Die friedlichen Demonstrationen haben ein Ende: Gewaltsam wurden in Istanbul der Taksim-Platz und der Gezi-Park von der Polizei geräumt. Auf Geheiss des Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan.
Seit 2003 ist Erdogan Ministerpräsident der Türkei und hat mit seiner islamischen Partei AKP erstaunliche Erfolge vorzuweisen: aus politischem und wirtschaftlichen Chaos kommend, ist die Türkei mittlerweile ein trotz aller Spannungen politisch stabiles Land, hat eine große wirtschaftliche Erfolgsgeschichte vorzuweisen, hat den Einfluss des Militärs zurückgedrängt, im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen gewisse Liberalisierungen durchgeführt, die Spannungen zu Kurden und Armeniern zumindest teilweise abgebaut und steht nicht zuletzt außenpolitisch so gut da wie noch nie zuvor. Zum einen wg. der wirtschaftlichen Stärke, zum anderen mit der Vorbildfunktion für andere islamische Staaten, den Staat von einer halbwegs moderaten islamischen Partei regieren zu lassen.
So weit, so gut. Weniger gut ist, dass die AKP seit über 10 Jahren mit einer breiten bzw. absoluten Mehrheit das Land regiert und das immer deutlicher spürbar wird. Die Türkei war mal ein laizistisches Land wie früher Tunesien und der Irak und heute noch Frankreich. „Laizistisch“ heisst, dass Staat und Kirche getrennt sind. Mittlerweile werden diejenigen an den türkischen Schulen und Universitäten schief angesehen, die nicht 5x am Tag an den öffentlichen Gebeten teilnehmen und Mädchen und Frauen dürfen sich immer öfter Kommentare anhören, wenn sie kein Kopftuch tragen. Kommentare von lokalen Politikern dürfen sich auch die Lokal-Besitzer anhören, die noch Alkohol ausschenken mit der Folge, dass es immer weniger öffentlichen Alkohol-Ausschank gibt.
Erdogan empfiehlt den Frauen, mindestens drei Kinder zu bekommen. Selbst ohne Änderung der Gesetze würden durch den immer mehr zunehmenden gesellschaftlichen Druck die Rechte der Frauen eingeschränkt, Minderheiten bekommen mehr und mehr Probleme, Meinungsfreiheit gibt es immer weniger.
„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
„Erdogan muss weg, die AKP muss weg, die Demonstranten genießen unsere vollste Sympathie“. Das dürfte die erste Reaktion der meisten Menschen sein. Ein Wurm denkt da anders. Auch wenn es viele überraschen dürfte: Rupert Regenwurm ist für Erdogan. Aus folgenden Gründen:
1. Erdogan und die AKP sind demokratisch gewählt. Die letzten drei Wahlen mit überragenden Erfolgen bis hin zu absoluten Mehrheiten. Ob es einem Regenwurm passt oder nicht – er hat den Willen des Volkes zu respektieren. Das hat er bei anderen Ländern auch getan, obwohl ihm da manches Ergebnis gar nicht gefallen hat.
2. Mensch weiss seit Langem, mit wem er es zu tun hat und was droht, auf ihn bzw. seine Freunde in der Türkei zuzukommen. Wenn das alles so schlimm ist - warum hielten sich die Medien dann so lange zurück?
3. Die Weltpresse hat zu den aktuellen Vorgängen in Istanbul und anderen Großstädten der Türkei quasi nur eine einzige Meinung, kennt nur einen Schuldigen (Erdogan) und benutzt eine Wortwahl, die manchmal manipulativ wirkt. Gewalttätige Demonstranten passen nicht ins Bild und werden deshalb als Provokateure der Polizei bezeichnet (als ob da nur Friedfertige demonstriert hätten und die gewaltbereiten Regimegegner zu Hause geblieben wären).
Erdogan selbst spricht von einer „Verschwörung ausländischer Medien“ und „diese Kräfte wollen der Türkei schaden“. Ausdrücklich nennt er CNN und die Nachrichtenagentur Reuters.
Warum sollten die „ausländischen Medien“ so was machen? Anscheinend ist die aktuelle türkische Regierung in Ungnade gefallen, in dem sie Sachen tut, die andere für unbotmäßig halten. Schert Erdogan aus der großen Koalition gegen die aktuelle syrische Führung aus oder leistet er sich Eigenmächtigkeiten in anderen außenpolitischen oder wirtschaftlichen Fragen?
Wer genügend Geld und Einfluss hat, kann heutzutage in so gut wie jedem Land der Erde eine größere Demonstration vom Stapel treten. Am effektivsten sind milliardenschwere Geheimdienste bei der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Mensch kann davon ausgehen, dass gerade im Bereich der Medien diese Geheimdienste tätig sind. Ob sie direkt tätig sind oder geschickt auf der Klaviatur der Medien spielen, ist eher nebensächlich.
Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung war schon immer besonders wichtig. Da die Menschen leider schnell vergessen, möchte der Wurm an drei Fälle der jüngeren Vergangenheit erinnern:
1. Die legendären Brutkastenbabies. Die Tränen einer jungen Frau rührten 1991 die ganze Welt: In einem kuwaitischen Krankenhaus sah sie, wie irakische Soldaten Kleinkinder aus den Brutkästen rissen und auf den Boden warfen, wo sie starben. Ein Chirurg des Krankenhauses bestätigte das. Bei der sehr knappen Entscheidung in Senat und Repräsentantenhaus war das entscheidend für den Kriegseintritt der USA. Hinterher stellte sich heraus, dass alles eine Inszenierung war: Die junge Dame war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA und war selbst noch nie in Kuwait und der „Chirurg“ war nie im betreffenden Krankenhaus.
2. Bei der Loslösung Kroatiens Anfang der 1990er vom von Serben dominierten Jugoslawien, war die Weltöffentlichkeit überwiegend auf der Seite Kroatiens. Es wurde ausschließlich von serbischen Gräueltaten berichtet; die kroatischen wurden erst gar nicht erwähnt. Als „Schlüsselbild des Krieges“ geht ein Bild um die Welt, das ausgemergelte Männer hinter einem Stacheldraht zeigt und die Existenz von serbischen Konzentrationslagern zeigen soll. Das Bild war eine Fälschung.
3. Um China zu ärgern, werden der Dalai Lama und der tibetische Buddhismus als humanistischer Traum fest in den Köpfen der Menschen verankert. Unter anderem gibt es den Friedensnobelpreis, mehrere positive Filme und Prominente zeigen sich gerne mit dem Dalai Lama. Der Kopf eines Regenwurms ist jedoch nicht von Weihrauch umnebelt und so ist recht schnell erkennbar, dass es sich beim tibetischen Buddhismus um eine ausgesprochen inhumane, frauenfeindliche und gewalttätige Religion handelt. Natürlich wurde dem Dalai Lama beigebracht, wie sich im Westen zu verhalten hat, was die Leute gerne hören und was nicht.
Wenn es zu einem wichtigen Thema in der gesamten Medienlandschaft nur eine einzige Meinung gibt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um eine gesteuerte Kampagne handelt. Wie gerade in der Türkei.