Ralph Knapp aus Wuppertal ist 55 Jahre alt und arbeitslos. Und hat in diesem Alter kaum Chancen, eine neue Stelle zu bekommen. Um auf sich aufmerksam zu machen, hat er zwei große Plakatwände am Bahnhof von Wuppertal gemietet und damit die größte Stellenanzeige Deutschlands geschaltet.
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/arbeitsloser-sucht-mit-plakaten-einen-job-a-930786.html
Ralph Knapp ist kein Einzelfall: ob das Unternehmen, in dem mensch arbeitet, Pleite geht oder aufgekauft wird, die eigene Stelle Sparmaßnahmen zum Opfer fällt oder der neue Vorgesetzte einem nicht leiden kann – es gibt genügend Gründe, weshalb selbst fachlich und menschlich gute bis sehr gute Arbeitskräfte, die zudem kaum krank sind, gekündigt werden und ohne Arbeit dastehen.
Problematisch wird es dann, wenn das Opfer 45 Jahre und älter ist. Die Wirtschaft klagt zwar regelmäßig über einen Mangel an Fachkräften, tut aber wenig für die Ausbildung potentiell geeigneter Leute und greift nicht auf die „älteren“ Arbeitnehmer zurück. Denn kaum eine Firma stellt noch Leute ab 45 Jahren ein und ganz problematisch wird es ab 50 Jahren.
Auf das vorherige Gehaltsniveau zu kommen, ist unwahrscheinlich, da in den Firmen immer mehr Festangestellte durch Leiharbeiter und sonstige Billigkräfte ersetzt werden. Auch wer sich bei Zeitarbeitsfirmen bewirbt, kann davon ausgehen, dass er einer von mehr als 100 Bewerbern ist und diese Firmen (wie die herkömmlichen Personal-Abteilungen) es sich verständlicherweise so einfach wie möglich machen und von vornherein aussieben. Ziemlich weit vorne bei den Ausschließungs-Kriterien ist das Alter. Wer dazu auch noch keinen aalglatten, eher „langweiligen“ Lebenslauf vorzuweisen hat, hat Pech gehabt.
Wer es tatsächlich zum ersten Termin geschafft hat, wird feststellen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Gesprächspartner die Bewerbungs-Unterlagen gar nicht oder nur sehr oberflächlich angeschaut hat und möglicherweise mitleidsvolle Blicke ob des Alters erntet, da ein Mensch mit 45 Jahren ja kaum etwas vom Umgang mit Computern verstehen könne. Und das, obwohl dieser sehr aktiv im Internet zugange ist und bis vor Kurzem noch EDV-Experte in der Abteilung war.
Oft gibt es junge Teamleiter, die keine älteren Mitarbeiter wollen: entweder trauen sie denen nichts zu oder sie wollen niemanden haben, der mehr Berufserfahrung und fachliche Kompetenz hat.
Also ist mensch dazu gezwungen, deutlich unter Wert zu arbeiten. Das würde er auch gerne, muss sich dann aber anhören, dass er „überqualifiziert“ sei und schon deshalb nicht in Frage kommt.
Jetzt befindet sich mensch also in dieser Lage. Und wird feststellen, dass bei jemandem, der einmal draußen ist, die Möglichkeit besteht, für immer draußen zu bleiben.
Irgend wann ist es aus mit dem Arbeitslosengeld und die Zeit bis zur dann geringen Rente ist noch lang. Bis dahin werden die Reserven aufgebraucht sein und die bisherigen Einzahlungen zur privaten Rente kann mensch sich erst im Renteneintrittsalter auszahlen lassen. Wer ein kleines Häuschen oder eine Eigentumswohnung besitzt, braucht nicht zu glauben, dass die Bank, bei der er seit Jahrzehnten unproblematischer Kunde ist, dies als Sicherheit für einen kleinen Kredit akzeptieren wird. Kredit gibt’s nur bei einem regelmäßigen Einkommen mit Aussicht auf Rückzahlbarkeit. Aus Bankensicht mag das ja verständlich sein, aber das hilft auch nicht weiter.
Die Inanspruchnahme von Sozialhilfe wird immer reeller und die Angst davor auch, die zusätzlich zu psychischen Erkrankungen führen kann. Früher oder später können Gedanken kommen, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Möglicherweise verbunden mit einer guten Tat. Etwa, sich selbst als Futter für Zootiere zu spenden.
Um es zu wiederholen: es geht um qualifizierte Leute, die gerne arbeiten und auch gerne mehr arbeiten.
Während sich solche Menschen des Mitleids der Bewohner des Erdreichs sicher sein können, reagieren ihre Mit-Menschen anders darauf. Meistens handelt es sich um solche, die keine Probleme mit ihrer Arbeit haben und mit Unverständnis reagieren. Es muss ja schließlich Gründe der Arbeitslosigkeit geben, die an einem selbst liegen.
„Ha, da bewirbst du dich und dann klappt das auch“ können sich diejenigen anhören, die schon eine dreistellige Anzahl von Bewerbungen geschrieben haben. Ein weiterer beliebter Spruch geht „Bewirb dich doch bei dieser Firma, die suchen dauernd Leute. Das ist überhaupt kein Problem“ (ist es leider doch). Ein gut gemeinter Ratschlag ist, sich selbständig zu machen. Leider ist das nicht jedem sein Ding und wenn, ist das auch nicht immer erfolgreich.
Das Geld geht zur Neige, mensch kann sich nichts mehr leisten, Sozialhilfe droht. Welche Reaktion kann sich mensch dann anhören? „Ja dann konsumiere halt weniger“ (obwohl sich der „Konsum“ seit geraumer Zeit auf das Allernotwendigste beschränkt). „Ja, hast du denn keine Rücklagen gebildet?“ Schon, aber mensch hat ja auch Geld für’s Leben gebraucht und die Ersparnisse werden bei aller Sparerei auch einmal zu Ende gehen.
Erstaunlich, dass sich die Aggressivität bei den älteren Arbeitslosen in Grenzen hält. Ab und zu bricht die dann aber doch durch und trifft auch manchmal die Falschen. Mit dem Ergebnis, dass mittlerweile in jedem Arbeitsamt (“jobcenter“ in der neuen Sprache) im Eingangsbereich Sicherheitspersonal postiert ist.
Wer es über mehrere Monate und Jahre mit „normalen“ Bewerbungen mit negativem Ergebnis probiert hat, wird sich überlegen, wie er aus der breiten Masse heraus ragen und auf sich aufmerksam machen kann. Aufzufallen ist eine Möglichkeit, die im Einzelfall helfen kann, aber nicht bei allen möglich ist.
Ralph Knapp hat in Wuppertal gezeigt, dass es gehen kann. Überhaupt ist Wuppertal ein gutes Pflaster. Dort ist es sogar möglich, dass der Papst kommt, wenn mensch eine Herren-Boutique eröffnen möchte:
http://www.youtube.com/watch?v=Sn9qBx20YZ0
Auch der Wurm versucht, aufzufallen. An diesem Ort und zu dieser Zeit. Denn der Wurm hat dies alles nicht erfunden, sondern befindet sich selbst in dieser Lage (und kennt weitere, denen es ähnlich ergeht).
Der Wurm ist erfahren im Angebotswesen und komplexer Auftragsabwicklung im internationalen Bereich, wobei sich die einzelnen Aufträge und Projekte über mehrere Monate hin ziehen können. Bei allen Unwägbarkeiten, die da passieren können, hat er immer noch den Überblick und lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Er ist zwar stressresistent, sieht aber zu, dass Probleme schon im Vorfeld beseitigt werden bzw. gar nicht erst auftreten („proaktiv“ heisst das neu geschaffene Wort dafür).
Wer schon einige „Ansichten eines Regenwurms“ gelesen hat, wird wissen, dass der Wurm vielseitig interessiert ist und nicht um den heissen Brei herum redet, sondern klar und deutlich die Dinge beim Namen nennt (keine Bange – der Wurm hetzt niemanden auf, ist am Mittagstisch meistens sehr ruhig und hält sich aus politischen Diskussionen meistens raus). Der Wurm kann zwar schnelle Entscheidungen treffen, macht das aber auch nur dann, wenn alles klar und deutlich ist. Vorurteile gegen Menschen welcher Art auch immer hat er nicht.
Ebenso ist der Wurm gewohnt, nicht ausschließlich an sich selbst zu denken, sondern stellt das Gemeinwohl (etwa eigene Abteilung, eigene Firma, Kunden) über eigene Interessen und wird bei Bedarf auch noch spät abends und am Wochenende dafür arbeiten. Und das auch noch (meistens) gerne.
Der Wurm freut sich über Kontaktaufnahme mit ihm.
Einen Bessern find’st du nicht!