Verweigerte Hilfeleistung

„Der Tod ist Privatsache - da waren sich alle Parlamentarier einig. Immer wieder wurde das an diesem Freitag in der Bundestagsdebatte um die Neuregelung des Gesetzes zur Sterbehilfe betont: Jeder Mensch solle selbst entscheiden können, ob er im Fall einer todbringenden Krankheit aus dem Leben scheiden will oder nicht. Der Staat dürfe hier nicht regulieren. 

Gleichzeitig hat die Politik nun kommerzielle Sterbehilfevereine, wie sie etwa der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch gegründet hatte, verboten - und eben doch eingegriffen.

Wie uneins sich die Abgeordneten über sämtliche Parteigrenzen hinweg tatsächlich waren, zeigte sich schon an den vier verschiedenen Entwürfen, die von einer deutlichen Liberalisierung bis hin zum totalen Verbot alles beinhaltet hatten - am Ende entschieden sich die 602 Abgeordneten mit 360 Ja-Stimmen für einen Entwurf der Abgeordnetengruppe um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD).

Nach der neuen Regelung ist geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten und dies im Strafgesetz verankert. Bisher war es möglich, sich etwa mithilfe eines Sterbehilfevereins das Leben zu nehmen. Die Organisation besorgte die tödlichen Substanzen - der Patient musste sie dann selbst nehmen oder zumindest den Knopf für eine automatische Spritze betätigen. Das ist jetzt vorbei.

In der Debatte wurde vor allem ein Wort diskutiert: "geschäftsmäßig". So stand es im Entwurf von Brand/Griese. Genau darin sahen Kritiker ein Problem. Denn ein Mediziner handele bereits geschäftsmäßig, wenn er eine Leistung regelmäßig durchführe. Befinden sich Ärzte also weiter in einer Grauzone?

"Palliativmediziner, die ihrer normalen ärztlichen Tätigkeit nachgehen, brauchen keine Angst zu haben, dass sie sich strafbar machen", sagt der Medizinrechtler Oliver Tolmein. Sogar Beihilfe zum Suizid ist nach Einschätzung Tolmeins theoretisch möglich - wenn der Arzt sich dazu jeweils strikt auf den Einzelfall bezogen entscheidet und nicht auf Wiederholung angelegt handelt.

Aber genau hier sehen Medizinethiker wie Urban Wiesing das Problem. Ab wann ist das Handeln eines Arztes auf Wiederholung angelegt? Bei zwei Fällen von Sterbebeihilfe? Oder bei zehn? "Die Unsicherheit wird steigen, die Grauzone bleibt bestehen - sie zu entfernen, wäre aber die Aufgabe eines neuen Gesetzes gewesen", sagt Wiesing. Auch Tolmein fürchtet: "Wer häufiger Beihilfe leistet, sollte sich darauf einstellen, dass es Ermittlungen geben kann. Wenn er aber nur strikt einzelfallbezogen handelt, sollte es noch nicht mal zu einer Anklage kommen." Deshalb rät er Medizinern, sich mit einer guten und gründlichen Dokumentation des Handelns vor Ermittlungen zu schützen.

Patienten, die wegen einer für sie unzumutbaren todbringenden Erkrankung aus dem Leben scheiden wollen, sollten zunächst ein Beratungsgespräch führen. Halten sie danach an ihrem Entschluss fest und der Mediziner signalisiert seine Unterstützung zur Beihilfe, ist das möglich. Aber es ist zu befürchten, dass etliche Mediziner vor Beratung und Beihilfe zurückschrecken werden - schließlich könnten sie nun mit dem Strafgesetz in Konflikt kommen. "Durch das Verbot der Vereine und die unklare Regelung wird der Sterbe-Tourismus in die Schweiz steigen", prognostiziert Wiesing.“

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/sterbehilfe-geschaeftsmaessige-sterbebeihilfe-in-der-grauzone-a-1061369.htm

Rolf Schwanitz:

„Mit der heutigen Entscheidung werden ab Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland Personen, die von einem eigenverantwortlich handelnden Suizidwilligen um Hilfe gebeten werden, mit Strafe bedroht. Diese Strafandrohung richtet sich nicht nur gegen die wenigen hier tätigen Sterbehilfevereine, sondern auch gegen Ärzte, die zur Suizidassistenz bereit sind. Selbst Angehörige, die sich nicht nur gegenüber dem Sterbewilligen, sondern auch gegenüber einem weiteren Familienmitglied zur Suizidhilfe bereit erklären, müssen künftig mit Strafverfolgung rechnen.

Es gehört nur wenig Phantasie dazu anzunehmen, dass die Auswirkungen dieser Verbotsnorm verheerend sein werden. Suizidwillige bleiben in Deutschland ohne Hilfe und Beratung. Ärzte werden ihre Bereitschaft dazu völlig einstellen. Damit wird auch die Chance für eine wirksame Suizidprävention vertan, denn hierzu wäre eine Gesprächs- und Handlungsfreiheit im ärztlichen Vertrauensverhältnis unabdingbar. Letztendlich wird das Gesetz auch ein Konjunkturprogramm für den Sterbehilfetourismus ins liberalere Ausland werden, mit all den menschlichen und sozialen Verwerfungen, die damit verbunden sind.“

http://hpd.de/artikel/12388

Anbei ein Film über den Arzt Uwe-Christian Arnold, der als Sterbehelfer fungiert. Er verdient zwar kein Geld damit, macht sich aber nach dem neuen Gesetz strafbar:

 

 

„Schmidt-Salomon bezeichnete die heute beschlossene Regelung, Angehörigen Freitodbegleitungen zu erlauben, Sterbehilfeorganisationen und ärztlichen "Wiederholungstätern" jedoch zu verbieten, als "juristisch absurd": "Es gibt kein vernünftiges Argument, das eine solche Abgrenzung rechtfertigen könnte. Normalerweise verlangen wir ja gerade in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, die Anwesenheit von Experten, die genau wissen, was sie tun. Nur bei der Sterbehilfe soll es exakt umgekehrt sein. Hier sollen ausgerechnet Laien ohne Fachwissen und ohne Transparenzkriterien das tun dürfen, was Experten verboten ist. Offenbar haben die Parlamentarier überhaupt keine Ahnung, in welche Notsituationen sie schwerstleidende Menschen und ihre Angehörigen damit bringen!

Ausgerechnet im Moment der größten existentiellen Bedrängnis sollen sie alleingelassen werden und sich nicht an professionelle Helfer wenden dürfen! Dadurch steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Kurzschlussreaktionen, es ist auch zu befürchten, dass die Betroffenen völlig ungeeignete und weiteres Leid verursachende Mittel wählen werden, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Wer solch hohe menschliche Kollateralschäden für ein völlig unnötiges Gesetz, dessen Fehlen in den letzten 140 Jahren niemand bemerkt hat, in Kauf nimmt, handelt ethisch und politisch unverantwortlich!" …

Die Mehrheit des Parlaments hat sich heute gegen 80 Prozent der deutschen Bevölkerung und zugunsten einiger weniger Lobbyisten, nämlich der Großkirchen, der Pharmaindustrie und der Klinikbetreiber, entschieden."

http://hpd.de/artikel/12391

 

Sterben im 21. Jahrhundert

 

„850.000 Menschen sterben pro Jahr in Deutschland. 50 Prozent von ihnen in Krankenhäusern, 40 Prozent in Pflegeheimen ... Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der hochbetagten Deutschen verdreifacht haben.

Insgesamt 80 Prozent der Deutschen wünschen sich, zu Hause zu sterben. Wunsch und Wirklichkeit liegen in Deutschland jedoch noch weit auseinander. Nur 10 bis 20 Prozent sterben im eigenen Heim. Dabei ist zuhause sterben sogar vergleichsweise günstig: Die Versorgung durch ein ambulantes Palliativteam kostet pro Tag etwa 185 Euro. Ein Tag im Krankenhaus dagegen kostet die Kassen zwischen 500 bis 700 Euro, auf der Intensivstation sind es sogar bis zu 3000 Euro pro Tag.  

Seit 2007 hat jeder Versicherte das Recht auf palliativmedizinische Versorgung und somit auf ein menschenwürdiges Sterben. Die Palliativversorgung in einem Krankenhaus oder im Hospiz ist jedoch nur in den letzten Lebenstagen möglich. Der Arzt muss die Todesnähe diagnostizieren. Nur dann zahlt die Kasse. Wer nicht rechtzeitig stirbt, dem droht die Verlegung zurück ins Krankenhaus oder das Pflegeheim

Oft beginnt ein unwürdiger Verschiebekreislauf: vom eigenen Heim ins Pflegeheim, von dort ins Krankenhaus, und wieder zurück. In Hessen werden 30 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen zum Sterben ins Krankenhaus geschickt …

In Anbetracht der Tatsache, dass nur vier Prozent aller Deutschen im Krankenhaus sterben möchten, ist die medizinische Topversorgung, die nur allzu leicht zur Überversorgung wird, am Ende des Lebens offensichtlich gar nicht das Wichtigste. Statt Hochleistungsmedizin sollten eher Zuwendung, Menschlichkeit, und spirituelle Hilfe wieder gefragt sein.“

http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/166462/index.html

Von den Befürwortern der Verschärfung des Gesetzes wird immer wieder auf die Fortschritte in der Palliativ-Medizin aufmerksam gemacht. Gut und schön – aber mit Drogen vollgepumpt zu werden, ist auch keine würdige Lösung für jeden. Zudem wirken Schmerzmittel aus der Morphin-Familie nur einige Wochen, bis sich der Körper daran gewöhnt hat und die Schmerz stillende Wirkung verloren geht.

Angesichts des zunehmenden anonymen Leidens und Sterbens in diversen Pflegeeinrichtungen kann mensch den Satz „Nun sei für Sterbende die ‚solidarische Zuwendung bis zum letzten Atemzug garantiert‘ nur als zynisch auffassen.

Die im Grundgesetz zugesprochene Würde des Menschen wird dann verletzt, wenn der Staat ihn dazu zwingt, einem würdelosen Tod entgegen zu leben, anstatt ihm die Wahl auf eine Beendigung seines Lebens freizustellen. Anstatt alleine im dunklen Kämmerchen irgendwelche Tabletten einzunehmen in der Hoffnung, dass sie die Qual beenden, sollte gewährleistet werden, dass eben dieser Sterbevorgang in Anwesenheit eines Arztes des Vertrauens und der Angehörigen stattfinden kann.

 

Staatliches Eingreifen

 

„Es ist kein Verbrechen, wenn Ärzte, Schwestern oder Pfleger Todkranken helfen, ihr Leiden zu beenden. Passiv oder indirekt wird das ja längst stillschweigend praktiziert: durch das Abschalten von Apparaturen, die nicht das Leben, sondern das Sterben verlängern. Oder durch terminale Sedierung, also durch die hohe Dosierung schmerzstillender Medikamente, die den Tod in Kauf nimmt.

Das geschieht in einer rechtlichen Grauzone. Auch für die aktive Sterbehilfe, bei der letale Mittel verabreicht werden, kann es keine institutionalisierten Regeln geben. Jedes Schicksal ist anders, jeder Fall muss individuell entschieden werden. Mancher Sterbenswillige braucht einfach nur Lebenshilfe. Aber wer todkrank ist und bei klarem Verstand den Freitod wählt, der darf nicht genötigt werden, seinen aussichtslosen Zustand bis zum Ende zu ertragen. Es gibt ein Recht auf Leben. Und es muss ein Recht aufs Sterben geben.

Dieses Recht gilt in Holland, Belgien, in der Schweiz und in manchen Bundesstaaten der USA. In Deutschland wird es den Bürgern weiterhin verwehrt.

Die evangelische und die katholische Kirche gaben nach der Abstimmung im Bundestag eine ökumenische Erklärung heraus und gratulierten den Abgeordneten zu ihrer Entscheidung. Nun sei für Sterbende die "solidarische Zuwendung bis zum letzten Atemzug" garantiert. Mein Bruder empfand gerade die Hilfe zum Tode als solidarische Zuwendung.“

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sterbehilfe-ablehnung-der-liberalisierung-ist-falsch-kommentar-a-1061616.html

„Dabei sollte nichts mehr selbstbestimmt sein, als die Entscheidung über das eigene Wohlergehen. Die Sterbehilfe ist für Menschen, die für sich persönlich diese Entscheidung getroffen haben. Für niemanden sonst. Diese Menschen müssen ihre Entscheidung vor sich, ihren Freunden und ihrer Familie treffen – kein Abgeordneter hat das Recht, ihnen das abzunehmen …

Die Diskussion über Rahmen und Ausgestaltung einer solchen Sterbehilfe kann nur geführt werden, wenn man sich grundsätzlich einig ist darüber, dass ein Mensch das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende und letzte Hilfe hat …

Es ist ein Armutszeugnis, dass auch bei diesem so intimen Thema die Menschen in Deutschland auf ausländische Rechtsprechung, wie z.B. die Schweiz vertrauen müssen, um ein würdevolles Leben bis zum Ende zu führen. Es fehlt im deutschen Bundestag nicht an Gewissen, sondern an Vernunft. Das Recht auf Leben beinhaltet keine Pflicht zu Leben.“

http://hpd.de/artikel/12377

 

Rechtfertigungen für staatliches Eingreifen

 

Befürchteter Dammbruch

Ein beliebtes Argument gegen Sterbehilfe ist jenes, wonach es einen „Dammbruch“ geben könnte. Sprich: Menschen sagen, dass sie sterben wollen, ohne es tatsächlich zu wollen. Weil sie ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen oder aus einer momentanen Laune heraus.

Bislang war nicht-kommerzielle Sterbehilfe in Deutschland erlaubt und dem Wurm ist nicht bekannt, dass sich jemand beschwert hätte, weil er sich unter Druck gesetzt gesehen hat, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Die Erfahrungen aus dem liberaleren Ausland gehen in die gleiche Richtung – das Argument mit dem Dammbruch ist Unfug.

Religiöse Gründe

Es gibt keine religiösen Gründe – zumindest dann nicht, wenn mensch die Bibel zu Grunde legt:

„In der Bibel sind sieben Selbstmorde angegeben.

Abimelech (Richter 9:52-54):  Abimelech fehlte es an eigener Identität.

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/richter/9/#1

Simson (Richter 16:25-30): Simson starb für einen Zweck an den er glaubte, und aus Rache.

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/richter/16/#1

Saul (1 Samuel 31:4): War gestresst und fühlte sich unter Druck, weil er gewisse Erwartungen nicht erfüllen konnte. Er fühlte sich ausgeschlossen und als Versager.

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/1_samuel/31/#1

Sauls Waffenträger (1 Samuel 31:5): Spontan wollte er mit seinem Boss sterben. 40% der Selbstmorde von Jugendlichen sind impulsiv.

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/1_samuel/31/#1

Ahitofel (2 Samuel 17:23): Ahitofel war verbittert, weil nicht nach seinem Rat gehandelt wurde.

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/2_samuel/17/#1

Simri (1 Könige 16:15-20): Rebellion; Simri hatte Probleme mit Vorgesetzten.

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/1_koenige/16/#1

Judas (Matthäus 27:3-5): Judas war depressiv und fühlte sich von Materialismus und Schuld gefangen.“

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/matthaeus/27/#1

http://www.christiananswers.net/german/q-dml/dml-y038g.html

Anders ausgedrückt: In der Bibel werden mehrere Selbstmorde aufgeführt, von denen keiner kritisiert wird. Die Art des Selbstmordes von Simson wird sogar positiv gesehen.

Wobei bemerkenswert ist, dass Judas laut Bibel zwei Tode gestorben ist. In der Apostelgeschichte steht nämlich:

„Und in diesen Tagen stand Petrus mitten unter den Jüngern auf und sprach (es waren aber etwa hundertzwanzig Personen beisammen): Ihr Männer und Brüder, es mußte das Wort der Schrift erfüllt werden, das der heilige Geist durch den Mund Davids vorausgesagt hat über Judas, welcher denen, die Jesus gefangennahmen, zum Wegweiser wurde. Denn er war uns beigezählt und hatte das Los dieses Dienstes empfangen. Dieser erwarb einen Acker aus dem Lohn der Ungerechtigkeit und stürzte kopfüber hinab, barst mitten entzwei, und alle seine Eingeweide traten heraus.“   Apostelgeschichte 1; 15-18

http://www.bibel-online.net/buch/schlachter_1951/apostelgeschichte/1/#1

Leider ist nicht überliefert, ob Judas sich zuerst erhängt hat und dann mitten entzwei barst oder ob er zuerst mitten entzwei barst und sich dann erhängt hat.

Kurzum: Alle negativen Aussagen aus dem christlichen Bereich zu Selbstmord oder Beihilfe zu Selbstmord sind ein theologisches Konstrukt und haben mit dem eigentlichen Glauben nichts zu tun.

Letztendlich vertreten die christlichen Kirchen Machtpositionen über Leben und Tod. Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/26-die-katholiban-und-das-leben.html . Wer als gläubiger Mensch bis zum bitteren Ende schwerst möglich leiden möchte - dem sei dies unbenommen. Aber es sollte anderen Menschen nicht aufgezwungen werden.

Wer sich für den christlichen Standpunkt näher interessiert: die DGHS hat eine Broschüre mit den wichtigsten Argumenten erstellt:

http://hpd.de/sites/hpd.de/files/field/file/broschuere_christen_21.10._.pdf

Mit dem Sterben Geld verdienen

„850.000 Menschen sterben pro Jahr in Deutschland. 50 Prozent von ihnen in Krankenhäusern, 40 Prozent in Pflegeheimen. Zwei Drittel aller Gesundheitskosten, die ein Mensch im Laufe seines Lebens verursacht, entstehen beim Sterben, durch Pflege und Hochleistungsmedizin

Die Versorgung durch ein ambulantes Palliativteam kostet pro Tag etwa 185 Euro. Ein Tag im Krankenhaus dagegen kostet die Kassen zwischen 500 bis 700 Euro, auf der Intensivstation sind es sogar bis zu 3000 Euro pro Tag …

Oft beginnt ein unwürdiger Verschiebekreislauf: vom eigenen Heim ins Pflegeheim, von dort ins Krankenhaus, und wieder zurück. In Hessen werden 30 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen zum Sterben ins Krankenhaus geschickt. Verdient wird an dieser Mobilität nicht schlecht. So wird das Lebensende mit seinen Wahlmöglichkeiten und professionellen Angeboten schließlich zur Managementaufgabe in einer Leistungsgesellschaft. Seit 2006 gibt es in Deutschland das Berufsbild des "Case-Managers", der diesen Reigen organisiert.“

http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/166462/index.html

Noch mal der entscheidende Satz: Zwei Drittel aller Gesundheitskosten, die ein Mensch im Laufe seines Lebens verursacht, entstehen beim Sterben, durch Pflege und Hochleistungsmedizin.

Da, wo Kosten entstehen, wird entsprechend verdient. Je länger sich das Sterben hinaus zögert, umso höher ist der Verdienst. Es handelt sich um einen Milliarden-Markt, der erhalten bleiben soll. Gewinn mit Sterben machen in erster Linie die entsprechenden Verwahr-Anstalten (mit ihrem Personal vor Ort, vorneweg den Ärzten), die Pharma-Industrie, Apotheken und die Hersteller medizinischer Apparate.

Letztendlich handelt es sich zusammen mit den Kirchen (die zu einem sehr großen Teil Träger der Krankenhäuser und Pflegeheime sind) um mächtige Lobby-Gruppen, die weiter ihre Gewinne machen wollen. Und letztendlich für das neue Gesetz verantwortlich sind.

Ludwig A. Minelli über Suizide:

„Dass die Frage der gescheiterten Suizidversuche überhaupt nicht angefasst wird, ist Absicht. Wir haben die Schweizer Zahlen auf Deutschland umgerechnet. Im Jahr 2013 wurden 10.276 Suizide verzeichnet. Wenn wir diese nun nach der amerikanischen Studie mit 50 multiplizieren, liegt die Anzahl der Suizidversuche in Deutschland bei über einer halben Million. Das bedeutet, dass jedes Jahr bis etwa 490.000 Suizidversuche in Deutschland scheitern. Genauer weiß man es leider nicht. Die Weltgesundheitsorganisation geht von einer niedrigeren Zahl von über 20 Mal mehr Suizidversuche als statistisch erfassten Suiziden aus. Aber auch dann sind es noch immer über 200.000 Suizidversuche, von denen rund 190.000 scheitern ...

wir haben auch den Kostenaspekt des Suizid-Geschehens der Schweiz auf Deutschland umgerechnet und festgestellt, dass das Suizid-Geschehen Deutschland im Jahr ungefähr 78 Milliarden Euro kostet. Das sind aber auf der anderen Seite eben auch 78 Milliarden Euro Einnahmen. Für wen? Ärzte, Malteser, Transporte, Psychiatrische und andere Pflegeheime, die Pharma-Industrie; Menschen werden nach einem Suizidversuch in den Kliniken mit Pharmaka behandelt. Kürzlich habe ich in der Schweiz das wieder in einem konkreten Fall erlebt. Ein Mann wird eingeliefert, er hat versucht, sein Haus anzünden, und ohne dass eine medizinische Diagnose gestellt worden wäre, werden ihm Psychopharmaka verabreicht. Das geschieht in Deutschland nicht anders.

Es sind diese Kreise, die Kirche, die im Krankenhausbereich enorm viel Geld verdient, und alle anderen Einrichtungen, die da teilhaben, insbesondere die Pharma-Industrie: die haben ein natürliches Interesse daran, dass diese Umsätze nicht reduziert werden.

Solche Überlegungen sind es auch, wenn Sterbehilfe im Sinne begleiteter Suizide abgelehnt werden: Gäbe es in Deutschland denselben Prozentsatz begleiteter Suizide wie in der Schweiz – nämlich ungefähr 1 % der Sterbefälle – macht eine solche Reduzierung bereits einen Umsatz-Rückgang von 300 Millionen Euro aus, wenn man nur annimmt, dadurch würde die Liegedauer bei jedem dieser Patienten in einem Krankenhaus um nur einen Monat verringert. Diese Einnahmen möchten sich die vorgenannten Kreise aber erhalten. Genauso wird das Suizid-Geschehen nicht angesprochen und nicht diskutiert.“

http://hpd.de/artikel/12384

http://www.taz.de/Debatte-ueber-Sterbehilfe/!5231723/

Michael Schmidt-Salomon zum selben Thema:

„Schmidt-Salomon verwies in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen der Schweiz, wo die Akzeptanz professioneller Freitodbegleitungen zu einer deutlichen Verringerung von harten Suiziden und Suizidversuchen geführt habe: „Es mag deutsche Politiker vielleicht verwundern, aber tatsächlich sind Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas äußerst wirksame Instrumente zur Verhinderung von Suizidversuchen. Das hat zwei wesentliche Gründe: Erstens führt die Gewissheit, dass man im Notfall mit professioneller Hilfe auf geordnete und sanfte Weise aus dem Leben scheiden und sein Leiden beenden kann, dazu, dass der psychische Druck bei den Betroffenen abnimmt. Zweitens kommen Sterbehilfeorganisationen, gerade weil sie anerkennen, dass der Suizid unter bestimmten Umständen eine rationale Entscheidung sein kann, viel eher ins Gespräch mit leidenden, sterbewilligen Personen als Institutionen, die den Suizid bzw. die Suizidhilfe ablehnen. Nicht ohne Grund weist Ludwig A. Minelli, der Gründer von Dignitas, seit Jahren darauf hin, dass seine Organisation weit mehr Suizide verhindert, als sie begleitet. Tatsächlich stehen im Zentrum der Arbeit von Dignitas nicht die Hilfen zum Sterben, sondern die Hilfen zum Leben – ein Faktum, das deutsche Politiker mehrheitlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen“ …

Das heißt: Wenn der Staat Verzweiflungssuizide und Suizidversuche tatsächlich verhindern möchte, so sollte er Sterbehilfeorganisationen fördern – nicht verbieten! Denn nur diejenigen, die Suizide nicht per se ablehnen, können mit Sterbewilligen in ein offenes Gespräch im Rahmen einer Suizidkonfliktberatung kommen. Dass bislang nur eine verschwindend kleine Anzahl von Abgeordneten zu dieser Einsicht gelangt ist, zeigt, wie gering der Kenntnisstand der politisch Verantwortlichen noch immer ist.“

http://hpd.de/artikel/11835

 

Letzte Hilfe

 

Wer sich über Sterbehilfe informieren möchte, kann das unter anderem hier tun:

http://www.dghs.de/

http://www.dignitas.de/

https://www.exit.ch/startseite/

http://www.sterbehilfedeutschland.de/

 

Freiwilliges Dahinscheiden

 

Der überwiegende Teil der Diskussion um Sterbehilfe dreht sich um Menschen, die schwer erkrankt und schwer leidend am Lebensende stehen.

Es gibt aber auch Menschen, die sowohl geistig als auch körperlich noch gut drauf sind, aber deutlich sehen, wie ihr Körper anfängt zu verfallen. Um den Rest ihres Lebens nicht ihrem eigenen Verfall und einem Dahin-Vegetieren zusehen zu müssen, haben sie den Wunsch, dem Ganzen vorher ein Ende zu machen. Ein Beispiel dafür ist Gunter Sachs, der sich im Jahr 2011 erschoss:

„Aus Angst vor einer „ausweglosen Krankheit“ hat sich der legendäre Lebemann, Fotograf und Kunstsammler Gunter Sachs das Leben genommen. Seine Familie bestätigte den Tod des 78-Jährigen am Sonntagabend. In einem von ihr veröffentlichten Abschiedsbrief berichtet Sachs, er habe erkannt, dass er an der „ausweglosen Krankheit A.“ leide …

Die Familie veröffentlichte den von ihm unterschriebenen Abschiedsbrief des Lebemannes und Künstlers auf dessen eigenen Wunsch. Er stelle „heute noch in keiner Weise“ ein Fehlen oder einen Rückgang seines logischen Denkens fest, schrieb Sachs. Eine wachsende Vergesslichkeit, die rapide Verschlechterung seines Gedächtnisses und dem seiner Bildung entsprechenden Sprachschatzes würden aber schon jetzt zu „gelegentlichen Verzögerungen in Konversationen“ führen. „Jene Bedrohung galt mir schon immer als einziges Kriterium, meinem Leben ein Ende zu setzen“, erläuterte er seinen Entschluss.“

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/abschiedsbrief-veroeffentlicht-gunter-sachs-ist-tot-ausweglose-krankheit-1635061.html

Nun ist nicht jeder in der Lage, sich einfach zu erschießen und wäre deshalb froh, auf einen Sterbehilfe-Verein zurückgreifen zu können, der ihm psychologische Beratung und die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, um freiwillig aus dem Leben scheiden zu können.

Es gibt aber auch noch die Möglichkeit, dass mensch einfach keine „Lust“ mehr zum Leben hat: Er ist zwar geistig und körperlich noch fit, hat aber sein Leben „gelebt“ und vom Leben nichts mehr zu „erwarten“. Lebt eventuell allein und muss den Rest seines Lebens ohne seinen geliebten Partner auskommen.

Da wäre es schön, wenn mensch zu einer staatlichen Einrichtung gehen könnte, sagen „so, das war’s“ und sich beim Sterben noch ein paar ruhige, schöne Minuten machen könnte.

So, wie im Film „Soylent Green“ (deutsch: „Jahr 2022 … die überleben wollen“) dargestellt. Was nach dieser Szene und überhaupt im ganzen Film passiert, ist weniger schön. Nichtsdestotrotz möge diese Szene als Anregung dienen:

 

 

Und hier der ungeschnittene letzte Teil der Szene: