Unwillkommene Meinungen und Äußerungen werden nicht geduldet

https://www.youtube.com/watch?v=9JXXBhruGhc

 

Yanis Varoufakis verklagt Deutschland wg. Verletzung seiner Grundrechte und Verleumdung. Wg. Einreise-Verbot durfte er seine Rede in Deutschland nicht halten. Weder körperlich noch virtuell. Die deutsche Übersetzung ist weiter unten nachzulesen.

Das gleiche Schicksal erlitt der Arzt Ghassan Abu Sittah, der aus Großbritannien kommend, auf Initiative Deutschlands den gesamten Schengen-Raum nicht betreten darf.

 

Zum aktuellen Israel-/Palästina-Konflikt siehe frühere Beiträge des Wurms:

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/1341-auf-zum-letzten-gefecht

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/1314-armageddon

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/579-nakba

 

Palästina-Kongress abgesagt

 

„ERKLÄRUNG DES BUNDESAUSSCHUSSES FRIEDENSRATSCHLAG ZUM VERBOT DES PALÄSTINA-KONGRESSES IN BERLIN

Der vom 12.-14.4. geplante Palästina-Kongress in Berlin unter dem Motto: „Wir klagen an“ wurde nach im Vorfeld bereits stattgefundenen massiven Diffamierungen aus Politik und Medien am Freitag nur kurze Zeit nach Beginn aufgelöst und verboten.

Mehrere Menschen, darunter auch Personen jüdischer Herkunft, wurden verhaftet. Das Vorgehen von Politik und Polizei – obwohl es weder vor, noch während noch nach dem Kongress zu strafbaren Äußerungen gekommen ist – darf nicht hingenommen werden.

Bereits im Vorfeld wurde alles versucht, um die friedliche Konferenz zu verhindern, auf der insbesondere eine Koexistenz von Israelis und Palästinensern praktiziert wurde. Die Schikanen gingen von Kontensperrungen und dem Versuch, mithilfe des Bauamts und der Feuerwehr unüberwindbare Hürden aufzubauen sowie willkürliche Auflagen zu erlassen, über Betätigungsverbote bis hin zur Verhinderung von Einreisen.

Neben ihren völlig haltlosen Anschuldigungen gegen den Kongress, seine Organisator:innen, Teilnehmer:innen und Redner:innen machen sich deutsche Politik und Medien der Verharmlosung israelischer Kriegsverbrechen an der Bevölkerung des Gazastreifens, der Westbank und Ostjerusalems schuldig. Selbst Zahlen der im Gazastreifen Getöteten sowie die von Israel verursachte Hungerkatastrophe in der Küstenenklave werden in Zweifel gezogen. Über die deutsche Mitverantwortung spricht man lieber nicht. Und das, während Deutschland als zweitgrößter Waffenlieferant Israels und wegen seiner Streichung der Gelder für das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge UNRWA bereits vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag steht.

Die Bundesregierung isoliert mit ihrer Politik Deutschland in der gesamten Welt und handelt ohne jeden moralischen Kompass und Werte. Sie muss sich stattdessen für Deeskalation und diplomatische Lösungen im Israel-Palästina-Konflikt einsetzen.

Das Verbot des Kongresses ist ein riesiger Skandal und stellt eine weitere bedrohliche Eskalation bei der Aushebelung demokratischer Rechte dar. Die fortschreitende Einengung jeglicher Meinungskorridore in Deutschland ist brandgefährlich für alle, weil es das demokratisch verbriefte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränkt. Die zunehmende Unterdrückung von Meinungsäußerungen sowie die Repression aller kritischen Stimmen zum israelischen Krieg im Gazastreifen und dem absolut unverhältnismäßigen Vorgehen der israelischen Regierung und Armee geht uns alle an.

Kassel, den 14.4.2024“

https://friedensratschlag.de/erklaerung-zum-verbot-des-palaestina-kongresses/

 

Abir Kopty: „In einem schockierenden, aber erwarteten Schritt durchsuchte und schloss die Berliner Polizei den „palästinensischen Kongress”, als er am Freitag, dem 12. April, begann. Der Kongress sollte eine dreitägige Veranstaltung mit Rednern aus der ganzen Welt sein, darunter Ghassan Abu-Sittah, Salman Abu Sitta, Noura Erakat und Ali Abunimah, neben vielen anderen.

Die Konferenz, die von palästinensischen, jüdischen und internationalen Gruppen organisiert wurde, zielte darauf ab, den Völkermord in Gaza und die israelischen Verbrechen gegen die Palästinenser zu diskutieren und als Tribunal für Israel und einen seiner größten Unterstützer und Waffenlieferanten zu dienen: Deutschland.

„Die Tatsache, dass wir es geschafft haben, hier zu sein und diese Konferenz abzuhalten, ist an sich ein Akt des Widerstands”, sagte die palästinensische Journalistin Hebh Jamal in ihrer Eröffnungsrede auf der Konferenz.

Jamal wusste nicht, dass ihre Rede die einzige Rede sein würde, die über den geplanten Drei-Tage-Zeitplan gehalten werden würde.

Jamal bezog sich auf die aufgeladene öffentliche Atmosphäre, die den Kongress vorangetrieben hat. Seit Wochen, seit der Ankündigung der Veranstaltung arbeiten die deutschen Behörden, die Polizei und die Medien daran, dieses eine Ereignis zu verhindern.

Deutsche Medien nannten es unter anderem einen „Kongress der Israel-Hasser”, eine Konferenz von „Terror-Apologeten” und führten eine Verleumdungskampagne gegen die Redner durch. Politiker riefen auf, die Einreise für Redner auf der Konferenz zu verbieten, und der Berliner Senat kam dem Verbot sehr nahe.

Unabhängig davon hat die Regierung in den Wochen vor dem Kongress viele Schritte unternommen, um die Organisatoren unter Druck zu setzen und einzuschüchtern. Häuser von Aktivisten, die an der Konferenz beteiligt waren, wurden durchsucht und eine Spendenaktion für den Kongress verboten. Darüber hinaus haben laut den Organisatoren zwei Veranstaltungsorte die Veranstaltung aufgrund von Polizeidruck und Drohungen abgesagt, und die Berliner Behörden haben auch das Bankkonto der Jüdischen Stimme / Jewish Voice, einem der Organisatoren des Kongresses, eingefroren, wo alle Beiträge für die Veranstaltung gesammelt wurden.

Am Tag der Konferenz entsandte die Polizei 2.500 Polizisten in der Nähe des Veranstaltungsortes und in der Halle ein.

Die Polizei erlaubte nur 250 Teilnehmer an der Veranstaltung, von 800 Teilnehmern, die ihre Tickets im Voraus reserviert hatten. Und als wenn das nicht genug wäre, wurde Dr. Ghassan Abu-Sittah die Einreise nach Deutschland verweigert und nach Großbritannien zurückdeportiert. Er sollte am Abend auf dem Kongress über das sprechen, was er in Gaza erlebt hat.

Als die Veranstaltung kurz vor dem Beginn stand, wurden zwei Dutzend der feindlichen und antipalästinensischen Journalisten, die die Aufstachelungskampagne gegen die Konferenz geführt hatten, von der Polizei hereingelassen, obwohl sie nicht von den Kongressorganisatoren akkreditiert waren. Es sah aus wie ein Hinterhalt. Diese 25 waren auch in der offiziellen Mitarbeiterzahl enthalten, was bedeutete, dass 25 weniger registrierte Teilnehmer teilnehmen durften.

Nachdem die Konferenz begonnen hatte, waren alle erleichtert, dass „wir es trotz allem geschafft haben” – egal wie angespannt und unsicher sich die Menschen in der massiven Anwesenheit der Polizei im Inneren fühlten, begleitet von feindlichen Medienvertretern, die herumwanderten und Menschen filmten. Es gab ein kleines Gefühl des Sieges angesichts der letzten langen, anstrengenden und schrecklichen sechs Monate in einem Land, das die Trauer und Wut seiner palästinensischen Gemeinschaft nicht als legitim ansieht.

Dieser Moment des kleinen Sieges dauerte jedoch nicht lange.

Die deutsche Polizei hatte eine Mission für den Tag: diese Veranstaltung zu schließen. Sie warteten nur auf den richtigen Moment. Wenn es keinen richtigen Moment gäbe, würden sie einen schaffen.

Der nächste Redner nach dem Journalisten Heba Jamal war der renommierte palästinensische Gelehrte und Autor Salman Abu Sitta, der aus der Ferne durch ein vorab aufgezeichnetes Video teilnahm.

Zwei Minuten nach dem Video stürmten Dutzende von Polizisten plötzlich die Mitte der Halle vor dem Bildschirm und der Bühne und stoppten das Streaming.

Als die Polizei die Bühne des palästinensischen Kongresses stürmte, um die Veranstaltung zu stoppen, schrie ein Organisator: „Sie blamieren sich gerade, lassen Sie sie sich blamieren!” Alle nickten.

Die Polizei behauptete zuerst, dass Abu Sitta etwas gesagt habe, das zu Gewalt oder Hass anstiften würde. Als die Organisatoren sie baten, den Satz zu bestimmen, sagten sie, sie müssten es überprüfen. Sie wussten es nicht.

Danach behaupteten sie, dass Salman Abu Sitta von „politischen Aktivitäten” in Deutschland ausgeschlossen wurde. Für sie wurde diese Fernrede als Verstoß angesehen. Aber die Anwältin der Veranstaltung Nadja Samour erklärte, dass die Polizei die Teilnehmerliste am Morgen überprüft und nichts in Bezug auf Abu Sitta markiert habe. Die Organisatoren schlugen vor, dass sie den Rest der Rede von Abu Sitta nicht überprüfen, sondern mit dem Rest der Redner fortfahren.

Die Polizei wollte auch das Live-Streaming der Veranstaltung verhindern, aus der hypothetischen Angst, dass ein Redner etwas sagen könnte, das Anstiftung beinhalten könnte. Als die Organisatoren gegen eine solche hypothetische Annahme argumentierten, brach die Polizei in den E-Raum des Veranstaltungsortes ein und schaltete den Strom ab. Die Polizei beschloss dann, die gesamte Veranstaltung für die gesamten drei Tage zu verbieten, und befahl allen, den Veranstaltungsort zu evakuieren.

Als die Menschen anfingen, die Halle zu verlassen, verhaftete die Polizei mehrere Aktivisten, darunter zwei jüdische Aktivisten. Ja, in Deutschland gibt es nur eine Art von Juden, die als legitim angesehen wird: nämlich die, die kein Problem mit dem Völkermord an Israel haben.

Laut Samour teilte die Polizei den Organisatoren mit, dass der Befehl, die Konferenz zu schließen, von „ganz oben” („die Spitze”) kam. Sie sagte, obwohl sie das nicht bestätigen konnten, gab es eindeutig eine unterbrochene Kommunikation zwischen der Bundespolizei und der Berliner Polizei. Es ist unklar, woher die Entscheidung kam und wie und wann sie der Polizei vor Ort mitgeteilt wurde.

In einer Darstellung, welche die Position der meisten deutschen Politiker widerspiegelt, begrüßte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser das Verbot des Kongresses und sagte: „Es ist gut, dass die Berliner Polizei ein hartes Vorgehen gegen den sogenannten Palästina-Kongress in Berlin erklärt hat. Wir behalten die islamistische Szene sehr genau im Auge.”

Islamophobe und antipalästinensische Gefühle haben den öffentlichen Diskurs über Palästina hier in Deutschland vor dem 7. Oktober geprägt und sind nur noch schlimmer geworden. Polizeiliche Repression und hartes Durchgreifen sind ein normales Ereignis und nicht willkürlich.

Während die Organisatoren geschworen haben, die Entscheidung vor Gericht anzufechten, warnen sie, dass diese Repressionstaktiken darauf abzielen, die Bewegung zu erschöpfen.

„Wir wissen, dass die Welt zusieht und dass sie sehen, dass Deutschland seine antidemokratischen autoritären Tendenzen jeden Tag mehr und mehr zeigt”, sagen die Organisatoren des palästinensischen Kongresses.

„Für all die Energie, die durch diese Unterdrückung verbraucht und verschwendet und absorbiert wird, ist es das Wichtigste, weiterhin über den Völkermord zu sprechen”, sagte Wieland Hoban, Vorsitzender der Jewish Voice for Just Peace in the Middle East, einem Mitorganisator des Kongresses.

„Wir sind stolz darauf, heute hier zu sein, das ist bereits ein Sieg, und sie werden uns nicht aufhalten”, sagte Co-Organisatorin Karin de Rigo von der Gruppe DIEM25.

Am Samstag, dem 13. April – einen Tag, nachdem die Veranstaltung von der Polizei durchsucht und abgesagt wurde –, hielten die Kongressorganisatoren eine Pressekonferenz ab, um auf die schockierenden Ereignisse zu reagieren.

Sie stellten klar, dass das von der Polizei erlassene Verbot auch für jede alternative Veranstaltung gilt, die organisiert wird, um den Rednern einen Veranstaltungsort zu bieten – ob online oder persönlich.

„Was gestern passiert ist, sollte um die Welt gehen, Deutschland sollte beschämt und beschuldigt werden”, sagte der Filmemacher und Aktivist Dror Dayan auf der Pressekonferenz. Er forderte auch den kulturellen und akademischen Boykott Deutschlands.

Die Organisatoren stellten fest, dass sie immer noch keine schriftlichen Anordnungen erhalten hatten, in denen die ihnen von der Polizei mündlich auferlegten Einschränkungen aufgeführt sind.

„Das Verhalten der Polizei in den Wochen vor dem Ereignis und während des Ereignisses selbst ist kein Verhalten einer Polizei, das ist das Verhalten einer Mafia”, sagten die Organisatoren.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=113828

 

Claudius Prösser: „Anwalt Michael Plöse hat die VeranstalterInnen des „Palästina-Kongresses“ beraten. Den Abbruch durch die Polizei hält er für nicht grundrechtskonform.

taz: Herr Plöse, Sie gehören zu dem Kollektiv von AnwältInnen, das die VeranstalterInnen des „Palästina-Kongresses“ am Wochenende beraten hat. Der Kongress wurde von der Polizei aufgelöst. Können Sie noch einmal schildern, wie es dazu kam?

Michael Plöse: Bei dem Kongress handelte es sich um eine politische Versammlung in geschlossenen Räumen. Deshalb war sie im Gegensatz zu einer Versammlung unter freiem Himmel nicht anzeigepflichtig, und unsererseits bestand keine Notwendigkeit, die Polizei darüber zu informieren. Die hatte aber aus der Berichterstattung geschlossen, dass es zu einem Sicherheitsproblem kommen könnte, und die VeranstalterInnen zu einem Vorgespräch eingeladen.

Und das fand statt?

Das fand am Montag vergangener Woche statt – mit einem leitenden Polizeidirektor der Landespolizeidirektion, dem voraussichtlichen Einsatzleiter, jemandem vom Planungsstab und vom LKA, außerdem Vertretern vom Vorstand des Vereins „Jüdische Stimme“ und des Orgateams. Es war ein sehr höfliches, auf gegenseitiges Verständnis abzielendes Gespräch. Die Polizei hat uns klargemacht, dass sie vor Ort sein müsse, die VeranstalterInnen haben ihrerseits darum gebeten, dass die PolizistInnen im Raum erkennbar sein sollten. Sie teilten auch mit, welche Personen eingeladen sind und dass Redebeiträge von Auswärtigen abgespielt werden würden. Von uns wurde zugesichert, die eingeschickten Redebeiträge vorab auf mögliche strafbare Inhalte zu prüfen. Auf unsere Frage, ob es seitens des Verfassungsschutzes oder anderer Stellen Bedenken gegen den Kongress gebe, sagte die Polizei, sie habe dazu über die Medienberichterstattung hinaus keine Erkenntnisse. Bezüglich der Teilnehmenden sagten sie, sie würden sich noch einmal melden, wenn ihnen etwas auffalle. Das war nicht der Fall.

Eigentlich sollte die Versammlung über das Wochenende verteilt 650 Teilnehmenden Platz bieten, am Ende waren nur 250 erlaubt. Wie kam es dazu?

Als wir mitbekamen, dass die Polizei alle möglichen Säle prophylaktisch aufgesucht und die VermieterInnen befragt hatte, haben wir uns entschlossen, ihr den Ort am Donnerstag mitzuteilen und für den Freitag zu einer gemeinsamen Begehung einzuladen. Zu der erschienen auch das Bauamt und jemand von der Feuerwehr. Im Anschluss sagte der zuständige Polizeiführer, die geplante Personenzahl sei zu hoch bemessen, zur Wahrung der Sicherheit könnten nur 250 Personen in den Raum. Wir haben dann noch erreichen können, dass PolizistInnen nicht zu diesen 250 dazuzählen.

Halten Sie diese Reduzierung der Teilnehmerzahl für gerechtfertigt?

Na ja, wenn die Polizei dazu genötigt wird, ganz genau hinzugucken, macht sie das auch. Dann werden solche Räume nach Evakuierungsmöglichkeiten gecheckt, und dann kommt auch die Feuerwehr. Einer der Beamten sagte zu mir: Vor ein paar Jahren gab es mal einen Palästinakongress mit 5.000 Teilnehmern, da hat das keinen interessiert – aber in der aktuellen Lage stehen wir alle unter besonderer Beobachtung. Als bei Versammlungsbeginn kommuniziert wurde, dass nur begrenzt Platz im Saal ist, kam es zu einer spontan angemeldeten Demo vor dem Haus, die auch relativ unproblematisch stattfinden konnte. Allerdings hat die Polizei dann die Teilnehmenden separiert und nur schleusenartig vom Gelände gelassen, offenbar um zu verhindern, dass sie gemeinsam zu einem öffentlichen Streaming gehen.

Wie ging es im Saal weiter?

Als ich reinkam, wurde der Stream gerade unterbrochen, die Polizei hatte die Tür zum Technikraum durch Unbrauchbarmachung des Schlosses geöffnet, obwohl ihr der Schlüssel angeboten worden war, und den Strom abgestellt. Kurz davor hörten wir zum ersten Mal, dass der Redner Salman Abu Sitta, dessen Beitrag als Videoaufzeichnung abgespielt wurde, einem Betätigungsverbot unterliege – was wir nicht wussten und was er nicht wusste. Wir haben dann angeboten, den Beitrag zu überspringen und die Aufzeichnung der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung vorzulegen. Unser Ziel war es, das Grußwort später noch abspielen zu können, wenn auch von behördlicher Seite keine strafbaren Inhalte festgestellt werden. Ein anwesender Staatsanwalt hatte dem Polizeiführer im Übrigen bestätigt, dass er keine strafbaren Aussagen vernommen habe.

Ist das Betätigungsverbot auf das Abspielen eines Videos anwendbar?

Ein Betätigungsverbot ist eine Maßnahme, die im Aufenthaltsrecht geregelt ist. Es gibt dazu eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, dass das Abspielen von Audios oder Videos von Personen nicht von einem Betätigungsverbot betroffen ist, wenn sich die Person nicht in Deutschland aufhält. Das hat meine Kollegin Nadija Samour dem Verbindungsbeamten der Polizei versucht zu erklären. Der war damit natürlich überfordert und sagte nur, er gebe es weiter. Dann hieß es auf einmal, auch das Streamen der Veranstaltung sei ein Problem: Wenn es zu einer Meinungsäußerung mit strafbarem Inhalt komme, wie dem Werben für eine verbotene Vereinigung oder Volksverhetzung, sei der Verbreitungsgrad deutlich größer.

Von der Polizei war zu hören, das Betätigungsverbot für den Redner habe den VeranstalterInnen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht im Vorfeld mitgeteilt werden dürfen.

Das ist in etwa dasselbe Argument, wenn Sie die Polizei bei einer Festnahme beobachten wollen, damit der betroffenen Person nichts passiert – und dann heißt es: Aus Datenschutzgründen dürfen sie leider nicht zusehen. Dieses Argument ist im Nachhinein aufgetaucht, so etwas denken sich Leute am Schreibtisch aus, kein Polizeiführer würde das in der Situation vorbringen. Wäre das Verbot der Polizei bekannt gewesen, wäre es mit Sicherheit auch Gegenstand der gemeinsamen Gespräche gewesen. Ich gehe stark davon aus, dass das in letzter Sekunde auf politischen Druck durch die Behördenleitung angewiesen wurde.

Wie haben Sie auf das Verbot des Streams reagiert?

Die VeranstalterInnen haben unter Protest akzeptiert, den Kongress ohne den Stream fortzuführen, woraufhin der aus Duisburg angereiste Polizeiführer im Saal erleichtert nickte. Ich bin dann zusammen mit dem Verbindungsbeamten der Polizei NRW zum Berliner Abschnittsleiter gegangen. Und nachdem dieser noch fünf Minuten vorher ganz höflich gesagt hatte, das klinge doch nach einem guten Plan, musste er nun mitteilen: Es wird Ihnen nicht gefallen, aber der Gesamteinsatzleiter hat entschieden, dass die Forstsetzung der Versammlung verboten wird.

Haben Sie mit dem Einsatzleiter selbst auch gesprochen?

Ja, das war Stephan Katte. Seine Begründung: Wenn jemand mit einem Betätigungsverbot rede, sei das ein starkes Indiz dafür, dass problematische Äußerungen im weiteren Verlauf der Versammlung fallen könnten – und auch wenn sie bisher nicht gefallen seien, sei er nicht gewillt, das abzuwarten. Dabei räumte er ein, dass er wusste, dass uns das Betätigungsverbot nicht bekannt war und es bislang zu keiner strafbaren Handlung gekommen war.

Die Begründungen für den Abbruch eskalierten quasi, obwohl Sie sich auf entsprechende Maßnahmen eingelassen haben?

Ja. Ich gehe davon aus, dass die Behörde relativ kurzfristig mit neuen Sachverhalten konfrontiert wurde und mit konkreten Erwartungen, was sie umzusetzen haben. Wir hatten den Eindruck, dass da auch der Einsatzleitung immer wieder neue Dinge mitgeteilt wurden, die ihr vorher nicht bekannt waren, die sie aber sofort durchsetzen sollte. Das gilt auch für die Betätigungs- oder für Kontaktverbote des Landesamts für Einwanderung, die für bestimmte Teilnehmende des Kongresses nach dessen Beginn ausgesprochen wurden. Danach sollte ein Teilnehmer auch bei bestimmten Personen nicht übernachten dürfen.

Ziemlich drakonische Maßnahmen.

Ich bin total sprachlos. Die Polizei war es aber teilweise auch. Man sah regelrecht die Ambivalenz bei ihnen: Teilweise entschuldigten sie sich für den Ablauf der Dinge, kommunizierten uns aber, dass sie das eben machen müssten.

Gab es die politische Weisung, dass der Kongress auf jeden Fall beendet werden sollte?

Es gab in jedem Fall eine politische Erwartung, das war doch den Medien deutlich zu entnehmen. Die Innensenatorin, aber auch die Bundesinnenministerin haben klargemacht, dass sie ein rigoroses Vorgehen erwarten. Daraus ergibt sich, dass die entscheidenden Beamten an der kurzen Leine gehalten wurden. Für mich ist offensichtlich, dass der zuständige Polizeidirektor mit einer abweichenden Entscheidung karrieretechnisch einen Fehler begangen hätte. Hätte er grundrechtskonform entschieden und die Versammlung weiterlaufen lassen, hätte er den in ihn gesetzten Erwartungen nicht entsprochen und Schlagzeilen provoziert, dass die Polizei Antisemiten schützt. Dass es sich um einen „Israelhasser-Kongress“ handelt, war ja vorher schon überall zu lesen. Er hat also ohne einschlägige Rechtsgrundlage entschieden und mildere Maßnahmen verworfen.

Welche denn?

Die Polizei hätte beispielsweise gegen Personen, von denen sie annimmt, dass sie strafbare Äußerungen tätigen könnten, ein Redeverbot in der Versammlung aussprechen können.

Werden Sie jetzt Rechtsmittel einlegen?

Wir hatten am Freitag Widerspruch eingelegt, der ist mit Ende der geplanten Dauer des Kongresses hinfällig geworden. Jetzt ist nur der Gang vor das Verwaltungsgericht möglich, um nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung zu überprüfen. Wir als AnwältInnen empfehlen das, und es wird auch vorbereitet.

Was würden Sie nach dieser Erfahrung einer Gruppe raten, die eine Versammlung plant, sich aber – aus welchen Gründen auch immer – im Visier der Politik befindet?

In der Situation hat die Polizei die Macht: Sie kann auch rechtswidrige Anordnungen treffen, und die müssen befolgt werden, weil sie sofort wirksam sind. Je später sie getroffen werden, desto weniger Möglichkeiten gibt es für den Rechtsschutz. Ich kann nur empfehlen, sich von so etwas nicht abschrecken zu lassen, sondern dafür zu kämpfen, dass Meinungsäußerungen – solange sie nicht strafbar sind – in dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung weiterhin ihren Platz haben. Und ich hoffe, dass die Polizei als Institution durch die Gerichte zumindest nachträglich so zurechtgewiesen wird, dass sie sich bei künftigen Einsätzen daran orientiert und politische Erwartungen unter Hinweis auf die bestehende Rechtsprechung zurückweisen kann. Das erwarte ich auch von ihr: Die Taktik hat dem Recht zu folgen, nicht umgekehrt.“

https://taz.de/Jurist-ueber-Palaestina-Kongress/!6004427/

 

Ghassan Abu Sitta und Salman Abu Sitta

 

Karin Leukefeld: „„Ich bin Dr. Ghassan Abu Sitta. Ich komme gerade aus Deutschland zurück, wo man mir die Einreise verweigert hat. Ich wollte an einer Konferenz in Deutschland teilnehmen, um über den Krieg in Gaza zu sprechen. Ich sollte als Zeuge über meine Arbeit als Arzt sprechen, der in den Krankenhäusern in Gaza gearbeitet hat.“ Ghassan Abu Sitta sitzt in einem Auto, das ihn vom Flughafen abgeholt hat. Es ist Freitag gegen Abend, der 12. April 2024. In der Hand hält der Arzt ein Mikrophon von Middle East Eye (MEE), einem in England ansässigen Internetportal, das in englischer und französischer Sprache Nachrichten über den Nahen und Mittleren Osten veröffentlicht. Ruhig und überlegt berichtet der Arzt, was ihm am Berliner Flughafen widerfahren ist, eindringlich blicken seine Augen durch die großen, dunkel gerahmten Brillengläser.

„Heute Morgen um 10.00 Uhr landete ich in Berlin, um an einer Konferenz zu Palästina teilzunehmen. Wie viele andere aus Großbritannien (UK), den USA und Europa war ich gefragt worden, dort über die 43 Tage zu berichten, die ich in Krankenhäusern in Gaza verbracht habe. Ich habe dort sowohl im Shifa-, als auch im Ahli-Krankenhaus gearbeitet. Bei meiner Ankunft wurde ich an der Passkontrolle gestoppt. Dann hat man mich in den Keller des Flughafens gebracht, wo ich 3,5 Stunden befragt wurde.

Am Ende dieser 3,5 Stunden sagte man mir, ich dürfe deutschen Boden nicht betreten. Dieses Verbot gelte für den gesamten April. Aber nicht nur das. Sollte ich versuchen, mich per Zoom oder FaceTime mit der Konferenz in Verbindung zu setzen, selbst wenn ich außerhalb von Deutschland sei, oder sollte ich ein Video mit meinem Vortrag an die Berliner Konferenz senden, sei das ein Vergehen gegen deutsches Recht. Ich liefe Gefahr, eine Geldstrafe zu erhalten oder bis zu einem Jahr im Gefängnis zu landen. Dann sagte man mir, ich solle einen Rückflug nach England buchen. Mein Pass wurde mir abgenommen und ich erhielt ihn erst zurück, als ich das Flugzeug bestieg.“

Der Mann, Ghassan Abu Sitta, dem die deutschen Behörden die Einreise verweigerten, der nicht einmal per Internet mit dem Palästina-Kongress Kontakt aufnehmen sollte, zu dem er als Redner eingeladen war, ist Chirurg und auf plastische Chirurgie spezialisiert. Als Freiwilliger für Medecins sans Frontiere (MSF) ist Abu Sitta bereits auf vielen Kriegsschauplätzen im Einsatz gewesen. In Gaza war er bei den Angriffen der israelischen Armee 2009, 2014, 2021 und zuletzt wieder nach Beginn des Krieges am 7. Oktober 2023 tätig.

43 Tage arbeitete Ghassan Abu Sitta zunächst im Shifa-Krankenhaus in Gaza Stadt und im Ahli-Krankenhaus, auch bekannt als das „Englische Krankenhaus“ oder das „Baptistenkrankenhaus“, das älteste Krankenhaus im Gazastreifen. Gegründet wurde es 1882 von Quäkern, als Gaza und arabische Gebiete zum Osmanischen Reich gehörten. Unter dem britischen Mandat wurde die Klinik von den Engländern übernommen und wird heute vom Ökumenischen Rat der Kirchen – World Council of Churches – zusammen mit der Anglikanischen Kirche in Großbritannien geleitet.

Ghassan Abu Sitta ist Palästinenser mit britischer Staatsangehörigkeit. Er lebt und arbeitet in Großbritannien und wurde erst kürzlich zum Direktor der Universität Glasgow gewählt. Seine Familie wurde 1948 – im Zuge der Nakba – aus Palästina vertrieben. Sein Onkel Salman Abu Sitta, bekannt für seine Dokumentation von Palästina und Vorschläge für eine Rückkehr der Palästinenser, war damals 10 Jahre alt.

Das Verständnis von Dr. Ghassan als Arzt basiert, wie er es selbst beschreibt, auf der „palästinensischen Erfahrung, dass Gesundheit und der Akt der Befreiung in Beziehung zueinander stehen“. Dabei gehe es „sowohl um die Befreiung der Menschen als auch um die Befreiung ihres Landes“, sagt der Arzt nach seiner Rückkehr aus Gaza Anfang Dezember 2023 bei einem Vortrag in Beirut.

Schon am Abend des 7. Oktober sei ihm klar gewesen, dass ein „fürchterlicher Krieg“ bevorstand. Im Gespräch mit seiner Frau sei schnell klar gewesen, dass sein Platz in Gaza sei. Kollegen von MSF hätten ihm ein Flugticket nach Kairo (Ägypten) besorgt und am 9. Oktober sei er in Rafah gewesen, auf dem Weg nach Gaza Stadt. Am Dienstagmorgen (10.10.2023) sei er vom Haus seiner Cousins zum Shifa-Krankenhaus aufgebrochen. In den folgenden 43 Tagen habe er in vielen Krankenhäusern im Norden, im Jabiliya-Flüchtlingslager und immer wieder im Shifa-Krankenhaus gearbeitet.

„Sehr schnell war klar, dass dieses kein Krieg wie die vorherigen war“, so Dr. Ghassan. „Die ungeheure Wucht des Angriffs, (…) ganze Wohnviertel verschwanden. Erst in einem Feuerball, dann in einer Staubwolke, dann waren die Wohnviertel Trümmer. In den folgenden Tagen wurde klar, was die unglaubliche Zahl von Verletzten und Toten täglich bedeuteten. Dieser Krieg war ein Völkermord, kein Krieg mit militärischen Zielen.“ In den Kriegen, in denen er gearbeitet habe, habe er gelernt, „den Krieg durch die Verletzungen der Patienten zu verstehen“ und auch „die Waffen zu erkennen“, die diese Verletzungen auslösten. In der ersten Angriffswelle wurden Brandbomben eingesetzt und Hunderte von Verletzten wurden mit schweren Brandverletzungen eingeliefert, „50 bis 60 Prozent ihrer Körper waren verbrannt“. Dann kam eine Welle, in der ganze Familien, mehrere Generationen einer Familie durch die Bombardierung ihrer Häuser verschwanden. Einzelne Kinder wurden in den Kliniken eingeliefert, die als einzige Überlebende von ausgelöschten Familien übriggeblieben waren. „Dann wurden Kollegen von uns getötet“, so Dr. Ghassan, oft mit ihren ganzen Familien.

Die Angriffe waren so intensiv, dass sie wie eine Vorführung wirkten. „Der Krieg wurde in einer Art und Weise geführt, dass es wie eine Zurschaustellung war. Die Israelis wollten klarmachen und geradezu exhibitionistisch allen zeigen, dass es für sie keine Rote Linie gab. Die Roten Linien, von denen man dachte, es gäbe sie in allen Kriegen, würden sie zertreten.“

Bald waren die Kapazitäten des Shifa-Krankenhauses überfordert, berichtet Dr. Ghassan Anfang Dezember in Beirut. Patienten seien in das Ahli-Hospital gebracht worden, um sie dort zu operieren. In Absprache mit Kollegen sei er am Morgen des 17. Oktober dorthin gegangen, um zu operieren. Wie das Shifa-Krankenhaus sei auch das Ahli-Krankenhaus ein Flüchtlingslager geworden. Alle dachten, das Ahli-Krankenhaus sei sicher, vor allem wegen der Verbindung zur englischen Anglikanischen Kirche.

Weil so viele Operationen anstanden und er bis spät am Abend operieren musste, habe er entschieden, über Nacht im Ahli-Krankenhaus zu bleiben. In der Nacht zwischen zwei Operationen hörten sie das Geräusch einer sich nähernden Rakete, die dann in unmittelbarer Nähe einschlug. Es folgte eine große Explosion. „Die Druckwelle war so stark, dass die Decke des Operationssaals einstürzte“, so Dr. Ghassan. Ihm sei klar gewesen, dass das Krankenhaus direkt getroffen worden war. Als er ins Freie kam, bot sich dort, wo Familien Schutz gesucht hatten, ein Bild der Verwüstung: „Die Rettungswagen brannten, die Autos brannten. Das Feuer erleuchtete den Hof der Klinik, der mit Körpern übersät war und mit Körperteilen. Es war offensichtlich, dass der Einschlag direkt dort war, wo die Menschen gesessen hatten.“ In all den Jahren, die er in Kriegsgebieten gearbeitet habe, sei er nie in einem Krankenhaus gewesen, das direkt getroffen worden sei, sagt Dr. Ghassan. Doch keine Journalisten hätten mit dem Personal gesprochen, um zu berichten, was geschehen war.

Die Rakete, die eingeschlagen war, sei anders gewesen als vorherige Raketen, so der Arzt weiter. Die Art der Verletzungen wiesen auf eine Hellfire-Rakete hin, wie sie auch von Drohnen abgefeuert werden könnten. Man nenne sie „Ninja“. Die Munition zerspringe in Scheiben, die die menschlichen Körper an vielen Stellen durchdringen könnten. Unzählige Amputationen an den Verletzten mussten vorgenommen werden, die Patienten hätten im ganzen Körper Metallsplitter gehabt. „Am Ende der Nacht hatten wir 483 Tote gezählt“, sagt Dr. Ghassan.

Ihm sei klargeworden, dass das Ahli-Krankenhaus speziell und absichtlich angegriffen worden sei. Noch am Morgen sei ihnen von der Verwaltung versichert worden, dass die Klinik sicher sei, obwohl die israelische Armee bereits zwei Raketen auf den Eingangsbereich zu dem Klinikgelände gefeuert hatte. Doch man habe die Versicherung des Bischofs in Großbritannien erhalten, der wiederum die Versicherung des britischen Außenministeriums hatte, dass das Ahli-Krankenhaus sicher sei.

Tatsächlich sei die Auswahl des Krankenhauses ein Lackmustest gewesen, so Dr. Ghassan. Die Israelis wollten die Entschlossenheit der Welt testen. Sie wollten sehen, welche Antwort es geben würde, wenn dieses hochrangige Krankenhaus angegriffen würde. Die Reaktion sei so schwach gewesen, dass die Israelis die Antwort erhielten, die sie wollten, so der Arzt. „Innerhalb von Tagen begannen sie, das Gesundheitssystem im Norden von Gaza zu zerstören.“

Vier Monate später wollte der Arzt seine Erfahrungen aus dem Gazakrieg und seine Berichte über den Krieg in Gaza auf dem Palästina-Kongress in Berlin vortragen. Die Einreise wurde ihm verboten.

Seine kurze Stellungnahme gegenüber dem Nachrichtenportal Middle East Eye (MEE) beendet Dr. Ghassan nach seiner erzwungenen Rückkehr aus Berlin (12.04.2024) mit dem Hinweis, dass Deutschland sich heute gegen den Vorwurf verteidigen müsse, Mitschuldiger in dem völkermörderischen Krieg in Gaza zu sein. So beschreibe der Internationale Gerichtshof das dortige Geschehen. Und Deutschland verhalte sich so, wie sich ein Mittäter eines Verbrechens verhalte: „Sie begraben die Beweise und sie bringen die Zeugen zum Schweigen, verfolgen sie oder schüchtern sie ein.“ Dann verweist er auf Hannah Arendt, die 1958 in ihrem ersten Vortrag, den sie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg gehalten habe, sagte, man vermenschliche das Geschehen in der Welt und das, was in den Menschen selbst vor sich gehe, indem man darüber spreche.

„Und indem wir darüber sprechen, lernen wir, menschlich zu sein.“

Die freie Rede zu verhindern, sei ein gefährliches Beispiel, weil das, was in Gaza geschehe, ein gefährlicher Vorgang sei, so Ghassan Abu Sitta. „Wir sehen, wie sich der erste Völkermord im 21. Jahrhundert entfaltet. Dass Deutschland Zeugen dieses Völkermordes zum Schweigen bringt, verheißt für das vor uns liegende Jahrhundert nichts Gutes.““

https://www.nachdenkseiten.de/?p=113863

 

Karin Leukefeld: „Nach Deutschland haben auch die französischen Grenzbehörden dem Chirurgen die Einreise verweigert. Abu Sitta war auf Einladung des französischen Senats am frühen Samstagmorgen (4. Mai 2024) auf dem Flughafen Charles De Gaulles (CDG) in Paris gelandet, um vor dem Gremium über seine Erfahrungen als Arzt im jüngsten Gaza-Krieg zu berichten.

Der erfahrene Arzt hatte im Oktober/November 2023 43 Tage lang in Gaza gearbeitet und war von Abgeordneten der französischen Grünen eingeladen worden, unter dem Thema „Das Völkerrecht und der Krieg in Gaza“ Zeugnis abzulegen. Eingeladen waren Mediziner, Journalisten und Völkerrechtler mit Arbeitserfahrungen in Gaza.

Über X (vormals Twitter) teilte Abu Sitta vom Flughafen CDG mit, er dürfe nicht einreisen, weil die deutsche Regierung ihm für ein Jahr ein Einreiseverbot nach Europa in den Schengen-Raum erteilt habe. Er werde in einem Wartebereich festgehalten und solle deportiert werden. Die Grünen-Senatorin Raymonde Poncet Monge, die den Arzt eingeladen hatte, bezeichnete den Vorgang als „Schande“.

Vergeblich protestierten die grünen Senatoren bei Außen- und Innenministerium in Paris, niemand reagierte. Eingeschaltete Anwälte konnten den Grünen schließlich einen Link übermitteln, mit dem Dr. Ghassan per Video zu dem Symposium zugeschaltet werden konnte.

Die Nachrichtenagentur AP erfuhr von einem namentlich nicht genannten „französischen Beamten“, das Einreiseverbot gehe auf eine Anordnung Deutschlands zurück. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sagte der „Beamte“, Berlin habe beantragt, dass Abu Sitta für mindestens ein Jahr in kein Land des Schengen-Bereichs einreisen dürfe.

„Wie kann Deutschland im gesamten Schengen-Raum Einreiseverbote verhängen?“, reagierte Raymonde Poncet Monge gegenüber Le Monde auf die Anordnung. Mathilde Panot, Abgeordnete der Französischen Nationalversammlung, schrieb auf X (vormals Twitter):

„Macrons Frankreich ist eine Schande für uns. Ghassan Abu Sitta MUSS nach Frankreich kommen und Zeugnis von den Gräueln ablegen können, die er in Gaza gesehen und erlebt hat“.

Die französische Tageszeitung Liberation ging dem Einreiseverbot ausführlich nach und berichtete noch am gleichen Tag, dass die Mitgliedsstaaten der Schengen-Vereinbarung Personen, die aus einem dritten Staat kommen, die Einreise in den Schengen-Raum verweigern könnten.

Möglich sei das laut Schengener Einreisekodex, wenn sie eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten“ darstellen. Zudem müsse eine „Ausschreibung zur Einreiseverweigerung“ in den nationalen Datenbanken der Mitgliedsstaaten vorliegen.

Der „ausschreibende Mitgliedsstaat“ – in diesem Fall Deutschland – müsse Informationen wie Identität, Fingerabdrücke, besondere körperliche Merkmale und die Gründe für die Ausschreibung in der Datenbank mitteilen. „Gemäß der EU-Verordnung über dieses Informationssystem wird die Entscheidung über die Ausschreibung „von den zuständigen Verwaltungsbehörden oder Gerichten […] auf der Grundlage einer individuellen Bewertung getroffen“, so Liberation.

Aus französischen Regierungskreisen sei der Zeitung mitgeteilt worden, man habe aufgrund des deutschen Einreiseverbots in das europäische Hoheitsgebiet „keinen Handlungsspielraum gehabt“. Die Grenzbehörden hätten lediglich „das europäische Recht und den Schengen-Grenzkodex angewendet“.

Nach „eigenen Informationen“ habe Liberation zudem erfahren, dass Ghassan Abu Sitta von Deutschland „wegen Verherrlichung des Terrorismus, Radikalisierung und Antisemitismus zur Einreise in den Schengen-Raum für ein Jahr ausgeschrieben“ worden sei. Man habe beim deutschen Außen- und Innenministerium in Berlin nachgefragt und sei „an die deutsche Polizei weitergeleitet“ worden. Eine Antwort läge zu dem Zeitpunkt nicht vor.

Die Berliner Tageszeitung taz schrieb unter Verweis auf namentlich nicht genannte „Kritiker“, der Arzt stehe der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) nahe, die in der EU seit 2023 als „Terrororganisation“ gelistet sei. Er habe auf der Beerdigung eines verstorbenen PFLP-Gründers gesprochen.

Am 12. April 2024 war Ghassan Abu Sitta am Berliner Flughafen die Einreise verweigert worden, als er an der später verbotenen und aufgelösten Palästina-Konferenz teilnehmen wollte.

Die Gründe des Einreiseverbots waren damals von deutschen Behörden laut AFP unter Berufung auf „deutsche Sicherheitsbehörden“ ausgesprochen worden, „um antisemitische und antiisraelische Propaganda auf der Veranstaltung zu verhindern“. Ghassan Abu Sitta allerdings war bei stundenlangen Verhören mitgeteilt worden, er dürfe aus Gründen der „Sicherheit der Konferenzteilnehmer und der öffentlichen Ordnung“ nicht einreisen. Auch eine Videoschaltung zu dem Berliner Kongress – selbst aus dem Ausland – sei ihm bei Androhung von Strafe untersagt worden. Auch dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis (DIEM25), der ebenfalls auf der Palästina-Konferenz sprechen sollte, war die Einreise verweigert worden. Sowohl Varoufakis als auch Abu Sitta wehren sich rechtlich gegen die Einreiseverbote.

Hintergrund der Einreiseverbote gegen Ghassan Abu Sitta dürften die engen deutsch-israelischen Beziehungen sein, die nicht nur in der „deutschen Staatsräson“ und in Form von Waffenlieferungen, sondern auch in zahlreichen Initiativen und Organisationen deutlich werden. Wenige Tage vor dem Palästina-Kongress in Berlin (12. April 2024) hatte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, im Berliner Sender Antenne Brandenburg RBB (ARD) ein Einreiseverbot für Salman Abu Sitta gefordert, einen international bekannten Ingenieur, Autor, Historiker und Anwalt für die Sache der Palästinenser. Salman Abu Sitta ist ein Onkel von Ghassan Abu Sitta und wurde 1948 aus seiner palästinensischen Heimat im Zuge der Nakba (Katastrophe) vertrieben.

Felix Klein begründete sein Ansinnen mit einer angeblichen Aussage des 86-Jährigen, wonach er „an dem Überfall der Hamas teilgenommen hätte, wenn er jünger gewesen wäre“. Tatsächlich hatte Abu Sitta auf seinem Blog geschrieben: „Ja, ich hätte einer derjenigen sein können, die durch den Zaun brachen, wenn ich noch jünger wäre und immer noch im Konzentrationslager Gazastreifen leben müsste”, wie Helga Baumgarten in ihrer Würdigung Salman Abu Sittas auf den NachDenkSeiten klarstellt. Und zur Verwendung des Begriffs „Konzentrationslager“ erklärte er, die Palästinenser seien nicht nur 1948 vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht worden: „Sie wurden immer wieder in ihren Lagern im Exil angegriffen: 1953, 1956, 1967, 1971 und 1987, seit 2006 schließlich und bis heute mit grausamer Regelmäßigkeit.“

Klein forderte in dem RBB-Gespräch auch, die Gemeinnützigkeit des in Berlin ansässigen Vereins „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost” zu überprüfen, der den Palästina-Kongress mit vorbereitet hatte. In vorauseilendem Gehorsam hatte die Berliner Sparkasse dem Verein bereits am 25. März 2024 das Konto gesperrt, wie Michaela Reisin, Mitbegründerin der „Jüdischen Stimme“, auf dem Berliner Ostermarsch am 1. April mitteilte.

Der Antisemitismusbeauftragte hatte in dem RBB-Gespräch erklärt, die „Jüdische Stimme“ verbreite „antisemitische und israelfeindliche Narrative“ und gehöre zu einem „israelfeindlichen Boykottspektrum“. Gemeint ist die internationale Kampagne zum Boykott Israels, die „inspiriert vom Kampf der SüdafrikanerInnen gegen die Apartheid“ im Juli 2005 gestartet wurde. Die von 170 palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen getragene Kampagne ruft zu „Boykott, Desinvestition und Sanktion gegen Israel auf, bis das Land internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt“. Der Aufruf sei eine „Antwort auf das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft, die den Völker- und Menschenrechtsverletzungen durch Israel tatenlos zusieht, so dass sie weiterhin straflos bleiben“.

„Die Festung Europa bringt Zeugen zum Schweigen, während Israel sein Vorgehen straffrei fortsetzen kann“, kommentierte Ghassan Abu Sitta das von Deutschland initiierte Einreiseverbot, als er auf dem Flughafen CDG in Paris gestoppt wurde. Der Arzt verfügt über drei Jahrzehnte Erfahrungen und ist seit Anfang des Jahres Rektor der Universität von Glasgow, wo er selbst auch studiert hat. Er arbeitete in freiwilligen Einsätzen in zwölf Krisen- und Konfliktgebieten im Mittleren Osten, wo er örtliche Kliniken und Ärzte unterstützte.

Nach seiner Rückkehr aus dem Gaza-Krieg Ende 2023 legte er bei der britischen Polizei Zeugnis über das von ihm Erlebte in den Krankenhäusern Al Shifa und Al Ahli ab. Er beschrieb die Todesursachen, die Art der Waffen, die eingesetzt wurden, und legte auch beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Zeugnis ab. Dort läuft aktuell ein Verfahren von Südafrika gegen Israel wegen des Verdachts auf einen Völkermord an den Palästinensern und Kriegsverbrechen. Das Gericht wird auch die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen möglicher Unterstützung Israels in dem Krieg durch Waffenlieferungen behandeln. Eine Eilentscheidung in der Sache hatte das Gericht allerdings abgelehnt.

Die Zahl der durch den Krieg seit dem 7. Oktober 2023 getöteten Palästinenser wird von den palästinensischen Behörden im Gazastreifen mit 34.654 angegeben, 77.908 Personen wurden verletzt. Diese Zahlen steigen täglich. Mehr als 7.000 Menschen werden unter den Trümmern vermisst. Zwei Drittel der Toten sind Kinder und Frauen. Im Norden des Gazastreifens herrscht nach Angaben des Welternährungsprogramms eine Hungersnot. (Quellen: npr.org, reuters.com)

Am vergangenen Wochenende (4. Mai 2024) wurden die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas in Kairo abgebrochen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte erklärt, Israel werde mit und ohne Verhandlungsergebnis die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens angreifen. Die Armeeführung hat den Plan genehmigt.

Am Sonntag (5. Mai 2024) wurde der Nachrichtensender Al Jazeera in Israel und den von Israel kontrollierten besetzten palästinensischen Gebieten abgeschaltet.

Bei einem Angriff aus dem südlichen Gazastreifen (Sonntag, 5. Mai 2024) auf einen Stützpunkt der israelischen Armee unweit des Grenzübergangs Kerem Shalom hat Israel die Abfertigung von Hilfstransporten über den Grenzübergang gestoppt und den Durchgang geschlossen.

Am Montagmorgen (6. Mai 2024) warf die israelische Armee (IDF) Flugblätter über Rafah ab und forderte die Bevölkerung auf, den Osten der Stadt zu verlassen, da ein IDF-Angriff bevorstehe. Die Menschen sollten sich in eine Zeltstadt an der Küste begeben, wo sie mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt würden.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=114849

 

Helga Baumgarten: „Die Berliner Polizei und die Berliner Presse haben Dr. Salman Abu Sitta zum absoluten Bösewicht abgestempelt. Seit dem abgebrochenen Palästina-Kongress vom 12. April kann man seinen Namen kaum mehr nennen. Damit ist er zum Terroristen No. 1 geworden, mehr noch als sein Neffe, Dr. Ghassan Abu Sitta, dem am Berliner Flughafen die Einreise verweigert wurde und mehr noch als Yanis Varoufakis, ehemaliger griechischer Finanz-Minister. Alle drei haben seitdem ein „Betätigungsverbot“ in Deutschland. Sie dürfen nicht nach Deutschland einreisen, z.B. um dort an Konferenzen teilzunehmen, nicht mal live über Zoom oder über ein zugeschicktes Video.

Das von Dr. Salman Abu Sitta an die Veranstalter geschickte Video spielte gerade wenige Minuten, als die Polizei einschritt, das Video stoppte, den Strom abstellte und schließlich den ganzen Kongress verbot.

Wer ist dieser „berühmt-berüchtigte“ Salman Abu Sitta?

Im Januar 2022 hat er an der American University of Beirut (AUB) ein neues Zentrum eröffnen können, das „Palestine Land Studies Center“ (PLSC). In diesem Zentrum sind alle dokumentarischen Materialien – regelrechte Schätze für jeden Historiker! – zu finden und zu benutzen, die Salman seit Anfang der Sechzigerjahre zusammengetragen hat. Dazu gehören unter anderem

- Atlanten von Palästina, einmal 1917-1966 (2004), dann von 1871-1877 (2020)

Beide basieren auf Kartenmaterial, das Abu Sitta weltweit aufgestöbert und akribisch gesammelt hat.

- 2.000 Karten von Palästina in den letzten 200 Jahren mit 55.000 Ortsnamen des Volkes, das angeblich gar nicht in Palästina lebt bzw. gelebt hat.

- 5.000 Luftaufnahmen, von der kolonialen „Mandatsmacht“ Großbritannien kurz vor ihrem Abzug aus Palästina 1948 angefertigt

- 300 Luftaufnahmen der deutschen Luftwaffe aus dem ersten Weltkrieg

- 500.000 UN-Dokumente zum palästinensischen Landbesitz in Palästina – im Jahr 1948, als Israel gegründet wurde: 94 Prozent des gesamten Landes.

- Dokumente des Internationalen Roten Kreuzes zu Palästina/Israel 1948 – 1950.

- Archive der Quäker zu Palästina zu den Jahren 1948-1950. Die Quäker waren übrigens die Ersten, die in Gaza Flüchtlingslager gebaut haben.

- Karten und Details aller israelischen Massaker von 1948 mit relevanten zeitgenössischen israelischen Berichten und Erinnerungen (mit der Hilfe israelischer Linker, z.B. Uri Davis, Tikva Parnass und andere mehr zusammengetragen und übersetzt).

Es würde den Rahmen dieses kleinen Beitrags sprengen, wenn ich jedes einzelne Detail dieser unschätzbar wertvollen Dokumente, die jetzt an der AUB, der American University of Beirut, zu finden sind, aufzählen würde.

Der Grund liegt im Jahr 1948, dem Jahr der Nakba (der historischen Katastrophe für die Palästinenser), als die zionistischen bewaffneten Verbände und ab Mai die israelische Armee fast eine dreiviertel Million Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben. Abu Sitta erlebte als zehnjähriger Junge diese Katastrophe von 1948 am eigenen Leib. Er schreibt darüber in seinem Buch „Mapping My Return. A Palestinian Memoir“.

Die Familie wurde auf ihrem Land, „Ma’in Abu Sitta“, süd-östlich vom Gazastreifen von der Haganah angegriffen, die mit 24 Jeeps und Panzern angerückt war. Alles wurde ausnahmslos zerstört und verbrannt, angefangen von der Schule, die der Vater 1920 hatte bauen lassen, bis hin zum Wohnhaus. Alles Verwertbare, von Motoren über Ausrüstung der Mühle bis hin zu Wasserpumpen aus dem Brunnen, wurde gestohlen. Wer der Haganah in den Weg kam, wurde, wie Salman schreibt, erschossen.

„Am Tag, als Ben Gurion den Staat (Israel) ausrief, wurde ich zum Flüchtling. Wir wurden in das Gefängnis mit dem Namen Gazastreifen vertrieben, 4 km entfernt von unserem Zuhause.“

Salman Abu Sittas Familie stammt also aus dem beduinischen Süden. Sein Vater, Scheich Hussein Abu Sitta, hatte dort eine wichtige Führungsposition. Er war offen für Entwicklung und Modernisierung und baute, wie schon erwähnt, 1920 in Eigeninitiative die erste Schule in der Region. Selbst die Lehrer bezahlte er anfangs aus der eigenen Tasche.

Einen Eindruck vom sozioökonomischen Standard der Abu Sitta Familie vermittelt die Beschreibung eines israelischen Offiziers 1948, die Uri Davis 2008 in einem Artikel wiedergegeben hat:

„Wir betraten das Haus der Abu Sittas und waren bass erstaunt: in der Mitte der Wüste unglaublicher Reichtum: luxuriöse Möbel, orientalische und europäische Kleidung, ein Radio, ein Lastwagen, ein wunderschönes Beduinenschwert aus Silber, ein großes und wichtiges Archiv von Photographien und Dokumenten, Briefe zum Beispiel von Emir Abdallah aus Transjordanien und Hassan al-Banna, dem Gründer der Muslimbrüder in Ägypten, ein Rechtsanwalt-Zertifikat, das einem Familienangehörigen gehörte, Shakespeares Othello in Englisch direkt neben einem Qur’an.“

Salman Abu Sitta und seine Familie wurden aus diesem „Paradies“ vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht wie fast alle Palästinenser im Süden des heutigen Israel.

An ihre Stelle traten israelische Siedler, die das Land der Vertriebenen in kolonialistischer Manier unter Kontrolle nahmen, nicht anders als die weißen Siedler in den USA oder in Australien. Die improvisierten vorgefertigten Hütten von 1948 entwickelten sich zu Kibbutzim, deren Namen seit dem 7. Oktober weltweit bekannt wurden.

Nirim entstand auf dem Land der Abu Sitta Familie. Das Elternhaus Salman Abu Sittas, in dem er geboren wurde, ist wenige Meter entfernt. Der etwas weiter nördlich liegende Kibbutz Ein Hashlosha wurde ebenfalls auf Abu Sitta Land gebaut. Dort befanden sich 1948 riesige Getreidefelder, auf denen Weizen und Hafer angebaut wurde.

Dazu Abu Sitta: „Heute, wenn Sie die Namen dieser Kibbutzim hören, sollten Sie sich erinnern, auf wessen Land sie gebaut wurden. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass die Eigentümer dieses Landes Ihr Recht auf Rückkehr nie aufgegeben haben.“

Salmans Familie schickte ihn aus der Vertreibung in Gaza nach Kairo, damit er dort eine gute Schulausbildung bekommen konnte. Ein Ingenieursstudium schloss sich an. Nach ersten Berufserfahrungen in Kuwait nahm er sein Promotionsstudium zum Doktor der Ingenieurswissenschaften in London auf.

Seitdem, also seit Anfang der Sechzigerjahre, begann Salman, alles zusammenzutragen, was er über Palästina 1948 finden konnte. Er legte den Schwerpunkt auf Kartenmaterial, auf Luftbilder, auf Fotografien. Sein Ziel war es, für die Zukunft festzuhalten, wie Palästina 1948 und davor ausgesehen hatte: wo es Dörfer und Städte gegeben hatte, was wo angebaut wurde, wer wo wohnte etc.

Des Weiteren wollte und konnte er damit den zionistischen Mythos vom „Land ohne Volk“ und von der Wüste, die die Zionisten zum Blühen brachten, empirisch-wissenschaftlich und mit überzeugendem Bildmaterial widerlegen.

Schließlich, und das sollte seine Arbeit in den letzten Jahren bestimmen, widmete er sich der Planung für die Rückkehr der Palästinenser in die Heimat, aus der sie 1948 vertrieben worden waren.

Abu Sitta in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler, als Ingenieur und als Planer betrachtet diese Aufgabe als sein Lebenswerk.

An dieser Stelle muss ich zurück zum Anfang meines Beitrages kommen und zu dem Zitat, das ihn in den Augen der Berliner Polizei und Politik zum Terroristen und Antisemiten macht.

„Ja, ich hätte einer derjenigen sein können, die durch den Zaun brachen, wenn ich noch jünger wäre und immer noch im Konzentrationslager Gazastreifen leben müsste”.

Und er erläutert, was er meint mit „Konzentrationslager Gazastreifen“:

„Es blieb nicht dabei, dass sie 1948 vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht wurden. Sie wurden immer wieder in ihren Lagern im Exil angegriffen: 1953, 1956, 1967, 1971 und 1987, seit 2006 schließlich und bis heute mit grausamer Regelmäßigkeit.“

In meinem letzten Buch (2021) nenne ich dies den „langen Krieg gegen Gaza“.

Eben damit aber schlägt Salman Abu Sitta eine Brücke zwischen 1948 und 2023 bis heute, eine zeitliche Verbindung, die den Mächtigen in Berlin offensichtlich völlig entgangen ist.

Er macht deutlich, dass ein beträchtlicher Teil der Vertriebenen von 1948 genau aus der Gegend und aus den Ortschaften kommen, die seit dem 7. Oktober bekannt wurden wegen der Angriffe aus Gaza durch Hamas, den Islamischen Jihad und durch eine unbekannte Zahl von einfachen Menschen aus dem Gazastreifen.

Nach dem Verweis auf 1948 und die seitdem kontinuierlichen Angriffe gegen Gaza konzentriert sich Abu Sitta auf die Periode seit dem 7. Oktober 2023.

Wie er argumentiert, „… wurde – bis dato in der Kolonialgeschichte unbekannt – aus der … ethnischen Säuberung 2023 ein unfassbarer Völkermord. Das Ausmaß an Brutalität, die unzähligen Frauen und Kinder, die getötet wurden, die riesigen Flächen der Zerstörung, die Anzahl der Bomben, die auf den vergleichsweise winzigen Gazastreifen abgeworfen wurde in weniger als drei Monaten übertrifft alles, was wir aus den zwei Weltkriegen kennen.“

Abu Sitta betont, dass alle schmutzigen Diffamierungen sich als falsch erwiesen … Und er meint, dass in Gaza bekannt ist, dass die jungen Leute, die die Absperrungen um Gaza durchbrachen, einem „klaren moralischen Code folgen“.

Er schließt seinen Beitrag mit dem Satz: „Die Geschichte wird uns zeigen, wer sein Heimatland heroisch verteidigt und wer so viele grausam-schändliche Verbrechen begangen hat. Die Erinnerung wird die Geschichte beider Völker bestimmen.“

In der Berliner Lesart von Salman Abu Sitta und seinem eben ausführlich zitierten Artikel ist er ein Terrorist, der Gewalt und Verbrechen unterstützt und glorifiziert. Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein.

In seiner Rede zur Einweihung des „Palestine Land Studies Center“ (PLSC) an der American University of Beirut (AUB 2022) kommt er zu diesem Schluss:

„Abschließend möchte ich mich an die jungen Menschen wenden, die zukünftigen Studenten am PLSC. Ihr braucht keine Uniform anzuziehen oder ein Gewehr zu tragen, um Eure Identität zu behaupten und Eure verlorene Heimat wiederzugewinnen. Alles, was Ihr braucht, sind Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Entschlossenheit.“

Die Rückkehr der Vertriebenen, so Salman, ist möglich ohne Gewalt und ohne weitere Vertreibungen. Er zeigt dies deutlich in seinem Buch „Mapping My Return“.

In der Überzeugung, dass der Wille von Millionen noch so hilfloser Menschen immer die Oberhand gewinnt über eine politisch-militärische Macht, egal wie groß ihre Macht ist, hat Salman mit seinen Partnern weltweit damit begonnen, den Wiederaufbau der zerstörten palästinensischen Dörfer zu planen. Sie machen das mithilfe einer „massiven Datenbasis“. Diese ermöglicht es, das Haus eines jeden einzelnen Flüchtlings in seinem jeweiligen Heimatdorf aufzunehmen, das Land, das dazu gehörte, sein Eigentum und das der Großfamilie (hamula) …

Die meist jungen Planer stellen für jedes Dorf einen File zusammen mit den Plänen der Häuser, wie sie vor 1948 aussahen … Junge Architekten arbeiten an der Rekonstruktion dieser zerstörten Dörfer mit dem Ziel, dass sie ebendort wiederaufgebaut werden, mit der Schönheit der alten Fassaden, aber in moderner Ausgestaltung.

Diese Arbeit entspricht übrigens und ist vergleichbar mit der Arbeit von „Zochrot“ in Israel heute sowie der Arbeit des ehemaligen Leiters und Gründers von Zochrot, Eitan Bronstein, jetzt von „De-Colonizer“. Auch ein faszinierender Artikel zum 1948 zerstörten Dorf Miska, als Kooperation zwischen einem Team aus New York, jungen Palästinensern und jüdischen Israelis und Zochrot ist hier zu erwähnen.

Salmans Geburtsort al-Ma’in ist ebenso ein Zentrum der Planer. Seine Nichte und eine Enkelin seines Bruders, beide Architektinnen und Planer, arbeiten daran … Im Zentrum soll die Schule liegen, die sein Vater 1920 gebaut hat.

Optimismus, Hoffnung, Liebe zum Leben bestimmen auch in der Hölle von Gaza das Leben vor allem junger Menschen. Der Teenager Abu Baker aus Gaza feiert in einem Interview auf Electronic Intifada vom 24. April die gelbe Rose, die er hochziehen durfte – und schlägt damit einen direkten Bogen zum Gedicht von Mahmud Darwish „Wir aber lieben das Leben“:

„Wir aber lieben das Leben, wann immer wir es finden

Wir tanzen zwischen zwei Märtyrern,

errichten zwischen beiden ein Veilchenminarett

oder pflanzen Dattelpalmen.““

https://www.nachdenkseiten.de/?p=114755

 

Nachtrag vom 17.05.2024: „Wiederholt haben die NachDenkSeiten darüber berichtet, dass dem international bekannten und anerkannten Arzt Dr. Ghassan Abu Sittah, der auch Rektor der Universität von Glasgow ist, mehrfach die Einreise von Großbritannien in die EU verboten wurde. Hintergrund war ein von Deutschland verhängtes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum. Ein deutsches Gericht kippte nun das Einreiseverbot. Von Karin Leukefeld.

Die deutsche Bundespolizei stoppte Abu Sittah am 12. April 2024 am Flughafen von Berlin, hielt ihn mehr als drei Stunden fest, „befragte“ ihn, um ihn dann abzuschieben. Der Arzt hatte auf dem Berliner Palästina-Kongress über seine freiwillige Arbeit im Oktober/November 2023 nach Beginn des Gaza-Krieges berichten sollen, wo er 43 Tage lang geholfen hatte.

Am 4. Mai 2024 wurde Abu Sittah die Einreise am Pariser Flughafen Charles de Gaulle unter Berufung auf die deutsche Einreiseanordnung in den Schengen-Raum verweigert. Die deutsche Bundesregierung erklärte auf Nachfrage der NachDenkSeiten auf der Bundespressekonferenz, weder wisse sie von dem Fall, noch sei sie dafür rechtlich verantwortlich:

Nur wenige Tage später, am 9. Mai 2024, wurde Abu Sittah an der Einreise in die Niederlande gehindert, wo er an der Universität von Amsterdam sprechen sollte. Abu Sittah klagte und erhielt nun Recht, wie das Europäische Zentrum für rechtliche Unterstützung mitteilte.

Demnach hat das Verwaltungsgericht Potsdam das von der deutschen Bundespolizei verhängte Einreiseverbot für den palästinensisch-britischen Arzt Ghassan Abu Sittah in den Schengenraum aufgehoben. Das Verbot entbehre jeder rechtlichen Grundlage und sei sofort zu widerrufen, hieß es in dem Beschluss, der am 15. Mai 2024 bekannt wurde.

Das Urteil folgte auf einen Eilantrag des Berliner Rechtsanwalts Alexander Gorski vom Europäischen Zentrum für rechtliche Unterstützung (European Legal Support Centre) mit Unterstützung von Anwälten des International Centre of Justice for Palestinians (ICJP). Damit ist das von den deutschen Behörden gegen Prof. Dr. Abu Sittah verhängte EU-Einreiseverbot nichtig. Zuvor war er an der Einreise nach Deutschland, Frankreich und zuletzt in die Niederlande gehindert worden.

Das Gericht folgte den Argumenten des ELSC-Anwalts Alexander Gorski in allen Punkten und erkannte die Dringlichkeit des Falles angesichts der Entwicklungen in Gaza an. Das Gericht wies alle Vorwürfe der deutschen Bundespolizei gegen Prof. Dr. Abu Sittah zurück und stellte fest, dass die Bundespolizei keinerlei Begründung gemäß der Rechtsgrundlage des Art. 24 EU-Verordnung 2018/1861 und § 30 Abs. 5 BundespolizeiG vorweisen konnte.

„Dieser Erfolg kann nicht hoch genug geschätzt werden“

Alexander Gorski erklärte, dass „die Bundespolizei vor Gericht eine überraschend schwache Begründung für das gegen Prof. Dr. Ghassan Abu Sittah erlassene Einreiseverbot geliefert“ habe:

„Indem das Gericht sie als nicht stichhaltig zurückweist, bekräftigt es unser Anliegen und stellt die gesamten polizeilichen Ermittlungen in Frage. Professor Ghassan hat Palästinenser in Gaza unter schrecklichsten Bedingungen unermüdlich geholfen, und dennoch wurde er nach seiner Rückkehr so ungerecht behandelt.““

https://www.nachdenkseiten.de/?p=115372

 

Yanis Varoufakis

 

Daniel Bax: „Deutschland hat ein Einreiseverbot gegen den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis verhängt. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag aus Sicherheitskreisen. Varoufakis, Generalsekretär der linken paneuropäischen Partei „Democracy in Europe Movement 2025“ (Diem25), sollte am Freitag auf dem umstrittenen „Palästina-Kongress“ in Berlin sprechen, der kurz nach Beginn von der Polizei aufgelöst und verboten wurde.

Wer „islamistische Propaganda und Hass gegen Jüdinnen und Juden“ verbreite, müsse wissen, dass solche Straftaten schnell und konsequent verfolgt würden, erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Montag gegenüber der taz. „Antisemitische und islamistische Straftaten werden nicht geduldet.“ Was dem 63-jährigen griechischen Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und Ex-Finanzminister konkret vorgeworfen wird, wollte das BMI nicht sagen. Eine Auskunft zu „Einzelfällen“ sei „nicht möglich“.

Varoufakis ist kein Einzelfall. Gegen zwei weitere Teilnehmer des verhinderten „Palästina-Kongresses“, den 86-jährigen palästinensischen Autor Salman Abu Sitta und den Arzt Ghassan Abu Sittah (55), Rektor der Universität Glasgow, hat das Innenministerium jeweils „Betätigungsverbote“ ausgesprochen. Ghassan Abu Sittah wurde am Freitag am Flughafen in Berlin die Einreise verwehrt, er musste nach einem dreistündigen Gespräch den Rückflug antreten. Varoufakis war nicht der einzige prominente Gast, der nicht bei der Konferenz sprechen konnte. Angekündigt war auch die frühere spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero von der linken Partei Podemos.

Die taz hatte am Samstag berichtet, dass gegen Varoufakis möglicherweise ein „Betätigungsverbot“ ausgesprochen worden sei. Varoufakis selbst hatte am Samstag im Online-Netzwerk X geschrieben, das deutsche Innenministerium habe ein „Betätigungsverbot“ gegen ihn erlassen, also „ein Verbot jeglicher politischer Betätigung“. Dieses gelte sogar für die Teilnahme an Online-Veranstaltungen, etwa über das Netzwerk Zoom. Die Polizei hatte das am Freitag seinen Anwälten mitgeteilt. Das Bundesinnenministerium wollte das am Samstag gegenüber der taz aber nicht bestätigen. Gegen EU-Bürger wäre ein „Betätigungsverbot“ rechtlich auch gar nicht möglich.

Aus Sicherheitskreisen erfuhr am Sonntag dann das Handelsblatt, dass es sich um ein Einreiseverbot handeln soll. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder hätten „schon im Vorfeld des sogenannten Palästina-Kongresses im engen Austausch“ gestanden und „notwendige Maßnahmen ergriffen“, erklärte die Sprecherin des BMI gegenüber der taz. Über Einreisen werde jeweils vor Ort entschieden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte im November 2023 die Hamas und das Gefangenennetzwerk Samidoun verboten. „Das bedeutet: Jedwede Betätigung ist untersagt und eine Straftat. Dazu gehören auch Propagandareden für die Hamas“, erklärte das BMI im Zusammenhang mit der Anfrage der taz. „Die Sicherheitsbehörden beobachten sehr aufmerksam, dass die Verbote eingehalten werden. Wir behalten die islamistische Szene eng im Visier.“

Die Berliner Polizei hatte den umstrittenen „Palästina-Kongress“ am Freitag kurz nach Beginn abgebrochen. Die Veranstalter hatten gerade den Autor Salman Abu Sitta als Redner zugeschaltet. Dieser habe ein politisches Betätigungsverbot, erklärte die Polizei zur Begründung, warum sie den Saal stürmte, den Strom abschaltete und bald darauf die Versammlung auflöste. Sie sprach auch für Samstag und Sonntag ein komplettes Verbot der Veranstaltung aus. Am Samstag kamen deshalb im Stadtzentrum von Berlin nach Angaben der Polizei bis zu 1.900 Menschen zusammen, um gegen die gewaltsame Auflösung der Konferenz zu protestieren.

Die Veranstalter kritisierten das Vorgehen der Polizei scharf. Demokratische Rechte seien ausgehebelt worden, hieß es. Die Rechtsanwältin Nadija Samour sagte am Samstag auf einer Pressekonferenz, die Polizei habe „völlig unverhältnismäßig“ entschieden. Geringere Maßnahmen seien möglich gewesen. Jeglicher Versuch, die Versammlung zu schützen, sei von der Polizei torpediert worden. Es habe keine strafbaren Äußerungen gegeben, was die Polizei auch eingeräumt habe.

Das Betätigungsverbot sei dem Veranstalter nicht bekannt gewesen und erst kurz vorher mitgeteilt worden. Aus Sicht der Veranstalter war die Polizeimaßnahme rechtswidrig. Es sei bei der Polizei Widerspruch eingelegt worden, um die eigentlich bis Sonntag geplante Versammlung fortsetzen zu können.“

https://taz.de/Palaestina-Kongress-in-Berlin/!6004299/

 

Wassilis Aswestopoulos: „Posse um Betätigungsverbot für Yanis Varoufakis wird immer skurriler. Warum der Schuss auch nach hinten losging.

Der frühere griechische Finanzminister, Generalsekretär der Partei Mera25 und Professor für Wirtschaft, Yanis Varoufakis, war ratlos. Er wusste nach eigenen Angaben am Mittwoch immer noch nicht, ob er nach Deutschland einreisen darf, in Deutschland ein politisches Betätigungsverbot hat und wenn ja, wie lange die Verbote gelten. Dies erklärte er im Interview im Sender Open TV.

Schließlich würde Varoufakis gerne wissen, auf Grundlage welcher Gesetze das ihm nicht näher bekannte Verbot gegen ihn verhängt wurde.

Am Wochenende war gegen Varoufakis im Zusammenhang mit dem in Berlin verbotenen "Palästina Kongress" zunächst mündlich ein Verbot verhängt worden. Was für ein Verbot, darüber kursierten lange die unterschiedlichsten Versionen. Die Auflösung der von den deutschen Behörden selbst verursachten Verwirrung rund um Einreise- und Betätigungsverbote könnte einige Bürger weiter verängstigen.

In der Zwischenzeit hatten die Anwälte seiner Partei Mera25 in Deutschland endlich herausbekommen, was wirklich in der Causa Varoufakis gilt. Als Grundlage wurden Paragrafen aus dem Bundespolizeigesetz (BPolG) und dem EU-Freizügigkeitsgesetz (FreizügG/EU) genannt.

"Zu Ihrem Mandanten bestand im Kontext einer möglichen Teilnahme als Redner beim Palästina-Kongress 2024 in Berlin eine Fahndungsausschreibung zur nationalen Einreiseverweigerung gem. § 30 Abs. 5 BPolG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU, befristet für den Zeitraum der Veranstaltung vom 10. bis zum 14. April 2024", teilte die Bundespolizei am Dienstag, dem 16. April nach Angaben der Pressestelle von Mera25 Deutschland mit.

Einen Tag vorher hatte sie per E-Mail, "die Bundespolizei hat gegen Ihren Mandanten kein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Sinne des § 11 AufenthG erlassen", noch jegliches Einreise- oder Betätigungsverbot dementiert.

Unabhängig vom Anlass, dem Palästina-Kongress in Berlin, ist die Posse um das Betätigungs- oder Einreiseverbot gegen Yanis Varoufakis ein ernster Präzedenzfall, der einen intransparenten, autoritären Kurs des Bundesinnenministeriums aufzeigt.

Die komplette Verwirrung und nur mündlich ausgesprochene Verbote – wahlweise der Einreise, der Betätigung oder der Zuschaltung per Zoom zu einer Veranstaltung – öffnen der Willkür Tür und Tor.

Für Veranstalter, aber auch Medien, gibt es keinerlei Rechtssicherheit mehr. Telepolis fragte bei der Polizei Berlin konkret an, ob und inwieweit gegen Varoufakis ein Einreise- oder ein Betätigungsverbot bestünde. Sind Interviews mit ihm erlaubt?

Die Antwort glich einem Spruch des antiken Orakels von Delphi:

Nach Einreise kann durch die zuständige Ausländerbehörde ein Verbot der politischen Betätigung in Bezug auf die Veranstaltung erlassen werden, wenn dargelegt werden kann, dass die Betätigung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Dies ist im Einzelfall anhand der vorliegenden Erkenntnisse zu prüfen.

Zuständig für das Erlassen eines politischen Betätigungsverbotes ist das Landesamt für Einwanderung Berlin (LEA). Bitte wenden Sie sich mit Ihren Fragen an die zuständigen Behörden. Einer Beantwortung durch die Polizei Berlin stehen, da es sich um Einzelpersonen handelt, zudem datenschutzrechtliche Belange entgegen. Zum Einreiseverbot wenden Sie sich bitte an das Innenministerium.

Eigentlich wollte der streitbare Ökonom und Unterstützer der Kampagne Boycott, Deinvestment and Sanctions (BDS) juristisch gegen das Verbot vorgehen. Varoufakis argumentierte, dass er nicht nur wegen seines Engagements für die Palästinenser nach Deutschland reisen wolle, sondern auch regelmäßig in seiner Eigenschaft als Universitätsprofessor durch Europa, und auch Deutschland, reist.

Als Professor sieht er seine Möglichkeit zur freien wissenschaftlichen Arbeit innerhalb der EU beschnitten. Mit der vorliegenden Datenlage könnte er höchstens im Nachhinein gegen ein bereits vergangenes Verbot vorgehen.

Für die griechischen Medien war bereits vor dem vergangenen Wochenende und dem abgesagten Palästina-Kongress in Berlin klar, dass in Deutschland Freiheitsrechte eingeschränkt werden. Erinnerungen an die autoritäre McCarthy-Ära in den USA kamen auf.

So titelte der frühere Chef der staatlichen Nachrichtenagentur Athens News Agency – Macedonian News Agency, Michalis Psilos, in der Wirtschaftszeitung Naftemporiki, "McCarthy regiert in Deutschland". Psilos Beitrag ist kein Einzelfall.

Wenn es die Absicht des Bundesinnenministeriums war, Varoufakis Einfluss zu begrenzen und den bekennenden BDS-Unterstützer an der Verbreitung seiner Thesen zu hindern, so ist der Schuss eindeutig nach hinten losgegangen.

Mitten im Wahlkampf zu den Europawahlen brachte die Posse rund um das Bestätigung-/Einreiseverbot in Deutschland für Varoufakis eine Vielzahl von Einladungen in Nachrichtensendungen und Talkshows im griechischen Fernsehen, aber auch vermehrte Präsenz in weiteren internationalen Medien.“

https://www.telepolis.de/features/Meinungsfreiheit-auf-der-Kippe-Darf-dieser-Mann-in-Deutschland-reden-9690338.html

 

Albrecht Müller: „Yanis Varoufakis konnte seine Rede auf dem Palästina-Kongress nicht halten. Hier finden Sie seine Rede als Video in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln:

https://www.youtube.com/watch?v=9JXXBhruGhc

 

Und hier die Rede auf Deutsch:

Yanis Varoufakis: Die Rede, die ich nicht halten konnte, weil die deutsche Polizei in unseren Berliner Veranstaltungsort eindrang, um unseren Palästina-Kongress (im Stil der 1930er-Jahre) aufzulösen, bevor ich die Rede halten konnte. Beurteilen Sie selbst, zu welcher Art von Gesellschaft sich Deutschland entwickelt, wenn seine Polizei die folgenden Worte verbietet:

 

Freunde,

Glückwunsch und herzlichen Dank, dass Sie hier sind, trotz der Drohungen, trotz der eisernen Polizei vor dem Veranstaltungsort, trotz des Aufgebots der deutschen Presse, trotz des deutschen Staates, trotz des deutschen politischen Systems, das Sie verteufelt, weil Sie hier sind.

 

„Warum ein Palästinenserkongress, Herr Varoufakis?”, fragte mich kürzlich ein deutscher Journalist. Weil, wie Hanan Ashrawi einmal sagte: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die zum Schweigen gebrachten Menschen uns von ihrem Leid berichten.”

Heute hat sich Ashrawis Grund auf bedrückende Weise verstärkt: Weil wir uns nicht darauf verlassen können, dass die zum Schweigen gebrachten Menschen, die ebenfalls massakriert werden und hungern, uns von den Massakern und dem Hunger berichten.

Aber es gibt noch einen anderen Grund: Weil ein stolzes, ein anständiges Volk, das deutsche Volk, auf einen gefährlichen Weg in eine herzlose Gesellschaft geführt wird, indem es mit einem weiteren Völkermord in Verbindung gebracht wird, der in seinem Namen und mit seiner Mitschuld verübt wurde.

Ich bin weder Jude noch Palästinenser. Aber ich bin unglaublich stolz darauf, hier unter Juden und Palästinensern zu sein – meine Stimme für Frieden und universelle Menschenrechte mit jüdischen Stimmen für Frieden und universelle Menschenrechte zu vereinen – mit palästinensischen Stimmen für Frieden und universelle Menschenrechte. Dass wir heute hier zusammen sind, ist ein Beweis dafür, dass Koexistenz nicht nur möglich ist, sondern dass sie schon da ist! Schon jetzt.

„Warum kein Jüdischer Kongress, Herr Varoufakis?”, fragte mich derselbe deutsche Journalist, der sich einbildete, er sei schlau. Ich habe seine Frage begrüßt.

Denn wenn auch nur ein einziger Jude irgendwo bedroht wird, nur weil er oder sie Jude ist, werde ich den Davidstern an meinem Revers tragen und meine Solidarität anbieten – koste es, was es wolle.

Um es klar zu sagen: Wenn irgendwo auf der Welt Juden angegriffen würden, wäre ich der Erste, der sich für einen jüdischen Kongress einsetzen würde, um unsere Solidarität zu bekunden.

Ähnlich verhält es sich, wenn Palästinenser massakriert werden, weil sie Palästinenser sind – nach dem Dogma, dass sie tot und Palästinenser gewesen sein müssen, um … Hamas – werde ich meine Keffiyeh tragen und meine Solidarität bekunden, koste es, was es wolle.

Die universellen Menschenrechte sind entweder universell oder sie bedeuten nichts.

In diesem Sinne habe ich die Frage des deutschen Journalisten mit ein paar eigenen Fragen beantwortet:

Werden zwei Millionen israelische Juden, die vor 80 Jahren aus ihren Häusern in ein Freiluftgefängnis geworfen wurden, immer noch in diesem Freiluftgefängnis gehalten, ohne Zugang zur Außenwelt, mit minimaler Nahrung und Wasser, ohne Chance auf ein normales Leben, ohne Möglichkeit, irgendwohin zu reisen, während sie in diesen 80 Jahren regelmäßig bombardiert werden? Nein.

Werden israelische Juden absichtlich von einer Besatzungsarmee ausgehungert, ihre Kinder winden sich auf dem Boden und schreien vor Hunger? Nein.

Gibt es Tausende von verletzten jüdischen Kindern ohne überlebende Eltern, die durch die Trümmer ihrer ehemaligen Häuser kriechen? Nein.

Werden die israelischen Juden heute von den modernsten Flugzeugen und Bomben der Welt bombardiert? Nein.

Erleben die israelischen Juden einen völligen Ökozid an dem bisschen Land, das sie noch ihr Eigen nennen können, keinen einzigen Baum mehr, unter dem sie Schatten suchen oder dessen Früchte sie kosten können? Nein.

Werden israelisch-jüdische Kinder heute auf Befehl eines UN-Mitgliedsstaates von Scharfschützen getötet? Nein.

Werden israelische Juden heute von bewaffneten Banden aus ihren Häusern vertrieben? Nein.

Kämpft Israel heute um seine Existenz? Nein.

Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen ja wäre, würde ich heute an einem Jüdischen Solidaritätskongress teilnehmen.

 

Freunde,

Wir hätten heute gerne eine anständige, demokratische und von gegenseitigem Respekt geprägte Debatte darüber geführt, wie wir Frieden und universelle Menschenrechte für alle, Juden und Palästinenser, Beduinen und Christen, vom Jordan bis zum Mittelmeer mit Menschen, die anders denken als wir, erreichen können.

Leider hat das gesamte deutsche politische System beschlossen, dies nicht zuzulassen. In einer gemeinsamen Erklärung, an der nicht nur die CDU-CSU oder die FDP, sondern auch die SPD, die Grünen und bemerkenswerterweise zwei führende Vertreter der Partei Die Linke beteiligt waren, hat sich das gesamte politische Spektrum Deutschlands zusammengeschlossen, um sicherzustellen, dass eine solche zivilisierte Debatte, in der wir uns in angenehmer Weise uneinig sein können, in Deutschland niemals stattfinden wird.

Ich sage zu ihnen: Ihr wollt uns zum Schweigen bringen. Uns verbieten. Uns dämonisieren. Uns anklagen. Ihr lasst uns also keine andere Wahl, als euren lächerlichen Anschuldigungen mit unseren eigenen rationalen Anschuldigungen zu begegnen. Ihr habt euch das ausgesucht, nicht wir.

Sie beschuldigen uns des antisemitischen Hasses

Wir beschuldigen Sie, der beste Freund des Antisemiten zu sein, indem Sie das Recht Israels, Kriegsverbrechen zu begehen, mit dem Recht der israelischen Juden, sich zu verteidigen, gleichsetzen.

Sie beschuldigen uns, den Terrorismus zu unterstützen

Wir beschuldigen Sie, den legitimen Widerstand gegen einen Apartheidstaat mit Gräueltaten gegen Zivilisten gleichzusetzen, die ich immer verurteilt habe und immer verurteilen werde, wer auch immer sie begeht – Palästinenser, jüdische Siedler, meine eigene Familie, wer auch immer

Wir werfen Ihnen vor, dass Sie die Pflicht der Menschen in Gaza nicht anerkennen, die Mauer des offenen Gefängnisses einzureißen, in dem sie seit 80 Jahren eingeschlossen sind, und dass Sie diesen Akt des Einreißens der Mauer der Schande – die ebenso wenig zu verteidigen ist wie die Berliner Mauer – mit Terrorakten gleichsetzen.

Sie werfen uns vor, den Terror der Hamas vom 7. Oktober zu bagatellisieren

Wir werfen Ihnen vor, die 80-jährige ethnische Säuberung der Palästinenser durch Israel und die Errichtung eines eisernen Apartheidsystems in Israel-Palästina zu bagatellisieren.

Wir beschuldigen Sie, Netanjahus langjährige Unterstützung der Hamas als Mittel zur Zerstörung der Zweistaatenlösung, die Sie angeblich befürworten, zu bagatellisieren.

Wir beschuldigen Sie, den beispiellosen Terror der israelischen Armee gegen die Menschen in Gaza, im Westjordanland und im Osten Jerusalems zu bagatellisieren.

Sie werfen den Organisatoren des heutigen Kongresses vor, dass wir, ich zitiere, „nicht daran interessiert sind, vor dem Hintergrund des Krieges in Gaza über Möglichkeiten der friedlichen Koexistenz im Nahen Osten zu sprechen”. Ist das Ihr Ernst? Haben Sie den Verstand verloren?

Wir beschuldigen Sie, einen deutschen Staat zu unterstützen, der nach den USA der größte Lieferant von Waffen ist, die die Netanjahu-Regierung benutzt, um Palästinenser im Rahmen eines großen Plans zu massakrieren, der eine Zweistaatenlösung und ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Palästinensern unmöglich machen soll.

Wir werfen Ihnen vor, dass Sie nie die relevante Frage beantworten, die jeder Deutsche beantworten muss: Wie viel palästinensisches Blut muss noch fließen, bevor Ihre – berechtigte – Schuld am Holocaust abgewaschen ist?

Um es klar zu sagen: Wir sind hier in Berlin mit unserem palästinensischen Kongress, weil wir im Gegensatz zum deutschen politischen System und den deutschen Medien Völkermord und Kriegsverbrechen verurteilen, unabhängig davon, wer sie verübt. Weil wir gegen die Apartheid im Land Israel-Palästina sind, egal wer die Oberhand hat – so, wie wir gegen die Apartheid in den amerikanischen Südstaaten oder in Südafrika waren. Weil wir für universelle Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit unter Juden, Palästinensern, Beduinen und Christen im alten Land Palästina eintreten.

Und damit wir uns über die berechtigten und bösartigen Fragen, die wir immer bereit sein müssen zu beantworten, noch klarer werden:

Verurteile ich die Gräueltaten der Hamas?

Ich verurteile jede einzelne Gräueltat, unabhängig davon, wer der Täter oder das Opfer ist. Was ich nicht verurteile, ist der bewaffnete Widerstand gegen ein Apartheidsystem, das als Teil eines langsam brennenden, aber unaufhaltsamen Programms der ethnischen Säuberung konzipiert wurde. Anders ausgedrückt: Ich verurteile jeden Angriff auf Zivilisten, während ich gleichzeitig jeden feiere, der sein Leben riskiert, um die Mauer niederzureißen.

Befindet sich Israel nicht in einem Krieg um seine Existenz?

Nein, ist es nicht. Israel ist ein nuklear bewaffneter Staat mit der vielleicht technologisch fortschrittlichsten Armee der Welt und der gesamten US-Militärmaschinerie im Rücken. Es gibt keine Symmetrie mit der Hamas, einer Gruppe, die Israelis ernsthaften Schaden zufügen kann, die aber in keiner Weise in der Lage ist, Israels Militär zu besiegen oder auch nur Israel daran zu hindern, den langsamen Völkermord an den Palästinensern fortzusetzen.

Ist die Angst der Israelis, dass die Hamas sie auslöschen will, nicht berechtigt?

Natürlich ist sie das! Die Juden haben einen Holocaust erlitten, dem Pogrome und ein tief verwurzelter Antisemitismus vorausgingen, der Europa und Amerika seit Jahrhunderten durchdringt. Es ist nur natürlich, dass die Israelis in Angst vor einem neuen Pogrom leben, wenn die israelische Armee einknickt. Indem der israelische Staat seinen Nachbarn die Apartheid aufzwingt und sie wie Untermenschen behandelt, schürt er das Feuer des Antisemitismus, stärkt Palästinenser und Israelis, die sich gegenseitig vernichten wollen, und trägt letztlich zu der schrecklichen Unsicherheit bei, die Juden in Israel und in der Diaspora plagt. Die Apartheid gegen die Palästinenser ist die schlimmste Selbstverteidigung der Israelis.

Was ist mit dem Antisemitismus?

Er ist immer eine klare und gegenwärtige Gefahr. Und sie muss ausgerottet werden, insbesondere in den Reihen der Globalen Linken und der Palästinenser, die für palästinensische Bürgerrechte kämpfen – überall auf der Welt.

Warum verfolgen die Palästinenser ihre Ziele nicht mit friedlichen Mitteln?

Sie haben es getan. Die PLO hat Israel anerkannt und auf den bewaffneten Kampf verzichtet. Und was haben sie dafür bekommen? Absolute Demütigung und systematische ethnische Säuberung. Das hat die Hamas hervorgebracht und sie in den Augen vieler Palästinenser als die einzige Alternative zu einem langsamen Völkermord unter Israels Apartheid erscheinen lassen.

Was sollte jetzt getan werden? Was könnte Israel und Palästina Frieden bringen?

Ein sofortiger Waffenstillstand.

Die Freilassung aller Geiseln: Die der Hamas und der Tausenden, die von Israel festgehalten werden.

Ein Friedensprozess unter der Schirmherrschaft der UNO, unterstützt durch die Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, die Apartheid zu beenden und gleiche bürgerliche Freiheiten für alle zu gewährleisten.

Was an die Stelle der Apartheid treten soll, müssen Israelis und Palästinenser zwischen der Zweistaatenlösung und der Lösung eines einzigen föderalen säkularen Staates entscheiden.

 

Freunde,

Wir sind hier, weil Rache eine faule Form des Kummers ist.

Wir sind hier, um nicht für Rache, sondern für Frieden und Koexistenz zwischen Israel und Palästina zu werben.

Wir sind hier, um den deutschen Demokraten, einschließlich unserer ehemaligen Genossen von der Partei Die Linke, zu sagen, dass sie sich lange genug mit Schande bedeckt haben – dass zwei Unrechte kein Recht ergeben – dass das Erlauben, dass Israel mit Kriegsverbrechen davonkommt, das Erbe der deutschen Verbrechen gegen das jüdische Volk nicht lindern wird.

Über den heutigen Kongress hinaus haben wir in Deutschland die Pflicht, die Diskussion zu verändern. Wir haben die Pflicht, die große Mehrheit der anständigen Deutschen da draußen davon zu überzeugen, dass die universellen Menschenrechte das sind, was zählt. Dass „Nie wieder” „Nie wieder” bedeutet. Für jeden, ob Jude, Palästinenser, Ukrainer, Russe, Jemenit, Sudanese, Ruander – für jeden, überall.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, ankündigen zu können, dass die deutsche politische Partei MERA25 von DiEM25 bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Juni auf dem Wahlzettel stehen wird – um die Stimme der deutschen Humanisten zu erhalten, die sich nach einem Mitglied des Europäischen Parlaments sehnen, das Deutschland vertritt und die Komplizenschaft der EU beim Völkermord anprangert – eine Komplizenschaft, die Europas größtes Geschenk an die Antisemiten in Europa und darüber hinaus ist.

Ich grüße Sie alle und schlage vor, dass wir nie vergessen, dass niemand von uns frei ist, wenn einer von uns in Ketten liegt.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=113828

 

Harald Neuber: „Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis verklagt die deutschen Behörden wegen Verletzung seiner Grundrechte und Verleumdung.

Dieser Schritt erfolgt nach behördlichen Maßnahmen gegen den griechischen Politiker in Deutschland. Varoufakis und seine politische Bewegung Mera25 bezeichnen diese jüngsten Ereignisse als Angriff auf die politischen Freiheiten in Deutschland und der EU.

Im April 2024 war Varoufakis die Einreise nach Deutschland und jegliche politische Tätigkeit im Land untersagt worden, schreibt Mera25 am heutigen Donnerstag in einer Erklärung. Darin heißt es im Wortlaut weiter:

Nachdem die deutschen Behörden dem Anwalt von Varoufakis versprochen hatten, drei berechtigte Fragen (Welche Behörde hat das Verbot erlassen? Wann? Mit welcher Begründung?) schriftlich zu beantworten, teilten sie schließlich mit, dass sie nicht antworten würden, da es um die "nationale Sicherheit" gehe und weil jede schriftliche Antwort die "ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei und anderer mit dem Fall befasster Sicherheitsdienste" beeinträchtigen würde.

Varoufakis und Mera25 sehen in dieser Vorgehensweise einen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit und eine Missachtung des Rechts der Bürger, zu erfahren, wer, wann und aus welchem Grund über ein Verbot entschieden hat.

Nach Rücksprache mit Mera25 Deutschland und ihrem Anwaltsteam hat Varoufakis nun Klage gegen die deutschen Behörden eingereicht. Er wirft ihnen Verletzung seiner Grundrechte und Verleumdung vor und kündigt an, gegebenenfalls vor den europäischen Gerichten zu klagen.

In den bei den deutschen Gerichten eingereichten Unterlagen wird darauf hingewiesen, dass Varoufakis am 12. April auf einem "Palästina-Kongress" in Berlin sprechen sollte. Dieser Kongress war von jüdischen Aktivisten, Mera25 und anderen Organisationen ausgerichtet worden.

Ziel sei es gewesen, zu diskutieren, wie gleiche politische Rechte für alle Menschen im Konfliktgebiet des Nahen Ostens garantiert werden könnten. Die deutschen Behörden lösten den Kongress jedoch gewaltsam auf und verhängten generelle repressive Maßnahmen gegen Varoufakis.

Mera25 Deutschland und ihre Mutterorganisation, die europäische Bewegung Diem25, sehen den Zwischenfall als Ausdruck eines generellen Trends. Sie schreiben:

MERA25 Deutschland und ihre Mutterorganisation, die europäische Bewegung DiEM25, rufen alle Bürger:innen, ob Europäer:innen oder nicht, dazu auf, sich gegen die willkürliche, autoritäre und brutale Berufung auf die "nationale Sicherheit" zu wehren, mit der grundlegende politische Rechte abgeschafft werden, für die die Menschen Europas jahrhundertelang gekämpft haben. Denn nichts bedroht im heutigen Deutschland und im übrigen Europa die Sicherheit der Bürger:innen mehr als der Verlust unserer Grundrechte!

Varoufakis und seine Bewegung sehen in den aktuellen Entwicklungen eine ernsthafte Bedrohung für die politische Freiheit in Deutschland und Europa. Sie betonen, dass nichts die Sicherheit der Bürger:innen mehr bedroht als der Verlust ihrer Grundrechte.“

https://www.telepolis.de/features/Vorwurf-der-Verletzung-von-Grundrechten-Yanis-Varoufakis-verklagt-Deutschland-9713278.html

 

Zu Yanis Varoufakis siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/423-die-siechen-griechen

 

Zunahme von repressiv-autoritären Tendenzen in Deutschland

 

Florian Warweg: „Egal, ob man sich mit Journalisten und Diplomaten aus der Nahost-Region, Lateinamerika oder Afrika unterhält – alle berichten von einem massiven Vertrauens- und Ansehensverlust der deutschen Außenpolitik durch die einseitige politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung für Israels völkerrechtswidriges Vorgehen im Gazastreifen. Selbst die Tagesschau zitiert in einem kürzlich erschienenen Beitrag unter dem Titel „Verspieltes Vertrauen in der arabischen Welt“ deutsche Diplomaten mit der Aussage, „ob man in Berlin eigentlich ahne, wie nachhaltig der Schaden sei, den man mit der scheinbar uneingeschränkten Unterstützung für Israel anrichte“. Doch von den NachDenkSeiten zu diesem aus diversen Quellen bestätigten Ansehensverlust Deutschlands befragt, reagierte der AA-Sprecher mit Durchhalteparolen und erklärte, er würde davon nichts merken, man hätte weiterhin einen „sehr engen Austausch und enges Vertrauensverhältnis“ zu den Partnern in der Region …“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=114601

 

Annette Groth: „Der Palästina-Kongress, der vom 12. bis 14. April 2024 mit hochrangigen Experten in Berlin stattfinden sollte und nach nur 90 Minuten verboten wurde, scheint im Ausland mehr Aufmerksamkeit erhalten zu haben als in Deutschland. In vielen Städten gab es Proteste, so auch vor der deutschen Botschaft in Athen, da der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis mit einem Einreise- und Redeverbot belegt worden war. Damit ist er der einzige bekannte Grieche und aktive Politiker eines EU-Landes, dem je die Einreise in die Bundesrepublik verwehrt wurde. Ein einmaliger Vorgang. Selbst die griechischen Junta-Politiker blieben während der Militärdiktatur (1967 bis 1974) unbehelligt. Der Umgang mit Varoufakis ist dabei nur ein Beispiel von vielen für die zunehmende Unterdrückung von kritischen Stimmen in Form von Einreise- und Redeverboten in Deutschland.

Schon im Vorfeld gab es eifrige Hetze gegen den „umstrittenen“ Kongress, er wurde als Treffen von „Israelhassern“, Antisemiten und Islamisten bezeichnet. Auch ein Verbot wurde erwogen, was vermutlich juristisch nicht durchsetzbar war. Dem Unternehmen, das den Saal zur Verfügung stellte, der erst am 12. April bekannt gemacht wurde, flatterten unflätige Drohungen ins Haus. Der Berliner Senat wollte den Kongress mit allen Mitteln verhindern. Der Gipfel war die Kündigung und Sperrung des Kontos der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost, dem Hauptorganisator des Kongresses, durch die Berliner Sparkasse. Die gezahlten Eintrittsgelder und Spenden waren blockiert, sodass die Jüdische Stimme kurzfristig auf private Gelder zurückgreifen musste. Ein großer Protest und Aufschrei über die Kontenkündigung eines jüdischen Vereins durch die Sparkasse blieb aus. Ich stelle mir 1933 vor, als viele jüdische Geschäftsleute und ganz normale jüdische Bürger und Bürgerinnen plötzlich nicht mehr an Gelder auf ihren Konten kamen.

Die Kontensperrung halte ich für antisemitisch, genauso wie die polizeiliche Abführung jüdischer Friedensaktivisten, die ein Schild „Juden gegen Genozid“ trugen. Und ist das Verbot der hebräischen Sprache auf dem Protestcamp der Palästina-Solidaritätsbewegung in der Nähe des Bundestags nicht auch antisemitisch? Die Begründung für dieses unsägliche Sprachverbot: „Wir müssen verstehen, was dort gesagt wird, es könnte ja zu Straftaten oder ‚Gewaltaufrufen‘ kommen.“ Allerdings wurde das Hebräisch-Verbot zumindest für den religiösen Gebrauch gekippt. Eine Schabbatfeier hätte sonst nicht stattfinden können. Auch die irische Sprache Gälisch ist von dem Sprachverbot betroffen. Gegen mehrere Iren, die Solidaritätslieder in der gälischen Amtssprache der irischen Republik sangen, wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Als Letztes ist noch das Verbot der arabischen Sprache zu nennen. Arabisch darf im Camp erst nach 18:00 Uhr gesprochen werden, denn erst dann hat der Polizeidolmetscher Zeit. Man denkt an Satire oder an Kabarett, wenn man das liest, aber es ist Realität in Deutschland im Jahre 2024!

Es ist zu hoffen, dass das Verbot des Palästina-Kongresses auch Menschen zum Nachdenken bringt, die bisher mit dem Thema nichts zu tun haben wollen, aber durch die ständig zunehmenden Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit und Cancel-Culture-Verfügungen aufgeschreckt werden. Namhafte Wissenschaftler, Kulturschaffende und Schriftsteller haben in den letzten Monaten Auftrittsverbote erhalten, weil sie irgendwo etwas Israel-Kritisches gelikt oder etwas Propalästinensisches unterschrieben haben.

Im Ausland haben die Absage des Kongresses, die Einreise- und Redeverbote sowie die Diffamierung jüdischer Friedensaktivisten als „Antisemiten“ große Verwunderung, aber auch große Besorgnis ausgelöst.

Jetzt erscheinen zumindest einige kritische Artikel in deutschen Zeitungen, die sich mit der deutschen Politik im „McCarthy-Stil“ auseinandersetzen. Der Publizist Fabian Scheidler warnt in der Berliner Zeitung vor einem „gefährlichen Konfrontationskurs im Verhältnis zur Meinungsfreiheit“ und begründet das mit der deutschen Israel-Politik.

„Wenn man mir vor einigen Jahren vorausgesagt hätte, was sich heute zum Thema Israel und Gaza in Deutschland abspielt, hätte ich das für eine dystopische Fantasie gehalten. Eine deutsche Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen sichert einem Staat bedingungslose militärische und diplomatische Unterstützung zu, der sich gerade vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen des Verdachts auf Völkermord verantworten muss – ein Verdacht, den das Gericht selbst als ‚plausibel‘ einstuft. International renommierte Intellektuelle und Künstler – darunter auch jüdische Stimmen –, die sich für Menschenrechte und Völkerverständigung einsetzen, werden aus Deutschland ausgeladen, ihre Gastprofessuren abgesagt, ihre Preisverleihungen gecancelt, darunter Nancy Fraser, Laurie Anderson und Masha Gessen.“

In einem Interview kommentiert die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete Francesca Albanese die besondere Beziehung Deutschlands zu Israel und betont:

„Deutschland ist eins der Länder, die Israel vor und nach dem 7. Oktober politisch und materiell am stärksten unterstützt haben. Ich verstehe die historische deutsche Verantwortung und die moralische Verpflichtung nach dem Holocaust. Ich glaube, als europäische Gesellschaften haben wir den Holocaust noch lange nicht vollständig aufgearbeitet. Aber Völkermord beginnt nicht mit Massenmord. Es ist ein Prozess, der mit Entmenschlichung beginnt, die Massenmord normal, akzeptabel und rechtlich vertretbar macht. Hätte Deutschland das, was es dem jüdischen Volk angetan hat, verinnerlicht, würde ‚Nie wieder‘ bedeuten: ‚Nie wieder Völkermord‘.

Auf die Frage, ob sie die aktuellen Debatten in Deutschland über die Grenzen der Meinungsfreiheit mit Blick auf Israel-Palästina verfolgt, antwortet Albanese:

„Durchaus, ja. Es scheint in Deutschland eine Art Paranoia zu geben, was kritische Auseinandersetzung betrifft mit dem, was Israel tut. Viele Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt sprechen sich dagegen aus, was in ihrem Namen geschieht. Aber Deutschland bringt selbst Israelis und jüdische Menschen zum Schweigen, die sich öffentlich gegen Israels Politik positionieren. Anstatt Israel mit den gleichen Maßstäben zu messen wie andere Länder, lässt man die Regierung ungestraft weitermachen.“

„Palästina ist der Lackmustest für die bürgerlichen Freiheiten“ ist der Titel eines sehr lesenswerten Interviews in der Jungen Welt mit Nadija Samour, einer Anwältin, die die Jüdische Stimme berät. Im Kontext der zunehmenden Repression gegen Palästina-Demonstrationen und Polizeigewalt erinnert sie an die Coronazeit, als viele Demonstrationen verboten waren und gegen Demonstranten unverhältnismäßige Gewalt ausgeübt wurde. Samour betont, dass mit den Corona-Maßnahmen der Grundstein für die Einschränkungen der Grundrechte gelegt wurde, die jetzt insbesondere bei den Palästina-Demonstrationen angewendet werden.

Es muss allerdings daran erinnert werden, dass die Diffamierungen und Hetze gegen Veranstaltungen über Palästina/Israel nicht neu sind. Bereits 2017 hat die Autorin zusammen mit Günter Rath eine Broschüre „Meinungsfreiheit bedroht? Die Gefährdung der Meinungsfreiheit in Deutschland durch die Kampagnen der sogenannten ‚Freunde Israels‘“ veröffentlicht, in der 71 Veranstaltungen in den Jahren 2012 bis 2017 aufgelistet sind, die behindert, verschoben oder abgesagt werden mussten.

Die derzeitige deutsche Politik ist höchst besorgniserregend und gefährlich. Warum unterstützt die Ampelkoalition zwei rechte Regierungen – die israelische und die ukrainische – mit allen Mitteln und Waffen, obwohl sie sich der Beihilfe zum Völkermord schuldig macht und in der Ukraine zur Fortführung des nicht gewinnbaren Krieges beiträgt? Und sehen diejenigen, die noch immer auf der Seite der israelischen rechtsextremen Regierung stehen, nicht deren Gefährlichkeit, auch für die jüdische Bevölkerung?

Am Rande der Demonstration, die am 13. April in Berlin statt des Kongresses stattfand, gab es auch eine kleine Gruppe mit Israel-Fahnen. Dabei waren einige Frauen, die sich mit einem Schild als „Omas gegen rechts“ auswiesen. Ist ihnen klar, mit wem sie da gemeinsam stehen?

Warum merkt die Mehrheit der Deutschen nicht, dass die Rechtsentwicklung nicht nur von der AfD ausgeht, sondern auch von der jetzigen Regierung? Die Ampelkoalition gibt Milliarden für Aufrüstung und Vernichtungswaffen aus, will alles „kriegstüchtig“ machen und kürzt dafür bei den Sozialausgaben. Angeblich ist kein Geld da für Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen, Universitäten, für die Sanierung der Infrastruktur, für die Kindersicherung, für arme Rentner und Rentnerinnen. Von der Aufrüstung profitieren nur die Rüstungsunternehmen, deren Gewinne noch nie so hoch wie heute waren! Diese zutiefst unsoziale und gefährliche Politik muss unbedingt gestoppt werden.

Geht die Regierung so gewalttätig gegen Protestierende vor, weil sie andere einschüchtern und sie vom Protest auf der Straße abhalten will? Ist das das Ziel, wenn protestierenden Studierenden mit der Exmatrikulation gedroht wird und wenn Nicht-Bio-Deutschen mit Entzug der Aufenthaltsgenehmigungen oder sogar mit Passentzug gedroht wird, falls sie sich „unbotmäßig“ verhalten oder Slogans rufen, die als „antisemitisch“ oder „islamistisch“ diffamiert werden? Viele Palästinenser sind höchst verunsichert und trauen sich nicht, in der Öffentlichkeit gegen deutsche Waffenlieferungen zu protestieren und einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern …

Fazit: Solange die USA und Deutschland Israel weiterhin unterstützen, wird es keinen Frieden geben. Das wurde nach der Bewilligung des 26-Milliarden-US-Dollar-Pakets von den USA sehr deutlich. Kurz darauf wurde Rafah bombardiert, 18 Kinder und vier Erwachsene kamen dabei ums Leben. Man könnte denken, dass die Botschaft an die Israelis lautete: Macht ruhig weiter, wir unterstützen euch auch weiterhin. Eine moralische und politische Bankrotterklärung!“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=114635

 

Daniel Bax: „Der Schutz jüdischen Lebens gehört in Deutschland zur Staatsräson. Aber gilt dieser Schutz auch für Jüdinnen und Juden, die der israelischen Politik gegenüber kritischer eingestellt sind, als es die Bundesregierung ist? Daran sind Zweifel angebracht. Die Ausladung der Philosophin Nancy Fraeser, der Umgang mit Masha Gessen und Judith Butler und die Auflösung eines „Palästina-Kongresses“, der unter anderem von einer kleinen jüdischen Gruppe organisiert wurde – all das zeigt, was die Sonntagsreden über den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland wert sind, wenn es um den Schulterschluss mit Israel und dessen in Teilen rechtsextremer Regierung geht: die andere Seite der Staatsräson.

Es gab in Deutschland schon immer ein Ressentiment gegen „liberale US-Intellektuelle“. Es scheint, als habe dieses Ressentiment ausgerechnet im Namen des Kampfs gegen den Antisemitismus einen neuen Ausdruck gefunden. Nur so lässt sich der Eifer verstehen, mit dem zusammen mit dem Vorwurf einer mangelnden Identifikation mit dem israelischen Staat gleich ganze Denkschulen abgekanzelt werden.

Aber der deutsche McCarthyismus richtet sich gegen alle, die nicht die deutsche Staatsräson zu Israel teilen. Da werden nicht nur Anstandsregeln missachtet und Gesetze verschärft, sondern die Grenzen des Rechtsstaats berührt, wenn offenbar willkürlich Einreise-, Versammlungs- und Betätigungsverbote verhängt werden, wie es jetzt beim polizeilich verhinderten „Palästina-Kongress“ in Berlin geschehen ist. Ausgerechnet der Antisemitismus-Beauftragte will dem linken Verein „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ nun sogar die Gemeinnützigkeit entziehen lassen, weil er deren Palästina-Solidarität ablehnt.

Dass konservative Medien diesem autoritären Kurs applaudieren, ist nicht verwunderlich. Aber selbst liberale Medien wie Die Zeit nehmen ihn schulterzuckend hin. In Politik und Medien fehlen Rechtstaats-Liberale alten Schlages wie der FDP-Politiker Gerhart Baum, der als Innenminister sogar nach dem „deutschen Herbst“ von 1977 einen kühlen Kopf behielt. Zur Erinnerung: Damals erschütterten Anschlagsserien und Flugzeugentführungen das Land. Heute reichen ein paar pro-palästinensische Demonstrationen oder fragwürdige Äußerungen über Israel, damit das halbe Land in moralische Panik verfällt und die Politik überreagiert.

Manche begrüßen das harte Vorgehen, weil sie meinen, es träfe schon die Richtigen. Andere behaupten, das sei alles ganz normal: Es gibt nichts zu sehen, gehen Sie weiter! Doch wenn dieser autoritäre Kurs einreißt, wird er sich bald auch gegen andere Gruppen richten, die der Regierung widersprechen: Klimaschützer, Flüchtlingshelfer oder andere. Und diese Regierung wird nicht immer eine Ampel-Regierung sein.“

https://taz.de/Abgebrochener-Palaestina-Kongress/!6004241/

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

4. Mai – Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider

„Kalifat ist die Lösung!“ - Im neuen Wochenkommentar geht es heute um eine friedliche Kundgebung von unterdrückten Rechtsextremisten in Hamburg und natürlich nach wie vor um unseren Kampf gegen räächts.

https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa6ptgrhkx12en9a6aml/

 

Hendrik Wüst und die Nazikeule

https://www.youtube.com/watch?v=FONZKYD37YU

 

ARZT WILL NICHT ANTWORTEN

https://odysee.com/@NikolaiBinner:4/arzt-will-nicht-antworten-%F0%9F%98%AE:d

 

Wenn während dem Flug die Tür aufgeht

https://odysee.com/@NikolaiBinner:4/wenn-w%C3%A4hrend-dem-flug-die-t%C3%BCr-aufgeht:9

 

Simone Solga: Schwafeln gegen rechts | Folge 113

https://www.youtube.com/watch?v=P7dHDSll9HI

 

Gaza-Kampf statt Arbeitskampf: Auf der Revolutionären 1. Mai Krawall-Demo in Berlin

https://www.youtube.com/watch?v=bmfqYQTjpeM

 

Wahlkrämpfe / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 150

https://www.youtube.com/watch?v=m7asDAQGBqw

 

Übrigens... Ein Hoch auf die woken Märchen

https://www.youtube.com/watch?v=IE-O709e6-Y

 

HallMack  Esken, nichts wird passieren

https://www.frei3.de/post/4dff1119-7d73-4cba-a336-e1d0f8fec716