Denkmal des unbekannten Soldaten

https://www.youtube.com/watch?v=Ug1bqv3ch1s

 

Im Rahmen der Oscarverleihung 2023 wurde „Im Westen nichts Neues“ mit vier Oscars ausgezeichnet. Edward Bergers Verfilmung von Erich Maria Remarques berühmtem Anti-Kriegs-Roman gewann in den Kategorien bester Internationaler Film, beste Kamera, bestes Szenenbild und beste Musik.

 

Kriege sind weltweit immer aktuell. Mit Ausnahme der Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/626-die-moerder-sind-unter-uns ) gab es zumindest seit dem 2. Weltkrieg keinen Krieg in Mitteleuropa und Krieg war zu großen Teilen geächtet.

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Nach verheerenden Kriegen besteht erst mal Bedarf nach Ruhe. So wie nach dem Schmalkaldischen Krieg und dem Augsburger Religionsfrieden Mitte des 16. Jahrhunderts. Spätestens nach zwei oder drei Generationen haben die Oberschichten wieder Lust an Beutezügen und leiten die Vorspiele zum nächsten Krieg und die entsprechende Propaganda ein.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/580-terra-deserta

 

Es ist wieder soweit.

 

Der Film „Im Westen nichts Neues“

 

https://www.youtube.com/watch?v=I5TdMyQ86tM

 

https://www.youtube.com/watch?v=j_tDmkQb7UU

 

Christoph Vandreier und Bernd Reinhardt beschreiben kurz und prägnant den aktuellen Film, das Buch von Erich Maria Remarque, dessen Bedeutung und die Reaktionen darauf:

„Edward Bergers Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Anti-Kriegs-Klassiker ist eine beeindruckende Inszenierung der Schrecken des Ersten Weltkriegs und der Rücksichtslosigkeit, mit der eine ganze Generation auf den Schlachtfeldern verheizt wurde. Der Film, der für Netflix produziert wurde, aber auch in Kinos gezeigt wird, erreichte gleich nach seiner Veröffentlichung Platz eins der Streaming-Charts und wird bereits für einen Oscar gehandelt.

Remarques Buch von 1929 gilt zurecht als der Anti-Kriegs-Roman schlechthin. Nicht weil er sich durch literarische Finesse auszeichnet oder die politischen und gesellschaftlichen Ursachen des Kriegs untersucht, sondern weil er die Realität des Frontalltags aus Perspektive des fiktiven 17-jährigen Paul Bäumer in schonungsloser Ehrlichkeit und in all seinen körperlichen und emotionalen Verwüstungen darstellt.

Die Veröffentlichung des Buches zehn Jahre nach Kriegsende war politischer Sprengstoff. Längst arbeitete die Regierung an der Wiederbewaffnung, und die NSDAP wurde aufgebaut, um den Weg in einen neuen Weltkrieg zu ebnen. Unter diesen Bedingungen gewann die realistische Darstellung des imperialistischen Kriegs größte Bedeutung.

Das deutsch-nationale Deutsche Adelsblatt fürchtete, das Buch würde den Gedanken „Nie wieder Krieg“ wecken und verstärken; die Nazis bezeichneten das Buch als „jauchzende Entschuldigung der Deserteure, Überläufer, Meuterer und Drückeberger“ (Völkischer Beobachter) und führten eine intensive Kampagne gegen das Werk und seinen Autor.

Lewis Milestones bahnbrechende Verfilmung des Romans wurde von den deutschen Behörden im Jahr 1930 nur in einer stark zensierten Version zugelassen. Trotzdem organisierten die Nazis eine massive Hetzkampagne, sprengten Aufführungen durch Stink- und Nebelbomben und blockierten Kinos.

Es ist die rechte Zeit, diesen Stoff in einer modernen Bildsprache neu zu verfilmen und damit einer neuen Generation breit zugänglich zu machen. Mit dem Krieg der Nato gegen Russland werden wieder Tausende junger Menschen auf beiden Seiten der Front zum Kanonenfutter für die Interessen der Finanzoligarchie. Sie werden von Bomben zerfetzt und verstümmelt, und der Menschheit droht die nukleare Vernichtung. Unter diesen Bedingungen versuchen Medien und Professoren die Rücksichtslosigkeit und Brutalität der beiden Weltkriege zu verschweigen oder gar zu relativieren.

Denn mit dem Militarismus kehrt auch die Glorifizierung der Schlacht und die Heroisierung des Soldaten zurück. Die Kriegsberichterstattung beschränkt sich auf „embedded Journalism“ und dumpfe Propaganda. Der Film von Edward Berger inszeniert demgegenüber die Wirklichkeit des imperialistischen Kriegs und schafft es durch seine Konzentration auf die Situation tatsächlich, eine universelle Erfahrung darzustellen, die heute brennende Aktualität besitzt.

Auch wenn sich Berger teils deutlich von der Buchvorlage entfernt, gelingt es ihm, viel von der Stimmung des Romans auf die Leinwand zu bringen. Dabei verzichtet er weitgehend darauf, die Charaktere zu entwickeln. Der Fokus liegt auf der Situation, in die die jungen Männer geworfen werden und in der sie sich schlagartig zurecht finden müssen. Das Erleben der Protagonisten ist durch Großaufnahmen der Mimik zum Greifen nah.

Der Film beginnt nicht mit Bäumer, sondern mit einer grausamen Schlacht vor seiner Einberufung. Den gefallenen Soldaten werden die Uniformen ausgezogen, die dann in großen Kesseln von Schlamm und Blut befreit und in einer riesigen Halle von dutzenden Näherinnen wieder zusammengeflickt werden. Als Bäumer bei seinem Antritt eine solche Uniform erhält, wundert er sich über das darin verbliebene Namensschild, das vom Offizier dann schnell entfernt wird. Der Kreislauf der Mordmaschinerie ist im Gange und die Handlung des Films beginnt.

In der Konfrontation mit dieser Maschinerie wird der Zuschauer nicht geschont, ihre Brutalität wird wie auch im Buch gnadenlos abgebildet. Die Kamera schneidet nicht weg, sondern hält drauf, wenn Leiber zerfetzt, Soldaten von Panzern überrollt oder mit Feuerwerfern verbrannt werden. Die bewegte Kameraführung in den Schlachten bringt den Zuschauer direkt ins Kampfgeschehen.

Unterstützt wird diese realistische Darstellung des Kriegsgrauens durch ein detailliertes Szenenbild, durch das völlig durchnässte und verschlammte Soldaten um ihr Leben krauchen. Ein für das Genre eher zurückhaltender Sound, der die Geräusche des Geschehens aufgreift oder der Vorausdeutung dient, unterstreicht das ebenfalls. Menschliche Geräusche wie Atmen, Keuchen und Stöhnen sind dabei deutlich und sehr nah zu spüren.

In dieser Szenerie bewegen sich die Protagonisten zwischen der Integration in die Kriegsmaschinerie und der eigenen Menschlichkeit. Dieses Hauptthema des Buchs ist durch das beachtliche Schauspiel insbesondere von Felix Kammerer, als Paul Bäumer, und Albrecht Schuch, als sein väterlicher Freund Stanislaus „Kat“ Katczinsky, beeindruckend in Szene gesetzt.

Etwa wenn Bäumer durch den Kugelhagel den gegnerischen Schützengraben erreicht, in verzweifelter Raserei französische Soldaten tötet und dann beim Anblick eines jungen Feindes sich selbst erkennt. Oder wenn Bäumer den angeschossenen Kat unter übermenschlicher Kraftanstrengung zurück zum Lager trägt, um im Lazarett festzustellen, dass er die ganze Zeit eine Leiche getragen hat, weil Kat seiner Verwundung längst erlegen ist. Es ist der verzweifelte Kampf gegen den Tod.

Auch eine andere Schlüsselszene des Buchs ist beeindruckend gespielt. Wenn Bäumer während einer Schlacht in einem Bombenkrater Deckung sucht und dort einen französischen Soldaten ersticht. Er muss neben dem Sterbenden im Krater bleiben und versucht zunächst, ihn zum Schweigen zu bringen. Allmählich wird er sich gewahr, wie ähnlich ihre Situationen sind. Er versucht, ihn zu stabilisieren, nennt ihn Kamerad und verspricht dann dem Toten, dessen Brieftasche der Familie zu übergeben. Die Szene zeigt die Panik, Brutalität, Abgestumpftheit und zugleich die Momente der Reue und tiefen Menschlichkeit, die den Alltag an der Front auszeichnen.

Der niedergeschlagene Bäumer, der seinen Weg zurück zum Lager über das nächtliche Schlachtfeld sucht, wird dem üppigen Abendessen des rücksichtslosen Generals Friedrich gegengeschnitten, einer Figur, die Berger neu eingeführt hat und die im Buch nicht vorkommt. Der Schnitt unterstreicht: Bäumer ist dem französischen Soldaten sehr viel näher als dem deutschen General.

Als Bäumer das Lager schließlich erreicht, findet er feiernde Soldaten vor. Einer kommt auf ihn zu und ruft: „Die fetten Schweine haben es eingesehen. Sie verhandeln endlich. Wir fahren bald nach Hause, Soldat.“

Doch in diesen Schlüsselszenen offenbaren sich auch die größten Schwächen des Films. Im Buch ist die Kraterszene der Kulminationspunkt einer komplexen Entwicklung von Bäumers Zweifeln, die im Film weitgehend ausgeblendet werden. So ist der Heimaturlaub, in dem der junge Rekrut der tiefen Entfremdung von der militarisierten Gesellschaft gewahr wird, vollständig getilgt, und auch die Konfrontation mit russischen Kriegsgefangenen, denen gegenüber Bäumer tiefes Mitleid empfindet, wurde ersatzlos gestrichen.

Überhaupt erfährt man angesichts des radikal situationsbezogenen Zugangs kaum etwas über die Gedanken und das Seelenleben der jungen Soldaten. Der Schrecken des Kriegs entfaltet sich im Buch nicht einfach im Trommelfeuer des Schützengrabens, sondern gerade in den Szenen, in denen versucht wird, das Erlebte zu verarbeiten. Wenn Bäumer seiner todkranken Mutter vorlügt, dass an der Front alles gut sei, oder der Mutter seines Kameraden Kemmerich über dessen Tod berichten muss, wird der Leser mit den tiefen seelischen Wunden konfrontiert, die der Krieg in die junge Generation gerissen hat.

Es sind gerade diese Erfahrungen, die Bäumer und seinen Kameraden am meisten zu schaffen machen, weil sie die Menschlichkeit heraufbeschwören, die im Widerspruch zur Front steht: „Die gefährlichen Augenblicke, die uns zeigen, dass die Anpassung doch nur künstlich ist. Manchmal bricht es plötzlich heraus, dieses Gefährliche, Gestaute – wie aus überhitzten Dampfkesseln“, wie es im Buch heißt.

Durch das Auslassen all dieser zentralen Elemente verliert der Film nicht nur an Tragik und Tiefe. Die Soldaten werden auch zu bloßen Opfern des Kriegs degradiert, weil die Widerständigkeit, die vielen Szenen des Buches innewohnt, nicht transportiert wird. Die Dialoge der Soldaten sind spärlich und oft unverständlich vernuschelt, während etwa der General bühnenreif spricht.

Es mag sein, dass Berger das als Stilmittel nutzt, um die Sprachlosigkeit der Soldaten über das Erlebte auszudrücken, die durchaus auch im Buch ihren Platz findet. Aber wenn die zentralen Diskussionen über Sinn und Unsinn des Kriegs, die Hohlheit der Kriegspropaganda und die Gleichheit der französischen und deutschen Arbeiter nahezu vollständig ausgelassen werden, entsteht ein völlig anderes Bild.

Das findet seinen klarsten Ausdruck in der wohl gröbsten Veränderung im Vergleich zum Buch. Während das Buch im Oktober 1918 mit dem Tod Bäumers an einem ruhigen Tag an der Westfront endet und die kommende Revolution zumindest andeutet („Gibt es keinen Frieden, dann gibt es Revolution“), verschiebt Berger das Ende auf den Tag des Inkrafttretens des Waffenstillstands am 11. November.

Sein fiktiver General Friedrich schickt die Soldaten, die schon den Waffenstillstand feiern, 15 Minuten vor dessen Inkraftreten in eine aussichtslose letzte Schlacht. Ein paar weigern sich und werden erschossen, aber die große Masse trabt teilnahmslos und erschöpft zurück in die Schützengräben. Bäumer gerät erneut in den Blutrausch der Front, erschießt und erschlägt Franzosen, die eigentlich gar nicht mehr kämpfen wollten, und liefert sich einen heftigen Nahkampf, in dessen Verlauf er Sekunden vor dem Waffenstillstand hinterrücks erstochen wird.

So wird das Bild der willenlosen und gehorsamen Tötungsmaschine auf die Spitze getrieben und ein völlig pessimistischer und aussichtsloser Standpunkt bezogen. Das wirkt nicht nur abwegig, es wird auch der Realität des Kriegs nicht gerecht. Eine Szene wie sie der Film zeigt, gab es an der Westfront nicht, aber als das Kommando der Hochseestreitkräfte kurz vor dem Waffenstillstand die Verhandlungen durch eine letzte Offensive sabotieren wollten, meuterten die Matrosen und lösten so die Novemberrevolution aus, in deren Verlauf im ganzen Land Arbeiter- und Soldatenräte gebildet wurden, die den Kaiser davonjagten und den Krieg beendeten.

Auch das Buch deutet die Revolution nur an, zeigt aber in der Verbrüderung mit dem Feind und der Widerständigkeit der Soldaten auch diese Tendenz der Entwicklung auf. Der Roman zeigt die grundlegend feindliche Haltung gegenüber dem Krieg bei den einfachen Soldaten. Sie fühlen sich fehl am Platz, lehnen den Militarismus und seine Repräsentanten ab, wie den verhassten Ausbilder Himmelstoß und die patriotischen Akademiker, die am Stammtisch die Welt erobern. Sie verachten den „Feldgendarmen“, den „Kommißpolizisten“, der die Soldaten überwacht und bemerken: „Die Fabrikbesitzer in Deutschland sind reiche Leute geworden – uns zerschrinnt die Ruhr die Därme.“

Berger hat die revolutionäre Entwicklung auf allen Seiten der Front fast vollständig getilgt. Er verlegt zwar den Hauptteil des Film mitten in die Zeit, wo Soldaten desertierten, Befehle verweigerten und die Generäle zunehmend die Kontrolle verloren, lässt es aber, bis auf eine Randbemerkung, völlig unbehandelt. Stattdessen zeigt er ausführlich die Friedensverhandlungen unter dem Zentrums-Politiker Matthias Erzberger, der zwar von Daniel Brühl recht pointiert als schmalschultriger Ausputzer des Generalstabs dargestellt wird, aber zum Verständnis des Kriegs und seines Endes wenig beiträgt.

Berger begründet die Einführung dieser Ebene auch damit, dass er ein „Schlaglicht auf die Zukunft“ werfen wollte, in der die Militaristen gestützt auf die Unterzeichnung des Waffenstillstands durch Erzberger die Dolchstoßlegende verbreiteten und damit ideologisch den Weg zum Zweiten Weltkrieg bahnten.

Doch diese Entwicklung war keinesfalls geradlinig. Der Erste Weltkrieg führte nicht nur zu Freikorps und Reaktion, sondern auch zur Revolution und zu einer tiefen antimilitaristischen Überzeugung in der Arbeiterklasse, die erst durch den Terror der Nazis gebrochen werden konnte. Gerade „Im Westen nichts Neues“ befeuerte in seiner schonungslosen Dokumentation der Verwüstungen des Kriegs diese Haltung.

Auch der neue Film schafft es, die Schrecken des Kriegs erfahrbar zu machen, er steckt dem Zuschauer noch wochenlang in den Knochen, und es hämmert die Frage im Kopf, wie eine solche Katastrophe angesichts der erneuten Kriegstreiberei verhindert werden kann. Gerade deshalb ist der pessimistische Ausblick und das Tilgen der realen Widersprüche so bedauerlich.

Trotzdem wird der Film eine neue Generation dazu anregen, sich mit den Gründen des Kriegs und einer Perspektive im Kampf gegen einen Dritten Weltkrieg zu beschäftigen. Er wird sie ermutigen, die heutigen Himmelstöße und Kantoreks in den Schreibstuben der Zeitungen und an den Pulten im Hörsaal zurückzuweisen und sich einer internationalen Bewegung gegen den Krieg anzuschließen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2022/11/17/west-n17.html

 

Und hier noch der Trailer aus dem Film von 1930:

https://www.youtube.com/watch?v=M53qgzbvN3M

 

Das Buch „Im Westen nichts Neues“

 

Sofern nicht anders angegeben, stammen die angegebenen Zitate aus dem Buch „‚Als wäre alles das letzte Mal‘: Erich Maria Remarque – Eine Biographie“ von Wilhelm von Sternburg aus dem Jahr 1998.

 

Remarque im Krieg

 

„Im Westen nichts Neues“ ist ein Roman – kein Tatsachen-Bericht. Einiges des Geschriebenen hat Erich Maria Remarque selbst an der Front und im Lazarett erlebt, anderes hat er erzählt bekommen, wieder anderes erfunden.

 

„Es gelingt ihm wie kaum einem anderen zeitgenössischen Autor, zu einer authentischen Stimme seiner mißbrauchten und getäuschten Altersgenossen zu werden. Vor allem der ungeheure Erfolg von „Im Westen nichts Neues“ weist darauf hin, wie genau Remarque in seiner literarischen Verarbeitung der Zeit Wirkung und Folgen des Krieges zu erfassen verstanden hat. Stimmung und Ton des Romans haben den Nerv der Spät-Weimaraner getroffen, was ja auch den erbitterten Hass erklärt, auf den das Buch  bei der nationalistischen Rechten stößt.

Persönlich erlebt hatte Remarque wenig von dem, was er zehn Jahre später in seinem berühmtesten Roman schildert. Keine Grabenkämpfe, keine Sturmangriffe machte er mit, auch wenn seine Kompanie zweifellos mehrfach unter schweren Beschuß geriet. Er war an und hinter der Front als „Schipper“ eingesetzt. Zerstörte Eisenbahnstrecken reparieren und Telephonleitungen legen mußten diese Kompanien, zu denen er geschickt wurde, Stacheldrahtzäune vor den Schützengräben ziehen und Munitionszüge entladen. Zeitweise war Remarque auch im Telephondienst eingesetzt. Das alles war weder ungefährlich noch leicht. Der Tod suchte seine Opfer in großer Zahl auch bei den Schanztruppen.

Das Soldatendasein beginnt mit der üblichen Rekrutenschinderei während der Ausbildungsmonate, die Remarque in der Osnabrücker Caprivi-Kaserne absolviert. Fortgesetzt werden die absurden Übungen im Töten und Überleben in der Lüneburger Heide, im Ausbildungslager Celle. Mehrfach erhält Remarque Urlaub, um seine schwer erkrankte Mutter in Osnabrück besuchen zu können. Am 12. Juni 1917 wurde er an die Westfront verlegt.

Die wenigen Berichte über den Soldaten Remarque, die überliefert sind, zeigen, daß er offenbar im Kameradenkreis geachtet wird, mit seinen Hypnotiseur-Kunststücken, seinem Klavierspiel und seiner kameradschaftlichen Haltung die Sympathien seiner Umgebung gewinnt. „Ich gehörte zur gleichen Korporalschaft beim Rekr.-Depot. Remarque war willig und freundlich, er lag mit mir einige Tage in der Revierstube, als ich erkrankte. Er quälte sich mit einem schmerzhaften Geschwür, das aber erfolgreich behandelt wurde. Ein anderer Mitsoldat berichtet: „Im Felde war R. mein bester Kamerad, er verlor nie die Ruhe, wir haben manche Rolle Stacheldraht gemeinsam verarbeitet. Auch die übrigen Kameraden schätzten ihn sehr.“

Remarque hat zweifellos Glück gehabt. Sechs Wochen nach seiner Ankunft im flandrischen Ham-Lenglet wird er an der Ypern-Front verwundet, und damit ist sein Fronteinsatz zu Ende. In den vorangegangenen Wochen ist er in verschiedenen Schanzkompanien kommandiert worden, in denen auch einige Osnabrücker Schulkameraden eingesetzt sind. Manche Begebenheit, der der Leser in Remarques Roman über den Krieg begegnet, hat der Autor in dieser kurzen Zeit beobachtet und einiges auch tatsächlich erlebt, die Szene etwa, in der Paul Bäumer seinen verwundeten Kameraden Stanislaus Katczynski (Kat) auf dem Rücken zum Verbandsplatz trägt. Hanns-Gerd Rabe weist in diesem Zusammenhang auf den Schulfreund Troske hin, der schwer verwundet von Remarque vom Schlachtfeld geschleppt wird und Wochen später seinen schweren Verletzungen erliegt. Der Schriftsteller wird dieses Erlebnis insofern dramatisieren, als er Kat schon auf dem Weg zum Verbandsplatz sterben läßt. Unbemerkt von Paul Bäumer hat Kat beim Transport ein Granatsplitter getroffen. Einige Personen aus Remarques Kameradenkreis regen zweifellos die Darstellung der Romanfiguren an, die zynische, von groteskem Humor gezeichnete Stimmung der Soldaten trifft der genau beobachtende Remarque später exzellent …

In den Briefen, die er nach seiner Verwundung aus dem Duisburger Lazarett schreibt, oder in den Tagebuchaufzeichnungen, die er im August 1918 beginnt, sind die Fronterlebnisse nahezu verdrängt. Remarque äußert sich gegenüber den Kriegskameraden in einem bewußt burschikosen Landserton, von Empörung und Protest ist da nichts zu verspüren. In den privaten Aufzeichnungen herrscht Traumbuden-Stimmung und Liebesgestammel. Er beginnt in dieser Zeit zwar mit der Niederschrift eines Romans über den Krieg, aber bricht diesen Versuch sehr bald wieder ab.“

 

Nicht ganz am Anfang seiner Karriere

 

Die Werbe-Kampagne des Ullstein-Verlags beschreibt Erich Maria Remarque als ehemaligen Frontsoldaten, der seine Traumen als Erstlingswerk niederschreibt. Das stimmt allerdings nicht.

 

„Das Originalmaterial zeigt zweifelsfrei, daß der Text mehrfach umgearbeitet worden ist und ihm eine ausgefeilte Konzeption zugrunde gelegen hat. Remarque produzierte das Buch als professioneller Schriftsteller, der seine Erzählstrategie sehr bewußt wählte.“

 

Denkmal des unbekannten Soldaten

 

„Bei allem Respekt vor Ullsteins Werbeabteilung: Es ist ein überragender Roman, und deswegen hat er die Zeiten überlebt, ist er bis heute schlechthin das Buch über den Krieg geblieben. Auch nach dem Untergang Weimars und der Niederschlagung des europäischen Faschismus hat die Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden jede heranwachsende Generation bewegt und gefesselt. Was immer Ullstein und Remarque geschrieben und geredet hatten, es ist ein Buch gegen den Irrsinn des Krieges, gegen die große Lüge der Rechtfertiger und falschen Patrioten. Der lapidare Berichterstatterton des Ich-Erzählers, die einfache Sprache, mit der der Autor seine Protagonisten reden läßt, die scheinbare Fatalität, mit der er das Kriegsgeschehen, den Tod, das Leiden der Verwundeten schildert, kann nicht darüber hinwegtäuschen. Gerade weil Remarque die Dialoge nicht ideologisch überhöht hat - wie beispielsweise Arnold Zweig in und späteren Teilen seines „Zyklus über den Großen Krieg der weißen Männer“ -, gerade weil er sich der Ästhetisierung verlogener Heldenmännlichkeit, der Beschwörung der Schicksalhaftigkeit des Krieges eines Ernst Jünger („In Stahlgewittern“) verweigerte, hat seinen Roman auch nach dem Zweiten Weltkrieg seine Aktualität und seine Bedeutung in einem Ausmaß behalten wie kein anderer Kriegsroman. Bernhard Wickis Film „Die Brücke“ und Remarques „Im Westen nichts Neues“ wurden für viele junge Menschen in der Bundesrepublik zu einem prägenden Erlebnis. Diese Kunstwerke haben die Verharmlosungen der amtlichen Kriegsberichterstatter, der allzu vergeßlichen Wiederaufrüster und Anekdotenerzähler zwar nicht verhindern, aber doch entlarven können, mehr als Feiertagsbeschwörungen oder Seminare, mehr auch als der theoretisierende Pazifismus. Remarques Roman über den Krieg ist von einem Humanismus getragen, wie wir ihn nur in den großen Werken der Literatur finden. Das hat ihm seine ungebrochene Wirkung erhalten.“

 

Gründe für den Erfolg

 

„„Im Westen nichts Neues“ ist das erfolgreichste deutschsprachige Buch unseres Jahrhunderts. Abgesehen von den großen Religionsschriften haben nur ganz selten literarische Werke in der Kulturgeschichte der Menschheit eine solche Auflagenzahl erreicht. Genau ist sie nicht festzustellen, aber die Schätzungen liegen zwischen 15 und 20 Millionen verkauften Exemplaren. Das Buch wurde in 49 Sprachen übersetzt. Natürlich in die klassischen Weltsprachen, aber auch in Afrikaans, Birmanisch, Kasachisch oder Zulu …

Kein je in Deutschland veröffentlichter Roman hat zudem ein solches politisches Echo ausgelöst. Kaum war er auf dem Markt, entfachte er bei Lesern, Kritikern, politischen Parteien, staatlichen Institutionen, diversen nationalen, kulturellen oder militärischen Organisationen eine uferlose Auseinandersetzung. Keine Zeitung, die nicht eine Rezession veröffentlichte, kaum ein politischer Kommentator, der nicht Stellung bezog, unzählige Diskussionen in Versammlungen, im Reichstag, Verbandszeitschriften oder Leserbriefspalten. Nicht nur Politiker, Militärs oder Literaturkritiker meldeten sich zu Wort, sondern auch Rechtsanwälte, Ärzte, Pfarrer, Angestellte, Handwerksmeister oder (allerdings erheblich zurückhaltender) Arbeiter. Das österreichische Heeresministerium untersagte die Aufnahme des Buches in die Soldaten-Bibliotheken. Mussolini unterband den Vertrieb in Italien, der Thüringer Landtag verbot den Roman für alle Lehrer- und Schülerbüchereien, in Preußen, wo die Weimarer Koalition unter Führung des Sozialdemokraten Otto Braun regierte, konnte eine solche Entscheidung erst im letzten Augenblick verhindert werden, weil einige Zentrums-Abgeordnete absprangen. Eine beispiellose Hetze gegen das Buch und seinen Autor steht neben begeisterter Zustimmung.

Nach der Veröffentlichung wird der Buchmarkt mit einer Fülle von Anti-Schriften überflutet, die sich mit dem Wahrheitsgehalt, dem Leben des Verfassers, seinem politischen Wollen, mit der Entstehung des Manuskripts oder der beschmutzten Ehre des deutschen Frontsoldaten beschäftigten. Üble Machwerke in der Regel, die es mit den Tatsachen nicht sehr genau nehmen und versuchen, den Autor zu diffamieren oder doch lächerlich zu machen …

All diese Pamphlete erreichten im Grunde nur eines: Remarque und sein ohnehin erfolgreiches Buch wurden dadurch noch populärer.“

 

 

„Was macht ein Buch, insbesondere wenn der Autor völlig unbekannt ist, erfolgreich? … Im Falle von „Im Westen nichts Neues“ kam alles auf überaus glückliche, aber teilweise auch bewußt gelenkte Weise zusammen. Remarque traf mit der Art, wie er die Fronterlebnisse des „einfachen Soldaten“ schildert, das Herz unzähliger Spätweimaraner, die größtenteils noch selbst im Krieg gewesen waren. Im Gegensatz zur üblichen nationalistischen Kriegsliteratur hat er Kampf, Leiden und Tod entheroisiert. Da er sich im Vorwort ausdrücklich jeder politischen Stellungnahme entzog, überließ er seinen in diesen Jahren von allen Seiten mit Ideologien und politischen Kampfschriften konfrontierten Lesern, ihr eigenes Urteil über den Krieg zu fällen. Der bewußte Verzicht, einen „literarischen“ Roman zu schreiben und - was damals neu und überraschend war - seine Figuren in einer sehr einfachen, umgangssprachlichen Diktion reden und denken zu lassen, machte das Buch auch für literaturungewohnte Käufer attraktiv.

Das gilt nicht nur für Remarques Roman, aber Ullstein verstärkte dies alles durch eine mit Halbwahrheiten und enormen finanziellen Mitteln versehene Werbekampagne. Der Autor ließ sich auf dieses Spiel ein. Die bald einsetzende politische Agitation machte den Roman dann in den Buchhandlungen zum Selbstläufer.“

 

Auswirkungen

 

„Es war zunächst keineswegs so, daß der Roman von allen Lesern und Kritikern sofort nach dem Erscheinen als ein pazifistisches Buch empfunden wurde. Gerade weil Remarque keine direkten Urteile und Bewertungen in seinem Text ausspricht, sahen viele in den Kampfszenen des Buches und in der stoisch-resignierenden und damit als menschlich tapfer empfundenen Haltung seiner Figuren keine Anti-Kriegspropaganda. Erst im Zuge der sich so lautstark erhebenden Debatte änderte sich das. „Im Westen nichts Neues“ fand zunehmend politische Zustimmung im Lager des links-intellektuellen (und links-liberalen) Weimar. Im gleichen Maße nahm die Ablehnung der bürgerlichen Nationalisten und der Rechtsradikalen zu. So geriet das Werk jenseits seiner literarischen Intention in das ideologische Rasterwerk der Zeit, und das beeinflusste zunehmend die Haltung vieler Rezensenten und Leser. Wer für das Buch war galt, als Pazifist und Kritiker des Ersten Weltkriegs, wer es ablehnte, wurde zum Kriegs-Apologeten.“

 

 

„Selbst dort, wo er zurückblickt, ist es die Gegenwart, die er anspricht. „Im Westen nichts Neues“ etwa, dessen Geschehen 10 Jahre vor der Niederschrift angesiedelt ist, konnte vor allem deshalb ein so ungewöhnlicher Erfolg werden, weil Remarque das Empfinden, den Zeitgeist Deutschlands in der Spätphase der Weimarer Republik traf. Nicht der lange zurückliegende Krieg, sondern seine massenpsychologischen Folgen, die erst mit dem Aufstieg der radikalen Republikfeinde und dem Niedergang der deutschen Demokratie in das Bewusstsein der Menschen traten, sind das eigentliche Anliegen des Buches.“

 

 

„Carl von Ossietzky, seit 1926 Leiter der berühmten „Weltbühne“, hatte nach dem Sturm der politischen Rechten auf den Autor von „Im Westen nichts Neues“ in mehreren Artikeln zu den Auseinandersetzungen um das Buch und seine Verfilmung Stellung bezogen. Er verteidigte den Schriftsteller und sein Werk vehement und sah vor allem sehr genau, welche politische Bedeutung es besaß. Als Weimar seinem Untergang zuschritt, schrieb Ossietzky etwas wehmütig: „Ist es nicht ein Jahrhundert her, daß uns der Triumph des Kriegsbuches von Remarque als eine spontane Wandlung zum Friedensgeist gedeutet wurde? Wir haben dem damals bei aller Anerkennung der Qualitäten des gutmeinenden Autors widersprochen. Die Friedensgesinnung ist dahin wie der Schnee vom vorigen Jahr.“ Stefan Zweig ließ am 28. Juni 1929 seinen Briefpartner Romain Rolland wissen: „In Deutschland sind die Nationalisten am Verzweifeln. Das Buch von Remarque „Im Westen nichts Neues“ - Auflage 600.000 in 12 Wochen, und es geht auf die Million zu - hat sie umgeworfen. Dieses schlichte und wahre Buch hat mehr ausgerichtet als alle pazifistische Propaganda in zehn Jahren …“.“

 

Unpolitisch?

 

„Remarque beschränkt sich auf einen eng umrissenen Ausschnitt des Krieges, auf die Erlebnisse acht junger Männer. Der politisch-geschichtliche Hintergrund, Zeit- oder Ortsangaben tauchen nur in beiläufigen, ungenauen Hinweisen auf. „Zwischen Langemark und Bixschoote“ erleben seine Figuren den Krieg, das Geschehen spielt im Zeitraum September 1917 bis Oktober 1918. Wenn die Soldaten über soziale, gesellschaftliche oder politische Ursachen des Krieges diskutieren, dann werden keine historischen Namen genannt, die Schuldfrage wird nicht an Ideologien, Parteien oder Klassen festgemacht, sondern im allgemein Menschlichen belassen. Auch die Haltung der Heeresführung oder kriegsstrategische Erörterungen bleiben unerwähnt. Remarque setzt den Krieg als Tatsache voraus, und seine kritisch-politischen Thesen werden überwiegend in fatalistischen und resignierenden Worten vorgetragen. „Besser ist, über den ganzen Kram nicht zu reden.“ Aber gerade weil er auf jede Art von Geschichtsunterricht verzichtet, allein die humanistische Perspektive gelten lassen will, überzeugt er seine politikmüden Leser, und die vom „gesunden Menschenverstand“ getragenen Reflexionen über das Grauen entlarven den Krieg und seine Auslöser in einer Schärfe, die dann wiederum hochpolitisch ist …

Weil Remarque den Krieg aus der Perspektive des kleinen Mannes, der Opfer und nicht der politischen Täter schildert, er nicht Zeithistorie schreibt, sondern die Geschichte von Menschen, bleibt zumindest aus heutiger Sicht der als Vorlage dienende Erste Weltkrieg sekundär. Paul Bäumer und seine Kameraden starben auch in Stalingrad, in Korea, in Vietnam oder in Bosnien. Darin liegt die Zeitlosigkeit des Romans, und dies ist ein entscheidender Grund dafür, daß „Im Westen nichts Neues“ im Gegensatz zu Vielen anderen Kriegsromanen die Jahrzehnte überlebt hat. Ernst Jünger preist den Krieg als „den Vater aller Dinge“ („In Stahlgewittern“), als schicksalhafte Bewährungsprobe des „heldischen“ Menschen. Die nationalistischen Chauvinisten verherrlichen ihn in ihren Romanen als Überlebenskampf der Kulturen und höchste Stufe patriotischen Pflichtbewußtseins. Sie schildern das Entsetzliche, aber sie verleugnen es gleichzeitig mit einem Pathos, in dem die Frage nach Schuld und Verbrechen des Krieges ausgeblendet wird. Remarque läßt dem „Erhebenden“ des Abschlachtens, des Schmerzes und des Todes keinen Raum; er klagt an und beschreibt es so, wie es immer war und ist: als zynische Verachtung des Lebens.

Keine Geschichte ist es, die im Verlauf der Erzählung auf ein Ziel zuläuft, sondern ein Episodenroman. Remarque reiht Kapitel für Kapitel das Erleben an der Front, in der Etappe in, der Heimat, im Lazarett aneinander. Scheinbar zusammenhanglos entsteht ein eindringliches Bild vom Krieg und seiner Wirkung auf die Menschen, die in ihn hineingeschleudert worden sind. Dramatische Momente – Sturmangriffe, Grabenkämpfe, Feuerüberfälle, das Sterben auf den Verbandsplätzen oder im Lazarett, Paul Bäumer mit dem sterbenden Franzosen Duval in einem Granattrichter - werden von idyllisch geschilderten Episoden abgelöst. Der sich über Stunden hinziehende Verzehr eines „organisierten“ Gänsebratens, die ruhig und lebens-philosophisch dahinplätschernden Gespräche auf der Latrine, der nächtliche Besuch bei französische Frauen, der zwiespältig empfundene, aber die verlorene Welt der Jugend wieder heraufbeschwörende Heimaturlaub. Die Personen werden kaum individualisiert, Remarque verleiht ihnen lediglich typisierende Attribute …

Der humane Anspruch des Romans erfüllt sich auch, weil Remarque keine Feindbilder schafft. Das Elend und der Tod sind nicht an nationale Grenzen gebunden. „Ein Befehl hat diese stillen Gestalten zu unsern Feinden gemacht“, geht Paul Bäumer beim Anblick russischer Kriegsgefangener durch den Kopf, „ein Befehl könnte sie in unsere Freunde verwandeln. An irgendeinem Tisch wird ein Schriftstück von einigen Leuten unterzeichnet, die keiner von uns kennt, und jahrelang ist unser höchstes Ziel das, worauf sonst die Verachtung der Welt und ihre höchste Strafe ruht.“ Einige Zeilen weiter steht erneut mit Blick auf die russischen Häftlinge der Satz: „Jeder Unteroffizier ist dem Rekruten, jeder Oberlehrer dem Schüler ein schlimmerer Feind als sie uns.“ Im Granattrichter, in dem neben Bäumer der von ihm im Nahkampf tödlich verwundete Franzose qualvoll stirbt, denkt der verzweifelte, schuldlos-schuldige Mörder: „Warum sagt man uns nicht immer wieder, daß ihr ebenso arme Hunde seid wie wir, daß eure Mütter sich ebenso ängstigen wie unsere und daß wir die gleiche Furcht vor dem Tode haben und das gleiche Sterben und den gleichen Schmerz …““

 

Politisch!

 

„Jedenfalls musste Remarque für den veröffentlichten Text auf Wunsch des Verlages Korrekturen vornehmen, die allzu kriegsanklagende Passagen betrafen.“

 

Wie dem auch immer sei – Erich Maria Remarque hat dem zugestimmt und somit ist das veröffentlichte Buch als Aussage zu nehmen.

 

„Der angeblich so unpolitische Autor hat also ein hochpolitisches Buch vorgelegt. Alles, was in „Im Westen nichts Neues“ geschieht, hat seinen Ursprung in der politischen Entscheidung für den Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Keinem Leser kann eigentlich entgehen, daß Remarque im Jahr 1928 über den Krieg nicht nur als kühler „Berichterstatter“ des physischen und seelischen Leidens geschrieben hat, sondern in sehr subtiler Weise auf die Verursacher und die gesellschaftlichen Hintergründe des vierjährigen Massensterbens hinweist. Er wählt dabei nicht die Form der politischen Debatte, läßt seine Figuren nicht unterschiedliche ideologische Positionen einnehmen, aus deren dialogischer Konfrontation sich dann ein Lehrstück entwickelt, an dessen Ende eine Geschichtswahrheit steht. Seine Protagonisten argumentieren mit der Vernunft des Lebens und nicht mit dem Vokabular der Partei- oder Klassentheoretiker.

In verschiedenen Passagen allerdings weist der Autor direkt auf die politischen Zusammenhänge hin: auf die Lüge vom Verteidigungskrieg, den Mißbrauch der patriotischen Gefühle, die autoritäre Mentalität des Wilhelminismus, die ökonomischen Interessen der deutschen Wirtschaftseliten oder den Siegfrieden-Chauvinismus des Bürgertums. „‚Es ist komisch, wenn man sich das überlegt‘, fährt Kropp fort, ‚wir sind doch hier, um unser Vaterland zu verteidigen. Aber die Franzosen sind doch auch da, um ihr Vaterland zu verteidigen. Wer hat nun recht?‘“ - „‚Feldgendarmen, Polizei, Steuer, das ist euer Staat. Wenn du damit zu tun hast, danke schön.‘ ‚Das stimmt‘ sagt Kat, ‚da hast du zum ersten Male etwas Richtiges gesagt, Tjaden, Staat und Heimat, da ist wahrhaftig ein Unterschied.‘“ – „Die Fabrikbesitzer in Deutschland sind reiche Leute geworden - uns zerschrinnt die Ruhr die Därme.“ – „Nun frage ich euch: Mag der Mann in Zivil sein, was er will, in welchem Beruf kann er sich so etwas leisten, ohne dass ihm die Schnauze eingeschlagen wird? Das kann er nur beim Kommiß! Seht ihr, und das steigt jedem zu Kopf!“ – „Ich sehe, daß Völker gegeneinandergetrieben werden und sich schweigend, unwissend, töricht, gehorsam, unschuldig töten. Ich sehe, daß die klügsten Gehirne der Welt Waffen und Worte erfinden, um das alles noch raffinierter und längerdauernd zu machen.“ – „Sie disputieren darüber, was wir annektieren sollen. Der Direktor mit der eisernen Uhrkette will am meisten haben: ganz Belgien, die Kohlengebiete Frankreichs und große Stücke von Rußland.“ Remarques Frontsoldaten stellen diesen wahnwitzigen Forderungen illusionslos entgegen: „Jeder hier weiß, daß wir den Krieg verlieren.““

 

Erich Maria Remarque über "Im Westen nichts Neues" (1962):

https://www.youtube.com/watch?v=yfQNMsBCuWg

 

Remarque schweigt

 

„Am 10. Mai (1933) brennen im Land der Dichter und Denker vor den Universitäten hohe Scheiterhaufen. Grölende Studenten werfen Bücher in die Feuer und belegen die einzelnen Titel mit martialischen Sprüchen: „Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges! Für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque!“ Emil Ludwig berichtet von dieser makabren Stunde deutscher Selbstentlarvung: „In der Nacht der öffentlichen Bücherverbrennung … lud ich meinen Freund Erich Maria Remarque ein, um ein Glas mit mir zu trinken. Wir entkorkten unseren ältesten Rheinwein, drehten das Radio an und lauschen dem Knistern der Flammen, den Reden Hitlers und seiner Anhänger - und tranken auf die Zukunft.“

Es ist eine Ehrenliste deutschen Geistes, deren Repräsentanten hier an den Pranger gestellt werden. Sie reicht von Karl Marx bis Karl Kautsky, von Sigmund Freud bis Albert Einstein, von Heinrich Mann bis Lion Feuchtwanger, von Alfred Kerr bis Theodor Wolff, von Kurt Tucholsky bis Carl von Ossietzky …

 

Remarque schweigt. Dabei wird es lange bleiben. Er schreibt in den nächsten Jahren für keine der vielen kleinen Exilzeitschriften, die in Paris, London, Amsterdam oder Prag ihr kümmerliches Dasein fristen. Wie schon in der Endzeit der Republik findet sich unter keinem Appell oder Aufruf der antifaschistischen Organisationen seine Unterschrift. Mitte der 30er Jahre streitet das deutsche Exil leidenschaftlich über die „Volksfront“, ein Bündnis zwischen liberalem Bürgertum, Sozialdemokraten und Kommunisten, das sich dem europäischen Faschismus entgegenstellen soll. Heinrich Mann ist der intellektuelle Kopf dieser Bewegung, Lion Feuchtwanger verleitet die kontrovers ausgetragene Diskussion zu einer Pro-Stalin-Broschüre („Moskau 1937“), die er nach einer Rußland-Reise 1936 veröffentlicht und die Leopold Schwarzschild im „Neuen Tagebuch“ erbittert verurteilt. Europas intellektuelle Elite spaltet sich in dieser Frage. Remarque meldet sich nicht zu Wort.

Im Frühsommer 1935 ist er für einige Stunden Besucher des in Paris stattfindenden „Internationalen Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur“. Zu den Rednern gehören André Gide, Romain Rolland, Aldous Huxley, Martin Andersen Nexö, Ilja Ehrenburg, André Malraux, Henri Barbusse, Louis Aragon, Boris Pasternak, Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Robert Musil, Ernst Toller, Anna Seghers, Johannes R. Becher und Max Brod. In den fast hundert Diskussionsbeiträgen werden mehrfach Remarque und sein Kriegsroman erwähnt. Der Autor selbst, dessen beide Romane „Im Westen nichts Neues“ und „Der Weg zurück“ Ende 1933 im Dritten Reich verboten und beschlagnahmt worden sind, bleibt stumm.

Viele nahmen ihm dies übel. Kurt Tucholsky hatte bereits im Mai 1931 in einer Besprechung von „Der Weg zurück“ angemerkt: „Auf Remarque als Kämpfer können wir nicht zählen, seit er sich von dem Kammerjäger Goebbels so leicht hat besiegen lassen.“ Carl von Ossietzky schrieb anläßlich des Filmverbots: „Wir kennen seine Abneigung gegen öffentliches Hervortreten und teilen mit vielen anderen die Schätzung eines über Nacht berühmt gewordenen Autors, der es ablehnt, sich herumreichen zu lassen und unter Salonkätzchen und Bankettaffen den Löwen zu spielen. Aber dieser so gut ertragene Ruhm bringt doch noch andere Verpflichtungen mit als solche gegen den guten Geschmack. Herr Remarque … hätte nicht … schweigen dürfen … Herr Remarque hat im entscheidenden Stadium geschwiegen und sich damit selbst zu einer literarischen Ohnmacht degradiert.

Ossietzky stellte an sich selbst hohe moralische Ansprüche. 1932 ging er für seine Meinung ins Gefängnis, floh im Februar 1933 nicht, als es noch Zeit war, und bezahlte seine unbeugsame Haltung schließlich mit dem Leben. Bei einem solchen Mann konnte Remarques Verhalten nur auf Unverständnis stoßen.“

 

Was mensch auch immer davon halten mag – durch „Im Westen nichts Neues“ und seine weiteren Romane hat er der Sache des Humanismus sehr gedient. Mehr wäre zwar schön gewesen – aber auf seine Weise hat auch er geholfen.

 

Zitate aus dem Buch „Im Westen nichts Neues“

 

Zuerst noch einmal Wilhelm von Sternburg: „Der Roman enthält eine Fülle von Szenen, die mit derbem Landserhumor geschrieben sind, die Prügel, die Himmelstoß von seinen ehemaligen Rekruten bezieht, oder die Rache an Schuldirektor Kantorek durch seine Exschüler, die ihm nun in der Militärhierarchie vorgesetzt sind und den armen Mann über den Kasernenhof hetzen. Solche Abschnitte kontrastieren mit den Schrecken des Grabenkrieges, sie beschreiben sicher auch eine der vielen Wirklichkeiten im Zusammenleben von Zwangsgemeinschaften.“

 

Mensch und Macht

 

„„Der Himmelstoß“ ist als Briefträger sicher ein bescheidener Mann!, sagte ich, nachdem sich Alberts Enttäuschung gelegt hat, „wie mag es nur kommen, daß er als Unteroffizier ein solcher Schinder ist?“

Die Frage macht Kropp wieder mobil. „Das ist nicht nur Himmelstoß allein, das sind sehr viele. Sowie sie Tressen oder einen Säbel haben, werden sie andere Menschen, als ob sie Beton gefressen hätten.“

„Das macht die Uniform“, vermute ich.

„So ungefähr“, sagt Kat und setzt sich zu einer großen Rede zurecht, „aber der Grund liegt anderswo. Sieh mal, wenn du einen Hund zum Kartoffelfressen abrichtest und du legst ihm dann nachher ein Stück Fleisch hin, so wird er trotzdem danach schnappen, weil das in seiner Natur liegt. Und wenn du einem Menschen ein Stückchen Macht gibst, dann geht es ihm ebenso; er schnappt danach. Das kommt ganz von selber, denn der Mensch ist an und für sich zunächst einmal ein Biest, und dann erst ist vielleicht noch, wie bei einer Schmalzstulle, etwas Anständigkeit draufgeschmiert. Der Kommiß besteht nun darin, daß immer einer über den andern Macht hat. Das Schlimme ist nur, daß jeder viel zu viel Macht hat; ein Unteroffizier kann einen Gemeinen, ein Leutnant einen Unteroffizier, ein Hauptmann einen Leutnant derartig zwiebeln, daß er verrückt wird. Und weil er das weiß, deshalb gewöhnt er es sich gleich schon etwas an. Nimm nur die einfachste Sache: wir kommen vom Exerzierplatz und sind hundemüde. Da wird befohlen ‚Singen!' Na, es wird ein schlapper Gesang, denn jeder ist froh, daß er sein Gewehr noch schleppen kann. Und schon macht die Kompanie kehrt und muß eine Stunde strafexerzieren. Beim Rückmarsch heißt es wieder: ‚Singen!‘, und jetzt wird gesungen. Was hat das Ganze für einen Zweck? Der Kompanieführer hat seinen Kopf durchgesetzt, weil er die Macht dazu hat. Niemand wird ihn tadeln, im Gegenteil, er gilt als stramm. Dabei ist so etwas nur eine Kleinigkeit, es gibt doch noch ganz andere Sachen, womit sie einen schinden. Nun frage ich euch: Mag der Mann in Zivil sein, was er will, in welchem Beruf kann er sich so etwas leisten, ohne daß ihm die Schnauze eingeschlagen wird? Das kann er nur beim Kommiß! Seht ihr, und das steigt jedem zu Kopf. Und es steigt ihm umso mehr zu Kopf, je weniger er als Zivilist zu sagen hatte“ …

 

„Ich habe das Gefühl, daß mir beim nächsten Schanzen eine Drahtrolle auf die Beine von Himmelstoß fallen wird“, vermutet Kropp.

„Wir werden an ihm noch viel Spaß haben“, lacht Müller.

Das ist unser Ehrgeiz: einem Briefträger die Meinung stoßen.“

 

 

„Mittelstaedt hat eine Neuigkeit parat, die mich sofort elektrisiert. Er erzählt mir, daß Kantorek eingezogen worden sei als Landsturmmann. „Stell dir vor“, sagt er und holt ein paar gute Zigarren heraus, „ich komme aus dem Lazarett hierher und falle gleich über ihn. Er streckt mir seine Pfote entgegen und quakt: ‚Sieh da, Mittelstaedt, wie geht es denn?‘ - Ich sehe ihn groß an und antworte: ‚Landsturmmann Kantorek, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, das sollten Sie selbst am besten wissen. Nehmen Sie Haltung an, wenn Sie mit einem Vorgesetzten reden.‘ - Du hättest sein Gesicht sehen müssen! Eine Kreuzung aus Essiggurke und Blindgänger. Zögernd versuchte er noch einmal, sich anzubiedern. Da schnauzte ich etwas schärfer. Nun führte er seine stärkste Batterie ins Gefecht und fragte vertraulich: ‚Soll ich Ihnen vermitteln, daß Sie Notexamen machen?‘ Er wollte mich erinnern, verstehst du. Da packte mich die Wut, und ich erinnerte ihn auch. ‚Landsturmmann Kantorek, vor zwei Jahren haben sie uns zum Bezirkskommando gepredigt, darunter auch den Joseph Behm, der eigentlich nicht wollte. Er fiel drei Monate bevor er eingezogen worden wäre. Ohne Sie hätte er so lange gewartet. Und jetzt: Wegtreten. Wir sprechen uns noch‘ …

Mittelstaedt bleibt stehen vor ihm: „Landsturmmann Kantorek, ist das Knopfputz? Sie scheinen es nie zu lernen. Ungenügend, Kantorek, ungenügend -“

Ich brüllte innerlich vor Vergnügen. Genauso hat Kantorek in der Schule Mittelstaedt getadelt mit demselben Tonfall: „Ungenügend, Mittelstaedt, ungenügend“.“

 

Alles verdorben

 

„Kropp denkt ebenfalls darüber nach. „Es wird überhaupt schwer werden mit uns allen. Ob die sich in der Heimat eigentlich nicht manchmal Sorgen machen deswegen? Zwei Jahre Schießen und Handgranaten - das kann man doch nicht ausziehen wie einen Strumpf nachher -“

Wir stimmen darin überein, daß es jedem ähnlich geht; nicht nur uns hier; überall, jedem, der in der gleichen Lage ist, dem einen mehr, dem andern weniger. Es ist das gemeinsame Schicksal unserer Generation.

Albert spricht es aus. „Der Krieg hat uns für alles verdorben.“

Er hat recht. Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben. Wir waren 18 Jahre und begannen die Welt und das Dasein zu lieben; wir mussten darauf schießen. Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz. Wir sind abgeschlossen vom Tätigen, vom Streben, vom Fortschritt. Wir glauben nicht mehr daran; wir glauben an den Krieg.“

 

Vergleich mit Ernst Jünger

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms:

„Die „Stahlgewitter“ waren anfangs kein Bestseller, wurden aber militärisch gelesen und begründeten Ernst Jüngers Laufbahn als Schriftsteller.

Was auf den Wurm verstörend wirkt, sind die positiven Reaktionen von links, vor allem von Erich Maria Remarque. Gut, die Schrecken des Krieges werden beschrieben – letztendlich handelt es sich aber doch um eine Kriegs-Verherrlichung und um ein Monument der Dummheit.

Was die „Stahlgewitter“ und die weiteren kriegerischen Werke von Ernst Jünger wertvoll macht, ist, wie der Krieg aus dem Auge des Kriegers gesehen wird.

Die Schlüsselpassage des ganzen Buches lautet:

Dieses Trankopfer nach glücklich bestandener Schlacht zählt zu den schönsten Erinnerungen alter Krieger. Und wenn zehn vom Dutzend gefallen waren, die letzten zwei trafen sich mit Sicherheit am ersten Ruheabend beim Becher, brachten den toten Kameraden ein stilles Glas und besprachen scherzend die gemeinsamen Erlebnisse. In diesen Männern war ein Element lebendig, das die Wüstheit des Krieges unterstrich und doch vergeistigte, die sachliche Freude an der Gefahr, der ritterliche Drang zum Bestehen eines Kampfes. Im Laufe von vier Jahren schmolz das Feuer ein immer reineres, ein immer kühneres Kriegertum heraus.

Ernst Jünger schildert leicht verständlich, wie es im Krieg so zugeht, welch große Kameradschaft herrscht.

Er gehört nicht zu den Dumpfbacken, die sich durch Propaganda ein Feindbild aufschwatzen lassen. Im Gegenteil: mehrfach äußert er größten Respekt vor dem Feind, vor allem vor Engländern. Ob in ihrer Gesamtheit oder als Einzelpersonen, die er leider töten muss.

„Ein Jammer, solche Kerle totschießen zu müssen“, dachte ich, als ich ihn sah.

Es ist im Kriege immer mein Ideal gewesen, den Gegner unter Ausschaltung jedes Haßgefühls nur im Kampfe als solchen zu betrachten und ihn als Mann seinem Mute entsprechend zu werten. Ich habe gerade in diesem Punkte unter den englischen Offizieren viele verwandte Naturen kennengelernt.

Während einer Kampfpause kommt es schon beinahe zur Verbrüderung zwischen Engländern und Deutschen:

Als ich am anderen Morgen völlig durchnäßt den Stollen verließ, glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu dürfen. Das Gelände, dem bisher die Einsamkeit des Todes ihren Stempel aufgedrückt, hatte das Aussehen eines Jahrmarktes angenommen. Die Besatzung beider Gräben war von dem furchtbaren Schlamm auf die Brustwehren getrieben, und schon hatte sich vor den Drahtverhauen ein lebhafter Verkehr und Austausch von Schnaps, Zigaretten, Uniformknöpfen usw. entwickelt. Die Menge khakifarbener Gestalten, die den bisher so öden englischen Gräben entquoll, wirkte direkt verblüffend.

Gegen Ende des Krieges wird immer deutlicher, dass auf der deutschen Seite Verpflegung und Nachschub immer schwächer werden, während die Überlegenheit des Gegners an Menschen und Material immer größer wird.

Das schildert Ernst Jünger sehr klar und entlarvt damit die später entstandene „Dolchstoß-Legende“ als Lüge.

 

Was fehlt?

 

So wahrheitsgetreu die Kriegs-Erlebnisse auch sein mögen, so fällt doch auf, dass einige Dinge fehlen bzw. nur ganz kurz am Rande erwähnt sind.

Auf jeden Fall jene, die er in späteren Schriften erwähnt.

Wie die Fehler der deutschen Führung oder zuletzt die „Stimmung“ in der Truppe. Wer die „Stahlgewitter“ liest, könnte meinen, es hätte nur kriegerische Helden gegeben - da hat keiner Angst, keiner dreht durch. Auch werden keine Diskussionen geführt über Sinn und Zweck des Krieges, auch nicht über die gerade stattgefundene Russische Revolution (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/304-erschuetterung-der-welt.html ). Ebenso sollte die „Judenzählung“ von 1916 (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/122-triumph-und-tragik-des-fritz-bauer.html ,http://de.wikipedia.org/wiki/Judenz%C3%A4hlung) auf die eine oder andere Art und Weise Gesprächsthema gewesen sein.

Erotik kommt, wenn, dann nur andeutungsweise vor; militärisch organisierte Kriegsprostitution, mehrere amouröse Abenteuer werden in späteren Schriften erwähnt. Genauso Maßnahmen, wenn jemand „von Venus geschlagen“ wurde (also sich eine Geschlechtskrankheit wie die Syphilis zugezogen hatte).

Dass er ausgiebig Käfer gesammelt und Bücher gelesen hat, wird nur ganz am Rande erwähnt.

 

Wofür das alles?

 

Beim Anblick der von blühenden Kirschbäumen bekränzten Neckarberge empfand ich ein eigentümliches, starkes Heimatgefühl. Wie schön war doch das Land, wohl wert, dafür zu bluten und zu sterben.

Also für blühende Kirschbäume an den Neckarbergen?

Ernst Jünger ist frankophil, hat Respekt vor den Briten, begeistert sich für Belgien (zumindest den flämischen Teil) – was ihn nicht hindert, die jeweiligen Menschen und Landschaften zu töten und zu zerstören. Ohne zu fragen, wofür.

Es ist ihm völlig egal, aus welchen Gründen und gegen wen Krieg geführt wird. Er ist bereit, jeden Menschen aus jeder Gruppe zu töten. So, wie es ihm befohlen wird.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/567-das-auge-des-kriegers

 

Wilhelm von Sternburg: „Jüngers „In Stahlgewittern“ belegt er mit viel Lob, „von einer wohltuenden Sachlichkeit, präzise, ernst, stark und gewaltig“ ist die Rede, „ohne jedes Pathos“ gebe es „das verbissene Heldentum des Soldaten wieder“.“

Warum Erich Maria Remarque sich so geäußert hat, mag dahin gestellt sein. Was zählt, ist sein eigener Roman.

 

Zum Schluss

 

Das Schlusswort gehört Erich Maria Remarque: „Allmählich dürfen einige von uns aufstehen. Auch ich bekomme Krücken zum Herumhumpeln. Doch ich mache wenig Gebrauch davon; ich kann Alberts Blick nicht ertragen, wenn ich durchs Zimmer gehe. Er sieht mir immer mit so sonderbaren Augen nach. Deshalb entschlüpfe ich manchmal auf den Korridor - dort kann ich mich freier bewegen.

Im Stockwerk tiefer liegen Bauch- und Rückenmarkschüsse, Kopfschüsse und beiderseitig Amputierte. Rechts im Flügel Kieferschüsse, Gaskranke, Nasen-, Ohren- und Halsschüsse. Links im Flügel Blinde und Lungenschüsse, Beckenschüsse, Gelenkschüsse, Nierenschüsse, Hodenschüsse, Magenschüsse. Man sieht hier erst, wo ein Mensch überall getroffen werden kann.

Zwei Leute sterben an Wundstarrkrampf. Die Haut wird fahl, die Glieder erstarren, zuletzt leben - lange - nur noch die Augen. - Bei manchen Verletzten hängt das zerschossene Glied an einem Galgen frei in der Luft; unter die Wunde wird ein Becken gestellt, in das der Eiter tropft. Alle zwei oder drei Stunden wird das Gefäß geleert. Andere Leute liegen im Streckverband, mit schweren, herabziehenden Gewichten am Bett. Ich sehe Darmwunden, die ständig voll Kot sind. Der Schreiber des Arztes zeigt mir Röntgenaufnahmen von völlig zerschmetterten Hüftknochen, Knien und Schultern.

Man kann nicht begreifen, daß über so zerrissenen Leibern noch Menschengesichter sind, in denen das Leben seinen alltäglichen Fortgang nimmt. Und dabei ist es nur ein einziges Lagerlazarett, nur eine einzige Station - es gibt Hunderttausende in Deutschland, Hunderttausende in Frankreich, Hunderttausende in Rußland. Wie sinnlos ist alles, was je geschrieben, getan, gedacht wurde, wenn so etwas möglich ist! Es muß alles gelogen und belanglos sein, wenn die Kultur von Jahrtausenden nicht einmal verhindern konnte, daß diese Ströme von Blut vergossen wurden, daß diese Kerker der Qualen zu Hunderttausenden existieren. Erst das Lazarett zeigt, was der Krieg ist.

Ich bin jung, ich bin 20 Jahre alt; aber ich kenne vom Leben nichts anderes als die Verzweiflung, den Tod, die Angst und die Verkettung sinnlosester Oberflächlichkeit mit einem Abgrund des Leidens. Ich sehe, daß Völker gegeneinander getrieben werden und sich schweigend, unwissend, töricht, gehorsam, unschuldig töten. Ich sehe, daß die klügsten Gehirne der Welt Waffen und Worte erfinden, um das alles noch raffinierter und länger dauern zu machen. Und mit mir sehen das alle Menschen meines Alters hier und drüben, in der ganzen Welt, mit mir erlebt das meine Generation. Was werden unsere Väter tun, wenn wir einmal aufstehen und vor sie hintreten und Rechenschaft fordern? Was erwarten sie von uns, wenn eine Zeit kommt, wo kein Krieg ist? Jahre hindurch war unsere Beschäftigung Töten - es war unser erster Beruf im Dasein. Unser Wissen vom Leben beschränkt sich auf den Tod. Was soll danach noch geschehen? Und was soll aus uns werden?“

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

18. März – Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider

„Mission Klima-Glück!“ – Im neuen Wochenkommentar geht es diesmal um einen erfreulichen Blick in die Welt, wir präsentieren einige Nachwuchskabarettisten und beleuchten eine spezielle Corona-Nebenwirkung bei Politikern!

https://www.servustv.com/aktuelles/v/aamlu2c801ichb1rvbsh/

 

Katrin Göring-Eckardt: 2022 vs. 2023

https://www.youtube.com/watch?v=SWvmLFP1TkA

 

Louis Klamroth & Luisa Neubauer

https://www.youtube.com/watch?v=l9GDZQ0OibM

 

Dieter Nuhr vs. Dieter Nuhr

https://www.youtube.com/watch?v=GiGtn6QGQsM

 

Nach Impf-Hexenjagd – Wind dreht sich: Kimmich hatte Recht. Forderung nach Minister-Entschuldigung

https://www.youtube.com/watch?v=03LyzDql0SM

 

Ein Möchtegern Kanzler !!

https://www.youtube.com/watch?v=yyEuy1pA9_Y

 

LISA ECKHART ÜBER KONTAKTSCHULD - GRANDIOS!

https://www.bitchute.com/video/mNqzL8wWK7Jy/

 

"ERST GETÄUSCHT UND DANN GELOGEN" – KARL LAUTERBACH, DIE WAHRHEIT UND DOPPELMORAL

https://www.bitchute.com/video/RcGVRB6WFtU8/

 

Der Dom steht unter Wasser

https://www.youtube.com/watch?v=KryITqRgWTs

 

Uwe Steimle / Nummerngirl / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 99

https://www.youtube.com/watch?v=YTnNQHUrDV4

 

HallMack  Flucht aus Deutschland

https://www.frei3.de/post/1bf30eca-561c-4379-b139-d145e09b14f3

 

HallMack  Not macht erfinderisch

https://www.frei3.de/post/4c9a1538-36ba-43a7-b660-6db338dd976c