„Am Dienstag übernahmen Aufständische der sunnitischen Organisation Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIS) nach viertägigen Kämpfen einen Großteil der irakischen Stadt Mosul. Das Land steht damit noch näher an einem offenen Bürgerkrieg.
Der ISIS (auch bekannt als Islamischer Staat im Irak und Syrien und Islamischer Staat im Irak und al-Sham) besetzte Regierungsgebäude, Fernsehsender, Polizeigebäude, Gefängnisse, militärische Einrichtungen und den Flughafen der zweitgrößten Stadt des Landes, nachdem die irakischen Soldaten und Polizisten ihre Posten verlassen, ihre Waffen zurückgelassen hatten und geflohen waren.
Die Niederlage der Regierungstruppen, deren Stärke in der Region angeblich 60.000 Mann beträgt, gegen ein paar hundert Aufständische ist eine Demütigung für die Zentralregierung. Sie enthüllt ihre extreme Schwäche und stellt ihre weitere Existenz in Frage. Premierminister Nuri al-Maliki regiert mit einer sektiererischen schiitischen Regierung, die die sunnitischen Stammesführer gegen sich aufgebracht hat, indem sie führende Sunniten aus öffentlichen Ämtern entfernte und anderweitig an den Rand drängte.“
https://www.wsws.org/de/articles/2014/06/12/iraq-j12.html
Wer ist ISIS oder ISIL? Eine Begriffserklärung gibt „Telepolis“:
„Die salafistische Terrorgruppe, die große Teile Nordostsyriens und des Nordwestiraks unter ihrer Kontrolle hat und sich derzeit anschickt, Bagdad zu erobern, trägt den arabischen Namen ad-dawla al-islāmīya fī l-ʿirāq wa-sch-schām. Wörtlich übersetzt heißt das nicht "Islamischer Staat im Irak und in Syrien", sondern "Islamischer Staat im Irak und im Norden". Im engeren Sinne versteht man unter diesem "Norden" im arabischen Kulturkreis die Levante", zu der nicht nur Syrien, sondern auch der Libanon, Jordanien, der Gazastreifen, die Westbank - und vor allem Israel – gehören …
Aber auch mit dem Libanon und Israel gibt sich die salafistische Bewegung, die hinter ISIL steckt, nicht zufrieden: Ihr schwebt die Weltherrschaft des Salafismus vor, in der Andersgläubige - wenn überhaupt - nur noch einen Platz als unterworfene Diener haben, die den salafistischen Herren eine Kopfsteuer zahlen müssen. Durch dieses Endziel unterscheidet sich der Krieg in Syrien und im Irak auch grundlegend vom Konflikt in der Ukraine, in dem es um eine Sprache und um berechenbare geopolitische Interessen geht.
Trotzdem fallen die Reaktionen auf den ISIL-Blitzkrieg bislang merkwürdigerweise schwächer aus als auf die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation: Man denkt in Europa zwar viel über ein Ende der Abhängigkeit von russischem Erdgas nach, aber nicht über Handelssanktionen gegen Katar und Saudi-Arabien, wo die wichtigsten Finanziers der Salafisten sitzen. Und über Einreiseverbote gegen Scheichs aus diesen Ländern oder über eingefrorene Konten ist bislang ebenfalls noch nichts bekannt geworden …“
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41991/1.html
„Der Aufstieg der al-Qaida-Abspaltung ISIL hat mehrere Gründe: Eine sehr wichtige Rolle spielt der seit 2011 tobende Bürgerkrieg in Syrien, wo die Terrorgruppe erhebliche finanzielle Unterstützung aus den Golfstaaten bezog, Waffen kaufte, Fanatiker aus der ganzen Welt anlockte und bereits im letzten Jahr große Teile des Nordostens erobern konnte - darunter die Städte Manbidsch (66.000 Einwohner), ar-Raqqa (200.000 Einwohner) und Deir ez-Zor (300.000 Einwohner). Durch Lösegelderpressungen und "Steuern" (Schutzgeld) konnten die Salafisten dort ihre finanzielle Situation weiter verbessern und im Dezember Falludscha (310.000 Einwohner) und große Teile der irakischen Provinz al-Anbar (1,7 Millionen Einwohner) erobern.
Löse- und Schutzgelder werden offenbar bereitwillig gezahlt, weil ISIL dort, wo die Gruppe auftaucht, köpft, kreuzigt und brandschatzt: Auch in Mosul steckte man neben Polizei- und Verwaltungsgebäuden umgehend Kirchen und schiitische Moscheen an und verkündete dabei der Bevölkerung via Lautsprecherwagen, dass die Stadt nun neue Herren habe.
Im deutschen Außenministerium betrachtet man den ISIL-Blitzkrieg mit "allergrößter Sorge" und rät den streitenden Schiiten, Sunniten und Kurden im irakischen Parlament, sich umgehend auf eine Regierung zu einigen. Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat nach dem Versagen seiner Streitkräfte den Regierungschef der autonomen Kurdenregion um Hilfe gebeten. Vorausgesetzt, dieser Plan hat Erfolg, hat er damit möglicherweise Kirkuk und vielleicht auch Mosul an die Kurdenregion abgetreten. Dass man auch schiitische Freiwilligenmilizen aufstellen will, zeigt, wie gescheitert der Irak ist: Ein Staatsgebilde, mit dem sich sogar die Soldaten so wenig identifizieren, dass sie im Ernstfall die Uniform ablegen und flüchten.“
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41987/1.html
Mal abgesehen vom Militärischen: was macht diese Gruppe mit Menschen, die nicht so drauf sind wie sie?
„Erst vor zwei Tagen hat die Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (Isis) die Kontrolle über die irakische Millionenmetropole Mossul und die umliegende Provinz Ninive übernommen. Nun haben die Dschihadisten Verhaltensregeln für die Menschen in dem eroberten Gebiet im Irak veröffentlicht.
Die Liste von insgesamt 16 Punkten wurde vom "Pressebüro der Provinz Ninive des Islamischen Staats" verbreitet. Das Dokument macht deutlich, dass die radikalen Islamisten ein religiöses Terrorregime errichten wollen. Endziel sei die Wiedererrichtung des islamischen Kalifats.
Die wichtigsten Isis-Regeln:
◾Frauen sollen die Häuser nur verlassen, wenn es unbedingt notwendig ist. Sie sollen nur Kleider tragen, "an denen Gott Gefallen findet" - weite Gewänder, die weibliche Formen verhüllen.
◾Dieben soll nach dem Gesetz der Scharia die Hand abgeschlagen werden. Dies gelte besonders für Personen, die Gelder veruntreuen, die der Allgemeinheit gehören. Nur der Imam der Muslime - gemeint ist vermutlich Isis-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi - dürfe über die Verwendung der Kriegsbeute entscheiden. Insgesamt habe Isis eine halbe Milliarde Dollar aus der irakischen Staatsbank in Mossul entwendet.
◾Alle Muslime sollten die fünf täglichen Gebete pünktlich zu den Gebetszeiten in den Moscheen verrichten.
◾Isis warnt die Stammesführer in der Provinz Nineve davor, "mit dem abtrünnigen Feind und den Verrätern" zu kollaborieren. Polizisten, Soldaten und Vertreter anderer "ungläubiger Institutionen" sollten ihrem bisherigen Leben abschwören. Isis habe spezielle Einrichtungen geschaffen, in denen Repräsentanten des irakischen Staates Abbitte leisten könnten. Irakern, die dieser Aufforderung nicht Folge leisten, droht die Todesstrafe.
◾Alkoholkonsum, Rauchen und Drogen sind verboten.
◾Versammlungen, die nicht von Isis veranstaltet werden, sind ebenso verboten wie das Tragen von Waffen.
◾Alle Schreine, Denkmäler und Mausoleen, an denen Tote verehrt werden, sollen kategorisch zerstört werden.
Das zweiseitige Dokument schließt mit einem Aufruf an die Bevölkerung: ‚Ihr habt alle säkularen Systeme ausprobiert und ihr habt unter ihnen gelitten - Monarchie, Republik, Baathismus und Safawiden (mit den letzten beiden sind das Saddam-Regime und die Regierung Maliki gemeint - d. Red). Jetzt ist das Zeitalter des islamischen Staates gekommen.‘“
Weiter schreibt der „Spiegel“:
„Es war einmal, da galt das schöne Mossul als Modellstadt für die Zukunft eines neuen Irak, ja: eines neuen Arabien. Muslime und Christen lebten Tür an Tür, Kurden und Araber studierten gemeinsam an der Universität, und die Amerikaner, die im Frühjahr 2003 für kurze Zeit die Macht übernahmen, waren noch nicht verhasst. Sie fuhren in offenen Humvees herum und saßen ohne Helme in Teestuben. Es war eine andere Zeit.
Elf Jahre später, heute, kommen aus Mossul apokalyptische Bilder. Die zweitgrößte Stadt des Irak ist neuerlich gefallen, ins Chaos gestürzt von Dschihadisten, die davon träumen, Kalifate zu begründen, in denen die allerprimitivste Auslegung der islamischen Lehren gelten soll. Die talibanesken Terroristen werden mit diesem Projekt auf irakischem Boden auf Dauer scheitern, weil mit der leidlich aufgeklärten Gesellschaft des Irak ein Gottesstaat nicht zu machen ist. Aber nun wird sich die quälende Zeit des Kämpfens und Sterbens und Flüchtens verschärft fortsetzen, es ist zum Verzweifeln …
Vom östlichen Mittelmeer bis fast zum Kaspischen Meer entsteht ein Korridor kaputter Staaten und todkranker Nationen. Der Irak ist jetzt, allein schon mit seiner Armee, die bislang noch in jedem Ernstfall desertiert ist, auf geradem Weg in den "failed state". Das große, alte Syrien gleich daneben wirkt wie ein Land ohne Zukunft, eine Wiege künftigen Hasses, eine schwärende Wunde. An der irakisch-syrischen Grenze entsteht jenes mörderische Kalifat, das sich im schlechtesten Fall zu einem von obskuren Stämmen und Terroristen bevölkerten Niemandsland entwickelt und schon jetzt an die "tribal areas" von Pakistan erinnert, in denen keine Staatsmacht gilt.
Auch alle anderen Nachbarn kämpfen: Der tapfere, kleine Libanon wird vom Ansturm der syrischen Flüchtlinge über kurz oder lang ruiniert, Jordanien spürt diese Last, auch der Südosten der Türkei. Wenn es derart rumort in der Region, dann spüren immer auch Israel und Palästina die tödliche Gefahr, die in ihrem Fall einfach Instabilität heißt. Eine instabile Zone vom Mittelmeer zum Kaspischen Meer würde zur Gefahr für den Weltfrieden.“
Die „instabile Zone“ ist noch ein harmloser Ausdruck für das, was da droht. Wie sehr sich etwa der Iran oder die Türkei in die militärischen Auseinandersetzungen ziehen lassen, ist völlig offen. Und die autonome kurdische Republik scheint die Gunst der Stunde zu nutzen und sich vom Irak ganz abzuspalten. Ein offizieller kurdischer Staat dürfte äußerst interessant auf die in der Türkei lebenden Kurden wirken. Mit ungeahnten weiteren Konflikten.
Finanziert werden diese Gotteskrieger der ISIL bzw. ISIS von Geldgebern aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten, vor allem Katar. Ohne diese Staaten gäbe es also diesen Terror nicht. Wer sich für die Menschenrechte in Saudi-Arabien interessiert, wird fündig beim Wurm, bei den Schilderungen eines Sanitäters, der ein Jahr lang in der Hauptstadt Riad gewirkt hat und beim „freeman“ (obwohl der Wurm nicht mit allem übereinstimmt):
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/41-frau-am-steuer-ungeheuer.html
http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2014/06/saudi-arabien-der-weltmeister-des.html
http://alles-schallundrauch.blogspot.ch/2012/08/saudi-arabien-ist-die-ubelste-diktatur.html
Es ist nicht zu erwarten, dass von Seiten der westlichen Regierungen etwa Saudi-Arabien als böse Diktatur gebrandmarkt oder irgend etwas in Sachen Menschenrechten gesagt wird.
Aber der Irak unter Saddam Hussein war eine böse Diktatur, so wie es auch Syrien und Libyen angeblich waren und die deshalb unbedingt militärisch nieder gemacht werden mussten!
Nun ist dem Wurm in dieser Region kein einziger Staat bekannt, der nicht auf die eine oder andere Art diktatorisch regiert werden würde. Auffälligerweise ist dort ausgerechnet der Iran das mit Abstand demokratischste Land. Auch, wenn das nicht optimal sein mag, finden dort unter anderem Präsidentschaftswahlen mit mehreren ernst zu nehmenden Kandidaten statt. Dem Wurm fallen da auf Anhieb nicht viele arabische Länder ein, bei denen das der Fall wäre.
Dennoch: Libyen, Syrien und der Irak waren mal halbwegs funktionierende Staaten, die islamistischem Terror Einhalt geboten. Ein Jammer, wenn wurm bedenkt, dass diese Staaten entweder ausdrücklich laizistisch waren (also Religion offiziell Privatsache war) oder zumindest die Religion an den Rand gedrängt hatten. Die größten Nutznießer waren die Frauen, die im Berufsleben weitaus besser gestellt waren als die Frauen in der Region und sich mit offenem Haar und „westlicher“ Kleidung auf den Straßen bewegen konnten.
„Dank“ westlicher Einmischung ist das heute nicht mehr der Fall. Die saudische Handabhacker-Mentalität greift immer mehr um sich und Frauen dürfen sich nur vermummt in der Öffentlichkeit zeigen. Ganz zu schweigen von der über eine Million Getöteten und mehrerer Millionen Geflüchteten mit unglaublichen humanitären Katastrophen.
Heutzutage wird ja kein Krieg mehr aus Bösartigkeit geführt. Zumindest wird das nicht zugegeben. Meinungsforschungsinstitute sagen den jeweiligen Machthabern, wie die zweifelnde Bevölkerung am Besten zu überzeugen ist. Im Falle Irak war das vor über 10 Jahren die Unterstützung des internationalen Terrorismus (sprich: Al Qaida) und die Existenz von „Massenvernichtungswaffen“.
Beides absurd: ein laizistischer Staat wie der damalige Irak ist kein Freund von religiösen Fanatikern. Im Gegenteil: beide sind (und waren) Todfeinde. Und nach dem ersten Irakkrieg war der Irak unter internationale Aufsicht gestellt, wobei so ziemlich jede Schraube im Land von internationalen Aufsehern zweimal umgedreht wurde. Kein Land war so durchleuchtet wie der Irak zur damaligen Zeit. Und da soll es auf einmal Massenvernichtungswaffen geben?
Für die Bewohner des Erdreichs ist es immer wieder schmerzhaft zu erfahren, wie viele Desinteressierte und Blödiane es auf der Welt gibt, die diesen Unfug glauben. Und unverantwortliche Politiker wie Hillary Clinton, die den damaligen Krieg bejaht hat. Auch, wenn sie ihre Abstimmung von damals heute „bereut“. Der Wurm und die Bewohner des Erdreichs hatten ihre Entscheidung bereits zur Zeit ihrer Stimmabgabe bereut.
Ohne westliche Einmischung gäbe es weltweit sehr viel weniger Terrorismus. Al Qaida ist praktisch eine Gründung des US-Geheimdienstes CIA im damaligen Afghanistan-Konflikt mit der Sowjetunion und seit dem Zusammenbruch der einstmals funktionierenden Staaten Irak, Syrien und Libyen ist das islamistische Gesindel erst recht auf dem Vormarsch. Es handelt sich im Übrigen genau um jene Leute, die von westlichen Medien gerade im letzten Jahr in Syrien unterstützt wurden, um den säkularen Präsidenten Assad zu stürzen:
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/34-feinde-syriens.html
Um noch mal die Internationalen Sozialisten zu zitieren:
„Das ist der Gipfel der Heuchelei und des Zynismus. Der US-Imperialismus ist in vollem Umfang für die Katastrophe verantwortlich, die den Irak befällt, auch für den Aufstieg von Kräften wie dem ISIS. Beim amerikanischen Einmarsch im Irak und der fast zehn Jahre andauernden Besetzung wurden hunderttausende von Irakern getötet, zahllose weitere verwundet, Millionen mussten fliehen und die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur des Landes wurde zerstört.
Die Behauptungen der Bush-Regierung, es habe Beziehungen zwischen dem Regime von Saddam Hussein und Al Qaida gegeben, waren erfunden. Sie sollten die amerikanische Öffentlichkeit davon überzeugen, dass der Angriffskrieg eine Vergeltung für den 11. September sei. In Wirklichkeit konnte sich Al Qaida erst im Irak etablieren, nachdem die Regierung durch die amerikanische Invasion gestürzt worden war.
Washington hat religiöse Streitigkeiten bewusst geschürt und ausgenutzt, um Saddam Husseins sunnitisches Regime zu stürzen und das politische Establishment der Baath-Partei zu zerschlagen. Dann ermutigte es die Wut der Schiiten auf die sunnitische Elite und setzte eine schiitische Regierung ein, um die Entstehung einer vereinten Opposition gegen ihre neokoloniale Besatzung abzublocken. Das hat fruchtbare Bedingungen für Al Qaida-Kräfte geschaffen.
In Syrien hat es das gleiche sektiererische Spiel gespielt, um die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung gegen das Assad-Regime aufzubringen. Die USA haben sunnitische Dschihadistengruppen wie den ISIS als Hilfstruppen für den Bürgerkrieg gefördert, finanziert und bewaffnet, der das Land verwüstet hat.“
https://www.wsws.org/de/articles/2014/06/12/iraq-j12.html
Wenn es einen unter den Menschen gibt, der das Geschehen in dieser Region wohl am Besten analysieren kann, dann ist das Peter Scholl-Latour. Ein äußerst lesenswertes Interview gab er dem „Merkur“. Hier ein paar Auszüge:
„Wie konnte die ISIS so stark werden und sich militärisch so gut formieren?
Weil sie auch von außen enorm unterstützt worden ist. Der Westen und auch die Türkei haben den Wahnsinn begangen, vorschnell die Aufständischen in Syrien zu unterstützen. Die Amerikaner wollten die relativ liberale Freie syrische Armee aufrüsten. Sie bedachten nicht, dass islamistischere Kräfte, die ihre Kampferfahrung auch in Afghanistan und im Kaukasus gesammelt hatten, diese „Freie Armee“ an die Wand drücken und ihr die Waffen abnehmen könnte. Wir erleben das jetzt wieder in Mossul, wo von den USA an die irakische Regierungsarmee gelieferte Waffen nun den Dschihadisten in die Arme fallen.
Woher kommen die Kämpfer des Isis?
Al Bagdadi verfügt über etwa 15.000 Männer, von denen nur ein geringer Teil aus dem Irak und aus Syrien stammt. Es handelt sich überwiegend um zugewanderte Dschihadisten aus dem Kaukasus, aus Ägypten, Pakistan und vielen anderen Ländern der arabischen Welt. Auch aus Saudi-Arabien, das mit vielen dieser radikalen Gruppen konform geht und mehrfach verhindert hat, dass moderatere Formen des Islam zum Zuge kommen.
Wer finanziert die Isis-Terroristen?
Die Emirate am Persischen Golf und die Petro-Staaten, die ja vom Westen so sehr gehätschelt werden …
Die Türkei denkt bereits an ein militärisches Eingreifen. Wäre das sinnvoll?
Durchaus. Aber damit ist ein neuer Konflikt mit den Kurden unausweichlich. Im Norden Syriens siedeln ja auch Kurden, und die würden ein Eingreifen der Türkei, das auch ihr Gebiet berühren würde, nicht begrüßen.
Wie sieht es denn mit der autonomen Region Kurdistan im Nord-Irak aus?
Diese inzwischen blühende Region würde zusammenbrechen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Peschmerga das gewaltige Erdöl-Zentrum von Kirkuk, das auf ihrem Gebiet liegt, besetzt haben. Kurz, es wird nahezu alles über den Haufen geworfen …
Wie reagiert der Iran auf die schweren Kämpfe im Nachbarland?
Das ist faszinierend, denn wir erleben nun eine Interessen-Solidarität zwischen Amerikanern und Iranern. Der neue iranische Präsident Rohani hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er einen intoleranten Sunniten-Staat der Isis nicht tolerieren wird. Zumal die Schiiten im Irak die Mehrheit stellen. Außerdem hat die Isis angekündigt, die Stadt Kerbela erobern zu wollen. Also die heiligste Stadt der Schiiten überhaupt. Das wird der Iran verhindern. Wenn nötig auch militärisch.
Was bedeutet eine immer stärker werdende Isis für das Assad-Regime in Damaskus und für dessen Verbündete in Russland?
Die Revolte gegen Assad ist von vielen Seiten unterstützt worden. Vor allem im Westen. Assad wäre gestürzt, wenn nicht Russland, der Iran und die Hisbollah im Libanon dies verhindert hätten. Das Assad-Regime war brutal und repressiv, aber es war das einzige säkulare in der gesamten islamischen Welt. Es war tolerant gegenüber Minderheiten wie den Christen. Assad war und ist, so bitter dies klingt, das kleinere Übel …
Muss man mit einer Spaltung des Irak rechnen?
Die ist faktisch so gut wie vollzogen. Wir haben Kurdistan im Norden – wo sich dank der enormen Öl-Ressourcen ein eigener Staat konstituiert hat, der mit den Peschmerga über eine eigene Armee verfügt. Dann den Irak unter Führung al-Malikis und die enorm kampfstarken Isis-Leute, die einen großen Teil des Westirak beherrschen.
Das Auftreten der Isis ist also kein Strohfeuer, sondern hat den mittleren Osten bereits verändert?
So ist es. Ihr Auftreten lässt die gesamte US-Orientpolitik als totalen Fehlschlag erscheinen. Man muss jetzt ernsthaft analysieren, was die Amerikaner vor allem im Irak angerichtet haben, als sie den Krieg mit falschen Behauptungen ausgelöst haben. Die Entwicklung wird gefährlich, auch für uns …"
Wer jetzt noch immer nicht den Horror hat, da „hinten, weit, in der Türkei“ (aus dem Osterspaziergang von Goethes „Faust“), möge den jetzt kriegen. Immer noch aus dem Interview mit Peter Scholl-Latour:
„Bisher habe ich es stets abgelehnt, von einer neuen Welle des islamischen Terrors in Europa zu sprechen. Das hat sich geändert. Jetzt haben wir ein paar tausend europäische Dschihadisten, die in Syrien gekämpft haben. Darunter auch viele Deutsche mit orientalischem Hintergrund. Das sind militärisch ausgebildete Experten. Sollte es zu Terroranschlägen kommen, so werden diese viel professioneller ausgeführt werden, als dies bisher der Fall war. Die Gefahr, dass wir bei uns ein Eindringen des Terrorismus erleben, wächst.“
Ach ja, die deutsche Führung drängt ja aktuell die deutsche Öffentlichkeit zu mehr „internationaler Verantwortung“, sprich: kriegerischen Einsätzen.
Nun ja. In Jugoslawien (vor allem bei der Abspaltung Kroatiens und dem Kosovo-Konflikt) und in der Ukraine wurden die Konflikte von deutscher Seite aus massiv geschürt; die kriegerischen Einsätze im Irak und in Syrien wurden deutlich unterstützt und gegen die Zerstörung Libyens kam zumindest kein Widerspruch. Auch noch sehr zum Ärger der deutschen Leitmedien, die damals schon eifrig mitbomben wollten.
Wohin all diese Einmischungen führen, wenn es um „Menschenrechte“ oder „böse Diktatoren“ geht, zeigt auf deutlichste Weise der aktuelle Erfolg des Gesindels im Nahen bzw. Mittleren Osten.
Mensch sollte sehr misstrauisch sein, wenn aus Gründen der Humanität zum Krieg geblasen wird. Ob von dem, der es mit der „Freiheit“ hat (Bundespräsident Joachim Gauck) oder von anderen sympathisch erscheinenden Menschen. Gutes führen die nicht im Schilde.
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/88-bruch-des-voelkerrechts.html
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/95-kriegshetzer.html