„Nach dem Bucherfolg kommt der Filmerfolg: Besonders in Deutschland erfreut sich «Fifty Shades of Grey» großer Beliebtheit. Nur in Großbritannien und Irland war das Drama ähnlich erfolgreich wie in Deutschland. 485.000 neue Besucher sorgten am Wochenende wieder dafür, dass «Fifty Shades of Grey» die Spitzenposition in den Kino-Charts verteidigt. In der Summe lockte der Film bereits 3,32 Millionen Zuschauer in deutsche Kinos. International steht die Romanadaption kurz davor, die 500 Millionen Dollar-Hürde zu nehmen.“
Allein im deutschen Sprachraum wurden die 3 Teile der Buchreihe „Fifty Shades of Grey“ (50 Schattierungen von Grau, wobei Grau bzw. Grey der Name des „Helden“ der Geschichte ist) 5,7 Millionen mal gekauft.
http://de.wikipedia.org/wiki/Shades_of_Grey
Nun ist etwas, das von vielen Menschen gesehen oder gelesen wird, nicht automatisch gut. Aber es sagt etwas über den Zustand der Gesellschaft aus. Etwas widerwillig ging der Wurm mit dem Film-Experten Hans Has und dem Experten für menschliche Sexualität, Hugo Hamster, ins Kino, um sich sein eigenes Bild zu machen.
Zum Inhalt
Das Buch musste sich der Wurm nicht auch noch antun. Und zitiert deshalb Alice Schwarzer:
„Das Muster ist vertraut: Charaktervolle Jungfrau begegnet Traumprinzen. Der kommt nicht auf dem Schimmel geritten, sondern mit dem Hubschrauber geflogen, und er hat nicht nur strahlende, sondern auch dunkle Seiten. Wie alle sexy Traumprinzen. Das Dunkle gehört dazu, zu unseren kulturell geprägten Sex-Fantasien über Männer.
Doch in Wahrheit ist „Shades of Grey“ keine Geschichte über weiblichen Masochismus, sondern über männlichen Sadismus. Aber es ist dennoch keine Pornografie. Denn hier geht es nicht um depersonalisierte Fickszenen, sondern um eine Frau und einen Mann, ihre Geschichte und ihre Gefühle, in die erotische Szenen plus ein paar Hardcore-Spielchen eingebettet sind. Immer steht im Vordergrund seine Rücksichtnahme auf sie. Christian ist ein charmanter Sadist. Und Anastasia lässt sich nie zum passiven Objekt degradieren, sie bleibt denkendes und handelndes Subjekt.
„Shades of Grey“ ist ein Liebesroman. Der Traumprinz liebt seine Wachgeküsste ebenso wie sie ihn. Er ist ritterlich, fürsorglich und ein fantastischer Liebhaber – solange er es nicht übertreibt. Doch genau das will er. Er will mit ihr seine dunkle Seite ausleben. Die ist – das erfahren wir früh – Resultat seiner schweren Kindheit. Und die verliebte Frau ist bereit, den Mann zu retten. Wie gewohnt.
Also lässt sie sich ein Stück auf seine Fantasien ein. Sie macht mit und entdeckt zu ihrem Erschrecken, dass manches auch ihr Spaß macht. Doch bevor es echt ernst wird, geht sie. Die trotz ihrer Naivität keineswegs schwache Literaturstudentin verlässt den strahlenden Multimillionär, der ganz nebenher auch noch Gutes in Afrika tut. Sie unterwirft sich ihm letztendlich eben nicht! Und genau das macht wohl die Faszination der Millionen Leserinnen aus: Das Spiel mit dem Feuer, das sie selber löschen können.“
http://www.aliceschwarzer.de/artikel/wie-masochistisch-sind-frauen-154421
Der Wurm dachte bislang, es bei Alice Schwarzer mit einer seriösen Frau zu tun zu haben. Die Art und Weise ihrer Kritik deutet auf etwas anderes hin. Nichtsdestotrotz ist damit die Geschichte (auch des Films) schon erzählt. Wesentlich mehr gibt es darüber nicht zu berichten.
Anscheinend liegen Buch und Film sehr eng beieinander:
„Verantwortlich dafür ist die Autorin E. L. James. Sie hat Donna Langley mit derem Studio ausgesucht, das ihr nicht nur kolportierte fünf Millionen Dollar und fünf Prozent an den Filmeinnahmen, sondern auch komplettes Mitspracherecht über Drehbuch, Besetzung, Regisseur, Ausstattung, Kostüme garantiert haben soll.
(Die Regisseurin) Sam Taylor-Johnson sagt, so einen Vertrag habe es in Hollywood wohl noch nie gegeben (und wenn die Studiobosse noch bei Sinnen sind, wird es den in Zukunft auch nie wieder geben), einen Vertrag, der einer Buchautorin so viel Kontrolle bei der Verfilmung einräumt.“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131696314.html
Dennoch scheint es ein paar Unterschiede zum Film zu geben:
Und hier die „50 Fakten zu ‚Fifty Shades of Grey‘“:
http://meedia.de/2012/08/02/50-fakten-zu-fifty-shades-of-grey/
Unglaubwürdig
Der 27-jährige Christian Grey ist Unternehmer und Milliardär. Selbst wenn mensch aus einer wohlhabenden Familie kommt, ist davon auszugehen, dass er sehr viel Zeit für sein Unternehmen aufwenden musste und ordentlich Stress dabei hatte. Und noch hat.
Genau davon kommt im Film aber gar nichts rüber: der sitzt in seinem Büro mit der tollen Aussicht und hat offensichtlich den ganzen Tag lang nichts zu tun, außer an seine Anastasia zu denken.
Wie Klein-Anastasia die Welt sieht
Die Sängerin Madonna über „Fifty Shades of Grey“: «Ja, auch ich habe das Buch gelesen. Es ist Schundliteratur. Es ist nicht sehr sexy. Ausser vielleicht für jemanden, der noch nie Sex hatte».
http://www.20min.ch/people/international/story/23897114
Oder für jemanden, der „brav“ ist und sich die große, weite, verruchte Welt vorstellt.
Petra Joy auf die Frage „Wie erklären Sie sich, dass dieses Buch so einen Erfolg bei der weiblichen Leserschaft hat?“:
„Dieser Roman ist ein romantisches Märchen, ein absolutes Mainstreamprodukt, das weder authentischen SM-Sex noch Porno beinhaltet. Der Inhalt wurde weißgewaschen und von Verlegern bestimmt. Und das funktioniert: Einerseits setzt der Verlag darauf, dass sich Porno für Frauen gut verkauft. Andererseits sind die Inhalte so soft, dass das Buch in jedem Supermarktregal stehen kann - weil es sich im Grunde um eine traditionelle Liebesgeschichte handelt. Die Frau ist nicht autark und sexuell selbstbestimmt, und sie hat nur SM-Sex mit dem Mann (der sie entjungfert), weil Sie ihn liebt und hofft, ihn zu ändern. Wäre sie nicht so unerfahren und könnte Sex von Liebe trennen, wäre das Buch nicht überall zu haben. Ich halte den Roman für eine Mogelpackung mit verwässerten Inhalten und einer guten Marketingstrategie.“
Im Film zeigt Christian Anastasia sein SM-Zimmer mit allen denkbaren Instrumenten und Vorrichtungen. Alles sehr sauber, sehr steril. Also so, wie es in der Realität mit Sicherheit nicht ist. Dort wird bestimmt geschwitzt, dort geht es mit Sicherheit auf die eine oder andere Art und Weise „dreckig“ zu.
Zum Schluss bittet Anastasia Christian inständig, ihr zu zeigen, was das Schlimmste ist, wozu er fähig ist. Er zeigt es ihr: 6 Schläge auf ihr entblößtes Gesäß. Daraufhin ist sie so beleidigt, dass sie sich von ihm trennt. Ende von Teil 1.
Das ist völlig daneben: 6 Schläge auf den Hintern sollen das Ärgste sein, wozu ein Sadist in der Lage ist? Schläge auf den Hintern würden sogar den Papst nicht stören.
Wg. der Geschichte und der Sex-Szenen hätte der Film vor 60 Jahren wohl noch einen Skandal ausgelöst. Wg. Harmlosigkeit könnte er heutzutage ohne Weiteres vor dem Seniorenpublikum des ZDF sonntags um 20.15 Uhr gezeigt werden.
Die Schöne und das Tier
In den meisten Kulturen gibt es über das Verhältnis junger Frauen und Männer zueinander aus weiblicher Sicht zwei Geschichten. Die eine ist die des „Traumprinzen“ oder „weissen Ritters“, der die junge Frau glücklich macht. So wie Alice Schwarzer es ausdrückt: „Der Traumprinz liebt seine Wachgeküsste ebenso wie sie ihn. Er ist ritterlich, fürsorglich und ein fantastischer Liebhaber.“
Die andere ist realistischer und gibt es in vielen Gesellschaften heute noch: junge Frau fällt in die Hände eines Mannes (oder wird diesem „zugeführt“), den sie kaum oder gar nicht kennt und der für sie eine Art „Ungeheuer“ ist. Vor allem dann, wenn sie eine gesittete und schamvolle Erziehung genossen hat und das „Ungeheuer“ sich ihrer bedient, gleich wie es ihm gefällt.
Mit der Zeit sieht die junge Frau dann die guten Seiten des Mannes und dieser ändert sich tatsächlich zum Besseren: durch die Beziehung zur Frau oder gar die „wahre Liebe“ wird aus dem früheren „Ungeheuer“ (sprich: Schläger, Alkoholiker oder sonstwie „ungehobelt“) dann doch noch ein mehr oder weniger passabler Partner.
Ein Beispiel dafür ist das Märchen „Die Schöne und das Tier“. Hier das Titel-Lied aus der Disney Verfilmung:
Genau dieses Motiv wird im Film bedient: unbedarftes Hascherl gerät an den Milliardär, der ein Sadist ist und für den Sexualität nichts mit Erotik zu tun hat, sondern ausschließlich mit „ficken“.
Das Hascherl verliebt sich in ihn und will ihn „erlösen“ – genau das ist die Geschichte.
Frauenfeindlich?
Das Buch wurde von einer Frau geschrieben.
Das Filmstudio, das sich die Filmrechte sichert, wird von einer Frau geleitet.
Das Drehbuch wurde von einer Frau geschrieben.
Regie des Films hat eine Frau geführt.
Die Bücher werden zum allergrößten Teil von Frauen gelesen.
In den Film gehen deutlich mehr Frauen als Männer.
Dennoch ist der Film frauenfeindlich.
Schuld am „Unglück“ von Christian sind nämlich die Frauen:
- drogenabhängige Mutter
- dominante Adoptiv-Mutter
- Freundin der Adoptiv-Mutter, die ihn in die SM-Szene einführt und ihn zum „Untertanen“ macht
Wenn mensch will, auch die 15 Frauen, mit denen Christian sadistischen Sex hatte und die ihn nicht „bekehrten“.
Auch Anastasia hat Probleme mit ihrer Mutter, die es mit ihren Ehen nicht so ernst nimmt. Auf Anastasias Probleme damit wird nicht näher eingegangen, es ist aber nahe liegend, dass ein Kind bzw. Jugendliche kaum begeistert war von den wechselnden Männern ihrer Mutter.
Ihr Vater kommt ein einziges Mal im Film vor, nämlich dann, als er zur Abschlussfeier seiner Tochter an die Uni kommt und stolz auf sie ist – während das für die Mutter kein besonderer Anlass ist und sie aus einem belanglosen Grund nicht erscheint.
Kurzum: Die Männer im Film werden als solide Personen gezeichnet. Mit Ausnahme des Christian. Und der hat seine Probleme durch die Frauen.
Christina Steinlein schreibt treffend:
„Ein Buch, das ein Rollenbild propagiert, das antiquierter nicht sein könnte: Der Mann macht die Regeln, das Weibchen fügt sich. Und zwar nicht nur beim Sex. Anastasia Steele, die Protagonistin, wird als kluges Mädchen beschrieben – und lässt sich von Unternehmer-Milliardär-Sexgott-Hubschrauberpilot Christian Grey vorschreiben, welches Auto sie zu fahren hat (Audi, er zahlt, natürlich), wie oft sie zu trainieren hat, obwohl sie Sport hasst (dreimal pro Woche mit Personaltrainer, Grey zahlt, natürlich), welche Kleidung sie zu tragen hat (er geht mit ihr shoppen, versteht sich), wieviel Alkohol sie trinken darf (wenig), wieviele Stunden pro Nacht sie zu schlafen hat (mindestens acht. Oder handelt sie ihn auf sechs runter, dieses selbstbestimmte Wesen?), wieviele Mahlzeiten sie pro Tag zu sich zu nehmen hat, wieviele Stunden pro Woche sie sich zu seiner Verfügung halten muss (Freitagabend bis Sonntagnachmittag, es sei denn, Grey wünscht mehr). Er schickt sie zur Kosmetikerin und ins Waxing-Studio, wenn er es für angemessen hält. Er umsorgt sie, und er nimmt ihr jede Entscheidung ab. Und, wichtig: Er tut nichts ohne ihr Einverständnis.“
Und in gewisser Weise verfolgt er sie. Auf Neudeutsch heisst das „Stalking“. Das wird zumindest nicht als negativ dargestellt.
Die Geschichte erinnert an die Trivial-Literatur der Groschenromane, speziell der Arztromane.
Aus „Wikipedia“:
„Die Leserschaft von Arztromanen in der Trivialliteratur besteht zu 95 % aus Frauen, auch älteren Frauen. Sie haben den niedrigsten Bildungsstand aller Liebesromanleserinnen, setzen sich jedoch etwas von den Berg- und Heimatroman-Leserinnen ab.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Arztroman
Meistens geht es in diesen Geschichten darum, dass eine Frau es mit einem Arzt zu tun bekommt, also einer Person, zu der sie aufblicken kann. In früheren Zeiten waren das auch gerne mal Adelige.
Auf jeden Fall geht es nicht darum, dass Frau und Mann sich auf Augenhöhe begegnen. Das Ideal für die Frauen ist nicht, dass sie aktiv etwas machen und etwas erreichen, sondern dass sie sich einen Mann angeln, dem sie untertan sein dürfen, der ihnen sagt, wo es lang geht, der sie versorgt und bei dem sie sich im wahrsten Sinne des Wortes ins gemachte Bett legen können.
Exakt das passiert bei „Fifty Shades of Grey“. Halt etwas moderner als in den traditionellen Arztromanen und mit einem klitzekleinen Schuss von Verruchtheit.
Der überragende Erfolg der Bücher und des Filmes zeigt deutlich, in welche Richtung ein Großteil der modernen Frauen geht: sie wollen nicht die gleichen Rechte, sondern wollen den Männern gefallen.
Das zeigt sich schon am Äußeren: Mensch vergleiche die jungen Frauen von vor ca. 30 Jahren mit denen von heute: heute haben wesentlich mehr Frauen lange Haare und kleiden sich mehr feminin.
Das ist auch so im Film: mit Ausnahme der Schwester des Christian (die aber nur sehr kurz zu sehen ist), haben alle jungen Frauen langes Haar und tragen oft ein kurzes Röckchen.
Dieser Trend ist auch deutlich im Erfolg der Farbe Rosa und deren Folgen bei jungen Mädchen zu sehen. Siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/18-rosa-stinkt.html
Auf kleine Jungs und große Männer hat das die Wirkung, dass sie solche Frauen nicht ernst nehmen. Sie begegnen ihnen nicht als gleichberechtigte Partner, sondern (etwas übertrieben ausgedrückt) als merkwürdige Sexualobjekte, die von einem anderen Stern kommen.
Wenn einem solchen Mann dann doch eine selbstbewusste Frau gegenüber tritt, die auf ihre Rechte pocht, gilt diese gleich als „zickig“. Schließlich sind die anderen ja nicht so.
Erziehung und Trivial-Literatur haben aber noch eine andere Wirkung: den Wunsch, „nach oben“ zu heiraten. Fassungslose Männer, die mal ihre große Liebe hatten und denen von dieser erklärt wird, dass das gut und schön sei, eine Frau aber nach oben heiraten muss, werden wissen, wovon der Wurm schreibt (erst recht dann, wenn sie mehrfach zu hören bekamen, dass sie zu rational und zu wenig emotional seien).
Tatsächlich finden viele beruflich erfolgreiche Frauen keinen über ihr stehenden oder zumindest gleichwertigen Partner. Was dazu führt, dass sie keine Kinder bekommen.
Das ist nicht zwangsläufig so: in Skandinavien wird Wert auf eine gleichberechtigte Erziehung gelegt, die für ein hohes Selbstbewusstsein der Frauen sorgt. Die dann auch kein Problem haben, einen Mann, der gesellschaftlich unter ihnen steht, zu heiraten. Wer öfters skandinavische Krimis konsumiert, wird dies schon mehrfach gelesen oder gesehen haben.
Aus der „Zeit“:
„Die Zahlen bestätigen einmal mehr, dass viele Akademikerinnen kinderlos bleiben. In den alten Bundesländern erreichte 2012 die Kinderlosenquote bei Akademikerinnen zwischen 45 und 49 Jahren mit 30 Prozent einen neuen Höchststand. Bei den fünf Jahre jüngeren Akademikerinnen wird die Kinderlosenquote hingegen voraussichtlich etwas geringer ausfallen. Bei den westdeutschen Frauen ohne akademischem Abschluss wird dagegen der Anteil der Frauen ohne Kind steigen.
Im Osten war dieser Unterschied zwischen Frauen mit und ohne akademische Abschlüsse bislang weniger ausgeprägt. Die Kinderlosigkeit nimmt in den neuen Ländern derzeit allerdings bei den Frauen mit Hochschul- oder Fachschulabschluss schneller zu als bei den Nicht-Akademikerinnen.“
http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2013-11/geburten-in-Deutschland
Wenn Alice Schwarzer Trivial-Literatur mag, ist das ihre Sache. Wenn sie aber am Rollenbild von „Fifty Shades of Grey“ nichts auszusetzen hat, heisst das, dass sie das so in Ordnung findet.
Der religiös-konservative Aspekt
Wer glaubt, „Fifty Shades of Grey“ hätte nichts mit Religion zu tun, der täuscht sich. Gewaltig.
Aus religiöser Sicht gibt es zwei Arten, mit dem Thema umzugehen.
Die eine geht nach dem Motto „so etwas gibt es nicht“, oder wenn es so etwas gibt, dann soll nicht darüber gesprochen werden. Wer von dieser Art von „Sünde“ befallen ist, solle reumütig sein, beten, in den Schoß der Kirche zurück kehren und dort glücklich werden.
Wenn über das Thema öffentlich gesprochen wird, wird dagegen protestiert.
http://www.kath.net/news/49398
Ob religiös bedingt oder nicht, war das die konservative Sicht der Dinge, die in großen Teilen der westlichen Welt bis vor ein paar Jahrzehnten noch gültig war (und im größten Teil der ganzen Welt heute noch gültig ist).
Die andere, modernere Art, thematisiert das „Problem“ und zeigt, wie es geheilt werden kann.
Horst Groschopp bringt’s auf den Punkt:
„Anna hat sich für Christian aufgespart, amerikanisches Verhaltensmodell gegen sittliche Verwahrlosung durch vorehelichen Geschlechtsverkehr. Sie lässt sich nicht nur verführen, sie beginnt ihren Rettungsversuch, der sich die beiden kommenden Teile durchziehen wird. Der Christian soll von seiner schlimmen Perversion geheilt werden, so wie man sich das in bestimmten konservativen Theologien vorstellt, die auch Schwule und Lesben retten wollen, nun die SM-ler, in den USA noch verbreiteter als hier.“
Dahinter steckt die Vorstellung, alles außerhalb der „Normalität“ ist krank und könne geheilt werden. In diesen Retter-Kreisen ist es wohl unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die diese Veranlagung in sich haben und die sie auch nicht stört.
Auch der, der eine wunderschöne, behütete Kindheit und Jugendzeit hatte und in keinster Weise mit „abnormalen“ Sachen in Berührung gekommen ist, kann dazu neigen. Das können diese „Retter“ aber nicht verstehen.
Petra Joy äußert sich folgendermaßen:
„Im Gegenteil: ein extrem rückständiges, antifeministisches Buch. Die Figur des jungen Unternehmers, der als Kind missbraucht wurde und jetzt nur SM-Sex praktizieren will, unterstützt eine höchst konservative These: dass alle Menschen, die mit SM-Sex experimentieren, irgendwie psychisch geschädigt sind. Schockierend daran finde ich nicht den soften SM-Sex, sondern das unreflektierte Wiederkäuen veralteter Rollenklischees. Ich kenne viele Frauen, die gern mit SM-Sex experimentieren, viele mögen Porno und hätten es gerne härter. Aber ich kenne keine, die diese Geschichte auch nur im Entferntesten heiß findet - die lachen darüber.“
Der religiöse Zusammenhang ist nicht zufällig: die Autorin E.L. James „veröffentlichte Fifty Shades of Grey zunächst ab 2009 unter dem Titel The Master of the Universe als Fan-Fiction zu Stephenie Meyers Twilight Saga auf Fanfiction-Webseiten“
http://de.wikipedia.org/wiki/E._L._James
Vorbild ist also Stephenie Meyer mit ihrer „Twilight“-Saga. „Wikipedia“ schreibt dazu Folgendes:
„Meyer ist Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), was laut eigener Aussage auf ihrer offiziellen Website einen großen Einfluss auf ihr Leben und Schreiben hat.
Bekannt wurde sie durch die Bis(s)-Jugendbuchreihe über die Beziehung zwischen Isabella (genannt Bella) Swan, einer Highschool-Schülerin, und Edward Cullen, einem Vampir. Die Geschichte wird größtenteils aus der Ich-Perspektive Bellas erzählt …
Laut dem Magazin „Time“ gehört Stephenie Meyer zu den hundert weltweit einflussreichsten Menschen. Sie schicke sich an, Nachfolgerin der „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling zu werden …
Scharf kritisiert wird von deutschen Medien Meyers Weltsicht, die diese als „reaktionär“ bezeichnen: Laut dem ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ passen „Stephenie Meyers Romane […] perfekt in eine reaktionäre Weltanschauung, die in den USA weit verbreitet ist und sogar staatlich gefördert wird. Die Botschaft: Sex vor der Ehe ist gefährlich. Teenager legen ‚Keuschheits-Gelübde‘ ab. In diesem Ausmaß wäre das in Deutschland undenkbar.“ Die Welt nannte Meyers Vampirbücher „ein 1500 Seiten langes […] Plädoyer für den vorehelichen Triebverzicht“ sowie „modern“ und „übersexualisiert“. Die britische The Independent nannte Meyers Werk „auf schockierende Weise sexistisch“ und bezeichnete Meyers Hauptfigur Bella Swan als „leidendes, passives Opfer“.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Stephenie_Meyer
Auch, wenn es auf den ersten Blick anders aussieht: „Fifty Shades of Grey“ hat mit real existierender Sexualität überhaupt nichts zu tun, dafür umso mehr mit Religion, „Heilung“ und Missionierung.
Noch mal Horst Groschopp zum Film:
„Doch das nette Mädel wundert sich und bekommt dann den menschlichen Blick, der ihn nervös macht, von SM-Gedanken ablenkt. Sie zwingt ihn in Richtung "Normalität", in das, was der amerikanische Mainstream und Müllers Trudchen unter "normal" verstehen. Sie will ihn heiratsreif und familientauglich. Das wird wohl der Lohn sein für ihre ebenfalls halbherzige Unterwerfung. Wenn’s klappt, darf sie ihn behalten und weiter im Jet mitfliegen; so bieder und durchsichtig sind die Dialoge gestellt. Hier hat sich wohl Frau James durchgesetzt, was aber störend auffällt.
Die Menschen sind sauber und die Handlung ist es auch, so sauber, wie das Aschenputtel rein ist. Selbst dann, wenn man Sex macht, ist alles so geleckt (im wahrsten Sinn der Handlung), dass man die Deodorant-Vermischung förmlich riecht: Duschgel-Kino. Was böse wirken könnte, wird romantisiert (schon durch die jeder Gewaltanwandlung gegensteuernde Musik). Man mag mitfliegen. Und es ist wieder der Mann, der dominiert, und damit das traditionelle (falsche) Bild der alten Sexualwissenschaft bestätigt, in der Frauen per Definition maso und Männer sado sind, wie behauptet von der Natur aus …
"Fifty Shades of Grey" ist in diesem Kontext Religion, nicht Aufklärung; Religion vor allem als eine paradiesische Welt, in der keine wirklichen Menschen leben: Wohlfühlhimmelfahrt mit ein paar akrobatischen Sexszenen und einer berauschenden Musik.“
BDSM
Horst Groschopp:
„Das Theater um den Film verdrängt die Realität des BDSM in den Schweinskram. In Deutschland sind etwa fünf Millionen Menschen in irgendeiner der dort vorfindlichen Praktiken involviert, viele weich, einige hart, andere schätzen den schwarzen Bereich. Das machen Manager und Hilfsarbeiter, männliche wie weibliche. Es ist kein Oberschichtenphänomen, bei dem sich einige Reiche arme Sklavinnen suchen, obwohl das nicht selten vorkommt. Es heißt deshalb Sadomasachismus, weil auch hier die Menschen nicht einseitig gepolt sind. "Eine Forsa-Umfrage für den Stern zeigt: 24 Prozent der Befragten finden Praktiken reizvoll, bei denen es unterwürfige und dominante Rollen gibt." Das kann ja keine schnelle Wirkung von "Fifty Shades of Grey" sein.“
„Der amerikanische Sex- und Paartherapeut Stephen Snyder, Professor für Psychatrie in New York, warnt vor falschen Vorstellungen. Das Buch sei zu eindimensional, Leser könnten schlussfolgern, “dass wer sexuell dominant ist, auch eine schlimme Kindheit hatte, so wie Christian Grey. Und dass er, wie Grey, Probleme hat zu lieben, geliebt und berührt zu werden.“ Mit solchen Annahmen würde man sicher irren, ist Snyder überzeugt. „Bei meiner Arbeit als Sextherapeut habe ich viele Menschen mit ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben kennengelernt, die sehr wohl in der Lage waren zu lieben und geliebt zu werden.“ Man müsse vorsichtig sein mit Verallgemeinerungen, schreibt der Psychiater.
Zu diesem Ergebnis kamen auch Forscher aus Gießen. Bereits vor Jahren hatten sie versucht herauszufinden, ob prägende Erlebnisse eine Präferenz für härtere sexuelle Praktiken fördern. Die Wissenschaftler um Rudolf Stark, Professor für Psychotherapie und Systemneurowissenschaften, konnten keinen Zusammenhang finden. Von Protagonist Christian Grey auf Menschen zu schließen, die BDSM-Techniken praktizieren, ist nicht möglich.“
„Ein großer Anteil der Frauen (knapp 65 Prozent) hat laut der Untersuchung zudem Unterwerfungsfantasien. Unter den Männern stellen sich 53 Prozent vor, sexuell dominiert zu werden. Die Fantasie, geschlagen zu werden, hatten nach eigenen Angaben ebenfalls mehr Frauen - 36 Prozent im Vergleich zu knapp 29 Prozent der Männer. Gleichzeitig unterscheiden Frauen aber offenbar deutlich zwischen ihren Fantasien und dem, was sie wirklich erleben wollen. So gaben viele Frauen mit Unterwerfungsfantasien an, dass diese Ideen nie Realität werden sollen. Die Mehrheit der Männer dagegen möchte ihre Fantasien laut Studie ausleben.“
Wer sich über die Psychologie des Masochisten (zumindest einer Spielart davon) interessiert, sei an das Meisterwerk „Venus im Pelz“ von Roman Polanski und die literarische Vorlage dazu von Leopold von Sacher-Masoch verwiesen. Siehe auch: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/46-venus-im-pelz.html