Hobsbawm

Vor zehn Jahren verstarb mit Eric Hobsbawm einer der bedeutendsten Historiker.

Da denkende Menschen schon immer mit Individuen zu tun hatten, die ausschließlich an sich und ihrem unmittelbaren Umfeld interessiert sind und ein völliges Desinteresse an geschichtlichen Vorgängen an den Tag legen, immer wieder auf dieselbe Propaganda reinfallen, immer wieder die Fehler vorangegangener Generationen wiederholen,  und dieser Asozialismus immer mehr um sich greift, tut es gut, zu lesen, was Eric Hobsbawm dazu schreibt.

Der Wurm zitiert aus Vorträgen und Aufsätzen, die unter dem Sammelband „Wieviel Geschichte braucht die Zukunft“ erschienen sind und aus seiner Autobiographie „Gefährliche Zeiten – Ein Leben im 20. Jahrhundert“.

 

Zur Person

 

Alexander Cammann: „Eric Hobsbawm wirbelte die Geschichtswissenschaft von links auf: Mit seinem Tod verliert die Welt einen bedeutenden kritischen Intellektuellen.

Aus Niederlagen klug zu werden, gehört zu den schwierigen Aufgaben jedes Intellektuellen. Der große deutsche Historiker Reinhart Koselleck hat einmal untersucht, wie Geschichtsschreibung von Siegern und von Verlierern funktioniert und dabei festgestellt, dass die Unterlegenen langfristig die weiseren und klügeren Deuter der Vergangenheit sind: "Die Erfahrung des Besiegtwerdens enthält Erkenntnischancen, die ihren Anlass überdauern."

Der große britische Historiker Eric Hobsbawm , der 95-jährig in der Nacht zu Montag in einem Londoner Krankenhaus einer Lungenentzündung erlag, war so ein kluger Verlierer – und hat übrigens Kosellecks Meinung darüber ausdrücklich geteilt. Zwei große Niederlagen hat er erleben müssen: Da wäre zum einen der Untergang der Weimarer Republik, den der junge Kommunist in Berliner Straßenkämpfen erlebte. Zum anderen war es der Untergang des Weltkommunismus 1989, den er als Zeuge in der Ferne miterleben musste. Zwar war da Hobsbawm längst zum aufgeklärten Marxisten geläutert, der mit den Parteimachthabern des Ostblocks nichts zu tun hatte – sein Parteibuch der britischen KP allerdings, der er seit 1936 trotz aller Kritik angehörte, behielt er bis zur Auflösung dieser Splitterpartei 1991, sei es aus Nostalgie, sei es aus Achtung vor einem Menschheitstraum.

Geboren wurde der wortmächtige Linksintellektuelle mit seinem eindrucksvollen Charakterkopf – zerknittertes Gesicht, wilde Haare, große Ohren, dicke Brille und Lippen – im ägyptischen Alexandria 1917 – auch so ein Epochenjahr des 20. Jahrhunderts, dem der Historiker später sein berühmtestes Buch – nach der Niederlage 1989 – Das Zeitalter der Extreme (1995) widmen sollte. Der Titel dieses Weltbestsellers wurde so geflügelt wie Hobsbawms Wort darin vom "kurzen 20. Jahrhundert". Damit meinte er jene Epoche zwischen 1917 und 1991, im Unterschied zum "langen 19. Jahrhundert", das für ihn 1789 begann und eben 1917 endete.

Dass ein Zeitzeuge die Geschichte seines Jahrhunderts aufschreibt, kommt selten vor. Für Hobsbawm selbst war es zunächst einfach die Fortsetzung seines wissenschaftlichen Hauptwerks: die Geschichte der kapitalistischen Welt, so wie sie seit der französischen Revolution entstanden war. Drei Bände hatte er darüber schon geschrieben: The Age of Revolution 1789-1848 (1962), The Age of Capital 1848-1875 (1975), The Age of Empire 1875-1914 (1987). Entscheidend war bei Hobsbawm stets die Verknüpfung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik im globalen Zusammenhang – doch anders als viele Sozialhistoriker, die vor lauter Statistiken den Leser vergessen, konnte Hobsbawm brillant und anschaulich schreiben; fast alle seine Bücher wurden auch ins Deutsche übersetzt. In jungen Jahren arbeitete er regelmäßig für diverse Zeitungen als Jazzkritiker; diese Musik blieb seine Leidenschaft.

Die akademische Karriere war auch im liberalen Großbritannien für einen Linken nicht einfach. Der Außenseiter, der von 1936 bis 1939 in Cambridge Geschichte studiert hatte, lehrte seit 1947 zunächst am Birkbeck College in London , erst 1971 bekam er die längst überfällige Professur. Da war er bereits gern gesehener Gast an den Universitäten in aller Welt; seit 1984 lehrte er an der New Yorker New School of Social Research. Profiliert hatte er sich bereits in den fünfziger Jahren als Mitgründer der renommierten Fachzeitschrift Past & Present , die die Geschichtswissenschaft von links aufwirbelte. Hobsbawm und andere, wie sein Kollege E.P Thompson, setzen die Erforschung von Arbeitern, Unterschichten und sozialer Rebellion auf die Tagesordnung. Und er widmete sich auch noch einem anderen Krisengebiet des Kapitalismus: der Entstehung des Nationalismus in all seinen gefährlichen Folgen.

An seinem Lebensende hatte dieser Außenseiter schließlich doch eine beeindruckende Karriere hinter sich: Hochgeehrt mit zahllosen Preisen in aller Welt war er zum vielleicht wichtigsten Historiker weltweit geworden – mit einer weltweit gehörten Stimme. Denn dieses Orakel aus London analysierte das Scheitern des bisherigen Kommunismus ebenso wie er den Kapitalismus weiterhin von links kritisierte – von seinem marxistischen Blick auf Geschichte und Gegenwart wollte dieser Historiker nie lassen. Noch seine kürzlich auf Deutsch erschienene Essaysammlung Wie man die Welt verändert vereint scharfsinnige Texte von ihm, die in seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit Marx und dem orthodoxen Marxismus entstanden.

Wer nach den Gründen von Hobsbawms unerschütterlichem Antikapitalismus fragt, stößt unweigerlich auf seine Jugend, die er in seiner lesenswerten Autobiografie Gefährliche Zeiten (deutsch 2002) geschildert hat. Nach dem frühen Tod seiner Eltern in Wien lebten er und seine Schwester seit 1931 bei Verwandten in Berlin ; der jüdische Schüler am Prinz-Heinrich-Gymnasium erlebt die Straßenschlachten zwischen Nazis und Kommunisten. Eric wurde Mitglied im Sozialistischen Schülerbund und erlebte begeistert die letzte kommunistische Demonstration im Januar 1933, bevor er im Frühjahr mit seiner Schwester nach England ging. Die Wirren der Weltwirtschaftskrise hatten ein demokratisches, zivilisiertes Land erst in Massenarmut und dann in den Abgrund gestürzt – die liberale kapitalistische Ordnung konnte fortan für Hobsbawm keine beruhigende Perspektive mehr sein; zu offensichtlich schien ihm der Kapitalismus stets gefährdet, in Barbarei zu kippen.

Dieser Meinung blieb er zeitlebens treu und sie war in den letzten Jahren wieder stärker gefragt, als die Finanz- und Wirtschaftskrise der Welt erneut die Risiken ihrer ökonomischen Ordnung vor Augen führte. Eric Hobsbawm war ein Mann, der tief aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts herstammte, als Kind des abenteuerlichen, gefährlichen Kontinents namens Europa : "ein Antispezialist in einer Welt voller Spezialisten, ein polyglotter Kosmopolit, ein Intellektueller, dessen politische Einstellung und akademische Arbeit sich den Nichtintellektuellen widmete". So hat er sich selbst einmal zutreffend charakterisiert. Mit ihm hat die Welt einen ihrer bedeutendsten kritischen Intellektuellen verloren, ewiger Rebell und gelehrte Instanz zugleich. Auch seinen Gegnern wird dieser Genosse fehlen.“

https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2012-10/historiker-hobsbawm-nachruf

 

Eric Hobsbawm war ein Salon-Marxist, der mit dem real existierenden Sozialismus und der Sowjetunion nicht viel zu tun hatte. Seine Welt waren diejenigen Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzten, von denen er einige in seiner Autobiographie liebevoll beschreibt. Neben Großbritannien war er vor allem mit Intellektuellen in Frankreich, Italien und den USA zugange, später auch in Spanien und den lateinamerikanischen Ländern.

Aus seiner Autobiographie: „In der Geschichte der revolutionären Bewegung des vergangenen Jahrhunderts gab es zwei „zehn Tage, die die Welt erschütterten“: die Tage der Oktoberrevolution, die in dem Buch von John Reed mit dem gleichnamigen Titel beschrieben wurden, und der XX. Parteitag der KPdSU (14.-25. Februar 1956). Beide Ereignisse teilen diese Geschichte abrupt und unwiderruflich in ein „Davor“ und ein „Danach“. Ich kenne kein vergleichbares Ereignis in der Geschichte einer bedeutenden weltanschaulichen oder politischen Bewegung. Um es in wenigen einfachen Worten auszudrücken, die Oktoberrevolution schuf eine weltkommunistische Bewegung, der XX. Parteitag zerstörte sie …

Was die große Masse ihrer Mitglieder verstörte, war die Tatsache, daß die bis zur Brutalität schonungslose Anprangerung der Untaten Stalins nicht von der „bürgerlichen Presse“ kam, deren Geschichten, wenn sie überhaupt gelesen wurden, von vornherein als Verleumdungen und Lügen zurückgewiesen werden konnten, sondern von Moskau selbst. Es war für loyale Gläubige unmöglich, die Informationen nicht zur Kenntnis zu nehmen, aber ebenso unmöglich zu wissen, was Sie daraus machen sollten. Selbst diejenigen, die „(im Hinblick auf die enthüllten Tatsachen) schon Jahre vor Chruschtschows Rede einen starken Verdacht gehegt hatten, … der auf eine moralische Gewißheit hinauslief“, waren erschüttert über das schiere Ausmaß der Massenmorde Stalins an Kommunisten, das ihnen bislang weitgehend verborgen geblieben war. (Von den anderen Opfern hatte Chruschtschow noch gar nicht gesprochen.) Und kein denkender Kommunist kam darum herum, sich einige ernsthafte Fragen zu stellen.“

 

Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart

 

„Alle menschlichen Wesen haben ein Bewusstsein von der Vergangenheit …, da sie mit Menschen zusammenleben, die älter sind als sie selbst.“

 

„Alle menschlichen Wesen und Gesellschaften sind mit der Vergangenheit verwurzelt - der ihre Angehörigen, Gemeinschaften, Nationen oder anderer Bezugsgruppen oder auch der ihrer persönlichen Erinnerung - und alle definieren ihren Ort, in dem sie sich positiv oder negativ auf sie beziehen.“

 

„Geschichte hat nichts mit Ahnengedenken oder kollektiver Überlieferung zu tun. Sie ist das, was Menschen von Priestern, Lehrern, den Autoren von Geschichtsbüchern und den Kompilatoren von Zeitschriftenaufsätzen und Fernsehprogrammen gelernt haben.“

 

„Der Vergangenheit werden wir nicht entgehen, genauer gesagt den Menschen, die sie aufzeichnen, auslegen, diskutieren und konstruieren. Unser Alltag, die Staaten, in denen, und die Regierungen, unter denen wir leben, sind umgeben und durchdrungen von den Erzeugnissen meines Berufs. Was in die Schulbücher und die Reden der Politiker über die Vergangenheit eingeht, das Material für Romanautoren und Produzenten von TV-Sendungen und Videos, stammt letztlich von Historikern. Mehr noch, die meisten und vor allem die guten Historiker wissen, dass sie bei der Erforschung der jüngeren und selbst der weit zurückliegenden Vergangenheit mit Gedanken und Meinungen operieren, die durch die Gegenwart und deren Probleme geprägt sind. Die Geschichte zu verstehen ist für normale Bürger ebenso wichtig wie für Fachleute …“

 

„Bürgerliche Emporkömmlinge wollen einen Stammbaum, neue Nationen oder Bewegungen ergänzen ihre eigene Geschichte durch Beispiele für Größe und Errungenschaften aus der Vergangenheit, soweit für ihr Empfinden die eigene Vergangenheit solcher Beispiele ermangelt - gleichgültig, ob dieses Empfinden berechtigt ist oder nicht.“

 

„Eine Gemeinschaft von Indianern kann ihren Anspruch auf gemeinschaftliches Land mit dessen Besitz seit urdenklichen Zeiten begründen oder mit der Erinnerung an den Besitz in der Vergangenheit (die sehr wahrscheinlich regelmäßig von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde) oder mit Urkunden oder Gerichtsentscheiden aus der Kolonialzeit, wobei die letzteren mit größter Sorgfalt aufbewahrt werden: Beide Formen haben einen Wert als Aufzeichnungen einer Vergangenheit, die als Norm für die Gegenwart aufgefaßt wird.“

 

„In einem genaueren Sinn beinhaltet der Prozeß der Anfertigung von Kommentaren zu alten Texten ewiger Gültigkeit oder der Entdeckung der spezifischen Nutzanwendungen einer ewigen Wahrheit ein Element der Chronologie (zum Beispiel die Suche nach Präzedenzfällen).  Es muss kaum eigens erwähnt werden, daß für eine Vielzahl von wirtschaftlichen, juristischen bürokratischen, politischen und rituellen Zwecken noch genauere Berechnungen der Chronologie erforderlich sein können, zumindest in Schriftgesellschaften, die darüber Aufzeichnungen führen können, einschließlich natürlich die Erfindung vorteilhafter und weit zurückliegender Musterbeispiele zu politischen Zwecken.“

 

„Denn wo unser Ort im Hinblick auf die Vergangenheit ist, welche Beziehungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestehen, das sind nicht nur Fragen von höchstem Interesse für alle, sie sind schlechterdings unerläßlich. Wir können gar nicht anders als unseren Ort im Kontinuum unseres eigenen Lebens und dem unserer Angehörigen und der Gruppen, denen wir zugehören, zu bestimmen. Wir kommen nicht umhin, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vergleichen: Dazu sind die Alben mit den Familienfotos oder die selbstgedrehten Videos vom Familienleben da. Wir können nicht anders, als daraus zu lernen, das ist es, was mit Erfahrung gemeint ist. Es kann sein, dass wir das Falsche lernen - und häufig passiert genau das -, aber wenn wir nicht lernen oder keine Gelegenheit dazu hatten oder wenn wir uns weigern, etwas aus jedweder Vergangenheit zu lernen, die für unseren Zweck relevant ist, dann sind wir im Extremfall geistig abnormal. „Gebranntes Kind scheut das Feuer“, sagt ein altes Sprichwort - wir verlassen uns darauf, daß das Kind aus der Vergangenheit lernt. Historiker sind die Datenspeicher der Erfahrung. In der Theorie macht die Vergangenheit - alles Vergangene, alles und jedes, was sich bis heute ereignet hat – die Geschichte aus. Ein großer Teil davon fällt nicht in die Domäne von Historikern, ein anderer Teil schon. Und soweit sie zur kollektiven Erinnerung der Vergangenheit beisteuern und sie konstituieren, müssen die Menschen in der gegenwärtigen Gesellschaft sich darauf verlassen.

Es geht nicht darum, ob sie das tun. Es geht darum, was sie sich genau von der Vergangenheit versprechen und ob es das ist, was die Historiker ihnen bieten sollten. Nehmen wir ein Beispiel, eine Art und Weise, von der Vergangenheit Gebrauch zu machen, die sich schwer definieren lässt, aber offenbar für wichtig gehalten wird. Eine Institution - sagen wir eine Universität - feiert ihr 75jähriges Bestehen. Warum eigentlich? Was - abgesehen von einem Gefühl des Stolzes oder einer Gelegenheit, sich ein paar angenehme Stunden zu machen, oder irgendwelchen anderen zufälligen Vorteilen - haben wir von solch einer Feier eines willkürlichen chronologischen Einschnitts in der Geschichte einer Institution? Wir brauchen Geschichte und machen von ihr Gebrauch, auch wenn wir nicht wissen warum.

Aber was kann uns die Geschichte über die gegenwärtige Gesellschaft sagen? Für den weitaus größeren Teil der menschlichen Vergangenheit - in Westeuropa sogar bis zum 18. Jahrhundert - nahm man an, daß sie uns sagen könne, wie diese, wie jede Gesellschaft funktionieren sollte. Die Vergangenheit war das Modell für die Gegenwart und die Zukunft. Für normale Zwecke stellte sie den Schlüssel zum genetischen Code dar, durch den jede Generation ihre Nachfolger reproduzierte und ihre Verhältnisse ordnete. Von daher erklärt sich die Bedeutung des Alten, das die Weisheit nicht nur im Sinn einer langen Erfahrung repräsentierte, sondern auch einer Erinnerung daran, wie die Dinge waren und wie sie getan wurden, und damit auch, wie sie getan werden sollten. Der Begriff „Senat“ als Bezeichnung für die erste Kammer des US Kongresses und anderer Parlamente bezeugt diese Annahme. In mancher Hinsicht ist das noch immer so, wie sich am Terminus des Präzedenzfalls in Rechtssystemen ablesen läßt, die auf dem Gewohnheitsrecht, das heißt im überlieferten Recht beruhen.“

 

„Warum, um eine Frage wieder aufzugreifen, die ich am Anfang gestellt habe, ist es für alle Regierungen wichtig, daß die Schüler ihres Landes sich im Unterricht mit Geschichte beschäftigen? Nicht, damit sie etwas über ihre Gesellschaft und deren Veränderungen lernen, sondern damit sie positiv zu ihr stehen, stolz darauf sind, damit sie gute Bürger der USA oder Spaniens oder Guatemalas oder des Iraks sind oder werden. Und dasselbe gilt von politischen Anliegen und Bewegungen. Geschichte als Mittel der Begeisterung und als Weltanschauung hat ihre eigene Tendenz, zu einem sich selbst rechtfertigenden Mythos zu verkommen. Nichts ist gefährlicher als solche Scheuklappen, wie die Geschichte moderner Nationen und Nationalismen beweist.“

 

„Denn die Geschichte ist der Rohstoff für nationalistische oder völkische oder fundamentalistische Ideologien, so wie Mohnpflanzen den Rohstoff für die Heroinsucht enthalten. Die Vergangenheit ist ein wesentliches Element, wenn nicht das wesentliche Element überhaupt in diesen Ideologien. Wenn es keine passende Vergangenheit gibt, lässt sie sich stets erfinden.“

 

„Der häufigste Mißbrauch der Geschichte zu ideologischen Zwecken beruht heute nicht auf Lügen, sondern auf Anachronismen. Der griechische Nationalismus verweigert heute der Republik Makedonien selbst das Recht auf diesen Namen mit der Begründung, ganz Makedonien sei durch und durch griechisch und ein Teil des griechischen Nationalstaats, vermutlich seit der Vater Alexanders des Großen, König Philipp von Makedonien, der Herrscher über die griechischen Länder auf der Balkanhalbinsel wurde. Wie alles über Makedonien Gesagte ist dies am allerwenigsten eine rein akademische Frage, aber für einen griechischen Intellektuellen gehört viel Mut dazu zu erklären, historisch sei diese Behauptung unsinnig.“

 

„Denn wenn die Gegenwart in irgendeiner Hinsicht unbefriedigend war, dann lieferte die Vergangenheit das Modell zu ihrer Wiederherstellung in einer befriedigenden Form. Die alte Zeit wurde - und wird häufig auch heute noch - definiert als die „gute“ alte Zeit, und dorthin sollte die Gesellschaft zurückkehren. Diese Auffassung ist noch immer sehr lebendig: Auf der ganzen Welt füllen Menschen und politische Bewegungen den Begriff der Utopie mit nostalgischem Inhalt: Sie ist faktisch die Rückkehr zur guten alten Moral, zur Religion der Väter, den Werten des kleinstädtischen Nordamerikas von 1900, dem Buchstabenglauben an die Bibel oder den Koran - die alte Dokumente sind – usw. Aber natürlich gibt es heute kaum Situationen, in denen eine Rückkehr in die Vergangenheit tatsächlich möglich ist oder auch nur möglich zu sein scheint. Sie ist entweder die Rückkehr zu etwas, was so weit entfernt liegt, daß es rekonstruiert werden muß, eine „Wiedergeburt“ oder „Renaissance“ des klassischen Altertums nach vielen Jahrhunderten der Vergessenheit - wie die Intellektuellen des 15. und 16. Jahrhunderts es sahen - oder wahrscheinlicher eine Rückkehr zu etwas, was es überhaupt nie gegeben hat, sondern eigens für den Zweck erfunden wurde. Der Zionismus oder überhaupt jeder moderne Nationalismus konnte unmöglich die Rückkehr zu einer verlorenen Vergangenheit sein, weil es jene Art von territorialen Nationalstaaten mit einer Organisation von der angestrebten Art vor dem 19. Jahrhundert einfach nicht gegeben hat. Er mußte eine revolutionäre Neuerung. Im Gewand einer Restauration sein. Er mußte die Geschichte, die er zu vollenden beanspruchte, überhaupt erst erfinden … Es ist das Geschäft der Historiker, solche Mythologien aufzudecken, wenn sie sich nicht damit begnügen wollen - und ich fürchte, die Verfasser von Nationalgeschichten haben dies oft getan -, die Handlanger von Ideologen zu sein. Das ist ein wichtiger, wenngleich negativer Beitrag der Geschichte zum Thema gegenwärtige Gesellschaft.“

 

Soziale Ungerechtigkeit muss immer noch angeprangert und bekämpft werden

 

„Regierungen, die Wirtschaft, Schulen, alles in der Gesellschaft ist nicht für die privilegierten Minderheiten da. Wir können uns um uns selber kümmern. Es ist für die einfachen Menschen da, die nicht überdurchschnittlich intelligent oder interessant sind (es sei denn, wir verlieben uns in einen von ihnen), nicht übermäßig gebildet, erfolgreich oder für den Erfolg bestimmt - kurzum für Menschen, die nichts Besonderes sind. Es ist für die Menschen da, die schon früher in die Geschichte außerhalb ihrer nächsten Umgebung als Individuen nur in den Geburts-, Hochzeits- und Sterberegistern Eingang gefunden haben. Jede lebenswerte Gesellschaft ist auf sie zugeschnitten, nicht auf die Reichen, die Cleveren, die Ausnahmeerscheinungen, auch wenn jede Gesellschaft, die lebenswert ist, Platz und Raum für solche Minderheiten vorsehen muß. Doch die Welt ist nicht zu unserem persönlichen Vorteil gemacht, und wir sind nicht zu unserem persönlichen Vorteil auf der Welt. Eine Welt, die dies zu ihrem Zweck erklärt, ist keine gute Welt und sollte keine Welt von Dauer sein.“

 

„Wie ein havarierter Riesentanker, der auf ein Riff zusteuerte, trieb eine führerlose Sowjetunion ihrer Auflösung entgegen. Schließlich ging sie unter. Und die Verlierer waren kurz- und mittelfristig nicht nur die Völker der ehemaligen UdSSR, sondern die Armen der Welt.

„Der Kapitalismus und die Reichen haben vorläufig aufgehört, sich weiter zu ängstigen“, schrieb ich 1990. „Warum sollten sich die Reichen, vor allem in Ländern wie dem unseren, wo sie sich jetzt in Ungerechtigkeit und Ungleichheit sonnen, über irgend jemanden außer sich selbst den Kopf zerbrechen? Welche politischen Strafen haben sie zu befürchten, wenn sie zulassen, dass der Wohlstand untergraben wird und der Schutz derjenigen, die ihn nötig haben, dahinschwindet? Das ist die hauptsächliche Wirkung des Verschwindens selbst einer sehr mangelhaften sozialistischen Region von der Erde.“

Zehn Jahre nach dem Ende der UdSSR kann es sein, daß die Angst zurückgekehrt ist. Die Reichen und die Regierungen, die sie von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt haben, werden vielleicht wieder entdecken, daß die Armen Zugeständnisse statt Verachtung brauchen. Doch dank der Schwächung des sozialdemokratischen Konsenses und des Zerfalls des Kommunismus kommt die Gefahr heute von den Feinden der Vernunft: religiöse und ethnisch-tribale Fundamentalisten, Fremdenhasser, zu denen auch die Erben des Faschismus oder vom Faschismus inspirierte Parteien gehören, die in den Regierungen Indiens, Israels und Italiens sitzen. Es ist eine der vielen Ironien der Geschichte, daß nach einem halben Jahrhundert des antikommunistischen Kalten Kriegs die einzigen Feinde der Regierung in Washington, die tatsächlich ihre Bürger auf US-Territorium getötet haben, ihre eigenen ultrarechten Fanatiker und militante fundamentalistische sunnitische Muslime sind, die einmal bewußt von der „freien Welt“ für den Kampf gegen die Sowjets finanziert wurden. Vielleicht wird die Welt es noch einmal bedauern, dass es sich angesichts Rosa Luxemburgs Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ gegen den Sozialismus entschieden hat.“

 

Aus „Das Zeitalter der Extreme – Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts“: „Wenn diese Jahrzehnte nämlich etwas bewiesen haben, dann, daß das größte politische Problem der Welt - ganz gewiß der entwickelten Welt - nicht das war, wie man den Wohlstand der Nationen mehren könnte, sondern vielmehr, wie man ihn zum Wohle der Bürger umverteilen sollte. Selbst in den armen „Entwicklungsländern“, die mehr Wirtschaftswachstum brauchen, gab es dieses Problem. Brasilien, ein Monument der sozialen Mißachtung, hatte 1939 ein Bruttosozialprodukt vorzuweisen, das pro Kopf fast zweieinhalb Mal höher war als das von Sri Lanka, Ende der achtziger Jahre sechsmal höher. Aber in Sri Lanka, wo Grundnahrungsmittel subventioniert waren und Ausbildung wie Gesundheitsvorsorge bis in die späten siebziger Jahre kostenlos angeboten wurden, hatte das durchschnittliche Neugeborene eine um mehrere Jahre längere Lebenserwartung als in Brasilien, und die Sterblichkeitsrate unter Kindern war 1969 nur halb so hoch und 1989 ein Drittel so hoch wie die brasilianische. Der Prozentsatz von Analphabeten war 1989 in Brasilien nahezu doppelt so hoch wie auf der asiatischen Insel.

Soziale Umverteilung und nicht so sehr Wachstum wird die Politik des neuen Jahrtausends bestimmen. Die marktunabhängige Zuteilung von Ressourcen, oder zumindest eine scharfe Beschränkung der marktwirtschaftlichen Verteilung, wird unumgänglich sein, um der drohenden ökologischen Krise die Spitze zu nehmen. Und auf die eine oder andere Weise wird das Schicksal der Menschheit im neuen Jahrtausend vom Wiederaufbau der öffentlichen Institutionen abhängig sein.“

 

„Doch wir wollen nicht die Hände in den Schoß legen, auch nicht in unbefriedigenden Zeiten. Soziale Ungerechtigkeit muss immer noch angeprangert und bekämpft werden. Von selbst wird die Welt nicht besser.“

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

1. Oktober – Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider

„Wir haben die Botschaft verstanden!“ - Im neuen Wochenkommentar geht es diesmal um die Wahlen in Tirol und Italien, um die Pipeline-Anschläge in der Ostsee und wir schauen, wie effektiv die Regierung Inflation und Teuerung bekämpft!

https://www.servustv.com/aktuelles/v/aacqufckvqzrvqyueaza/

 

Personalmangel | Alles muss man selber machen…lassen | Strippenzieher

https://test.rtde.tech/programme/strippenzieher/150235-personalmangel-alles-muss-man-selber/

 

Ampel-Regierung & Saudi-Arabien

https://www.youtube.com/watch?v=KfWJPqiIN9A

 

Buschmanns Ankündigungen

https://www.youtube.com/watch?v=QEku3RZWw_M

 

Simone Solga: Vom Olaf durchgewummst | Folge 56

https://www.youtube.com/watch?v=xmsSECS7kJI

 

PROF.JEFFREY SACHS SAGT LAUT, WAS ALLE DENKEN

https://www.bitchute.com/video/DGxWzQTQGvt5/

 

Ostsee brodelt / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 77

https://www.youtube.com/watch?v=rdEq9cELxBM

 

HallMack Hyperinflation 1923 & 2023

https://www.frei3.de/post/b578966a-af21-4775-8fa4-8f09ec0d1a92

 

HallMack Aktuelle Kamera 4

https://www.frei3.de/post/2d616bd2-1d43-4a90-bbca-9748718b478f