich sind, unbeachtet und in Geringschätzung leben müssen. Da es nun unmöglich wäre, alle zu versorgen, die von dieser Krankheit befallen sind, würde ich zustimmen, versuchsweise zunächst nur zwanzigtausend von ihnen aufzunehmen; und das ergibt 1.000 Pund pro Tag
Von den unheilbar Eitlen, Affektierten oder Frechen würde ich wenigstens zehntausend zulassen. Ich bin überzeugt, daß diese Zahl als sehr unbedeutend erscheint, wenn wir alle Arten von Frauen, von der Herzogin bis zur Kammerzofe, einschließen, alle Dichter, die ein wenig Erfolg gehabt haben, besonders auf dem Gebiet des Dramas, und alle Schauspieler, die ein klein wenig Beifall gefunden haben. Beträgt nur 500 Pfund pro Tag
Aus dieser einfachen Rechnung geht hervor, daß täglich zweihunderttausend Menschen versorgt würden. Die Summe zur Unterhaltung dieser Kollektion von Unheilbaren ist aus der folgenden Zusammenstellung zu ersehen:
Für die unheilbaren
Narren, mit 20.000 zu je einem Shilling 1.000 Pfund
Spitzbuben 30.000 zu je einem Shilling 1.500 Pfund
Xanthippen 30.000 zu je einem Shilling 1.500 Pfund
Schreiberlinge 40.000 zu je einem Shilling 2.000 Pfund
Gecken 10.000 zu je einem Shilling 500 Pfund
Ungläubigen 10.000 zu je einem Shilling 500 Pund
Lügner 30.000 zu je einem Shilling 1.500 Pfund
Für die unheilbar Neidischen 20.000 zu je einem Shilling 1.000 Pfund
Eitlen 10.000 zu je einem Shilling 500 Pfund
Unterhaltene insges. 200.000 Ausgaben insges. 10.000 Pund
Daraus ergibt sich, daß sich bei einer derartigen Tagesausgabe die Summe in dreihundertfünfundsechzig Tagen auf 3.650.000 Pfund belaufen wird.
Ich bin völlig davon überzeugt, daß sich leicht eine viel größere Summe als diese aufbringen ließe, bei vollster Zufriedenheit der Untertanen und ohne auch nur im geringsten die Einkünfte der Krone zu schmälern.
In erster Linie könnte ein großer Teil dieser Summe durch freiwillige Beiträge der Bevölkerung aufgebracht werden.
Die Einwohnerzahl Großbritanniens ist auf etwas weniger als acht Millionen berechnet worden, von denen wir, nach äußerst vorsichtiger Schätzung, etwa die Hälfte als Unheilbare betrachten können. Da nun all die verschiedenen Unheilbaren, sei es als Freunde, Bekannte, Ehefrauen, Ehemänner, Töchter, Sachwalter, Eltern, alte Jungfern oder alte Junggesellen, eine unvorstellbare Plage für all jene sind, mit denen sie zufällig zu tun haben, und da keine Aussicht besteht, von dieser Plage befreit zu werden, außer durch solch ein Hospital, welches allmählich erweitert werden könnte, um schließlich alle aufzunehmen, so kann man, glaube ich, nicht daran zweifeln, daß zumindest dreieinhalb Millionen Menschen aus der übrigen Bevölkerung in der Lage und auch willens wären, die geringe Summe von 20 Shilling pro Jahr für die Ruhe des Landes, den Frieden in den Familien und zur Ehre der Nation im allgemeinen beizutragen. Dieser Beitrag aber würde der von uns benötigten Summe sehr nahe kommen.
Man kann diese Berechnung auch keineswegs als unbegründete Mutmaßung abtun, denn wo gibt es einen Mann von gesundem Menschenverstand, Ehrlichkeit und Güte, der nicht gern eine viel größere Summe aufbringen würde, um von einer Xanthippe, einem Spitzbuben, einem Narren, einem Lügner oder einem Gecken befreit zu werden, der selbstgefällig die Schriften anderer zitiert, oder von einem eitlen, frechen Dichter, der seine eigenen zitiert?
Weiterhin kann man mit Recht annehmen, daß viele junge Edelleute, Ritter, Junker und verschwenderische Erben mit sehr großen Gütern in unser Hospital kämen. Ich würde vorschlagen, daß das jährliche Einkommen aus den Gütern jedes dieser Unheilbaren dem Haus zur Verwendung zugewiesen werden sollte. Außer diesen aber wird es sicherlich viele alte Geizkragen, Ratsherren, Richter, Direktoren von Gesellschaften, Juristen und Kaufleute aller Art geben, die ein ungeheures persönliches Vermögen besitzen und in entsprechendem Maße an das Hospital zahlen sollten.
Doch damit ich hier nicht fälschlich so verstanden werde, als schlüge ich einen ungerechten oder tyrannischen Plan vor, will ich meine Absicht näher erklären.
Nehmen wir einmal an, ein junger Edelmann mit Einkünften von 10.000 oder 20.000 Pfund pro Jahr würde dort als Unheilbarer aufgenommen. Dann würde ich nur einen solchen Teil seines Vermögens zur Erhaltung des Hospitals beanspruchen, wie er selbst ausgeben würde, wenn er frei wäre. Und nach seinem Tode würde der Gewinn aus seinem Besitz ganz normal dem nächsten rechtmäßigen Erben, ob männlich oder weiblich, zufallen.
Mein Grund für diesen Vorschlag liegt aber darin, daß beträchtliche Vermögen, die unter der Verwaltung solcher Unheilbarer wahrscheinlich für Hunde, Pferde, Huren, Gauner, Ärzte, Schneider, Kuppler, Possenreißer oder Architekten draufgingen, auf diese Weise einen wirklichen Nutzen, sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Besitzer selbst, bringen würden. Vielleicht ist das sogar die einzige Methode, die sich finden läßt, um solche jungen Verschwender überhaupt einmal zum Wohl ihres Landes beitragen zu lassen.
Obgleich die Besitzungen der verstorbenen Unheilbaren auf die nächsten Erben übergehen könnten, würde dem Hospital vermutlich kein großer Nachteil daraus erwachsen, denn sehr wahrscheinlich würden die meisten dieser Erben nach und nach in der einen oder der anderen Kategorie ebenfalls aufgenommen werden und folglich ihre Besitzungen wieder in die Nutzung des Hospitals übergehen.
Was die reichen Geizkragen usw. betrifft, so würde ich ihr privates Vermögen genau überprüfen und taxieren lassen, denn wenn sie alte Junggesellen sind (wie das häufig der Fall ist), sollte ihr ganzes Vermögen der Stiftung zufallen. Wenn sie aber verheiratet sind, würde ich zwei Drittel ihres Vermögens ihren Familien zum Unterhalt lassen. Diese Familien würden mit Freuden das restliche Drittel und vielleicht sogar noch mehr drangeben, um solche mürrischen und unangenehmen Familienväter loszuwerden.
Wenn man von den zweihunderttausend Unheilbaren die vierzigtausend Schreiberlinge abzieht, die sich natürlich in einer sehr schlechten Lage befinden, ließen sich, glaube ich, unter den restlichen hundertsechzigtausend Narren, Spitzbuben und Gecken so viele mit großen Besitzungen und ausreichendem Vermögen finden, daß sie mindestens 200.000 Pfund pro Jahr aufbringen könnten.
Als weiteren Beitrag zu unserer Stiftung würde ich eine Steuer auf alle Inschriften und Grabsteine, Denkmäler und Obelisken legen, die zu Ehren der Toten errichtet werden, und auf Siegessäulen und Trophäen zu Ehren der Lebenden, denn diese Gegenstände fallen naturgemäß und zu Recht unter die Rubrik Lügen, Stolz, Eitelkeit usw.
Wenn alle Inschriften im ganzen Land unparteiisch untersucht würden, um jene zu besteuern, die als nachweislich falsch oder schmeichelhaft erscheinen, dann würde sicher nicht ein Fünftel der Gesamtzahl aus solch einer Überprüfung frei hervorgehen.
Man würde dann feststellen, daß manch ein ehrgeiziger Unruhestifter fälschlich mit dem Titel eines Patrioten versehen wurde und daß manch einem Richter in Middlesex unberechtigt nachgesagt wird, er ruhe in Hoffnung auf die Erlösung.
Daß mancher Wucherer durch die Bezeichnungen ehrlich und bescheiden diskreditiert wird und mancher Rechtsanwalt durch die Charakterisierung als gewissenhaft und gerecht.
Daß mancher britische Staatsmann und General mit mehr Ehre vermodert, als er zu Lebzeiten besaß, und daß sein Staub sich eines besseren Rufes erfreut als einst sein lebendiger Leib.
Daß viele langweilige Geistliche fälschlich als beredt hingestellt werden und ebenso viele dumme Ärzte als gelehrt.
Doch ungeachtet des großen Umfangs einer Steuer auf solche monumentalen Hochstapeleien werde ich nur auf zwanzigtausend zu je 5 Pfund pro Jahr rechnen, was eine jährliche Summe von 100.000 Pfund ergeben wird.
Zusätzlich zu diesen Jahreseinkommen würde ich das Parlament unseres Landes um das Privileg von zwei Lotterien im Jahr bitten, durch die das Hospital einen Reingewinn von 200.000 Pfund erhalten würde. Eine solche Bitte kann auch keineswegs als außergewöhnlich angesehen werden, da sie dem Nutzen von Narren und Spitzbuben dienen würde, was der einzige Grund dafür war, daß in diesem Jahr eine Lotterie genehmigt wurde.
Endlich noch würde ich den Besitz des Mr. Richard Norton hinzufügen, und um seinem Andenken alle nur mögliche Ehre zu erweisen, würde ich im ersten Raum des Krankenhauses oder in jedem anderen, der besser dafür geeignet scheint, sein Standbild errichten. Auf diesem Denkmal aber würde ich eine lange, von seinen engsten Freunden verfaßte Inschrift zulassen, die auf alle Zeit von der Steuer befreit bliebe.
Aus diesen Punkten würden also jährlich folgende Summen eingehen:
Aus freiwilligen Beiträgen 3.500.000 Pfund
Aus den Besitzungen der Unheilbaren 200.000 Pfund
Durch die Steuer auf Grabsteine, Denkmäler usw. (das von Mr. Richard Norton immer ausgenommen) 100.000 Pfund
Durch zwei jährliche Lotterien 200.000 Pfund
Durch den Besitz des Mr. Richard Norton 6.000 Pfund
Insgesamt 4.006.000 Pfund
Da die für das Hospital notwendige Summe 3.650.000 Pfund beträgt, werden darüber hinaus noch jährlich 356.000 Pfund übrigbleiben.
Diese Summe von 356.000 Pfund sollte zur Errichtung des Gebäudes und zur Bestreitung von Nebenausgaben in solch einer Weise verwendet werden, wie sie zur Förderung der Ziele des Hospitals am besten geeignet erscheint. Ihre ganze Verwaltung aber sollte dem Geschick und der Umsicht jener überlassen bleiben, die als Direktoren eingesetzt werden.
Es könnte sich allerdings als ein wenig schwierig erweisen, einen geräumigen Ort auszuwählen, der groß genug für ein Gebäude dieser Art wäre. Ich hätte nicht übel Lust, den Versuch zu machen, ganz Yorkshire einzuhegen, wenn ich nicht fürchten müßte, daß es mit so vielen unheilbaren Spitzbuben eigener Erzeugung übervölkert wäre, daß überhaupt kein Platz für die Aufnahme irgendwelcher anderer bliebe, durch welchen Umstand unser ganzes Projekt für einige Zeit verzögert werden könnte.
Damit habe ich diese Angelegenheit so deutlich wie möglich beleuchtet, damit jedermann die Notwendigkeit, Nützlichkeit und Ausführbarkeit dieses Planes beurteilen kann; ich werde nun nur noch ein paar verstreute Hinweise geben, die mir nicht ganz unnütz erscheinen.
Ich glaube, der jeweilige Premierminister sollte sehr viel zu solch einer Stiftung beitragen, denn durch seine hohe Stellung und seine Verdienste muß er notwendigerweise eine große Anzahl mit Neid, Haß, Falschheit und anderen derartigen Krankheiten vergiften und folglich das Hospital in jedem Jahr mit vielen Unheilbaren beliefern.
Es wäre mein Wunsch, daß die zur Leitung dieses Hospitals berufenen Direktoren einige Anzeichen von Religion und Gottesglauben hätten (wenn so etwas möglich wäre), denn jene, die als unheilbare Ungläubige, Atheisten, Deisten und Freidenker eingeliefert werden - und die meisten dieser Sippschaft sind es nur aus Stolz, Selbstgefälligkeit und Heuchelei -, könnten vielleicht allmählich zu Gläubigen werden, wenn sie sähen, daß es zum guten Ton des Ortes gehört, an dem sie leben.
Wenn es auch nicht üblich ist, daß die Einwohner irischer Abstammung in unserem Lande irgendwelche Förderung erfahren, wäre ich dafür, daß man hier einmal dieses nationale Vorurteil völlig außer acht läßt, und ich würde um des Ansehens beider Länder willen darum bitten, daß eine große Abteilung im Hospital besonders für Iren eingerichtet wird, die sich durch Spitzbüberei, Unzucht oder Mitgiftjägerei für die Aufnahme qualifiziert haben, denn deren Zahl wäre sicher sehr beachtlich.
Ich würde ferner darum bitten, daß man einen Vater, der sich darüber freut, seinen Sohn mittels einer Reise von London nach Paris in einen Laffen oder Gecken verwandelt zu sehen, zusammen mit dem jungen Mann in das Hospital schickt, weil er ein absolut unheilbarer alter Narr ist.
Wenn ein Dichter glücklich etwas hervorgebracht hat, besonders auf dem Gebiet des Dramas, das vom Publikum leidlich gut aufgenommen wurde, sollte er sofort in das Hospital eingeliefert werden, denn stets ist unheilbare Eitelkeit die Auswirkung eines kleinen Erfolges. Wenn seine Werke aber schlecht aufgenommen werden, dann sollte er als Schreiberling Zutritt erhalten.
Meine Hoffnung geht dahin, auf Grund der großen Mühe, die ich mir mit diesem Plan gegeben habe, als einer der schreibenden Unheilbaren in die Einrichtung eingelassen zu werden. Als zusätzliche Gunst aber bitte ich inständig darum, mich nicht in eine Abteilung mit einem Dichter zu stecken, der sein Genie für die Bühne verwendet hat, denn er wird mich durch ständiges Rezitieren seiner eigenen Werke töten, und man weiß ja, daß es äußerst schmerzlich ist, irgendeinen Unsinn zu ertragen - außer unserem eigenen.
Der private Grund, weshalb ich mich so zeitig um die Aufnahme bewerbe, ist in der Feststellung zu suchen, daß Plänemacher und Spekulanten sich meist an den Bettelstab bringen. Wenn ich aber als unheilbarer Narr oder Schreiberling in dem Hospital versorgt werde, wird diese abschreckende Feststellung wenigstens einmal öffentlich widerlegt, und meine Leidensgefährten können einer öffentlichen Belohnung für ihre Anstrengungen sicher sein.
Wie ich zugeben muß, macht mich der Gedanke in höchstem Grade glücklich, daß, obgleich in dieser kurzen Abhandlung die Charaktere von vielen Tausenden aus der ungeheuren Vielzahl von Unheilbaren enthalten sind, sich vermutlich keine einzelne Person beleidigt fühlen wird; denn es ist natürlich, lächerliche Charaktere auf die ganze Welt zu beziehen, nur nicht auf sich selbst. Und ich gehe so weit zu behaupten, daß die unheilbarsten Narren, Spitzbuben, Xanthippen, Gecken, Schreiberlinge oder Lügner im ganzen Land eher alle ihre Bekannten als von jenen Krankheiten befallen aufzählen würden, als sich nur einmal vorzustellen, daß sie selbst in irgendeiner Weise für ein solches Hospital In Frage kämen.
Ich hoffe in der Tat, daß unsere weisen Gesetzgeber diesen Plan ernsthaft in Erwägung ziehen und eine Stiftung gründen werden, die für so viele nutzlose Untertanen Seiner Majestät von solch großem Vorteil sein wird und die zu gegebener Zeit vielleicht sogar ihnen selbst und ihren Nachkommen von Nutzen sein kann.“
Brief an eine sehr junge Dame zu ihrer Heirat
Dieser Text wurde vor knapp 300 Jahren geschrieben. Gesellschaftllich hat sich einiges geändert, aber wenig bei den Menschen: belanglose Frauen (und Männer), die mit anderen belanglosen Menschen belangloses Zeug daher reden – nach wie vor zur Qual von seriösen Frauen und Männern:
„Gnädige Frau!
Nachdem nun die Unruhe und die Belastung durch die Besuche, die Sie infolge Ihrer Heirat empfangen und abstatten mußten, vorbei sind, treten Sie in einen Lebensabschnitt ein, in dem Sie manchen guten Rat brauchen, um das Abgleiten in viele Irrtümer, Zierereien und Torheiten zu vermeiden, denen Ihr Geschlecht ausgesetzt ist. Mit Ihrem Vater und Ihrer Mutter verband mich immer eine vollkommene Freundschaft, und der Mann, der von Ihnen zu Ihrem Gatten auserkoren wurde, steht mir seit einigen Jahren besonders nahe. Schon lange war es mein Wunsch, daß Sie zusammenkommen möchten, denn ich hoffte, daß Sie sich dank Ihrer guten Anlagen und dadurch, daß Sie den Ratschlägen kluger Freunde folgen, im Laufe der Zeit seiner wert erweisen würden. Ihre Eltern handelten insofern richtig, als sie Sie nicht sehr häufig in die Gesellschaft brachten, wodurch Sie viele falsche Schritte, die andere gingen, vermieden haben und weniger schlechte Eindrücke zu überwinden brauchen. Doch wie es meist der Fall ist, handelten sie insofern nicht richtig, als sie zu sehr die Pflege Ihres Geistes vernachlässigten, ohne den es unmöglich ist, die Freundschaft und Achtung eines klugen Mannes zu erwerben oder zu erhalten, der es bald müde wird, den Liebhaber zu spielen und seine Gattin wie eine Geliebte zu behandeln, sondern vielmehr eine vernünftige Gefährtin und treue Freundin in jedem Abschnitt seines Lebens haben möchte. Deshalb müssen Sie es sich angelegen sein lassen, sich für diese Aufgaben auszubilden, worin ich stets Ihr Ratgeber sein will, solange Sie es mir zu verdienen scheinen, indem ich Sie wissen lasse, wie Sie handeln und was Sie vermeiden sollten.
Und hüten Sie sich davor, meine Anweisungen zu verachten oder zu vernachlässigen, denn von ihnen hängt nicht nur Ihr Ansehen in der Gesellschaft ab, sondern auch Ihr eigenes wirkliches Glück wie auch das Glück der Person, die Ihnen am teuersten sein sollte.
Ich muß Sie deshalb als erstes darum bitten, daß Sie nur sehr langsam die jungfräuliche Züchtigkeit in Ihrem Verhalten ablegen. Junge Frauen machen sich gewöhnlich schon wenige Wochen nach der Heirat eine dreiste und herausfordernde Art des Blickes und der Redeweise zu eigen, als ob sie in jeder Gesellschaft kundtun wollten, daß sie keine Mädchen mehr sind und daß folglich ihr ganzes Betragen bis zu der Zeit, wo sie einen Mann bekamen, geradezu nichts als äußerer Schein und ein Zwang für ihre wahre Natur gewesen sei. Wohingegen ich vermute, daß bei einer Abstimmung kluger Männer eine sehr große Mehrheit sich für jene Damen entscheiden würde, die nach ihrem Eintritt in diesen Stand sich eher befleißigen würden, ihre Sittsamkeit und Zurückhaltung zu verdoppeln.
Desgleichen muß ich Sie strikt davor warnen, Ihrem Gatten gegenüber auch nur die geringste Zärtlichkeit zu zeigen, sobald irgendwelche Zeugen dabei sind, selbst wenn es sich um Ihre nächsten Verwandten oder sogar um Ihre Kammerzofen handelt. Ein solches Verhalten ist allen Menschen, die entweder eine gute Erziehung oder einen guten Geschmack haben, so überaus verhaßt und widerlich, daß sie es zwei wenig schmeichelhaften Gründen zuschreiben; der eine ist grobe Heuchelei, und der andere hat einen zu schlimmen Namen, als daß man ihn nennen könnte. Wenn man schon Unterschiede machen muß, so ist Ihr Gatte die geringste Person in der Gesellschaft, ob zu Hause oder anderswo, und jeder der anwesenden Herren hat ein größeres Anrecht auf alle Ihre Äußerungen der Höflichkeit und der Auszeichnung. Verbergen Sie Ihre Bewunderung und Liebe in Ihrem Herzen und bewahren Sie Ihre liebevollen Blicke und Worte für stille Stunden, deren es von den vierundzwanzig so viele gibt, daß genügend Zeit bleibt, um einer Leidenschaft zu frönen, die so glühend sein mag wie nur irgendeine, die je in einem französischen Roman geschildert wurde.
Zu diesem Punkt möchte ich Ihnen weiter raten, anders zu handeln als jene Damen, die bei Abwesenheit ihres Gatten ein Unmaß an Besorgnis zur Schau tragen, bei jedem Klopfen an der Haustür auffahren und beständig nach den Dienstboten klingeln, damit sie den Herrn hereinlassen; die beim Mittag- oder Abendessen nicht einen Bissen zu sich nehmen wollen, wenn der Herr des Hauses einmal ausbleibt, und die ihn bei seiner Rückkehr mit einer solchen Mischung von Vorwürfen und Zärtlichkeiten empfangen und ihn derart ausfragen, wo er gewesen sei, daß ein Fischweib von Billingsgate eine bequemere und wünschenswertere Gefährtin wäre.
Vom gleichen Schlage sind jene Frauen, die von ihrem Mann, wenn er auf Reisen ist, mit jeder Post einen Brief haben müssen, sonst bekommen sie Anfälle oder werden hysterisch; und sie bestehen auf einem bestimmten Tag der Heimkehr, ohne den geringsten Spielraum für Geschäfte, Krankheit, Unfälle oder schlechtes Wetter zuzulassen. Ich kann hierzu nur sagen, daß nach meinen Beobachtungen jene Damen, die bei solchen Gelegenheiten das größte Genäse machen, sehr freigebig einen Boten belohnt hätten, der mit der Nachricht eingetroffen wäre, daß sich ihr Gatte auf der Straße den Hals gebrochen habe.
Vielleicht fühlen Sie sich gekränkt, wenn ich Ihnen rate, die heftige Leidenschaft für schöne Kleidung, die bei Ihrem Geschlecht so sehr vorherrscht, ein wenig zu dämpfen. Es ist etwas hart, daß wir, für die sie doch getragen wird, nicht als Ihre Ratgeber zugelassen werden. Vielleicht darf ich die Versicherung wagen, daß wir jederzeit mit einem Brokatstoff zufrieden sind, der 4 Pfund das Meter weniger kostet, wenn die Damen nur bei ihren Bemühungen um die Sauberkeit und Frische ihrer Person einen entsprechenden Aufschlag bewilligen würden. Denn der satirische Teil der Menschheit glaubt nur zu gern, daß es nicht unmöglich ist, sehr elegant und sehr schmutzig zu sein, und daß die Fähigkeiten einer Dame manchmal nicht ganz ausreichen, Reinlichkeit und Aufmachung gleichzeitig zu pflegen. Ich möchte zu diesem delikaten Thema nur noch hinzufügen, was ein spaßhafter Herr von einer albernen Dame von Rang sagte: Nichts könne Sie erträglich machen, als daß man ihr den Kopf abschlüge, denn seine Ohren würden durch ihre Zunge beleidigt und seine Nase durch ihre Haare und Zähne.
Ich weiß wirklich nicht, wie ich Sie bei der Auswahl Ihres Umgangs beraten soll, und doch ist dies einer der wichtigsten Punkte in Ihrem Leben. Wenn Ihr allgemeiner Bekanntenkreis aus Ihnen ebenbürtigen oder höhergestellten Damen besteht, die nichts an sich haben, was man gewöhnlich einen schlechten Ruf nennt, so meinen Sie, darin sicherzugehen; und in den Augen der Welt gilt das auch für gute Gesellschaft. Wogegen ich fürchte, daß es Ihnen schwerfallen wird, eine einzige weibliche Bekannte in dieser Stadt zu finden, durch die Sie nicht unmittelbar in Gefahr geraten, mit irgendeiner Afferei, Affektiertheit, Eitelkeit, Torheit oder Lasterhaftigkeit angesteckt zu werden. Der einzig sichere Weg für Sie im Umgang mit ihnen ist, fest entschlossen in Ihrer Lebensführung und in Ihrem Verhalten immer genau das Gegenteil dessen zu tun, was sie sagen oder tun. Das halte ich für eine gute, allgemeingültige Regel, von der es nur sehr wenige Ausnahmen gibt. So ist es zum Beispiel mit den Lehren, die sie gewöhnlich den jung verheirateten Frauen zur Behandlung ihrer Gatten vortragen; mit den zahlreichen Berichten über ihr eigenes Verhalten in dieser Beziehung, um es Ihnen zur Nachahmung zu empfehlen; mit den abfälligen Bemerkungen, die sie über andere ihres Geschlechts machen, weil sie anders gehandelt haben; mit ihren Anleitungen, wie Sie aus jedem Streit oder jeder Auseinandersetzung, die Sie vielleicht mit Ihrem Gatten haben, siegreich hervorgehen können; mit den Künsten, vermittels deren Sie seine schwachen Seiten entdecken und ausnützen können; wann man mit Schmeicheleien und Einflüsterungen vorgehen soll, wann er mit Tränen zu erweichen ist und wann man ihm hochmütig begegnet. In diesen und tausend anderen Fällen ist es klug, sich von ihren Lehren soviel wie nur möglich zu merken und dann den Entschluß zu fassen, gerade entgegengesetzt zu handeln.
Ich hoffe, Ihr Gatte wird seine Autorität dazu verwenden, die Zahl Ihrer Besucher einzuschränken. Ein halbes Dutzend Narren sind wahrhaftig das Äußerste, was Sie brauchten, und es wird für Sie genügen, sie zweimal im Jahr zu empfangen. Denn die feine Lebensart verlangt ja wohl nicht, daß man Freunden Besuche macht.
Ich rate Ihnen, daß Ihre Gesellschaft zu Haus eher aus Männern als aus Frauen bestehen sollte. Um die Wahrheit zu sagen, habe ich noch keine erträgliche Frau gefunden, die ihre eigenen Geschlechtsgenossinnen gut leiden konnte. Ich gebe zu, wenn beide Geschlechter zusammen sind und eine gute Auswahl getroffen wurde und alle kehren ihre besten Eigenschaften hervor, dann kann es zu einem höflichen und freundschaftlichen Austausch kommen, der mit der Beigabe von einigem Verstand die Unterhaltung oder irgendeinen Zeitvertreib angenehm machen kann. Aber eine Schar von Damen, die für sich allein zusammen sind, ist geradezu eine Schule der Ungehörigkeit und Verleumdung, und es ist noch gut, wenn dies das Schlimmste ist.
Lassen Sie sich Ihre männlichen Bekannten von Ihrem Gatten auswählen und nicht durch irgendwelche Freundinnen empfehlen, denn diese werden Ihnen sicher einen Stutzer anhängen, und es wird Sie einige Zeit und Mühe kosten, ehe Sie gelernt haben, einen solchen von einem Mann mit Verstand zu unterscheiden.
Machen Sie niemals eine Lieblingszofe zu Ihrer Vertrauten, und lassen Sie sich nicht von ihr mit Geschichten über ihre früheren Dienstherrinnen, deren Zeitvertreib und Kleider, unterhalten und sich von ihr einreden, wie groß das Vermögen sei, das Sie in die Ehe brachten, und wie wenig Sie davon verschwenden dürften. Beklagen Sie sich nicht bei ihr über Ihren Gatten, und lassen Sie sich nicht von ihrem Urteil bestimmen, weil Sie sicher sein können, daß es immer zu Ihren Gunsten ausfallen wird. Richten Sie sich nicht bei der Einstellung oder Entlassung von Dienstboten nach ihrer Zustimmung oder Mißbilligung, lassen Sie sich nicht durch ihre Einflüsterungen in Mißverständnisse mit Ihren besten Freunden verwickeln, sich alle Dinge in falschem Lieht darstellen, und benutzen Sie sie nicht als allgemeinen Zuträger von Klatsch und Skandalgeschichten.
Das große Ziel Ihres Lebens aber wird es sein, die Freundschaft und Achtung Ihres Gatten zu gewinnen und zu erhalten. Sie sind mit einem wohlerzogenen und gebildeten Mann verheiratet, der über einen ausgezeichneten Verstand und einen sicheren Geschmack verfügt. Es stimmt zwar und ist ein Glück für Sie, daß bei ihm diese guten Eigenschaften noch durch große Bescheidenheit, eine äußerst liebenswürdige Natur und eine ungewöhnliche Veranlagung zu Besonnenheit und Tugend geziert werden. Aber weder aus Gutherzigkeit noch aus Anständigkeit wird er Sie gegen seine Überzeugung achten können, und wenn er auch nicht fähig ist. Sie schlecht zu behandeln, so werden Sie doch mit der Zeit zu einem uninteressanten und vielleicht sogar verächtlichen Ding werden, wenn Sie nicht den Verlust von Jugend und Schönheit durch dauerhaftere Eigenschaften ersetzen können. Sie haben nur sehr wenige Jahre, um in den Augen der Welt als jung und hübsch zu gelten, und ebenso wenige Monate in den Augen eines Gatten, wenn er kein Narr ist; denn ich hoffe, Sie träumen nicht immer noch von Liebreiz und Verzückung, denen die Heirat seit jeher ein plötzliches Ende machte und immer machen wird. Außerdem war Ihre Heirat ja eine Vereinigung aus Klugheit und ganz normaler Neigung, ohne jeden Einschlag jener lächerlichen Leidenschaft, die nur in Theatertexten und Romanen vorkommt.
Sie müssen deshalb alle Ihre Bemühungen darauf richten, ein gewisses Maß jener Fähigkeiten zu erlangen, die Ihr Gatte bei anderen Menschen am meisten schätzt und für die er selbst hoch angesehen ist. Sie müssen Ihren Geist bilden, indem Sie sich eng an die Studienmethode halten, die ich für Sie anordne oder die ich gutheiße. Sie müssen sich eine Sammlung historischer Bücher und Reisebeschreibungen beschaffen, die ich Ihnen empfehlen werde, täglich einige Stunden darin lesen und Auszüge daraus machen, wenn Ihr Gedächtnis schwach sein sollte. Sie müssen Menschen mit Wissen und Verstand einladen und zu Ihren Bekannten machen, durch deren Unterhaltung Sie lernen können, Ihren Geschmack und Ihr Urteilsvermögen zu verbessern. Wenn Sie so weit kommen, daß Sie den rechten Sinn anderer erfassen und genießen können, dann werden Sie schließlich auch dorthin gelangen, daß Sie selbst richtig denken und eine einsichtsvolle und angenehme Gefährtin werden. Das muß in Ihrem Gatten eine wahre, rationale Liebe und Achtung für Sie hervorrufen, die auch das Alter nicht mindern wird. Er wird auf Ihr Urteil und Ihre Meinung bei Angelegenheiten von größtem Gewicht Wert legen. Sie werden imstande sein, sich miteinander zu unterhalten, ohne daß Ihnen eine dritte Person mit neuem Gesprächsstoff aushelfen muß. Ihre Geistesgaben werden ihm sogar Ihre Person angenehmer machen, und wenn Sie allein sind, wird die Zeit nicht lang werden, nur weil Ihnen irgendein nichtiges Vergnügen fehlt.
So wenig Respekt ich vor den meisten Ihres Geschlechts habe, hat es mich doch manchmal mit Mitleid erfüllt, wenn ich ansehen mußte, daß sich die Dame des Hauses unmittelbar nach dem Essen zurückzuziehen hatte, und zwar in Familien, wo gar nicht so viel getrunken wurde, als ob es eine feste Maxime wäre, daß Frauen zu keiner Unterhaltung taugten.
Wenn beide Geschlechter in einem Raum zusammenkommen und die Männer sich über irgendein allgemeines Thema unterhalten, so betrachten es die Damen nie als ihre Aufgabe, an dem, was vor sich geht, teilzunehmen; sie vergnügen sich statt dessen in einem abgesonderten Kreis gegenseitig mit dem Preis und der Auswahl von Spitzen und Seide und den Kleidern, die in der Kirche oder im Theater ihr Entzücken oder Mißfallen erregt haben. Und wenn ihr unter euch seid, wie selbstverständlich befühlt ihr da, schon nach der ersten Begrüßung, gegenseitig eure Aufschläge und Halskrausen und Umhänge, als ob der ganze Sinn eures Lebens und das Wohl und Wehe der Welt von dem Schnitt und der Farbe eurer Kleidung abhinge. Wie die Geistlichen sagen, daß sich manche Leute mehr Mühe geben, um verdammt zu werden, als es sie kosten würde, ihr Seelenheil zu erlangen, so verwendet euer Geschlecht mehr Gedanken, Gedächtniskraft und Fleiß darauf, Narren zu sein, als nötig wäre, um klug und tüchtig zu werden. Wenn ich darüber nachdenke, kann ich euch nicht als menschliche Wesen betrachten, sondern nur als eine besondere Spezies, die nur wenig über dem Affen steht, der über mehr unterhaltsame Kunststücke verfügt als irgendeine von euch, ein weniger boshaftes und teures Tier ist, mit der Zeit auch ein leidlicher Kenner von Samt und Brokat sein könnte, und sie wahrscheinlich ebensogut tragen würde.
Ich möchte, daß Sie den Putz als eine notwendige Torheit betrachten, wie das alle vornehmen Damen taten, die ich je gekannt habe. Ich verlange nicht, daß Sie nicht mit der Mode gehen, doch sollen Sie die Letzte und Geringste darin sein. Ich erwarte, daß Ihre Kleidung um einen Grad einfacher ist, als Ihr Vermögen es gestatten würde; und ich wünschte, daß Sie in Ihrem Herzen jeden Vorzug aufs äußerste verachten mögen, den Ihnen ein feinerer Rock verschaffen kann, denn er macht Sie weder reiche, hübscher, jünger, besser, tugendhafter noch klüger, als wenn er an einem Kleiderhaken hinge.
Wenn Sie in der Gesellschaft gebildeter Männer sind, die sich vielleicht über Künste und Wissenschaften unterhalten, die außerhalb Ihres Gesichtskreises liegen, so wird es trotzdem nützlicher für Sie sein, ihnen zuzuhören als der unsinnigen und nichtigen Unterhaltung Ihres eigenen Geschlechts. Handelt es sich aber um Männer, die nicht nur gelehrt, sondern auch wohlerzogen sind, so werden sie selten ein Gespräch führen, bei dem Sie nicht zuhören und allmählich teilnehmen könnten. Wenn sie von den Sitten und Gebräuchen der verschiedenen europäischen Königreiche, von Reisen in weiter entfernte Länder, von dem Zustand ihres eigenen Heimatlandes oder von den großen Männern Griechenlands und Roms und deren Taten erzählen; wenn sie ihr Urteil über englische und französische Vers- und Prosadichter abgeben oder über die Natur und die Grenzen von Tugend und Laster sprechen, dann ist es eine Schande für eine englische Dame, wenn sie an solchen Gesprächen keinen Gefallen findet, nichts daraus lernt und sich nicht durch Lesen und Lernen bemüht, an solchen Unterhaltungen teilzunehmen, sondern sich vielmehr, wie es der übliche Brauch ist, abwendet und mit der Frau, die neben ihr sitzt, eine neu eingetroffene Ladung von Fächern bespricht.
Es ist kaum zu verstehen, daß nicht eine Adelstochter unter tausend so erzogen wird, daß sie ihre eigene Muttersprache lesen und verstehen oder die leichtesten darin geschriebenen Bücher beurteilen kann. Das kann jeder feststellen, der die Geduld aufbringt, ihnen zuzuhören, wenn sie Lust bekommen, ein Theaterstück oder einen Roman zu lesen und dann daraus Wortsalat machen, weil jedes Wort, das über den allereinfachsten Wortschatz hinausgeht, sie mit Sicherheit aus der Fassung bringt. Das ist aber nicht verwunderlich, wenn sie in ihrer Kindheit nicht einmal das Buchstabieren gelehrt wurden und auch in ihrem ganzen späteren Leben keine Gelegenheit erhalten, es zu lernen. Deshalb gebe ich Ihnen den Rat, Ihrem Gatten, wenn er es erlaubt, oder einem anderen Freund, der Sie berichtigen kann (aber keinem weiblichen), jeden Tag einen kleineren oder größeren Abschnitt laut vorzulesen; und was das richtige Schreiben angeht, so werden Sie es allmählich beherrschen, wenn Sie sich aus den Büchern, die Sie lesen, Auszüge machen.
Ich weiß sehr wohl, daß die Frauen, die man gewöhnlich gelehrt nennt, durch ihre aufdringliche Schwatzhaftigkeit und Selbstgefälligkeit jegliches Ansehen verloren haben; aber diese Schwierigkeit ist leicht behoben, wenn Sie nur bedenken, daß Sie bei aller Mühe, die Sie sich vielleicht geben, in puncto Lernen niemals die Fertigkeiten eines Schuljungen erreichen können. Die Lektüre aber, zu der ich Ihnen rate, dient nur zur Verbesserung Ihres eigenen gesunden Verstandes, der stets durch Takt unterstützt werden wird. Es liegt nur an der falschen Methode und der schlechten Auswahl der Bücher, daß jene gelehrten Damen um so unleidlicher werden, je mehr sie lesen. Deshalb soll es meine Sorge sein, Ihnen einen besseren Weg zu zeigen, eine Aufgabe, zu der ich mich für nicht schlecht befähigt halte; denn ich habe mehr Zeit damit zugebracht und mehr Gelegenheit als andere gehabt, zu beobachten und zu entdecken, woher die verschiedenen Torheiten der Frauen stammen.
Sehen Sie sich doch einmal an, was für unbedeutende Geschöpfe die Damen der gewöhnlichen Art sind, wenn Jugend und Schönheit hinter ihnen liegen: Wie verächtlich sie den Männern erscheinen und noch verächtlicher ihren eigenen jüngeren Geschlechtsgenossinnen; wie sie keine Abwechslung haben, als ihre Nachmittage mit Besuchen zu verbringen, bei denen sie doch nie willkommen sind, und ihre Abende beim Kartenspiel miteinander; der Vormittag vergeht ihnen in Verdruß und Neid oder im vergeblichen Bemühen, durch Kunst und Kleider die Verwüstungen der Zeit zu heilen. Dagegen habe ich Damen im Alter von sechzig Jahren gekannt, denen die ganze gebildete Gesellschaft am Hofe und in der Stadt ihre Aufwartung machte, nur um das Vergnügen ihrer Unterhaltung zu genießen.
Ich kenne keine schätzenswerte Eigenschaft beim Manne, die nicht auch bei einer Frau im gleichen Maße liebenswert wäre. Ich nehme davon nicht einmal Bescheidenheit und Milde aus. Mir ist auch kein Laster und keine Torheit bekannt, die nicht bei beiden gleichermaßen verabscheuungswürdig ist. Doch gibt es tatsächlich eine Schwäche, die man euch allgemein zuzugestehen scheint, nämlich die Feigheit. Es müßte aber doch sehr widersprüchlich wirken, daß Frauen behaupten, einen Obersten oder Hauptmann wegen seiner Tapferkeit zu bewundern, es gleichzeitig aber für eine sehr anmutige und ansprechende Eigenschaft halten, daß sie sich vor ihrem eigenen Schatten fürchten, in einem Ruderboot kreischen, wenn schönstes Wetter ist, oder in einer haltenden Kutsche; daß sie vor einer Kuh auf hundert Meter Entfernung davonlaufen oder beim Anblick einer Spinne, eines Ohrwurms oder eines Frosches in Ohnmacht fallen. Wenn Feigheit ein Zeichen von Grausamkeit ist (wie man allgemein zugibt), so kann ich sie wenigstens kaum für eine so wünschenswerte Eigenschaft halten, daß man sich noch bemühen sollte, sie durch Affektiertheit zu verstärken.
Da also die gleichen Tugenden beiden Geschlechtern gleich gut anstehen, gibt es keine Eigenschaft, durch die sich die Frauen von den Männern zu unterscheiden bemühen, die sich für sie nicht gerade zum Nachteil auswirkt, ausgenommen allein die Zurückhaltung, die jedoch, wie ihr sie gewöhnlich handhabt, nichts anderes als Ziererei oder Heuchelei ist. Denn so wie ihr nie genug jene Vertreter unseres Geschlechts zurechtweisen könnt, die sich euch gegenüber unpassende Freiheiten herauszunehmen wagen, so solltet ihr in Gesellschaft würdiger Männer gänzlich ungezwungen sein, sobald ihr ihres taktvollen Verhaltens hinreichend sicher seid.
Es fehlt in dieser Stadt nie an einer Horde dreister, schwadronierender und geschwätziger Damen, deren Talente unter den Gecken für Geist und Humor gelten. Sie zeichnen sich besonders durch grobe, anstößige Ausdrücke aus und in dem, was sie „einen Mann heruntermachen" nennen. Wenn ein Herr in ihrer Gesellschaft zufällig einen Makel in seiner Herkunft oder an seiner Person hat, wenn seiner Familie oder ihm irgendein Mißgeschick zugestoßen ist, dessen er sich schämt, so werden sie es ihn bestimmt und ohne jeden Anlaß deutlich spüren lassen. Ich würde Ihnen eher die Bekanntschaft mit einer gemeinen Straßendirne als mit solchen Drachen empfehlen. Oft habe ich schon gedacht, daß kein Mann verpflichtet ist, solche Kreaturen als Frauen zu betrachten, sondern eher als unverschämte Halunken in Frauenkleidern, die man nackt ausziehen und die Treppe hinunterwerfen sollte.
Ich möchte noch etwas anfügen, obschon es hier nicht ganz am Platze ist, nämlich meinen Wunsch, daß Sie Ihren Gatten wegen der guten Eigenschaften ehren und achten lernen, die er wirklich besitzt, und daß Sie ihm nicht andere andichten, die er bestimmt nicht hat. Denn wenn letzteres auch allgemein als Zeichen der Liebe angesehen wird, so ist es doch in Wirklichkeit nichts als Affektiertheit oder ein schlechtes Urteilsvermögen. Zwar fehlt ihm so sehr wenig an Vollkommenheit, daß Sie in keiner großen Gefahr sind, in dieser Hinsicht fehlzugehen; doch wird meine Warnung durch eine Dame aus Ihrem Bekanntenkreis veranlaßt, die mit einem sehr schätzbaren Herrn verheiratet ist, ihn aber unglücklicherweise immer wegen der Vorzüge preist, auf die er den geringsten Anspruch erheben kann.
In der Frage des Geldausgebens kann ich Ihnen keinen Rat geben. Ich meine nur, Sie sollten genau darüber Bescheid wissen, wie hoch die Einkünfte Ihres Gatten sind, und eine so gute Rechnerin sein, daß Sie in dem Ihnen zufallenden Teil der Haushaltsführung in diesen Grenzen bleiben. Auch sollten Sie nicht zu jenen schlauen Damen gehören, die es als einen großen Erfolg ansehen, wenn sie ihrem Gatten so lange zugesetzt haben, bis er ihnen eine neue Equipage, eine Spitzenhaube oder einen feinen Rock kauft, ohne auch nur einmal daran zu denken, welche langen Metzgerrechnungen unbezahlt bleiben.
Ich bitte Sie, diesen Brief sorgfältig aufzubewahren und oft Ihr ganzes Verhalten unparteiisch an ihm zu überprüfen. Und so segne Sie Gott und mache Sie zu einem schönen Vorbild für Ihr ganzes Geschlecht und zu einer beständigen Quelle der Freude für Ihren Gatten und Ihre Eltern!
Ich bin, gnädige Frau, aufrichtig und herzlich, Ihr treuester Freund und ergebenster Diener.“
Gullivers Ende
Mit dem Ende von Gullivers Reisen schreibt Jonathan Swift dem Wurm so richtig aus dem Innersten seiner Seele:
„Ich gestehe, man hat mir angedeutet, ich sei als englischer Untertan verpflichtet gewesen, bei einem Staatssekretär gleich nach meiner Heimkehr eine Denkschrift einzureichen, denn alle Länder, die ein Untertan entdecke, gehören der Krone. Doch ich zweifle, ob uns der Sieg über die fraglichen Länder so leicht geworden wäre, wie der über die nackten Amerikaner Fernando Cortez wurde. Die Lilliputaner, scheint mir, verlohnen es kaum, dass man eine Flotte und ein Heer entsendet, um sie zu bezwingen; und ich zweifle sehr, ob es klug oder geraten wäre, es bei den Brobdingnagianern zu versuchen; auch würde sich eine englische Armee kaum sehr wohl fühlen, wenn sie die Fliegende Insel über dem Kopf hätte. Die Houyhnhnms freilich scheinen für den Krieg nicht so gut gerüstet zu sein, denn diese Wissenschaft ist ihnen völlig fremd, zumal wenn sie Schusswaffen gegenüber stehn. Aber wenn ich Staatsminister wäre, so würde ich nie dazu raten, einen Einfall in ihr Land zu unternehmen. Ihre Klugheit, Einigkeit, Furchtlosigkeit und Heimatsliebe würde vollen Ersatz für alle Mängel in der Kriegskunst bieten. Man stelle sich vor, wie zwanzigtausend von ihnen mitten unter ein europäisches Heer sprengen, die Reihen in Verwirrung bringen, die Wagen umstürzen und die Gesichter der Krieger durch furchtbare Schläge mit den Hinterhufen zu Brei zerschlagen! Denn sie würden den Ruf gar wohl verdienen, den man Augustus beilegte: »Recalcitrat undique tutus«. Doch statt Vorschläge zu machen, wie man jene grossherzige Nation erobern könnte, wollte ich lieber, sie wären imstande oder geneigt, eine genügende Anzahl ihrer Einwohner herüberzuschicken und Europa zu zivilisieren, indem sie uns die Grundprinzipien der Ehre, der Gerechtigkeit, der Wahrhaftigkeit, der Mässigung, des Gemeinsinns, der Seelengrösse, der Keuschheit, der Freundschaft, des Wohlwollens und der Treue lehrten. Die Namen all dieser Tugenden sind freilich bei uns in den meisten Sprachen noch erhalten, und man findet sie sowohl bei den modernen wie den alten Autoren; das kann ich aus eigner Lektüre versichern.
Aber ich hatte noch einen Grund, der mich weniger bereit machte, Seiner Majestät Besitzungen durch meine Entdeckungen zu erweitern. Die Wahrheit zu sagen, so waren mir ein paar Zweifel inbetreff der Gerechtigkeit gekommen, die die Fürsten bei solchen Gelegenheiten walten lassen. Zum Beispiel: durch einen Sturm wird eine Piratenbande irgendwohin getrieben, sie wissen selbst nicht, wohin; schliesslich entdeckt ein Schiffsjunge vom Mastkorb aus eine Küste; sie gehn an Land, um zu rauben und zu plündern; sie finden ein harmloses Volk, werden freundlich bewirtet, geben dem Lande einen neuen Namen, ergreifen für ihren König förmlich Besitz von ihm, errichten als Gedenkzeichen eine verfaulte Planke oder einen Stein, ermorden zwei oder drei Dutzend der Eingeborenen, nehmen als Probe ein weiteres Paar gewaltsam mit, kehren nach Hause zurück und erhalten Pardon. Hier beginnt nun ein neues Kolonialreich, das erworben ist auf Grund des Anspruchs »göttlichen Rechtes«. Bei erster Gelegenheit werden Schiffe hingeschickt, die Eingeborenen werden vertrieben oder ausgerottet, ihre Fürsten gefoltert, damit sie ihr Gold preisgeben; allen Taten der Unmenschlichkeit und der Gier wird ein Freibrief ausgestellt, die Erde dampft vom Blute ihrer Bewohner; und diese abscheuliche Schlächterbande, die zu einer so frommen Expedition ausgeschickt wurde, ist »eine moderne Kolonie«, ausgesandt, um ein barbarisches und götzendienerisches Volk zu bekehren und zu zivilisieren.
Aber diese Schilderung, das gebe ich zu, trifft keineswegs die britische Nation, die der ganzen Welt wegen der Weisheit, Sorgfalt und Gerechtigkeit, mit der sie Kolonien gründet, als Beispiel dienen kann; freigebig stiftet sie grosse Summen für die Förderung der Religion und Gelehrsamkeit; sie wählt die frömmsten und tüchtigsten Pastoren aus, um das Christentum zu verbreiten; vorsichtig versieht sie ihre Kolonien von diesem Vaterkönigreich aus mit Leuten von nüchternem Leben und Verkehr; streng achtet sie auf die Gerechtigkeit, indem sie die Zivilverwaltung in all ihren Kolonien mit Beamten von höchsten Talenten versorgt, denen die Korruption vollkommen fremd ist; und um all das zu krönen, entsendet sie die wachsamsten und tugendhaftesten Statthalter, die nichts andres im Auge haben, als das Glück des Volks, das sie regieren sollen, und die Ehre ihres Herrn, des Königs.
Da aber diese Länder, die ich geschildert habe, offenbar gar kein Verlangen danach tragen, erobert oder in die Sklaverei geführt, ermordet oder durch Kolonisten vertrieben zu werden, und da sie ferner weder an Gold noch an Silber, an Zucker noch Tabak irgendwie reich sind, so dachte ich mir in aller Demut, dass sie kein geeigneter Gegenstand für unsern Eifer, unsre Tapferkeit oder unser Interesse sein könnten. Sollten aber jene, die es näher angeht, für gut befinden, andrer Meinung zu sein, so bin ich bereit, wenn man mich gesetzmässig dazu auffordert, zu versichern, dass vor mir noch kein Europäer je diese Länder besucht hat. Ich meine natürlich, wenn man den Eingeborenen glauben kann; höchstens könnte sich in betreff der beiden Yahoos, die vor vielen Generationen im Lande der Houyhnhnms auf einem Berge gesehn sein sollen, ein Streit erheben.
Was aber die Formalität der Besitzergreifung im Namen meines Herrschers angeht, so ist sie mir nie in den Sinn gekommen; und hätte sie das getan, so würde ich sie vielleicht, wie damals die Dinge für mich lagen, aus Klugheit und Selbsterhaltungstrieb auf eine bessere Gelegenheit verschoben haben.
Nachdem ich so auf den einzigen Einwand geantwortet habe, der je gegen mich als Reisenden erhoben werden kann, nehme ich hiermit Abschied von all meinen höflichen Lesern; und ich werde jetzt wieder in meinem kleinen Garten zu Redriff meine eignen Spekulationen verfolgen und jene ausgezeichneten Lehren in der Tugend zu verwirklichen suchen, die ich unter den Houyhnhnms gelernt habe; ich werde die Yahoos meiner eignen Familie unterrichten, so weit ich in ihnen gelehrige Tiere finden werde, und mir meine eigne Gestalt oft im Spiegel besehn, um mich, wenn möglich, mit der Zeit daran zu gewöhnen, dass ich den Anblick eines menschlichen Wesens wieder ertrage; ich werde beklagen, dass die Houyhnhnms in meiner Heimat so vernunftlose Tiere sind, werde sie aber stets mit Achtung behandeln, und zwar um meines edlen Herrn, seiner Familie und seiner Freunde und des ganzen Geschlechts der Houyhnhnms willen, denen unsre Houyhnhnms in all ihren Zügen zu gleichen die Ehre haben, so sehr sie auch in ihrem Intellekt entartet sind.
Ich habe in der letzten Woche meinem Weibe zum erstenmal wieder erlaubt, mir bei Tische am andern Ende einer langen Tafel Gesellschaft zu leisten und (doch in äusserster Kürze) die wenigen Fragen zu beantworten, die ich ihr stellte. Doch da mir der Geruch eines Yahoo noch immer sehr widerwärtig ist, so verstopfe ich mir stets die Nase gut mit Rauten-, Lavendel oder Tabakblättern. Und obwohl es für einen in den Jahren vorgerückten Mann schwer ist, alte Gewohnheiten abzulegen, so habe ich doch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich später einmal wieder einen Nachbaryahoo in meiner Nähe werde dulden können, ohne mich wie noch jetzt vor seinen Zähnen und seinen Krallen zu fürchten.
Meine Versöhnung mit der Gattung der Yahoos im allgemeinen wäre vielleicht nicht so schwierig, wenn sie sich mit jenen Lastern und Narrheiten begnügen wollten, auf die die Natur ihnen ein Recht verliehn hat. Mich ärgert es nicht im geringsten, wenn ich einen Anwalt, einen Taschendieb, einen Obersten, einen Narren, einen Grafen, einen Spieler, einen Politiker, einen Hurenwirt, einen Arzt, einen Zeugen, einen Bestecher, einen Verräter oder dergleichen sehe; das alles liegt nur in der Natur der Dinge, doch wenn ich einen Haufen Scheusslichkeit erblicke, verzehrt von Krankheiten an Seele und Leib, und wenn der mit Hochmut behaftet ist, so reisst mir sofort jedwede Geduld; auch werde ich nie verstehn, wie sich ein solches Tier mit einem solchen Laster vertragen kann. Die weisen und tugendhaften Houyhnhnms, die im Überfluss alle Auszeichnungen besitzen, wie sie ein vernünftiges Wesen nur zieren können, haben in ihrer Sprache kein Wort für dieses Laster; und ihre Sprache hat überhaupt keine Ausdrücke für irgend etwas Arges, es sei denn die, mit denen sie die scheusslichen Eigenschaften ihrer Yahoos bezeichnen; und unter diesen wiederum sind sie nicht imstande, die Eigenschaft des Stolzes zu erkennen, weil sie dazu die menschliche Natur, wie sie sich in andern Ländern zeigt, wo dieses Tier herrscht, nicht gründlich genug verstehn. Ich aber, der ich mehr Erfahrung hatte, konnte deutlich einige Rudimente davon unter den wilden Yahoos erkennen.
Aber die Houyhnhnms, die unter der Regierung der Vernunft leben, sind auf die guten Eigenschaften, die sie besitzen, so wenig stolz, wie ich es darauf sein könnte, dass mir nicht ein Arm oder ein Bein fehlt, denn dessen könnte sich kein Mensch rühmen, solange er bei Verstande ist, wiewohl er ohne sie elend wäre. Ich verweile auf diesem Gegenstand so lange, weil ich wünsche, die Gesellschaft eines englischen Yahoo auf jede Weise zu etwas nicht ganz Unerträglichem zu machen; und deshalb flehe ich hier alle an, die auch nur eine Spur dieses widersinnigen Lasters besitzen, dass sie sich nicht anmassen mögen, mir vor die Augen zu kommen.“
http://gutenberg.spiegel.de/buch/gullivers-reisen-7565/41
Verse auf den Tod von Dr. Swift
Hier Auszüge von den Versen, die Jonathan Swift vor seinem Tod über sein Ableben verfasst hat:
„„Zwar im Exil, doch ohne Klage,
Verbracht er seine alten Tage,
Wo Dummheit, Stolz und Hader schwelen
Und St. John, Pope und Gay ihm fehlen."
„Der arme Swift! Ihm fiel nichts ein,
Als bloß ein Misanthrop zu sein.
So macht' er sich verhaßt bei allen;
Na schön, ihm schien's ja zu gefallen.
Gesellschaftskritik? Traun fürwahr!
Er ließ an nichts ein gutes Haar:
Hätt man sich mit ihm gut gestellt
Durch Rangerhöhung oder Geld,
Er wär vielleicht zu Kreuz gekrochen
Wie andre Geistliche - bestochen.
Für die Partei wollt er nichts tun.
Doch Schluß damit - laßt Tote ruhn.
Was ist an Schriften hinterblieben?
Er hat so allerlei geschrieben;
Ganz wenig Verse, meistens Prosa,
Ein paar Pamphlete, Kuriosa;
Schnell hingehaun in finstrer Zeit,
Zu decken Oxfords Schuftigkeit
Und lobend hinzustelln die Queen
Als bar von Stuart-Sympathien.
Pasquille dann, den Hof zu schmähen,
Die bisher noch kein Mensch gesehen.
Vielleicht der Reisen dritter Teil –
Gelogen jede zweite Zeil -,
Staatsfeindlich, ungebührlich, schändlich:
Doch keine Predigt - selbstverständlich" …
„Eins geb ich offen zu: Swifts Stil
Hatt des Satirischen zuviel;
Er trug so dick auf, weil er fand,
Die Schlechtigkeit nahm überhand.
Doch geißelte er böse Taten,
Nannt nie aus Bosheit Adressaten.
Wer konnte das persönlich nehmen,
Was Tausende doch sollt beschämen?
Er griff nur solche Fehler an,
Die jeder selbst kurieren kann.
Verhaßt war ihm das rohe Korps,
Das Hohn bezeichnet als Humor.
Nie pflegt er Bucklige zu necken
Und Hakennasen - nur bei Gecken.
Der ehrlich Dumme rührt' ihn bloß,
Doch nicht der eitle Gernegroß.
Wer zugab, er sei halt beschränkt,
Ward nie durch Spott von ihm gekränkt;
Den Schwachkopf aber, der mit Fleiß
Horaz zitierte, gab er preis."
„Die Macht des Bösen, leider Gottes,
Weicht nur dem Geißelhieb des Spottes.
Wenn’s euch nicht paßt, wen trifft der Tadel?
Er kannt euch nicht, noch euren Adel.
Ist denn ein Laster sakrosankt,
Bloß weil ein Herzog daran krankt?“
„Er kannte hundert nette Storys
Von Kabbelein zwischen Whigs und Torys,
War heiter bis ins letzte Jahr;
Die Freunde nahmen ihn, wie er war.“
„Er stiftete sein Kapital
Zu baun ein Irrenhospital;
Und zeigt‘ in bissiger Manier,
‘stät nirgends so not wie grade hier.
Für Beistand danken ihm die Iren –
Mög‘ sie bald ein noch beßrer führen!“
Jetzt braucht ihr ihn nicht mehr zu scheun
Und könnt drum, glaub ich, ihm verzeihn.“
„Nach seinem Tod am 19. Oktober 1745 in seiner Kirche, der St. Patricks Kathedrale beerdigt, verkündet eine Gedenktafel, die Swift noch selbst entworfen hatte:
"Die sterblichen Überreste von Jonathan Swift liegen hier begraben, wo wilde Empörung sein Herz nicht mehr zerreißen kann. Auf, Reisender, und folge ihm nach, der sein Äußerstes tat, für die Freiheit einzutreten."“
Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm